Urteil vom 25.02.2025 -
BVerwG 5 C 4.23ECLI:DE:BVerwG:2025:250225U5C4.23.0
Kostenerstattungsanspruch des Jugendhilfeträgers bei Identität von Pflegestellenort und Einrichtungsort
Leitsätze:
1. Führt die Anwendung von § 89a Abs. 3 SGB VIII zu einer Vereinigung der Erstattungsberechtigung des örtlich zuständigen Pflegestellenorts und der Schuldnerstellung des Erstattungsanspruchs in einem Rechtssubjekt (Träger), ist eine Kostenerstattung für den Zeitraum der Vereinigung wegen Konfusion ausgeschlossen.
2. Der Begriff der "Zuständigkeit" im Sinne von § 89e Abs. 1 Satz 1 SGB VIII erfasst nicht die fiktive örtliche Zuständigkeit im Sinne des § 89a Abs. 3 SGB VIII.
3. Ein Erstattungsanspruch nach § 89e Abs. 1 Satz 1 SGB VIII analog steht einem Träger der öffentlichen Jugendhilfe, der nach dem Aufenthaltsort der Pflegeperson tatsächlich örtlich zuständig geworden ist (§ 86 Abs. 6 SGB VIII), auch dann zu, wenn dieser Pflegestellenort später infolge von § 89a Abs. 3 SGB VIII den Erstattungsanspruch nach § 89a Abs. 1 SGB VIII wegen Konfusion verliert, aber zugleich im Sinne des § 89a Abs. 3 SGB VIII fiktiv wegen des gewöhnlichen Aufenthalts der Eltern, eines Elternteils, des Kindes oder des Jugendlichen nach § 89e Abs. 1 Satz 1 SGB VIII als Einrichtungsort örtlich zuständig wäre (Fall der Identität von Pflegestellenort und Einrichtungsort).
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Rechtsquellen
SGB VIII § 86 Abs. 6, § 89a Abs. 1 und 3, § 89e Abs. 1 -
Instanzenzug
VG Hamburg - 22.10.2021 - AZ: 13 K 5905/19
OVG Hamburg - 12.04.2023 - AZ: 4 Bf 139/22
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Zitiervorschlag
BVerwG, Urteil vom 25.02.2025 - 5 C 4.23 - [ECLI:DE:BVerwG:2025:250225U5C4.23.0]
Urteil
BVerwG 5 C 4.23
- VG Hamburg - 22.10.2021 - AZ: 13 K 5905/19
- OVG Hamburg - 12.04.2023 - AZ: 4 Bf 139/22
In der Verwaltungsstreitsache hat der 5. Senat des Bundesverwaltungsgerichts am 25. Februar 2025 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Störmer, die Richterinnen am Bundesverwaltungsgericht Stengelhofen-Weiß und Dr. Harms sowie die Richter am Bundesverwaltungsgericht Holtbrügge und Preisner ohne mündliche Verhandlung für Recht erkannt:
- Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Hamburgischen Oberverwaltungsgerichts vom 12. April 2023 wird zurückgewiesen.
- Die Beklagte trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.
Gründe
I
1 Die Beteiligten streiten über die Erstattung von Kosten, die der Kläger für Hilfeleistungen in Form der Vollzeitpflege eines Kindes aufgewendet hat.
2 Das betreffende Kind, das am 18. Juli 2000 geboren wurde, lebte zunächst bei seiner Mutter im Zuständigkeitsbereich der Beklagten, in dem auch der Vater ab dem Jahr 2001 durchgehend seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte. Das Familiengericht entzog im Juli 2007 dem Vater das Sorgerecht vollständig und der Mutter in den Bereichen Aufenthaltsbestimmungsrecht, Erziehungsrecht und Gesundheitsfürsorge und übertrug es auf das Jugendamt. Seit April 2007 und bis zu seiner Volljährigkeit lebte das Kind bei seinem im klagenden Landkreis lebenden Onkel und Pflegevater. Die Beklagte bewilligte hierfür Hilfeleistungen in Form der Vollzeitpflege nach den §§ 27, 33 SGB VIII. Zum 1. Dezember 2009 übernahm auf Antrag der Beklagten der Kläger den Hilfefall.
3 Die Mutter fand am 17. März 2010 als Wachkomapatientin Aufnahme in einem im klagenden Landkreis gelegenen Pflegeheim, in dem sie bis zum Ende des Leistungszeitraums im Jahr 2018 verblieb. Mit Beschluss vom 27. September 2010 stellte das Familiengericht das Ruhen ihres Sorgerechts fest und bestellte den bisherigen Pflegevater zum Vormund. Die Beklagte erstattete zunächst alle weiteren Kosten der Jugendhilfe bis einschließlich September 2014.
4 Mit Schreiben vom 12. Juni 2017 machte der Kläger einen Erstattungsanspruch gegenüber der Beklagten für den Zeitraum vom 1. Oktober 2014 bis zum 31. Mai 2017 geltend, den die Beklagte ablehnte. Mit Bescheid vom 16. August 2018 beendete der Kläger die Hilfe zur Erziehung in Form der Vollzeitpflege wegen Erreichens der Volljährigkeit mit Ablauf des 17. Juli 2018. Mit interner Kostenberechnung vom 28. Juni 2019 berechnete er Gesamtkosten für den Zeitraum vom 1. Oktober 2014 bis zum 17. Juli 2018 in Höhe von 39 655,48 €.
5 Auf die sodann erhobene Leistungsklage hat das Verwaltungsgericht die Beklagte zur Zahlung des vorgenannten Betrages an den Kläger verurteilt. Die hiergegen erhobene Berufung blieb vor dem Oberverwaltungsgericht erfolglos. Dem Kläger stehe ein Kostenerstattungsanspruch in analoger Anwendung von § 89e SGB VIII zu.
6 Dem tritt die Beklagte mit ihrer vom Oberverwaltungsgericht zugelassenen Revision entgegen. Das Oberverwaltungsgericht nehme fälschlicherweise an, dass der Gesetzgeber keine ausdrückliche Regelung getroffen habe für die vorliegende Konstellation, in der sich die "hypothetische" örtliche Zuständigkeit wegen der Aufnahme eines Kindes in eine Pflegefamilie gemäß § 86 Abs. 6, § 89a Abs. 1 und 3 SGB VIII nach § 86 Abs. 1 bis 5 SGB VIII richte und zugleich der sorgeberechtigte und mithin nach § 86 Abs. 1 bis 5 SGB VIII maßgebliche Elternteil in eine Pflegeeinrichtung im Sinne des § 89e SGB VIII verziehe. Eine planwidrige Regelungslücke bestehe daher nicht. Aus dem besonderen Schutz der Einrichtungsorte folge nicht, dass es in jeder denkbaren Konstellation und insbesondere in vorliegendem Fall einer analogen Anwendung des § 89e Abs. 1 SGB VIII bedürfe. Des Weiteren habe der Kläger im vorliegenden Fall die Möglichkeit, einen Erstattungsanspruch gemäß § 89e Abs. 2 SGB VIII gegen das Land als überörtlichen Träger geltend zu machen. Das Oberverwaltungsgericht verkenne letztlich auch, dass nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung der Zweck des § 89a Abs. 1 SGB VIII nicht dahin gehe, die Pflegestellenorte in allen Fällen von den Kosten freizustellen. Anderes könnte nur angenommen werden, wenn der Gesetzgeber eine entsprechende Regelung getroffen hätte, wonach sich der Pflegestellenort, sofern kein (anderer) örtlicher Träger kostenerstattungspflichtig ist, immer an den überörtlichen Träger halten könne. Eine solche Regelung habe der Gesetzgeber jedoch in § 89a SGB VIII gerade nicht vorgesehen, während er in § 89b Abs. 2, § 89c Abs. 2 und § 89e Abs. 2 SGB VIII ausdrücklich normiert habe, dass in den dortigen Fällen die Kosten vom überörtlichen Träger zu erstatten seien, wenn ein kostenerstattungspflichtiger örtlicher Träger nicht vorhanden sei. Daraus sei zu schließen, dass der Gesetzgeber die Problematik der (hilfsweisen) Inanspruchnahme des überörtlichen Trägers auch im Bereich der Pflegestellenorte gesehen habe, dort aber eine andere, diese nicht umfassend absichernde (bzw. von Kosten freistellende) Regelung getroffen habe.
7 Der Kläger verteidigt das angegriffene Urteil.
II
8 Die zulässige Revision der Beklagten, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten nach § 101 Abs. 2, § 125 Abs. 1 Satz 1, § 141 Satz 1 VwGO ohne mündliche Verhandlung entscheiden kann, ist unbegründet. Das Oberverwaltungsgericht hat ohne Verstoß gegen Bundesrecht entschieden, dass dem Kläger gegen die Beklagte ein Kostenerstattungsanspruch in der geltend gemachten Höhe auf der Grundlage einer analogen Anwendung des § 89e Abs. 1 Satz 1 des Achten Buches Sozialgesetzbuch - Kinder- und Jugendhilfe – (SGB VIII) i. d. F. der Bekanntmachung vom 11. September 2012 (BGBl. I S. 2022) zusteht.
9 Gegenstand auch des Revisionsverfahrens ist der Erstattungsanspruch des Klägers für Hilfeleistungen in Form der Vollzeitpflege nach den §§ 27, 33 SGB VIII, die er für das betreffende Kind im Zeitraum vom 1. Oktober 2014 bis zum 17. Juli 2018 in - zwischen den Beteiligten nicht strittiger - Höhe von 39 655,48 € aufgewendet hat. Der Kläger kann von der Beklagten diesen Betrag zwar weder auf der Grundlage einer direkten oder analogen Anwendung des § 89a SGB VIII (1.) noch unter direkter Heranziehung des § 89e Abs. 1 Satz 1 SGB VIII verlangen (2.). Sein Erstattungsbegehren erweist sich allerdings infolge einer analogen Anwendung des § 89e Abs. 1 Satz 1 SGB VIII als begründet (3.).
10 1. Ein Erstattungsanspruch des Klägers für den hier maßgeblichen Zeitraum kann der auf den Schutz der Pflegestellenorte bezogenen Vorschrift des § 89a SGB VIII insgesamt weder in direkter noch analoger Anwendung entnommen werden, seitdem der Kläger im März 2010 nicht mehr nur als Leistungsträger nach § 86 Abs. 6 SGB VIII örtlich zuständig war, sondern auch ohne dessen Anwendung fiktiv nach Maßgabe des § 86 Abs. 1 bis 5 SGB VIII örtlich zuständig gewesen wäre.
11 Nach § 89a Abs. 1 Satz 1 SGB VIII sind Kosten, die ein örtlicher Träger aufgrund einer Zuständigkeit nach § 86 Abs. 6 SGB VIII aufgewendet hat, von dem örtlichen Träger zu erstatten, der zuvor zuständig war oder gewesen wäre. Das Oberverwaltungsgericht hat zutreffend ausgeführt, dass zum Jahresende 2009 die örtliche Zuständigkeit als Leistungserbringer von der Beklagten, die zuvor nach § 86 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII zuständig war, auf den Kläger als Pflegestellenort nach § 86 Abs. 6 Satz 1 SGB VIII übergegangen war. Der danach bestehende Erstattungsanspruch des Klägers gegen die Beklagte nach § 89a Abs. 1 Satz 1 SGB VIII ist allerdings - ohne später wieder aufzuleben - ab dem 17. März 2010 unterbrochen worden, nachdem die Mutter des Kindes ihren gewöhnlichen Aufenthalt in den Bereich des Klägers verlegte, während der Vater in H. verblieb.
12 Die Folgen dieser Aufenthaltsveränderung beurteilen sich nach § 89a Abs. 3 SGB VIII. Dies führt zu einem zeitweiligen Ausschluss des Erstattungsanspruchs des Klägers gegen die Beklagte (a), der auch nicht durch das nachfolgend angeordnete Ruhen des Sorgerechts der Mutter beendet worden ist (b). Eine analoge Anwendung des § 89a Abs. 2 oder 3 SGB VIII scheidet aus (c).
13 a) Nach § 89a Abs. 3 SGB VIII wird der örtliche Träger kostenerstattungspflichtig, der ohne Anwendung des § 86 Abs. 6 SGB VIII örtlich zuständig geworden wäre, wenn sich während der Gewährung der Leistung nach Absatz 1 der für die örtliche Zuständigkeit nach § 86 Abs. 1 bis 5 SGB VIII maßgebliche gewöhnliche Aufenthalt ändert. Die Anwendung dieser Vorschrift führt dazu, dass ab dem 17. März 2010 die Erstattungsberechtigung des örtlich zuständigen Pflegestellenorts und die Schuldnerstellung des Erstattungsanspruchs beim Kläger zusammengefallen sind, so dass der Anspruch für die Dauer der Vereinigung ausgeschlossen ist. In einem solchen Fall endet zugleich der von § 89a SGB VIII bezweckte Schutz des Pflegestellenorts, weshalb es dann im Übrigen - entgegen der Auffassung des Oberverwaltungsgerichts - auch an einem Anknüpfungspunkt für die Annahme fehlt, der Schutz des Pflegestellenorts (§ 89a SGB VIII) und der Schutz des Einrichtungsorts (§ 89e SGB VIII) seien in irgendeiner Weise miteinander zu kombinieren.
14 (1) § 89a Abs. 3 SGB VIII begründet einen von § 89a Abs. 1 SGB VIII unabhängigen Kostenerstattungsanspruch (vgl. BVerwG, Urteil vom 13. Dezember 2012 - 5 C 25.11 - BVerwGE 145, 257 Rn. 18) des örtlich zuständigen Pflegestellenorts, der an eine Änderung des maßgeblichen Aufenthaltsorts der Eltern oder des Kindes während der Gewährung von Leistungen nach § 89a Abs. 1 SGB VIII anknüpft. Vor dem hier in Rede stehenden Zeitpunkt hat der Kläger derartige Leistungen gewährt, nämlich solche in Form der Vollzeitpflege nach den §§ 27, 33 SGB VIII durch Unterbringung in einer anderen Familie, die er aufgrund seiner örtlichen Zuständigkeit nach § 86 Abs. 6 Satz 1 SGB VIII zu erbringen hatte. Während dieser Leistungserbringung hat sich auch der für die örtliche Zuständigkeit nach § 86 Abs. 1 bis 5 SGB VIII maßgebliche gewöhnliche Aufenthalt geändert, weil die Eltern des Kindes nach Beginn der Leistungserbringung durch die Beklagte infolge des Umzugs der damals jedenfalls noch teilweise sorgeberechtigten Mutter am 17. März 2010 verschiedene gewöhnliche Aufenthaltsorte begründet haben (§ 86 Abs. 5 Satz 1 SGB VIII). Auf der Rechtsfolgenseite bewirkt § 89a Abs. 3 SGB VIII zugunsten des Pflegestellenorts eine Kostenerstattungspflicht desjenigen örtlichen Trägers, der ohne die Anwendung des § 86 Abs. 6 SGB VIII, also nach den Bestimmungen § 86 Abs. 1 bis 5 SGB VIII fiktiv zuständig geworden wäre. Das ist hier der Kläger selbst, weil er bei Anwendung des § 86 Abs. 5 Satz 1 SGB VIII infolge des Umzugs der Mutter des Kindes in seinen Bereich fiktiv für die Leistungen örtlich zuständig geworden wäre.
15 (2) § 89a Abs. 3 SGB VIII setzt allerdings schon nach dem Plan des Gesetzgebers voraus, dass es sich bei dem Pflegestellenort nach § 86 Abs. 6 SGB VIII und dem nach § 86 Abs. 1 bis 5 SGB VIII fiktiv örtlich zuständigen Träger um verschiedene Träger handelt (BVerwG, Urteile vom 14. November 2013 - 5 C 25.12 - Buchholz 436.511 § 89a SGB VIII Nr. 10 Rn. 32 und - 5 C 31.12 - Buchholz 436.511 § 89a SGB VIII Nr. 9 Rn. 35, 48). Das bedeutet, dass ein solcher Erstattungsanspruch dann nicht besteht, wenn die Anwendung des § 89a Abs. 3 SGB VIII zu einer Vereinigung der Erstattungsberechtigung des örtlich zuständigen Pflegestellenorts und der Schuldnerstellung des Erstattungsanspruchs in einem Rechtssubjekt (Träger) führt. Dies ergibt sich zudem aus allgemeinen bürgerlich-rechtlichen Grundsätzen, die auch im öffentlichen Recht Geltung beanspruchen, und nach denen ein Anspruch nicht gegen sich selbst entstehen oder bestehen kann (vgl. zu § 89a Abs. 2 SGB VIII: BVerwG, Urteile vom 14. November 2013 - 5 C 25.12 - Buchholz 436.511 § 89a SGB VIII Nr. 10 Rn. 16 und - 5 C 31.12 - Buchholz 436.511 § 89a SGB VIII Nr. 9 Rn. 17).
16 Gleichwohl führt eine derartige Vereinigung von Gläubiger- und Schuldnerstellung nicht zu einem endgültigen Erlöschen des Erstattungsanspruchs des Pflegestellenorts. Vielmehr ist für ihren Zeitraum lediglich eine Kostenerstattung ausgeschlossen (so auch Kunkel/Pattar, in: Kunkel/Kepert/Pattar, SGB VIII, 8. Aufl. 2022, § 89a Rn. 3, 18). Auch im Zivilrecht ist anerkannt, dass ein Untergang des Anspruchs infolge einer Konfusion dann nicht eintritt, wenn dem gesetzliche Vorschriften entgegenstehen oder dies mit Rücksicht auf die Interessenlage des Gläubigers oder eines Dritten geboten ist (vgl. nur Dennhardt, in: Hau/Poseck, BeckOK BGB, Stand Februar 2025, § 362 BGB Rn. 7 m. w. N.). Vorliegend ist zu berücksichtigen, dass § 89a Abs. 3 SGB VIII grundsätzlich nichts an dem von § 89a Abs. 1 und 2 SGB VIII bezweckten Schutz der Pflegestellenorte ändern will. Der Zweck geht zwar nicht dahin, den Pflegestellenort in allen Fällen von den Kosten freizustellen (vgl. BVerwG, Urteil vom 14. November 2013 - 5 C 31.12 - Buchholz 436.511 § 89a SGB VIII Nr. 9 Rn. 27 f.), zumal die Trägerverschiedenheit nach dem Willen des Gesetzgebers gerade Voraussetzung des Erstattungsanspruchs sein soll. Allerdings ist nicht erkennbar, warum dieser auch in den Fällen entfallen sollte, in denen nach Eintritt der Konfusion wiederum eine andere fiktive örtliche Zuständigkeit begründet und damit in Anwendung des § 89a Abs. 3 SGB VIII die Trägerverschiedenheit wiederhergestellt wird (etwa durch einen erneuten Umzug der maßgeblichen Person in den Zuständigkeitsbereich eines anderen Trägers). Eine Intention des Gesetzgebers, die Kostenerstattung über den Zeitraum einer Konfusion hinaus endgültig entfallen zu lassen und insofern den Schutz der Pflegestellenorte durch § 89a SGB VIII zu beenden, lässt sich auch den Gesetzesmaterialien (vgl. BT-Drs. 12/3711 S. 45) nicht entnehmen.
17 b) Eine erneute Änderung der fiktiven örtlichen Zuständigkeit im Sinne von § 89a Abs. 3 SGB VIII, welche die bei dem Kläger vorliegende Vereinigung der Erstattungsberechtigung des leistungszuständigen Pflegestellenorts und der Schuldnerstellung des Kostenerstattungsanspruchs wieder beendet hätte, ist für den maßgeblichen Zeitraum nicht eingetreten. Das hat das Oberverwaltungsgericht in der Sache zutreffend angenommen.
18 In diesem Zusammenhang bedarf es keiner Klärung, ob § 89a Abs. 3 SGB VIII tatbestandlich auf die Fälle beschränkt ist, in denen sich während der Gewährung dieser Leistung der nach § 86 Abs. 1 bis 5 SGB VIII maßgebliche gewöhnliche Aufenthalt ändert - was hier bezogen auf die Mutter seit März 2010 nicht mehr der Fall war - oder ob § 89a Abs. 3 SGB VIII gleichfalls Anwendung findet, wenn sich andere für die Bestimmung der örtlichen Zuständigkeit nach § 86 Abs. 1 bis 5 SGB VIII maßgebliche Umstände ändern (vgl. BVerwG, Urteil vom 9. Dezember 2010 - 5 C 17.09 - Buchholz 436.511 § 86 KJHG/SGB VIII Nr. 12 Rn. 14). Denn auch eine solche erneute Änderung der fiktiven örtlichen Zuständigkeit ist nicht eingetreten. Sie könnte ihren Anknüpfungspunkt nur in der Anordnung des Ruhens des Sorgerechts der Mutter durch das Familiengericht im September 2010 haben, nachdem dem Vater das Sorgerecht bereits im Jahr 2007 aberkannt worden war. In der Rechtsprechung des Senats ist anerkannt, dass das Ruhen der elterlichen Sorge bei der Anwendung des § 86 SGB VIII mit deren Entzug gleichzusetzen ist (vgl. BVerwG, Beschluss vom 13. September 2004 - 5 B 65.04 - EuG 2007, 187 <187 f.>). Hierdurch ist aber kein erneuter fiktiver Zuständigkeitswechsel nach Maßgabe von § 89a Abs. 3, § 86 Abs. 5 Satz 2 Alt. 2 SGB VIII eingetreten. Die letztgenannte Vorschrift ist anwendbar, weil § 86 Abs. 5 Satz 2 SGB VIII sich insgesamt auf den - auch hier gegebenen - Fall bezieht, dass die Eltern nach Beginn der Leistung erstmalig (oder erneut) verschiedene gewöhnliche Aufenthalte begründen (vgl. BVerwG, Urteil vom 25. April 2024 - 5 C 3.23 - BVerwGE 182, 245 Rn. 11 f.). Der Verlust des Sorgerechts bei beiden Elternteilen hat nach § 86 Abs. 5 Satz 2 Alt. 2 SGB VIII zur Folge, dass die bisherige Zuständigkeit bestehen bleibt. Die bisherige Zuständigkeit ist diejenige, die vor dem Zeitpunkt, zu dem eine eventuelle Neubestimmung zu prüfen ist, bestanden hat (vgl. BVerwG, Urteile vom 30. September 2009 - 5 C 18.08 - BVerwGE 135, 58 Rn. 26 und vom 9. Dezember 2010 - 5 C 17.09 - Buchholz 436.511 § 86 KJHG/SGB VIII Nr. 12 Rn. 21). Das ist die bereits nach § 86 Abs. 5 Satz 1 SGB VIII infolge des Wechsels des Aufenthaltsorts der Mutter in den Bereich des Klägers begründete fiktive örtliche Zuständigkeit des Klägers.
19 c) Die Annahme eines gleichwohl bestehenden Kostenerstattungsanspruchs des Klägers auf der Grundlage einer analogen Anwendung des § 89a Abs. 2 oder 3 SGB VIII scheidet aus.
20 Eine analoge Anwendung allein des § 89a Abs. 2 SGB VIII kommt nicht in Betracht. Die Vorschrift bestimmt für den Fall, dass der nach § 89a Abs. 1 SGB VIII kostenerstattungspflichtig werdende örtliche Träger während der Gewährung einer Leistung selbst einen Kostenerstattungsanspruch gegen einen anderen örtlichen oder den überörtlichen Träger hat oder hätte, dieser Träger abweichend von § 89a Abs. 1 SGB VIII dem nunmehr nach § 86 Abs. 6 SGB VIII zuständig gewordenen örtlichen Träger kostenerstattungspflichtig bleibt oder wird. In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist geklärt, dass § 89a Abs. 2 SGB VIII bezweckt, dem nach § 86 Abs. 6 SGB VIII zuständig gewordenen Träger im Fall von Erstattungsketten unter Beteiligung dritter Träger einen Durchgriffsanspruch gegen den dritten Träger zu verschaffen (vgl. BVerwG, Urteil vom 25. März 2010 - 5 C 12.09 - BVerwGE 136, 185 Rn. 33). Die Durchgriffserstattung nach § 89a Abs. 2 SGB VIII setzt damit ein durch eine Trägerverschiedenheit gekennzeichnetes Kostenerstattungsverhältnis im Sinne von § 89a Abs. 1 SGB VIII voraus (vgl. BVerwG, Urteil vom 14. November 2013 - 5 C 25.12 - Buchholz 436.511 § 89a SGB VIII Nr. 10 Rn. 18). Dies schließt die Annahme aus, es habe zum Plan des Gesetzgebers gehört, unmittelbar über § 89a Abs. 2 SGB VIII eigenständige direkte Erstattungsansprüche unabhängig von einem solchen Kostenerstattungsverhältnis zu schaffen.
21 Schließlich scheidet auch eine zweifach analoge Heranziehung des § 89a Abs. 3 i. V. m. Abs. 2 SGB VIII auf Fälle der Identität von zuständigem Pflegestellenort und fiktiver Zuständigkeit nach § 89a Abs. 3 SGB VIII aus. Zwar ist die Regelung des § 89a Abs. 2 SGB VIII insoweit entsprechend anwendbar, als sie § 89a Abs. 3 SGB VIII planwidrig nicht in Bezug nimmt. Die weitere analoge Anwendung des § 89a Abs. 3 SGB VIII ist aber nicht möglich, weil die Trägerverschiedenheit auch insoweit zum Plan des Gesetzgebers gehört (BVerwG, Urteil vom 14. November 2013 - 5 C 31.12 - Buchholz 436.511 § 89a SGB VIII Nr. 9 Rn. 46 ff.).
22 2. Das Oberverwaltungsgericht hat weiter zutreffend angenommen, dass der geltend gemachte Erstattungsanspruch nicht auf eine unmittelbare Anwendung der auf den Schutz der sogenannten Einrichtungsorte bezogenen Bestimmung des § 89e Abs. 1 Satz 1 SGB VIII gestützt werden kann. Nach dieser Vorschrift ist der örtliche Träger zur Erstattung der Kosten verpflichtet, in dessen Bereich die Eltern, ein Elternteil, das Kind oder der Jugendliche zuvor den gewöhnlichen Aufenthalt hatten, wenn sich die Zuständigkeit nach dem gewöhnlichen Aufenthalt richtet und dieser in einer Einrichtung, einer anderen Familie oder sonstigen Wohnform begründet worden ist, die der Erziehung, Pflege, Betreuung, Behandlung oder dem Strafvollzug dient. Das danach für den Erstattungsanspruch maßgebliche Merkmal der "Zuständigkeit" ist nicht gegeben, wenn der betreffende Träger als Pflegestellenort örtlich zuständig ist (a). Eine erweiternde Auslegung der Vorschrift scheidet aus (b).
23 a) Nach § 89e Abs. 1 Satz 1 SGB VIII muss der die Kostenerstattung begehrende Träger aufgrund des gewöhnlichen Aufenthalts einer der dem benannten Kreis zugehörigen Person, also auf der Grundlage des § 86 Abs. 1 bis 5 SGB VIII (vgl. Winkler, in: Rolfs/Giesen/Meßling/Udsching, BeckOK Sozialrecht, Stand Dezember 2024, § 89e SGB VIII Rn. 1), örtlich für die Leistungserbringung zuständig sein. Ist demgegenüber der örtliche Träger als Pflegestellenort zuständig, ist § 89e Abs. 1 Satz 1 SGB VIII nicht anwendbar, weil hierfür der gewöhnliche Aufenthalt der Pflegeperson maßgeblich ist (§ 86 Abs. 6 Satz 1 SGB VIII), die wiederum nicht zu dem Personenkreis des § 89e Abs. 1 Satz 1 SGB VIII gehört (so auch OVG Schleswig, Urteil vom 28. März 2001 - 2 L 68/01 - ZFSH/SGB 2001, 482 <483 f.>; VGH München, Urteil vom 11. Mai 2006 - 12 BV 04.3563 - ZFSH/SGB 2006, 537 <539>; OVG Münster, Urteil vom 3. September 2012 - 12 A 1571/12 - juris Rn. 49; Winkler, in: Rolfs/Giesen/Meßling/Udsching, BeckOK Sozialrecht, Stand Dezember 2024, § 89e SGB VIII Rn. 1a; Eschelbach, in: Münder/Meysen/Trenczek, Frankfurter Kommentar SGB VIII, 9. Aufl. 2022, § 89e SGB VIII Rn. 2; Loos, in: Wiesner/Wapler, SGB VIII, 6. Aufl. 2022, § 89e SGB VIII Rn. 2; Schweigler, in: Rolfs/Jox, BeckOGK, SGB VIII, Stand August 2024, § 89e SGB VIII Rn. 5 f.; Streichsbier, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VIII, Stand Februar 2025, § 89e SGB VIII Rn. 7).
24 b) § 89e Abs. 1 Satz 1 SGB VIII kann auch nicht erweiternd in dem Sinne ausgelegt werden, dass mit dem Begriff der "Zuständigkeit" im Sinne von § 89e Abs. 1 Satz 1 SGB VIII in den Fällen des § 89a Abs. 3 SGB VIII auch die sich ebenfalls nach dem gewöhnlichen Aufenthalt der Eltern bzw. Kinder richtende fiktive örtliche Zuständigkeit im Sinne von § 89a Abs. 3 SGB VIII, die sich ungeachtet des § 86 Abs. 6 SGB VIII nach § 86 Abs. 1 bis 5 SGB VIII richtet, anzusehen sei (so wohl OVG Bremen, Urteil vom 1. Juni 2005 - 2 A 225/04 - EuG 2006, 1 <8 f.>). Auch wenn eine solche Auslegung mit dem Wortlaut der Vorschrift noch vereinbar sein mag, stehen ihr maßgeblich Gesichtspunkte der Systematik und der Gesetzeshistorie entgegen.
25 Die Gesetzessystematik spricht eindeutig dafür, dass § 89e Abs. 1 Satz 1 SGB VIII nur die tatsächliche Zuständigkeit erfasst. Denn das Gesetz unterscheidet deutlich zwischen den Regelungen über die Zuständigkeit und die Kostenerstattung. Dies ergibt sich schon aus der amtlichen Überschrift des Siebten Kapitels des Achten Buches Sozialgesetzbuch, die "Zuständigkeit, Kostenerstattung" lautet. Während sich der Erste Abschnitt dieses Kapitels mit der hier nicht relevanten sachlichen Zuständigkeit befasst, ist die örtliche Zuständigkeit im Zweiten Abschnitt und die Kostenerstattung im Dritten Abschnitt verortet. § 89e Abs. 1 SGB VIII ist eine Vorschrift des Dritten Abschnitts. Wenn dort von "Zuständigkeit" die Rede ist, liegt es nahe, dass damit die Regelungen des Zweiten Abschnitts gemeint sind. Diese besagen aber nichts über eine bloß fiktive Zuständigkeit. Vielmehr finden sich diesbezügliche Regelungen in § 89a SGB VIII, der aber als Kostentragungsvorschrift dem Dritten Abschnitt angehört.
26 Dieses Verständnis wird auch durch die Gesetzeshistorie gestützt. § 89e SGB VIII ist im Gesetzgebungsverfahren - abgesehen von der Aufnahme einer "anderen Familie" in die geschützten Unterbringungsformen - gegenüber dem Gesetzentwurf der Bundesregierung unverändert geblieben (vgl. BT-Drs. 12/3711 S. 23). Insbesondere hat es keine Änderungen hinsichtlich des Merkmals "Zuständigkeit" gegeben, mit dem den Motiven nach eine Verknüpfung von tatsächlicher örtlicher Zuständigkeit des Einrichtungsorts und der Erstattungspflicht des zuvor zuständigen Trägers verbunden war (vgl. BT-Drs. 12/2866 S. 25). Demgegenüber ist § 89a Abs. 3 SGB VIII im ursprünglichen Gesetzentwurf noch nicht enthalten gewesen (vgl. BT-Drs. 12/2866 S. 9), sondern erst im parlamentarischen Verfahren in das Gesetz eingefügt worden (BT-Drs. 12/3711 S. 21, 45). Anhaltspunkte dafür, dass damit auch eine Veränderung des Verständnisses des Zuständigkeitsbegriffs in § 89e SGB VIII gewollt gewesen sein sollte, lassen sich den Materialien nicht entnehmen.
27 3. Das Oberverwaltungsgericht hat allerdings in der Sache zutreffend angenommen, dass der geltend gemachte Erstattungsanspruch auf eine analoge Anwendung des § 89e Abs. 1 Satz 1 SGB VIII gestützt werden kann. Er steht in einer Fallgestaltung wie der vorliegenden einem Pflegestellenort, der nach dem Aufenthaltsort der Pflegeperson tatsächlich örtlich zuständig ist (§ 86 Abs. 6 SGB VIII), auch dann zu, wenn dieser Pflegestellenort später infolge von § 89a Abs. 3 SGB VIII wegen Konfusion den Erstattungsanspruch nach § 89a Abs. 1 SGB VIII verliert und zugleich im Sinne des § 89a Abs. 3 SGB VIII fiktiv wegen des gewöhnlichen Aufenthalts der Eltern, eines Elternteils, des Kindes oder des Jugendlichen nach § 89e Abs. 1 Satz 1 SGB VIII als Einrichtungsort örtlich zuständig wäre (Fall der Identität von Pflegestellenort und Einrichtungsort). Was in anderen Konstellationen zu gelten hätte, in denen etwa ein anderer Träger, der auch Einrichtungsort ist, später einem Pflegestellenort nach § 89a Abs. 3 SGB VIII erstattungspflichtig wird (vgl. dazu auch Schweigler, in: Rolfs/Jox, BeckOGK, SGB VIII, Stand August 2024, § 89e SGB VIII Rn. 7; Kunkel/Pattar, in: Kunkel/Kepert/Pattar, SGB VIII, 8. Aufl. 2022, § 89e Rn. 3), hat der Senat in diesem Zusammenhang nicht zu entscheiden. Die Voraussetzungen einer analogen Anwendung des § 89e Abs. 1 Satz 1 SGB VIII sind in der genannten Fallkonstellation gegeben (a). Auf dieser Grundlage steht dem Kläger der beanspruchte Erstattungsbetrag zu (b).
28 a) Jede Art der gesetzesimmanenten richterlichen Rechtsfortbildung - hier die der Analogie - setzt eine Gesetzeslücke im Sinne einer planwidrigen Unvollständigkeit des Gesetzes voraus. Hat der Gesetzgeber eine eindeutige Entscheidung getroffen, dürfen die Gerichte diese nicht aufgrund eigener rechtspolitischer Vorstellungen verändern oder durch eine eigene Lösung ersetzen. Ob eine Gesetzeslücke vorliegt, ist danach zu beurteilen, ob die vom Regelungsprogramm des Gesetzgebers erfassten Fälle in den gesetzlichen Vorschriften tatsächlich Berücksichtigung gefunden haben. Sie ist zu bejahen, wenn festzustellen ist, dass der Wortlaut der Vorschrift nicht alle Fälle erfasst, die nach dem Sinn und Zweck der Regelung erfasst sein sollten. Liegt eine Gesetzeslücke vor, ist diese im Fall der Einzelanalogie durch Übertragung der Rechtsfolge einer Bestimmung zu schließen, wenn der ungeregelte Sachverhalt wegen einer vergleichbaren Sach- und Interessenlage dem geregelten Fall ähnlich ist (stRspr, vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 17. Juli 2014 - 5 C 20.13 - Buchholz 428.41 § 3 EntschG Nr. 13 Rn. 16 f.). An diesen Grundsätzen gemessen ist in einer Fallgestaltung, wie sie hier gegeben ist, ein Erstattungsanspruch auf der Grundlage einer analogen Anwendung von § 89e Abs. 1 Satz 1 SGB VIII gegeben.
29 aa) Vorwegzuschicken ist, dass die Vergleichbarkeit der Sach- und Interessenlage des hier in Rede stehenden Falls mit dem Tatbestand des § 89e Abs. 1 Satz 1 SGB VIII nicht mit Blick auf die Art der Unterbringung der Mutter des Kindes scheitert.
30 In der Rechtsprechung des Senats ist geklärt, dass § 89e Abs. 1 Satz 1 SGB VIII dem Schutz derjenigen Einrichtungsorte dient, in deren Zuständigkeitsbereich Personen wegen eines besonderen Bedarfs Aufnahme in Einrichtungen von überörtlicher Bedeutung, anderen Familien oder sonstigen Wohnformen finden (BVerwG, Urteile vom 25. März 2010 - 5 C 12.09 - BVerwGE 136, 185 Rn. 28 und vom 13. Dezember 2012 - 5 C 25.11 - BVerwGE 145, 257 Rn. 35). Nach den für den Senat grundsätzlich bindenden Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts ist die Mutter in einem Seniorenpflegeheim untergebracht worden, das als solches zwar einem der in der Norm genannten Unterbringungszwecke (Pflege) dient und dessen Einrichtungscharakter nicht in Frage steht. Der Senat muss vor diesem Hintergrund gleichwohl nicht entscheiden, ob bei einem Seniorenpflegeheim mit gewöhnlichem Zuschnitt noch von einer Einrichtung von überörtlicher Bedeutung gesprochen werden kann. Dies könnte zweifelhaft sein, wenn in tatsächlicher Hinsicht davon auszugehen wäre, dass Seniorenpflegeheime im Zuständigkeitsbereich eines jeden örtlichen Trägers der Jugendhilfe vorhanden sind und insofern grundsätzlich primär der ortsnahen Versorgung dienen. Den Verwaltungsvorgängen sowohl des Klägers (Beiakte B Bl. 88) wie auch der Beklagten (Beiakte A Bl. 74), auf die das Oberverwaltungsgericht Bezug genommen hat, lässt sich nämlich im Sinne einer unstreitigen Tatsache entnehmen, dass die Heimunterbringung der Mutter erfolgte, weil sie krankheitsbedingt in ein Wachkoma gefallen war und daher einer entsprechenden Intensivpflege bedurfte. Jedenfalls wegen des Vorhandenseins einer auf die Betreuung solcher Fälle spezialisierten Pflegestation handelt es sich (insoweit) bei dem hier in Rede stehenden Seniorenpflegeheim unzweifelhaft um eine Einrichtung von überörtlicher Bedeutung.
31 bb) Zudem ist eine planwidrige Regelungslücke gegeben.
32 (1) Eine Regelungslücke liegt vor, weil das Gesetz in § 89e Abs. 1 SGB VIII keine Regelung zu einem Kostenerstattungsanspruch des Trägers des Einrichtungsorts trifft, wenn sich die Zuständigkeit des Trägers des Pflegestellenorts aus § 86 Abs. 6 SGB VIII nach Maßgabe des gewöhnlichen Aufenthalts der Pflegeperson richtet und es aufgrund der Regelung des § 89a Abs. 3 SGB VIII zu einer Identität des Trägers des Pflegestellenorts mit dem Träger des Einrichtungsorts kommt und deshalb der Erstattungsanspruch nach § 89a Abs. 3 SGB VIII (zumindest zeitweilig) ausgeschlossen ist.
33 (2) Diese Regelungslücke ist planwidrig. Zu berücksichtigen ist zwar einerseits, dass bei der Verlegung des gewöhnlichen Aufenthalts einer nach § 86 Abs. 1 bis 5 SGB VIII maßgeblichen Person in den Pflegestellenort durch den Wegfall der Trägerverschiedenheit ein vom Gesetzgeber für den Regelfall gewollter Ausschluss des Erstattungsanspruchs nach § 89a Abs. 3 SGB VIII eintritt. Andererseits will § 89e Abs. 1 Satz 1 SGB VIII durch die Schaffung eines eigenständigen Erstattungsanspruchs den örtlichen Träger eines Einrichtungsorts gerade vor den mit den Kosten der Jugendhilfe verbundenen finanziellen Belastungswirkungen bewahren, die aus dem Zuzug der Eltern, eines Elternteils, des Kindes oder des Jugendlichen resultieren, sofern dieser gerade auf das Vorhandensein der Einrichtung zurückzuführen ist. Dieser Schutz geht einem Ausschluss des Erstattungsanspruchs des Pflegestellenorts als Folge einer durch § 89a Abs. 3 SGB VIII bewirkten Konfusion jedenfalls dann vor, solange er sich nicht zu Lasten eines anderen geschützten Orts auswirkt. Denn § 89e Abs. 1 Satz 1 SGB VIII ist dem lückenlosen Schutz der Einrichtungsorte auf Erstattungsebene zu dienen bestimmt, soweit dort erziehungs-, pflege-, betreuungs- oder behandlungsbedürftige Personen Aufnahme allein wegen ihres besonderen Bedarfs finden. In diesen Fällen soll Kostenschutz überall dort gewährt werden, wo ein solcher nicht bereits zuständigkeitsrechtlich sichergestellt ist (vgl. BVerwG, Urteile vom 22. November 2001 - 5 C 42.01 - BVerwGE 115, 251 <253 ff.> und vom 13. Dezember 2012 - 5 C 25.11 - BVerwGE 145, 257 Rn. 35). Ein solcher Schutzbedarf besteht jedoch nicht allein in den Fällen, in denen der Kostenschutz nicht sichergestellt ist, weil die örtliche Zuständigkeit nach § 86 Abs. 1 bis 5 SGB VIII aus fachlichen Gründen dem gewöhnlichen Aufenthalt der Eltern, eines Elternteils, des Kindes oder des Jugendlichen folgt (vgl. BT-Drs. 12/2866 S. 25). Er ist auch dann gegeben, wenn sich die örtliche Zuständigkeit zwar aus vorrangigen fachlichen Gründen abweichend von § 86 Abs. 1 bis 5 SGB VIII gemäß § 86 Abs. 6 SGB VIII nach dem gewöhnlichen Aufenthalt der Pflegeperson richtet (vgl. zu § 76 Abs. 5 KJHG: BT-Drs. 11/5948 S. 104), ein Zuzug der Eltern, eines Elternteils, des Kindes oder des Jugendlichen in den Bereich des Pflegestellenorts aber auf das Vorhandensein einer maßgeblichen Einrichtung im Bereich dieses Trägers zurückzuführen ist und gerade dieser durch den Wegfall des Erstattungsanspruchs nach § 89a Abs. 1 SGB VIII eine finanzielle Belastung des Einrichtungsorts bewirkt.
34 Dafür streitet im Übrigen auch die bereits erwähnte Gesetzgebungsgeschichte. § 89a Abs. 3 SGB VIII ist erst im parlamentarischen Verfahren in das Gesetz eingefügt worden, wodurch auch die Möglichkeit eines Ausschlusses des Kostenerstattungsanspruchs nach § 89a Abs. 1 SGB VIII bei Konfusion geschaffen wurde. § 89e SGB VIII ist demgegenüber nur insoweit gegenüber dem ursprünglichen Gesetzentwurf verändert worden, als auch ein gewöhnlicher Aufenthalt in "einer anderen Familie" eine Rolle spielt. Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber mit der Einführung des § 89a Abs. 3 SGB VIII zugleich den mit § 89e Abs. 1 Satz 1 SGB VIII angestrebten lückenlosen Schutz der Einrichtungsorte in den Fällen der vorliegenden Art entfallen lassen wollte, lassen sich den Motiven nicht entnehmen (vgl. auch VGH München, Urteil vom 11. Mai 2006 - 12 BV 04.3563 - ZFSH/SGB 2006, 537 <539 f.>). Vielmehr spricht alles dafür, dass der Gesetzgeber die Konsequenzen, die die Einfügung des § 89a Abs. 3 SGB VIII insoweit haben kann, aus dem Blick verloren hat.
35 (3) Diesem Ergebnis lässt sich schließlich auch nicht, wie die Beklagte meint, entgegenhalten, dass es einer analogen Anwendung des § 89e Abs. 1 Satz 1 SGB VIII nicht bedürfe, weil sich der Kläger nach § 89e Abs. 2 SGB VIII an den überörtlichen Träger der Jugendhilfe halten könne. Die subsidiäre Kostenerstattungspflicht des überörtlichen Trägers bezieht sich auf die Fälle, in denen ein gewöhnlicher Aufenthalt der maßgeblichen Person vor der Aufnahme in eine Einrichtung nicht (mehr) vorhanden oder feststellbar ist, sondern nur noch ein tatsächlicher Aufenthalt besteht (vgl. BVerwG, Urteil vom 29. September 2010 - 5 C 21.09 - BVerwGE 138, 48 Rn. 20; Bohnert, in: Hauck/Noftz, SGB VIII, Stand Dezember 2024, § 89e SGB VIII Rn. 12). Ob eine Heranziehung des § 89e Abs. 2 SGB VIII darüber hinaus auch dann in Betracht kommt, wenn die Anwendung des § 89e Abs. 1 Satz 1 SGB VIII aufgrund eines bekannten und feststehenden gewöhnlichen Aufenthalts maßgeblicher Personen zu zwei gleichermaßen erstattungspflichtigen örtlichen Trägern führt (so VGH München, Urteil vom 18. Dezember 2024 - 12 BV 22.23 44 - juris Rn. 27 ff.), ist hier nicht zu entscheiden. Im Übrigen setzt die direkte Anwendung des § 89e Abs. 2 SGB VIII voraus, dass die Voraussetzungen des § 89e Abs. 1 Satz 1 SGB VIII erfüllt sind (Winkler, in: Rolfs/Giesen/Meßling/Udsching, BeckOK Sozialrecht, Stand Dezember 2024, § 89e SGB VIII Rn. 10). Da das - wie bereits dargelegt - nicht der Fall ist, fehlt es auch unter diesem Gesichtspunkt nicht an einer Regelungslücke.
36 Auch ein analoger Rückgriff auf § 89e Abs. 2 SGB VIII scheidet aus, wenn - wie hier - bei einer analogen Anwendung des § 89e Abs. 1 Satz 1 SGB VIII auf der Rechtsfolgenseite die Kostentragung eines örtlichen Trägers auf der Grundlage eines zuvor bestehenden gewöhnlichen Aufenthalts einer für die Annahme einer fiktiven Zuständigkeit im Sinne von § 89a Abs. 3 SGB VIII maßgeblichen Person feststellbar ist. Denn dann fehlt es gerade an der Vergleichbarkeit der Sach- und Interessenlage.
37 b) Die analoge Anwendung des § 89e Abs. 1 Satz 1 SGB VIII auf den hier gegebenen Fall einer nach § 86 Abs. 6 SGB VIII bestehenden örtlichen Zuständigkeit als Pflegestellenort, wenn dieser später infolge von § 89a Abs. 3 SGB VIII wegen Konfusion den Erstattungsanspruch nach § 89a Abs. 1 SGB VIII verliert und zugleich im Sinne des § 89a Abs. 3 SGB VIII fiktiv wegen des gewöhnlichen Aufenthalts eines Elternteils nach § 89e Abs. 1 Satz 1 SGB VIII als Einrichtungsort örtlich zuständig wäre (Fall der Identität von Pflegestellenort und Einrichtungsort), führt zur Kostenerstattungspflicht der Beklagten in Höhe des geltend gemachten Betrages. Denn die Beklagte ist der örtliche Träger, in dessen Bereich die Mutter als maßgebliche Person vor ihrer Aufnahme in der Einrichtung im Bereich des Klägers ihren gewöhnlichen Aufenthalt hatte. Die Berechtigung des Anspruchs der Höhe nach ist nicht zweifelhaft.
38 4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2, § 188 Satz 2 Halbs. 2 VwGO.