Beschluss vom 25.07.2023 -
BVerwG 4 B 28.22ECLI:DE:BVerwG:2023:250723B4B28.22.0

Leitsatz:

Der Begriff der Traufhöhe i. S. d. Nr. 2.8 der Anlage zur Planzeichenverordnung bezeichnet die Höhe des Schnittpunkts der Außenfläche des aufgehenden Mauerwerks mit der Dachhaut (sog. Traufpunkt) über dem unteren Höhenbezugspunkt.

  • Rechtsquellen
    BauNVO § 16 Abs. 2 Nr. 4, § 18
    PlanZV Anlage Nr. 2.8

  • VG Hannover - 16.09.2019 - AZ: 4 A 7652/18
    OVG Lüneburg - 01.09.2022 - AZ: 1 LB 13/21

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 25.07.2023 - 4 B 28.22 - [ECLI:DE:BVerwG:2023:250723B4B28.22.0]

Beschluss

BVerwG 4 B 28.22

  • VG Hannover - 16.09.2019 - AZ: 4 A 7652/18
  • OVG Lüneburg - 01.09.2022 - AZ: 1 LB 13/21

In der Verwaltungsstreitsache hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 25. Juli 2023
durch die Vorsitzende Richterin am Bundesverwaltungsgericht Schipper und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Decker und Dr. Hammer
beschlossen:

  1. Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 1. September 2022 wird zurückgewiesen.
  2. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 70 000 € festgesetzt.

Gründe

1 Die auf § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg. Die Rechtssache hat nicht die grundsätzliche Bedeutung, die die Beschwerde ihr beimisst.

2 Grundsätzlich bedeutsam im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ist eine Rechtssache, wenn in dem angestrebten Revisionsverfahren die Klärung einer bisher höchstrichterlich ungeklärten, in ihrer Bedeutung über den der Beschwerde zugrunde liegenden Einzelfall hinausgehenden, klärungsbedürftigen und entscheidungserheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts (§ 137 Abs. 1 VwGO) zu erwarten ist. In der Beschwerdebegründung muss dargelegt (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO), also näher ausgeführt werden, dass und inwieweit eine bestimmte Rechtsfrage des revisiblen Rechts im allgemeinen Interesse klärungsbedürftig und warum ihre Klärung in dem beabsichtigten Revisionsverfahren zu erwarten ist (stRspr, vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 2. Oktober 1961 - 8 B 78.61 - BVerwGE 13, 90 <91> und vom 14. Oktober 2019 - 4 B 27.19 - Buchholz 406.11 § 34 BauGB Nr. 225 Rn. 4).

3 1. Die Beschwerde wirft als grundsätzlich klärungsbedürftig auf,
ob als oberer Bezugspunkt einer Gebäudehöhe nach § 16 Abs. 2 Nr. 4, § 18 Abs. 1 BauNVO i. V. m. Nr. 2.8 der Anlage zur PlanZV mit der Festsetzung einer "Traufhöhe" ohne weitere Definition oder Erläuterung in einem Bebauungsplan unter dem Gesichtspunkt des Bestimmtheitsgebotes der fiktive Durchstoßpunkt der Fassade durch die Dachhaut oder die Unterkante der Dacheindeckung (Traufe) festgelegt oder ob eine solche Festsetzung mangels Bestimmtheit unwirksam ist.

4 Die Frage führt nicht zur Zulassung der Revision. Auf sie lässt sich - soweit sie auf das Verständnis des Begriffs der Traufhöhe zielt - auf der Grundlage der vorhandenen Rechtsprechung und mit Hilfe der üblichen Regeln sachgerechter Norminterpretation antworten, ohne dass es der Durchführung eines Revisionsverfahrens bedarf (stRspr, vgl. BVerwG, Beschluss vom 24. August 1999 - 4 B 72.99 - BVerwGE 109, 268 <270>).

5 Dem Bestimmtheitsgebot ist genügt, wenn sich der Regelungsgehalt einer Festsetzung im Bebauungsplan durch Auslegung ermitteln lässt (stRspr, vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 24. Januar 1995 - 4 NB 3.95 - Buchholz 406.11 § 9 BauGB Nr. 75 S. 20 f. und vom 25. November 2021 - 4 BN 13.21 - ZfBR 2022, 259 Rn. 12). § 18 Abs. 1 BauNVO verlangt als gesetzliche Ausprägung des Bestimmtheitsgebots, dass bei Festsetzung der Höhe baulicher Anlagen die erforderlichen Bezugspunkte zu bestimmen sind. Es muss sich um eindeutig bestimmte oder bestimmbare feste Bezugspunkte handeln; das gilt auch für die verwendeten Begriffe (vgl. Söfker, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand Februar 2023, § 18 BauNVO Rn. 3). Für eine Höhenfestsetzung nach § 16 Abs. 2 Nr. 4 BauNVO sind ein unterer und ein oberer Bezugspunkt erforderlich (Hartmann/Schilder, in: Bönker/Bischopink, BauNVO, 2. Aufl. 2018, § 18 Rn. 2). Der obere Bezugspunkt muss geeignet sein, das mit der Festsetzung verfolgte städtebauliche Planungsziel, die Höhe baulicher Anlagen zu beschränken, zu sichern (Söfker a. a. O. Rn. 4). Die Anlage zur Planzeichenverordnung führt in Nr. 2.8 Traufhöhe, Firsthöhe, Oberkante baulicher Anlagen oder von Teilen solcher Anlagen, Höhe über NN und Gehweg als Beispiele für (obere und untere) Bezugspunkte auf (vgl. Hartmann/Schilder a. a. O. Rn. 4 f.).

6 Der weder in der Planzeichenverordnung noch sonst, etwa in der Immobilienwertermittlungsverordnung, die ihn in Anlage 4 verwendet, näher definierte Begriff Traufhöhe ist grundsätzlich ohne weitere Erläuterungen hinreichend bestimmt bzw. bestimmbar. Er bezeichnet - wie das Oberverwaltungsgericht zutreffend angenommen hat - die Höhe des Schnittpunkts der Außenfläche des aufgehenden Mauerwerks mit der Dachhaut (sog. Traufpunkt) über dem unteren Höhenbezugspunkt. Die Traufe ist demgegenüber der unterste Punkt der gegebenenfalls überstehenden Dachhaut, an dem sich die Dachrinne/Traufrinne befindet bzw. der Regen vom Dach tropft. Dieses Verständnis des Begriffs Traufhöhe entspricht der nahezu einhelligen Auffassung in Rechtsprechung und Schrifttum (vgl. OVG Münster, Urteile vom 12. Februar 1975 - X A 352/73 - BRS 29 Nr. 102 S. 203 f., vom 29. März 1983 - 7 A 2583/81 - BRS 40 Nr. 108 S. 257 f., vom 8. April 2002 - 7A D 137/99.NE - juris Rn. 37, vom 3. Mai 2010 - 7 A 1942/08 - juris Rn. 30 und vom 19. Dezember 2011 - 2 D 31/10.NE - juris Rn. 80; OVG Schleswig, Urteil vom 5. August 2021 - 1 KN 4/17 - juris Rn. 56; OVG Koblenz, Urteil vom 20. Mai 1980 - 7 A 88/79 - AS RP-SL 15, 424 <425 f.> und Beschluss vom 12. Januar 1983 - 1 A 69/82 - BauR 1983, 353 <354>; OVG Greifswald, Beschluss vom 22. August 2006 - 3 M 73/06 - BauR 2007, 513 <514>; Schimpfermann/Stühler, in: Fickert/Fieseler, BauNVO, 13. Aufl. 2018, § 16 Rn. 31; Söfker, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand Februar 2023, § 18 BauNVO Rn. 4; Seith, in: Brügelmann, BauGB, Stand Januar 2023, § 18 BauNVO Rn. 20; Hartmann/Schilder, in: Bönker/Bischopink, BauNVO, 2. Aufl. 2018, § 18 Rn. 5; Jaeger, in: BeckOK BauNVO, Stand 15. April 2023, § 18 Rn. 8; Knaup/Stange, BauNVO, 8. Aufl. 1997, § 18 Rn. 8; Schwier, Handbuch der Bebauungsplan-Festsetzungen, 2002, S. 1255 unter Nr. 33; a. A. wohl Petz, in: König/Roeser/Stock, BauNVO, 5. Aufl. 2022, § 18 Rn. 5).

7 Nur mit diesem Begriffsverständnis ist die Traufhöhe - wie die Firsthöhe und die Oberkante baulicher Anlagen - ein zur Höhenbegrenzung baulicher Anlagen geeigneter fester Bezugspunkt, der nicht durch gestalterische Maßnahmen (z. B. Dachüberstände, Ziertraufen) umgangen werden kann (vgl. OVG Münster, Urteil vom 29. März 1983 - 7 A 2583/81 - BRS 40 Nr. 108 S. 257 f.; OVG Koblenz, Beschluss vom 12. Januar 1983 - 1 A 69/82 - BauR 1983, 353 <354>). Dass die Anwendung sich im Einzelfall angesichts der Vielzahl möglicher architektonischer Gestaltungen schwierig gestalten kann (vgl. Seith, in: Brügelmann, BauGB, Stand Januar 2023, § 18 BauNVO Rn. 20 unter Verweis auf die Entscheidung des OVG Greifswald vom 22. August 2006 - 3 M 73/06 - BauR 2007, 513 zur Traufhöhe bei einem Staffelgeschoss und Satteldach), ändert daran nichts.

8 § 2 Abs. 4 PlanZV zwingt nicht dazu, dem Begriff Traufhöhe im Plan eine Definition beizufügen. Nach dieser Vorschrift sollen die verwendeten Planzeichen im Bauleitplan erklärt werden. Die geforderte Planzeichenerklärung erfolgt in der Praxis regelmäßig mit einer Legende auf der Planunterlage (vgl. Bielenberg/Stock, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand Februar 2023, § 2 PlanZV Rn. 16). Entsprechend ist auch hier verfahren worden. Weitergehende inhaltliche Erläuterungen verlangt § 2 Abs. 4 PlanZV nicht.

9 Auf den von der Beschwerde angesprochenen Begriff der Wandhöhe, der in den abstandsrechtlichen Vorschriften der Landesbauordnungen mit feststehendem unteren und oberen Bezugspunkt gesetzlich definiert wird, kommt es für die Frage der hinreichenden Bestimmtheit des Begriffs Traufhöhe nicht an.

10 2. Die Frage,
ob als unterer Bezugspunkt einer Gebäudehöhe nach § 16 Abs. 2 Nr. 4, § 18 Abs. 1 BauNVO mit der textlichen Festsetzung "nächstgelegene öffentliche Verkehrsfläche" in einem Bebauungsplan ohne weitere Definition oder Erläuterung unter dem Gesichtspunkt des Bestimmtheitsgebotes die Fahrbahn einer an das Baugrundstück grenzenden Straße auch dann maßgeblich ist, wenn diese Straße außerhalb des Geltungsbereichs eines Bebauungsplans liegt, entlang des Grundstücks ein Längsgefälle von mehr als 0,20 m aufweist, das Baugrundstück an ein zweites Straßengrundstück grenzt, das zwar innerhalb des Planbereiches liegt, auf dem die Straße jedoch noch nicht fertiggestellt ist und die Höhe keiner der beiden Straßen nach § 9 Abs. 1 Nr. 11, § 9 Abs. 3 Satz 1 BauGB festgesetzt wurde,
rechtfertigt die Zulassung der Revision ebenfalls nicht. Sie ist auf den Einzelfall des Klägers zugeschnitten und führt nicht auf eine Frage des revisiblen Rechts. Ob eine Planaussage dem Bestimmtheitsgebot genügt, ist grundsätzlich eine Frage der durch das Tatsachengericht vorzunehmenden Auslegung des Bebauungsplans im Einzelfall und damit des nicht revisiblen Rechts und keiner rechtsgrundsätzlichen Klärung zugänglich. Das gilt auch, wenn das Rechtsstaatsgebot in seiner Ausprägung der Normenklarheit und der Bestimmtheit bei dieser Auslegung herangezogen wird (stRspr, vgl. BVerwG, Beschluss vom 25. November 2021 - 4 BN 13.21 - ZfBR 2022, 259 Rn. 12 m. w. N.). Insoweit hätte die Beschwerde darlegen müssen, dass der bundesrechtliche Maßstab für die Bestimmtheit von Rechtsnormen - namentlich in seiner Ausgestaltung in § 18 Abs. 1 BauNVO - entscheidungserhebliche ungeklärte Fragen von grundsätzlicher Bedeutung aufwirft oder die Grundsätze zur Bestimmtheit von Bebauungsplänen der Fortentwicklung oder der Korrektur bedürfen (BVerwG, Beschlüsse vom 15. Februar 2022 - 4 B 5.22 - juris Rn. 3 und vom 7. Juni 2022 - 4 BN 14.22 - juris Rn. 4 jeweils m. w. N.). Das leistet die Beschwerde nicht. Sie verweist auf Entscheidungen anderer Obergerichte, die an die Bestimmtheit des unteren Bezugspunkts strengere Anforderungen stellten als die Vorinstanz. Damit ist schon wegen der unterschiedlichen Fallgestaltungen ein grundsätzlicher Klärungsbedarf nicht dargelegt.

11 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts folgt aus § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 i. V. m. § 52 Abs. 1 GKG.