Beschluss vom 25.04.2023 -
BVerwG 1 WB 70.22ECLI:DE:BVerwG:2023:250423B1WB70.22.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 25.04.2023 - 1 WB 70.22 - [ECLI:DE:BVerwG:2023:250423B1WB70.22.0]

Beschluss

BVerwG 1 WB 70.22

In dem Wehrbeschwerdeverfahren hat der 1. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts durch
den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Häußler,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Langer,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Eppelt,
den ehrenamtlichen Richter Oberst i.G. Angermeyer und
den ehrenamtlichen Richter Oberstleutnant Fischer
am 25. April 2023 beschlossen:

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Gründe

I

1 Der Antrag betrifft einen Beschwerdebescheid des Kommandeurs A.

2 Der ... geborene Antragsteller ist Diplom-Informatiker und Berufssoldat. Seine Dienstzeit wird voraussichtlich mit dem 31. März ... enden. Im Juni 2019 wurde er zum Major befördert und mit Wirkung vom 1. April 2019 in eine Planstelle der Besoldungsgruppe A 13 H eingewiesen. Zum 1. April 2019 wurde er zum B. versetzt, wo er als IT-Stabsoffizier auf einem mit A 13 H - A 14 gebündelt bewerteten Dienstposten verwendet wird.

3 Am 23. Juni 2021 verurteilte das Amtsgericht Daun den Antragsteller wegen des Missbrauchs der Befehlsbefugnis zu unzulässigen Zwecken tateinheitlich mit Anmaßen von Befehlsbefugnissen zu einer Geldstrafe. Mit Urteil vom 6. Oktober 2021 verwarf das Landgericht Trier die Berufung des Antragstellers gegen dieses Urteil. Das Oberlandesgericht Koblenz verwarf durch Beschluss vom 11. Januar 2022 die Revision des Antragstellers mit der Maßgabe, dass er des Missbrauchs der Dienststellung als Offizier mit höherem Dienstgrad zu unzulässigen Zwecken in Tateinheit mit Anmaßen von Befehlsbefugnissen schuldig ist. Wegen des Sachverhaltes, der dem (unstreitig rechtskräftigen) strafgerichtlichen Urteil zugrunde liegt, ist beim Truppendienstgericht Süd ein gerichtliches Disziplinarverfahren (Az. S 6 VL 34/20) anhängig.

4 Am 7. Juni 2022 hob der Kommandeur des B. die Ermächtigung des Antragstellers zum Zugang zu und zum Umgang mit Verschlusssachen auf und begründete diese Entscheidung in einer E-Mail an den Antragsteller vom 9. Juni 2022. Das rechtskräftige Strafurteil und eine Strafanzeige einer Soldatin gegen den Antragsteller begründeten Zweifel an seiner Zuverlässigkeit. Bei Bekanntwerden sicherheitserheblicher Erkenntnisse sei dem Sicherheitsinteresse Vorrang zu geben. Die Entscheidung stelle keinen Vorgriff auf strafrechtliche oder disziplinarrechtliche Ermittlungen dar und stelle das Ergebnis seiner Sicherheitsüberprüfung, für die der Geheimschutzbeauftragte zuständig sei, nicht unmittelbar infrage.

5 Seine Beschwerde hiergegen wies der Kommandeur A. mit Bescheid vom 15. Juli 2022 zurück. Die zulässige Beschwerde sei unbegründet, weil die Entscheidung vom 7. Juni 2022 rechtmäßig sei. Zwar rüge der Antragsteller zu Recht, nicht zuvor angehört worden zu sein. Diese Unterlassung sei aber analog § 45 Abs. 1 Nr. 3 VwVfG nachträglich geheilt worden. Der Antragsteller habe mehrfach elektronische Äußerungen und eine Gegenvorstellung abgegeben. Auch der Kommandeur B. habe sich elektronisch geäußert. Nach Nr. 1605 Ziffer 1 der Zentralen Dienstvorschrift (ZDv) A-1130/2 sei die Ermächtigung zum Umgang mit Verschlusssachen aufzuheben, wenn dem Dienststellenleiter auf ein Sicherheitsrisiko deutende Umstände bekannt würden. Ein Sicherheitsrisiko liege in Zuverlässigkeitszweifeln. Solche Zweifel ergäben sich aus dem rechtskräftigen Strafurteil. Der Kommandeur B. sei nicht von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen. Art. 6 EMRK sei mangels einer Anklage im Sinne der Norm nicht anwendbar. Das B. führe parallel zum gerichtlichen Disziplinarverfahren nur eine personenbezogene Sicherheitsakte bei der Sicherheitsbeauftragten. Es liege keine ehrverletzende und entwürdigende Behandlung vor.

6 Unter dem 18. Juli 2022 erhob der Antragsteller weitere Beschwerde. Die Entscheidungen des Kommandeurs B. und des Kommandeurs A. seien rechtswidrig. Beide beriefen sich auf ein verfassungswidriges Strafurteil, das dienstlichen Zwecken zuwider laufe. Hierauf könne man rechtmäßige Entscheidungen nicht stützen.

7 Am 11. September 2022 beschwerte sich der Antragsteller beim Generalinspekteur der Bundeswehr gegen die Untätigkeit des Inspekteurs C. Er habe mit Schreiben vom 18. Juli 2022 weitere Beschwerde gegen die Entscheidung des Kommandeurs B. und Beschwerde gegen die Entscheidung des Kommandeurs A. eingelegt. Letztere sei für sich genommen rechtswidrig. Sie verletze die Fürsorgepflicht und beleidige ihn.

8 Seine weitere Beschwerde vom 18. Juli 2022 wurde durch den Inspekteur C. mit Beschwerdebescheid vom 14. September 2022 zurückgewiesen. Die zulässige weitere Beschwerde sei unbegründet. Der Beschwerdebescheid sei rechtsfehlerfrei. Die Entscheidung des Dienststellenleiters vom 7. Juni 2022 sei recht- und zweckmäßig und verletze ihn nicht in seinen Rechten. Zwar rüge er mit Recht, vor der Entscheidung nicht angehört worden zu sein. Es könne dahinstehen, ob die Anhörung wegen der Eilbedürftigkeit der Entscheidung habe unterbleiben können, denn das Versäumnis sei jedenfalls durch Nachholung geheilt worden. Ein Verstoß gegen die Fürsorgepflicht liege darin nicht. Die Entscheidung sei materiell nicht zu beanstanden. Sie beruhe auf Nr. 1605 Abs. 1 der Allgemeinen Regelung (AR) A-1130/2. Die rechtskräftige strafrechtliche Verurteilung nähre Bedenken gegen seine Zuverlässigkeit in sicherheitsempfindlichen Tätigkeiten. Solange kein Verfassungsgericht die Verfassungswidrigkeit des Strafurteils feststelle, müsse es berücksichtigt werden. Strafrechtliche Vorwürfe begründeten stets Zweifel an der Zuverlässigkeit. Der Dienststellenleiter habe einschreiten müssen und sein Ermessen bei der Wahl des Mittels pflichtgemäß ausgeübt. Ein Ermessensfehler folge nicht aus der Unschuldsvermutung. Seine Menschenwürde sei nicht verletzt worden. Die Entscheidung sei verhältnismäßig.

9 Unter dem 22. September 2022 beantragte der Antragsteller gegen den Beschwerdebescheid vom 15. Juli 2022 die Entscheidung des Truppendienstgerichts. Hierzu ist beim Truppendienstgericht Süd ein Verfahren mit dem Aktenzeichen S 6 BLa 09/22 anhängig, welches allerdings bis zur Entscheidung im gerichtlichen Disziplinarverfahren ausgesetzt wurde.

10 Mit Schreiben vom 29. September 2022 erhob der Antragsteller beim Generalinspekteur der Bundeswehr Beschwerde gegen den Beschwerdebescheid vom 14. September 2022. Der Inspekteur C. verletze seine Fürsorgepflicht. Er stütze sich auf sachfremde Erwägungen und rechtswidrige Grundlagen. Die Behauptung, das Urteil laufe dienstlichen Zwecken nicht zuwider, beleidige ihn.

11 Der Generalinspekteur der Bundeswehr legte die Beschwerden vom 11. September 2022 und vom 29. September 2022 zuständigkeitshalber dem Truppendienstgericht Süd vor, wo zu dieser Vorlage seit dem 21. Oktober 2022 ein Verfahren mit dem Aktenzeichen S 3 BLa 17/22 anhängig ist.

12 Am 14. Oktober 2022 beantragte der Antragsteller die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts. Das Bundesministerium der Verteidigung hat den Antrag mit seiner Stellungnahme vom 14. November 2022 dem Senat vorgelegt.

13 Der Antragsteller macht geltend, der Kommandeur des A. (Betroffener) verletze durch sein Verhalten und seinen Sachvortrag seine Fürsorgepflicht ihm gegenüber. Dies sei nicht Gegenstand der Erstbeschwerde gewesen und könne daher mit einer gesonderten Beschwerde angegriffen werden. Den Antrag auf gerichtliche Entscheidung habe er zwar zu früh eingereicht. Dies sei aber unschädlich, da der Generalinspekteur deutlich gemacht habe, die weitere Beschwerde gegen den Kommandeur des A. nicht bearbeiten zu wollen. Sein Antrag könne als Antrag auf Verpflichtung des Generalinspekteurs, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts über seine Beschwerde zu entscheiden, ausgelegt werden. Der für die Beschwerdebearbeitung Zuständige dürfe nicht Rechte des Beschwerdeführers verletzen, ohne mit eigenen Konsequenzen rechnen zu müssen. Der Betroffene habe es versäumt, ihn zum Ergebnis seiner Aufklärung des Sachverhaltes anzuhören und damit sein Gefühl, vom Staat rechtswidrig behandelt zu werden, verstärkt. Der Betroffene habe seine Aufklärungspflicht verletzt und seine Entscheidung auf ein rechtswidriges Strafurteil gestützt. Dies verletze seine Menschenwürde und die Fürsorgepflicht ihm gegenüber. Der Betroffene habe sich nicht bemüht, das Strafurteil zu korrigieren, habe die rechtswidrige Entscheidung des Kommandeurs des B. aufrechterhalten und ihn, den Antragsteller damit beleidigt und entwürdigt. Die Bindung an tatsächliche Feststellungen nach § 34 Abs. 1 WDO i. V. m. § 23a Abs. 1 WBO rechtfertige dies nicht. Da alle für die Beurteilung des Strafurteils maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen durch das Bundesverfassungsgericht geklärt seien, hätte auch der Betroffene es verfassungsrechtlich bewerten können. Die Fürsorgepflicht verlange, Untergebene nach Recht und Gesetz zu behandeln, sie nicht der Gefahr disziplinarer oder strafrechtlicher Maßregelung auszusetzen und verbiete ehrverletzende unwürdige Behandlungen. Wegen seines Anspruches auf rechtliches Gehör hätte er zum Ergebnis der Sachverhaltsaufklärung im Beschwerdeverfahren angehört werden müssen. Er stelle einen vorbeugenden Unterlassungsantrag, um weiteres Tätigwerden militärischer Vorgesetzter und Dienststellen aufgrund des verfassungswidrigen Strafurteils zu verhindern.

14 Der Antragsteller beantragt,
1. festzustellen, dass das rechtskräftige Strafurteil des Landgerichts Trier vom 6. Oktober 2021 i. V. m. dem Beschluss des Oberlandesgerichts Koblenz vom 11. Januar 2022 rechtswidrig ist und dienstlichen Zwecken zuwiderläuft,
2. festzustellen, dass der Betroffene seine Pflicht zur Fürsorge schuldhaft verletzte,
3. den Betroffenen und unterstellte Bereiche zu verpflichten, keine weiteren Entscheidungen zulasten des Antragstellers auf Grundlage des rechtswidrigen Strafurteils zu treffen und anzuordnen, dass das rechtswidrige Strafurteil und jeglicher Verweis darauf aus den dienstlichen Akten etc. entfernt werden.

15 Das Bundesministerium der Verteidigung macht geltend, das Bundesverwaltungsgericht sei nicht zuständig. Die Rechtsbehelfe des Antragstellers beträfen alle denselben Sachverhalt. Hierzu sei ein Verfahren beim Truppendienstgericht Süd anhängig. Es widerspreche der Systematik des Beschwerderechts, denselben Sachverhalt betreffende Rechtsbehelfe als neue Erstbeschwerde zu behandeln.

16 Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen. Die Beschwerdeakten des Bundesministeriums der Verteidigung, des C. und die Personalgrundakte des Antragstellers haben dem Senat bei der Beratung vorgelegen.

II

17 Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung hat keinen Erfolg.

18 1. Der Antragsteller hat konkrete Anträge formuliert. Diese sind im Lichte seines Sachvortrages so auszulegen, dass seinem Begehren nach einer gerichtlichen Prüfung in der Sache möglichst umfangreich Rechnung getragen werden kann (§ 23a Abs. 2 Satz 1 WBO i. V. m. § 86 Abs. 3 VwGO). Hiernach begehrt er neben den formulierten Anträgen auch die Verpflichtung, über seine Erstbeschwerde gegen den Beschwerdebescheid des Kommandeurs A. zu entscheiden.

19 2. Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist unzulässig, soweit er sich als Untätigkeitsantrag gegen die unterbliebene Bescheidung einer Beschwerde gegen den Beschwerdebescheid des Kommandeurs A. vom 15. Juli 2022 richtet.

20 Mit einem Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach § 17 Abs. 1 WBO i. V. m. § 21 Abs. 2 WBO kann zwar grundsätzlich geltend gemacht werden, dass ein Soldat rechtswidrig in seinem Beschwerderecht beeinträchtigt worden ist (BVerwG, Beschluss vom 23. Mai 2019 - 1 WB 7.19 - juris Rn. 18). Denn das Beschwerderecht nach § 34 SG gehört zu den im Zweiten Unterabschnitt des Ersten Abschnitts des Soldatengesetzes erwähnten Rechten (vgl. BVerwG, Beschluss vom 17. August 1977 - 1 WB 128.76 - NZWehrr 1978, 28 <29>). Dabei unterliegt auch eine mögliche Beeinträchtigung des Beschwerderechts durch ein Unterlassen der gerichtlichen Prüfung (§ 17 Abs. 3 Satz 1 i. V. m. § 21 Abs. 2 Satz 1 WBO).

21 Hier fehlt es dem Antragsteller aber bereits an der Antragsbefugnis. Denn eine Verletzung seines Beschwerderechtes dadurch, dass seine Beschwerde vom 18. Juli 2022 nicht nur als weitere Beschwerde gegen die Entscheidung des Kommandeurs B., sondern auch als Erstbeschwerde gegen den Beschwerdebescheid vom 15. Juli 2022 bearbeitet worden ist, ist ausgeschlossen. Der Inspekteur C. hat das Vorbringen des Antragstellers vielmehr ohne Verletzung der Verfahrensrechte des Antragstellers im Rahmen der weiteren Beschwerde gewürdigt und einer gerichtlichen Überprüfung durch das Truppendienstgericht Süd zugänglich gemacht. Gegenstand dieses Verfahrens ist die Entscheidung des Kommandeurs B. vom 7. Juni 2022 in der Gestalt, die sie durch den Beschwerdebescheid vom 15. Juli 2022 und den Bescheid über die weitere Beschwerde vom 14. September 2022 erhalten hat. Es kann dahinstehen, ob ein Beschwerdebescheid eine selbständige neue Beschwer enthalten kann, die Gegenstand einer weiteren Erstbeschwerde neben der weiteren Beschwerde sein könnte (vgl. Dau/Scheuren, WBO, 7. Aufl. 2020, § 16 Rn. 3). Entgegen der Rechtsauffassung des Antragstellers enthält der Beschwerdebescheid hier keine selbständige neue Beschwer, weil er lediglich die der Erstentscheidung nachträglich beigefügte Begründung vertieft und ergänzt und so die Unbegründetheit der Beschwerde begründet.

22 Etwas Anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass der Antragsteller auch eine Verletzung des rechtlichen Gehörs durch die Beschwerdeentscheidung behauptet. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats (vgl. BVerwG, Beschluss vom 13. Juli 2015 - 1 WB 12.15 - juris Rn. 20 m. w. N.) stellt die Art und Weise der Verfahrensbehandlung für sich genommen keinen statthaften Beschwerdegegenstand dar. Rechtsschutz wird allein gegen die dienstliche Maßnahme im Sinne von § 17 Abs. 3 Satz 1 WBO (hier i. V. m. §§ 22, 21 Abs. 2 Satz 1 WBO) gewährt; nur im Rahmen der Anfechtung einer Maßnahme kann auch eine Überprüfung auf eventuelle Verfahrensfehler erfolgen. Dies folgt auch aus der im Wehrbeschwerdeverfahren entsprechend anwendbaren Vorschrift des § 44a Satz 1 VwGO, wonach Rechtsbehelfe gegen behördliche Verfahrenshandlungen nur gleichzeitig mit dem gegen die jeweilige Sachentscheidung zulässigen Rechtsbehelf geltend gemacht werden können (BVerwG, Beschluss vom 26. November 2020 - 1 WB 23.20 - Buchholz 450.1 § 17 WBO Nr. 111 Rn. 21).

23 3. Ohne Erfolg bleibt auch der als Verpflichtungsantrag zu 3. formulierte vorbeugende Unterlassungsantrag.

24 Vor Ergehen einer truppendienstlichen Maßnahme kommt Rechtsschutz - und zwar sowohl in Form eines Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 14. November 2022 - 1 W-VR 24.22 - juris und vom 21. März 2023 - 1 W-VR 4.23 - juris) als auch (wie hier) in Form eines Antrags auf gerichtliche Entscheidung in der Hauptsache - grundsätzlich nur in engen Grenzen in Betracht (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 22. Januar 2003 - 1 WB 44.02 - Buchholz 311 § 17 WBO Nr. 48 S. 31 m. w. N. und vom 28. Mai 2008 - 1 WDS-VR 8.08 - Buchholz 310 § 123 VwGO Nr. 25 Rn. 17 m. w. N.). Die Zulässigkeit eines derartigen Antrags setzt danach einerseits voraus, dass das künftige Handeln der Vorgesetzten des Soldaten nach seinem Inhalt und seinen tatsächlichen wie rechtlichen Voraussetzungen soweit spezifiziert ist, dass eine Rechtmäßigkeitsprüfung durch den Senat möglich ist. Solange sich noch nicht mit der dafür erforderlichen Bestimmtheit übersehen lässt, welche Maßnahmen drohen oder unter welchen tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen sie ergehen werden, kann ein berechtigtes Interesse an vorbeugendem Rechtsschutz dagegen nicht anerkannt werden. Das für einen Antrag auf vorbeugenden Rechtsschutz erforderliche Rechtsschutzbedürfnis verlangt zum anderen, dass dem Soldaten nicht zugemutet werden kann, die beabsichtigte truppendienstliche Maßnahme abzuwarten, weil schon eine nur kurzfristige Hinnahme der befürchteten Maßnahme geeignet wäre, ihn in besonders schwerwiegender, womöglich nicht wiedergutzumachender Weise in seinen Rechten zu beeinträchtigen.

25 Hieran fehlt es auch vorliegend. Zum einen sind in die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts nach § 21 Abs. 1 Satz 1 WBO fallende drohende Maßnahmen in der Folge des rechtskräftigen Strafurteils nicht so weit spezifiziert, dass der Senat sie überprüfen könnte. Daher fehlt es bislang an einer Grundlage für eine Rechtmäßigkeitsprüfung durch den Senat. Zum anderen ist auch nicht erkennbar, welche konkreten, nicht wiedergutzumachenden Nachteile drohen könnten, wenn der Antragsteller auf die Inanspruchnahme vorläufigen Rechtsschutzes nach dem Ergehen einer konkreten für ihn nachteiligen Maßnahme in der Folge des laufenden Disziplinarverfahrens verwiesen wird.

26 4. Der auf die Entfernung der Strafurteile aus dienstlichen Akten gerichtete Antrag ist ebenfalls unzulässig. Unter keinem denkbaren Gesichtspunkt kann der Antragsteller einen Anspruch darauf haben, dass die Unterlagen, die für die Durchführung des anhängigen gerichtlichen Disziplinarverfahrens notwendig sind, vor dessen Abschluss aus den Akten entfernt werden.

27 5. Ohne Erfolg bleiben auch die Feststellungsanträge zu 1. und 2.

28 a) Für den Antrag auf Feststellung der Rechtswidrigkeit rechtskräftiger Strafurteile gibt es weder ein Rechtsschutz- noch ein Feststellungsinteresse. Der Rechtsweg zu den Wehrdienstgerichten ist für die Überprüfung von Strafurteilen nicht eröffnet. Der Antragsteller hat nach eigenem Vortrag die von der Strafprozessordnung eingeräumten Rechtsmittel ohne Erfolg ausgeschöpft. Damit scheidet eine Verweisung an die zuständige Gerichtsbarkeit aus. Strafurteile, gegen die ordentliche Rechtsmittel nicht mehr eröffnet sind, sind formell rechtskräftig. Die formelle Rechtskraft eines Strafurteiles darf nicht dadurch unterlaufen werden, dass eine unzuständige Gerichtsbarkeit über einen Antrag auf Feststellung der Rechtswidrigkeit rechtskräftiger Strafurteile entscheidet.

29 b) Für den Antrag auf Feststellung einer schuldhaften Fürsorgepflichtverletzung durch den Kommandeur A. gibt es weder eine Antragsbefugnis noch ein Feststellungs- oder Rechtsschutzinteresse. Einen Anspruch auf Feststellung schuldhaften Verhaltens hat der Antragsteller unter keinem denkbaren Gesichtspunkt. Insbesondere hat er keinen Anspruch auf disziplinares Tätigwerden (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 23. Februar 2010 - 1 WB 63.09 - Buchholz 450.1 § 13 WBO Nr. 2 Rn. 27 und vom 23. Mai 2019 - 1 WB 8.19 - juris Rn. 18). Ein Anspruch aus § 19 Abs. 2 WBO scheitert an der akzessorischen Natur der Norm und der Unzulässigkeit der hier geltend gemachten Anträge (BVerwG, Beschluss vom 26. Februar 2018 - 1 WNB 5.17 - Buchholz 450.1 § 17 WBO Nr. 99 Rn. 9 m. w. N.). Im Übrigen spricht auch nichts für eine schuldhafte Pflichtverletzung durch den Kommandeur. Diese liegt insbesondere nicht darin, dass dieser prüft, welche dienstlichen Maßnahmen wegen eines rechtskräftigen Strafurteils veranlasst sind und in diesem Kontext auf das Urteil Bezug nimmt. Der Hinweis auf eine rechtskräftige strafgerichtliche Verurteilung stellt im Übrigen weder eine unwahre Tatsachenbehauptung noch eine Verleumdung oder falsche Verdächtigung dar.