Beschluss vom 22.11.2022 -
BVerwG 9 BN 3.22ECLI:DE:BVerwG:2022:221122B9BN3.22.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 22.11.2022 - 9 BN 3.22 - [ECLI:DE:BVerwG:2022:221122B9BN3.22.0]

Beschluss

BVerwG 9 BN 3.22

  • VGH Kassel - 18.05.2022 - AZ: 5 C 2869/19.N

In der Normenkontrollsache hat der 9. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 22. November 2022
durch die Vorsitzende Richterin am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Bick, den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Martini und
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Sieveking
beschlossen:

  1. Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluss des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 18. Mai 2022 wird zurückgewiesen.
  2. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  3. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 5 000 € festgesetzt.

Gründe

1 Die zulässige Beschwerde ist unbegründet.

2 I. Sie ist nicht nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen.

3 Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nur, wenn für die angefochtene Entscheidung der Vorinstanz eine konkrete, fallübergreifende und bislang ungeklärte Rechtsfrage des revisiblen Rechts von Bedeutung war, deren Klärung im Revisionsverfahren zu erwarten ist und zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder zur Weiterentwicklung des Rechts geboten erscheint.

4 Dies zugrunde gelegt, verleiht die von der Antragsgegnerin aufgeworfene Frage,
ob eine Satzungsbestimmung, welche die Abrechnungsgebiete in einer Karte dahingehend bestimmt, dass sämtliche in das Abrechnungsgebiet der Satzung über die Erhebung wiederkehrender Straßenbeiträge fallenden Grundstücke farblich gekennzeichnet sind, dem Bestimmtheitserfordernis genügt bzw.
ob in einer Satzung über die Erhebung wiederkehrender Straßenbeiträge zur hinreichenden Bestimmtheit eines Abrechnungsgebiets die Angabe gehört, welche Verkehrsanlagen zu dem Abrechnungsgebiet gehören, und ob die Angabe, welche Grundstücke zum Abrechnungsgebiet gehören, alleine nicht reicht,
der Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung. Denn es handelt sich nicht um eine fallübergreifende Frage des revisiblen Rechts.

5 Nach dem bundesverfassungsrechtlichen Gebot hinreichender Bestimmtheit, das sich aus dem in Art. 20 Abs. 3 und Art. 28 Abs. 1 Satz 1 GG verankerten Rechtsstaatsprinzip ergibt, sind gesetzliche Tatbestände so zu fassen, dass die Betroffenen die Rechtslage erkennen und ihr Verhalten daran ausrichten können. Welche Anforderungen an die Bestimmtheit zu stellen sind, lässt sich indes nicht generell und abstrakt festlegen, sondern hängt auch von der Eigenart des Regelungsgegenstands und dem Zweck der betroffenen Norm ab sowie davon, in welchem Ausmaß Grundrechte betroffen sind. Auch für öffentlich-rechtliche Abgaben gelten keine einheitlichen, generell-abstrakt formulierbaren Anforderungen an die hinreichende Bestimmtheit des Gesetzes; vielmehr kommt es auch hier auf die Eigenart des geregelten Sachbereichs und das Betroffensein von Grundrechten an (BVerfG, Beschluss vom 17. Juli 2003 - 2 BvL 1/99 u. a. - BVerfGE 108, 186 <234 f.> m. w. N.).

6 Ob Satzungen wie die der Antragsgegnerin, soweit sie Angaben zu den Grundstücken, nicht aber zu den Verkehrsanlagen enthalten, die zum Abrechnungsgebiet gehören, den Anforderungen des Bestimmtheitsgebots genügen, ist daher eine Frage des Einzelfalls, deren Beantwortung maßgeblich von der Eigenart des landesrechtlich geregelten Sachbereichs der wiederkehrenden Straßenbeiträge abhängt. Dass der Inhalt des revisiblen bundesverfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgebots selbst einer weitergehenden fallübergreifenden Klärung zugänglich wäre, zeigt die Antragsgegnerin nicht auf.

7 Soweit die Antragsgegnerin die Ansicht des Verwaltungsgerichtshofs, eine hinreichend bestimmte Satzung müsse eindeutig erkennen lassen, welche Verkehrsanlagen vom Abrechnungsgebiet umfasst seien, unter Hinweis auf § 11a Abs. 2b des hessischen Kommunalabgabengesetzes kritisiert, ist dies eine Frage des nicht revisiblen Landesrechts. Abgesehen davon reicht der Hinweis auf eine fehlerhafte Rechtsanwendung für eine den Anforderungen von § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO entsprechende Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung einer Rechtssache nicht aus (stRspr, vgl. etwa BVerwG, Beschluss vom 19. August 1997 - 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 <n. F.> Nr. 26 S. 14).

8 II. Die Revision ist auch nicht nach § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO wegen eines Verfahrensmangels zuzulassen.

9 Die Antragsgegnerin macht geltend, es handele sich bei dem Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs, der auf den 19. Mai 2022 datiere, aber bereits am 18. Mai 2022 zugestellt worden sei, nicht um eine ordnungsgemäß zustande gekommene Entscheidung, sondern lediglich um einen Entscheidungsentwurf. Ein Verfahrensmangel, auf dem die Entscheidung beruhen könnte, liegt insoweit jedoch nicht vor.

10 Wie aus dem vom Vorsitzenden des zuständigen Senats des Verwaltungsgerichtshofs verfügten Schreiben an die Beteiligten vom 19. Juli 2022 hervorgeht und anhand der Akten des Normenkontrollgerichts nachvollziehbar ist, trug der Beschluss zwar ursprünglich das Datum 19. Mai 2022. Er wurde aber von allen Richtern bereits am 18. Mai 2022 unterschrieben. Das Datum wurde dementsprechend auf dem unterschriebenen Original des Beschlusses handschriftlich auf den 18. Mai 2022 abgeändert. Aufgrund eines Versehens der Geschäftsstelle wurde die handschriftliche Datumsänderung nicht in die noch am 18. Mai 2022 an die Beteiligten versandten Ausfertigungen übernommen, so dass diese irrtümlich das Datum 19. Mai 2022 trugen.

11 Einen Verfahrensmangel, der die Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO rechtfertigen könnte, begründet dies jedoch schon deshalb nicht, weil der Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs darauf nicht beruhen kann. Denn der Fehler ist der Geschäftsstelle erst nach Beschlussfassung des Gerichts unterlaufen und kann diese daher nicht beeinflusst haben.

12 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1 und 3 sowie § 52 Abs. 2 GKG.