Beschluss vom 25.10.2023 -
BVerwG 2 WD 9.23ECLI:DE:BVerwG:2023:251023B2WD9.23.0

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    BVerwG, Beschluss vom 25.10.2023 - 2 WD 9.23 - [ECLI:DE:BVerwG:2023:251023B2WD9.23.0]

Beschluss

BVerwG 2 WD 9.23

In dem gerichtlichen Disziplinarverfahren hat der 2. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts durch
den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Häußler,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Burmeister und
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Henke
am 25. Oktober 2023 beschlossen:

  1. I. Den Beteiligten wird Gelegenheit gegeben, zu folgenden in Betracht kommenden Beweiserhebungen Stellung zu nehmen:
  2. 1. Zum Beweis der Tatsache, welche wissenschaftlichen Erkenntnisse zur politischen Ausrichtung der Identitären Bewegung Deutschland e. V. insbesondere in den Jahren 2015 und 2016 vorliegen, namentlich zur Frage,
  3. a) wie sich die Identitäre Bewegung zur gleichberechtigten Teilnahme aller deutschen Staatsangehörigen am Prozess der politischen Willensbildung und zur Rückbindung der Ausübung der Staatsgewalt an das Volk
  4. sowie
  5. b) dazu verhält, ob sich das nach dem Gutachten bei der Identitären Bewegung angenommene "Ausländerrückführungsprogramm" auch auf Personen beziehen soll, die bereits über die deutsche Staatsangehörigkeit verfügen, nach den politischen Vorstellungen der Identitären Bewegung jedoch ethnisch nicht deutsch sind,
  6. wird Herr Prof. Dr. ... M. mit der Ausarbeitung und dem Vortrag eines ergänzenden Gutachtens beauftragt.
  7. 2. Zum Beweis der Tatsache, welche Erkenntnisse zur politischen Ausrichtung der Identitären Bewegung Deutschland e. V. insbesondere in den Jahren 2015 und 2016 vorliegen, namentlich zur Frage,
  8. a) wie sich die Identitäre Bewegung zur gleichberechtigten Teilnahme aller deutschen Staatsangehörigen am Prozess der politischen Willensbildung und zur Rückbindung der Ausübung der Staatsgewalt an das Volk
  9. sowie
  10. b) dazu verhält, ob sich das nach dem Gutachten bei der Identitären Bewegung angenommene "Ausländerrückführungsprogramm" auch auf Personen beziehen soll, die bereits über die deutsche Staatsangehörigkeit verfügen, nach den politischen Vorstellungen der Identitären Bewegung jedoch ethnisch nicht deutsch sind;
  11. c) welche speziellen Erkenntnisse in Bezug auf diesbezügliche Äußerungen des damaligen Landesvorsitzenden der Identitären Bewegung Bayerns und des früheren Soldaten vorliegen,
  12. wird das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz um eine Stellungnahme und Benennung einer Auskunftsperson gebeten.
  13. 3. Zum Beweis der Tatsache, ob die Veröffentlichungen und Aktivitäten des früheren Soldaten geeignet sind, Rückschlüsse auf seine politische Grundeinstellung zuzulassen, wird Frau Dr. ... S., LMU ..., als Sachverständige vernommen.
  14. 4. Den Beteiligten wird ferner Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben, welche weiteren Beweise erhoben werden sollen.
  15. II. Den Beteiligten wird Gelegenheit zur Stellungnahme zur Frage der Zurückverweisung der Sache und der Ausklammerung von Pflichtverletzungen gegeben.
  16. III. Es wird um Abgabe der Stellungnahme bis zum 19. November 2023 gebeten.

Gründe

1 Nach vorläufiger Einschätzung des Senats kann gegenwärtig offenbleiben, ob das erstinstanzliche Verfahren Verfahrensfehler im Sinne des § 120 Abs. 1 Nr. 2 WDO aufweist. Selbst wenn dies der Fall wäre, schiene es bei Ausübung des von dieser Vorschrift eingeräumten prozessualen Ermessens sachgerecht, den Rechtsstreit aus Gründen der Verfahrensbeschleunigung nicht zurückzuverweisen.

2 Es wird darauf hingewiesen, dass das Berufungsgericht in diesem Fall angesichts der unbeschränkt eingelegten Berufung eine eigenständige Tatsachen- und Rechtswürdigung der angeschuldigten Sachverhalte durchzuführen hat und die vom Truppendienstgericht ausgeklammerten Pflichtverletzungen (Punkte 5 und 6 der Anschuldigungsschrift sowie 2 und 3 der Nachtragsanschuldigung) unter den Voraussetzungen des § 107 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 2 WDO wieder in das Disziplinarverfahren einbezogen werden können.

3 Im Rahmen der Beweiserhebung erscheint es nicht durchgängig möglich, eine Entscheidung auf die erstinstanzlich erhobenen Beweise zu stützen. Hinsichtlich der vom Truppendienstgericht eingeholten Sachverständigenbeweise besteht weiterer Aufklärungsbedarf. Die Beweiserhebung des Truppendienstgerichts beruht in beiden Fällen darauf, dass der Vorsitzende Richter des Truppendienstgerichts den Sachverständigen kein klar eingegrenztes Beweisthema vorgegeben hat. Die richterliche Fragestellung war in beiden Fällen nicht auf eine Tatsachenermittlung und -begutachtung, sondern auf eine dem Gericht obliegende rechtliche Bewertung gerichtet. Dem soll der in Betracht gezogene Beschlussentwurf nun Rechnung tragen.

4 Hinsichtlich des Gutachtens von Prof. Dr. M. ist festzustellen, dass er überwiegend Ergebnisse und Schlussfolgerungen dargestellt und nur wenige Primärquellen und Originalzitate benannt hat. Angesichts der Kritik des Berufungsführers daran erscheint es sinnvoll, den Gutachter um Ergänzung des Gutachtens hinsichtlich seiner Erkenntnisgrundlagen zu bitten und ihn in der Berufungshauptverhandlung anzuhören. Es dürfte insbesondere notwendig sein, auch nähere Informationen und Nachweise darüber zu erhalten, welche Vorstellungen die führenden Repräsentanten der Identitären Bewegung von der Durchsetzung des "Ethnopluralismus" und der "identitären Demokratie" insbesondere in den Jahren 2015 und 2016 entwickelt und verbreitet haben.

5 Über den in der Berufungsbegründung erhobenen Vorwurf der Befangenheit des Sachverständigen i. S. d. § 91 Abs. 1 WDO i. V. m. §§ 74 Abs. 2, 24 Abs. 2 StPO wird der Senat nach Antragstellung befinden. Dabei weist er darauf hin, dass allein der Umstand, dass ein Sachverständiger Aussagen getroffen und Schlüsse gezogen hat, die aus Sicht eines Verfahrensbeteiligten unrichtig sind, für sich genommen nicht den Vorwurf fehlender Neutralität trägt. Inhaltliche Einwände gegen die Richtigkeit des Gutachtens können in der Berufungshauptverhandlung angesprochen werden und sind vom Gericht im Rahmen der Beweiswürdigung zu prüfen.

6 Ergänzend kommt in Betracht, das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz um eine schriftliche gutachterliche Stellungnahme nach § 91 Abs. 1 WDO i. V. m. § 83 Abs. 3 StPO zu ersuchen. Soweit es im Rahmen seiner Aufgabenstellung dazu verpflichtet oder im Rahmen der Amtshilfe dazu bereit ist, müsste es nach einer schriftlichen Stellungnahme bei Bedarf einen Bediensteten zur Erläuterung in die Berufungshauptverhandlung entsenden (§ 256 Abs. 2 StPO).

7 Schließlich liegen ein Gutachten und eine ergänzende gutachterliche Stellungnahme von Frau Dr. ... S., LMU ..., in den Akten. Nach vorläufiger Einschätzung des Senats hat das Truppendienstgericht dieses Gutachten zwar angefordert, aber nicht verwertet. Der Vorsitzende Richter hatte als Gutachtensauftrag die Frage gestellt, "ob die angeschuldigten Sachverhalte (so erweislich) geeignet scheinen, Zweifel an der Verfassungstreue i. S. d. § 8 Soldatengesetz des früheren Soldaten zu begründen" und der Gutachterin zugleich ein Schriftenverzeichnis des früheren Soldaten übersandt. Frau Dr. S. hat daraus den Schluss gezogen, sie solle die Schriften des früheren Soldaten und seine angeschuldigten Betätigungen auswerten und darauf basierend ein personenbezogenes Gutachten abgeben. Der Berufungsführer hat die Gutachterin als befangen abgelehnt, weil sie den Gutachtenauftrag eigenmächtig zu seinem Nachteil abgeändert und aus seinen Schriften verfehlte Schlüsse gezogen habe. Auch der Vorsitzende Richter des Truppendienstgerichts hat sich dahingehend geäußert, dass er nur ein Sachverständigengutachten zur angeschuldigten Betätigung im Rahmen der Identitären Bewegung erbeten habe. Die Wehrdisziplinaranwaltschaft ist dem Ablehnungsantrag entgegengetreten.

8 Nach vorläufiger Einschätzung des Senats dürfte es nicht möglich sein, auf die Verwertung eines vom Gericht eingeholten Sachverständigengutachtens ohne Begründung zu verzichten. Nach § 123 Satz 3 i. V. m. § 106 Abs. 4 WDO werden Sachverständige und Zeugen vernommen, sofern nicht der frühere Soldat und der Bundeswehrdisziplinaranwalt darauf verzichten oder das Gericht sie für unerheblich erklärt. Die Ausnahmen von diesem Grundsatz dürften vorliegend nicht eingreifen, da der Inhalt des Gutachtens unter dem Gesichtspunkt der Persönlichkeit des früheren Soldaten voraussichtlich nicht unerheblich sein wird.

9 Daher bedarf es nach vorläufiger Einschätzung auch einer prozessrechtlichen Stellungnahme beider Seiten zur Frage des Verzichts auf die Vernehmung der Sachverständigen und zur Befangenheit der Gutachterin, wobei auf frühere Stellungnahmen verwiesen werden kann. Der Senat beabsichtigt über noch offene und ggf. neu gestellte Befangenheitsanträge vor der mündlichen Verhandlung nach Ablauf der Frist zur Stellungnahme durch Beschluss nach § 80 Abs. 3 Satz 1 WDO zu entscheiden. Falls damit kein Einverständnis besteht, können dazu ebenfalls Ausführungen gemacht werden.

Beschluss vom 05.01.2024 -
BVerwG 2 WD 9.23ECLI:DE:BVerwG:2024:050124B2WD9.23.0

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    BVerwG, Beschluss vom 05.01.2024 - 2 WD 9.23 - [ECLI:DE:BVerwG:2024:050124B2WD9.23.0]

Beschluss

BVerwG 2 WD 9.23

In dem gerichtlichen Disziplinarverfahren hat der 2. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts durch
den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Häußler,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Burmeister und
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Henke
am 5. Januar 2024 beschlossen:

  1. 1. Zum Beweis der Tatsache, welche wissenschaftlichen Erkenntnisse zur politischen Ausrichtung der Identitären Bewegung Deutschland e. V. insbesondere in den Jahren 2015 und 2016 vorliegen, namentlich zur Frage,
  2. a) wie sich die Identitäre Bewegung zur gleichberechtigten Teilnahme aller deutschen Staatsangehörigen am Prozess der politischen Willensbildung und zur Rückbindung der Ausübung der Staatsgewalt an das Volk
  3. sowie
  4. b) dazu verhält, ob sich das nach dem Gutachten des ... bei der Identitären Bewegung angenommene "Ausländerrückführungsprogramm" auch auf Personen beziehen soll, die bereits über die deutsche Staatsangehörigkeit verfügen, nach den politischen Vorstellungen der Identitären Bewegung jedoch ethnisch nicht deutsch sind,
  5. wird ... mit der Ausarbeitung und dem Vortrag eines ergänzenden Gutachtens beauftragt.
  6. 2. Das gegen den Sachverständigen ... gerichtete Ablehnungsgesuch wird zurückgewiesen.
  7. 3. Zum Beweis der Tatsache, welche Erkenntnisse zur politischen Ausrichtung der Identitären Bewegung Deutschland e. V. insbesondere in den Jahren 2015 und 2016 vorliegen, namentlich zur Frage,
  8. a) wie sich die Identitäre Bewegung zur gleichberechtigten Teilnahme aller deutschen Staatsangehörigen am Prozess der politischen Willensbildung und zur Rückbindung der Ausübung der Staatsgewalt an das Volk
  9. sowie
  10. b) dazu verhält, ob sich das nach dem Gutachten des ... bei der Identitären Bewegung angenommene "Ausländerrückführungsprogramm" auch auf Personen beziehen soll, die bereits über die deutsche Staatsangehörigkeit verfügen, nach den politischen Vorstellungen der Identitären Bewegung jedoch ethnisch nicht deutsch sind,
  11. c) welche speziellen Erkenntnisse in Bezug auf diesbezügliche Äußerungen der Identitären Bewegung in Bayern und des früheren Soldaten vorliegen,
  12. wird das ... um eine Stellungnahme und Benennung einer Auskunftsperson gebeten.
  13. 4. Zum Beweis der Tatsache, ob die Veröffentlichungen und Aktivitäten des früheren Soldaten geeignet sind, Rückschlüsse auf seine politische Grundeinstellung zuzulassen, wird ..., als Sachverständige vernommen.
  14. 5. Das gegen die Sachverständige ... gerichtete Ablehnungsgesuch wird zurückgewiesen.

Gründe

1 1. Die Erforschung der Wahrheit verlangt nach § 106 Abs. 1 WDO eine Ergänzung der bereits vorliegenden Sachverständigengutachten (... und ...) sowie zusätzlich eine Stellungnahme des Bayerischen Landesamtes für Verfassungsschutz. Dass die Anschuldigungsbehörde diese Ermittlungen nicht von sich aus angestellt hat (vgl. § 32 Abs. 2, § 97 Abs. 1 WDO), befreit das Gericht nicht von der Verpflichtung zur umfassenden Sachverhaltsaufklärung. Etwaigen behördlichen Versäumnissen kann im Rahmen der Kostenentscheidung Rechnung getragen werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 27. Juli 2010 - 2 WD 5.09 - juris Rn. 32).

2 a) Auch angesichts der bereits erstinstanzlich eingeholten Sachverständigengutachten besteht bei Würdigung des Sachvortrags des Verteidigers des früheren Soldaten (Verteidiger) im Schriftsatz vom 15. November 2023 weiterer Aufklärungsbedarf. Die erstinstanzliche Beweiserhebung beruht in beiden Fällen darauf, dass das Truppendienstgericht den Sachverständigen kein klar eingegrenztes Beweisthema vorgegeben hat. Die richterliche Fragestellung war nicht eindeutig auf eine Tatsachenermittlung und -begutachtung, sondern auf eine dem Gericht obliegende rechtliche Bewertung gerichtet.

3 aa) Hinsichtlich des Gutachtens von ... ist zu beanstanden, dass er überwiegend Ergebnisse und Schlussfolgerungen dargestellt und nur wenige Primärquellen und Originalzitate benennt. Angesichts der insoweit berechtigten Kritik des Berufungsführers ist es geboten, den Gutachter um Ergänzung des Gutachtens hinsichtlich seiner Erkenntnisgrundlagen aufzufordern und ihn in der Berufungshauptverhandlung anzuhören. Es ist insbesondere notwendig, nähere Informationen und Nachweise darüber zu erhalten, welche Vorstellungen die führenden Repräsentanten der Identitären Bewegung von der Durchsetzung des "Ethnopluralismus" und der "identitären Demokratie" insbesondere in den Jahren 2015 und 2016 entwickelt und verbreitet haben. Anders als vom Verteidiger angenommen, ist die Beweisfrage somit noch nicht hinreichend geklärt und beantwortet. Die Ergänzung des Sachverständigengutachtens dient mithin - wie vom Verteidiger zutreffend beanstandet - der Benennung von Tatsachen, die die Schlussfolgerungen des Sachverständigen tragen.

4 bb) Hinsichtlich des erstinstanzlich nicht verwerteten Sachverständigengutachtens von ... steht ein gerichtlicher Erkenntnisgewinn dahingehend zu erwarten, dass es dem Senat insbesondere durch die von der Sachverständigen vorgenommene nähere Auswertung der Veröffentlichungen des früheren Soldaten ermöglicht wird, zusätzliche Informationen über dessen politische Grundeinstellung und damit auf dessen Persönlichkeit als für die Bemessung der Disziplinarmaßnahme nach § 38 Abs. 1 WDO relevanten Umstand zu erlangen.

5 b) Um seiner Verpflichtung zur Sachverhaltsermittlung in umfassender Form nachzukommen, ist ferner das ... um eine gutachterliche Stellungnahme nach § 91 Abs. 1 WDO i. V. m. § 83 Abs. 3 StPO zu ersuchen. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass dort jedenfalls aktuell Erkenntnisse zur politischen Ausrichtung der Identitären Bewegung Deutschland e. V. insbesondere in den Jahren 2015 und 2016 vorliegen.

6 2. Soweit der frühere Soldat mit Schriftsatz vom 17. Juli 2023 (i. V. m. dessen Berufungsschriftsatz vom 6. Juni 2023) den Sachverständigen ... sowie mit Schriftsatz vom 15. November 2023 (i. V. m. seinen Schriftsätzen vom 6. Juni 2023, 28. November 2022, 30. Dezember 2022 und 24. März 2023) die Sachverständige ... wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt hat, sind die Anträge unbegründet.

7 Dabei lässt der Senat dahingestellt, ob der diesbezügliche Vortrag bereits den Begründungserfordernissen entspricht, insbesondere die im Schriftsatz des Verteidigers vom 6. Juni 2023 geäußerten Gründe gegen die Unvoreingenommenheit des Sachverständigen ... als Antrag anzusehen sind. Zugunsten des früheren Soldaten nimmt der Senat angesichts der Stellungnahme seines Verteidigers vom 15. November 2023 zum Beschluss des Senats vom 25. Oktober 2023 - 2 WD 9.23 -, in dem dieser (in Rn. 5) von einem entsprechenden Befangenheitsantrag auch gegen diesen Sachverständigen ausgeht, an, dass er jedenfalls auch im Berufungsverfahren einen entsprechenden Antrag stellt.

8 a) Über die Befangenheit von Sachverständigen ist gemäß § 123 Satz 2, § 91 Abs. 1 WDO i. V. m. § 74 Abs. 1 Satz 2 i. V. m. § 24 Abs. 2 StPO zu befinden. Ein Sachverständiger kann danach aus denselben Gründen abgelehnt werden, die zur Ablehnung eines Richters berechtigen.

9 Die Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit setzt bei der Ablehnung eines Richters einen Grund voraus, der geeignet ist, Misstrauen gegen dessen Unparteilichkeit zu erregen, nicht hingegen, dass dieser tatsächlich befangen, voreingenommen oder parteiisch ist. Es genügt zwar, wenn vom Standpunkt eines Beteiligten aus gesehen hinreichend objektive Gründe vorliegen, die bei vernünftiger Würdigung aller Umstände Anlass geben, an der Unparteilichkeit eines Richters zu zweifeln, mithin bereits der "böse Schein" besteht. Die ausschließlich subjektive Besorgnis, für die bei einer Würdigung der Tatsachen vernünftigerweise kein Grund ersichtlich ist, reicht indes nicht aus. Der Standpunkt dessen, der die Parteilichkeit geltend macht, ist rechtlich wichtig, aber nicht ausschlaggebend; entscheidend ist vielmehr, ob seine Befürchtung auch objektiv berechtigt ist (BVerwG, Beschluss vom 5. Oktober 2022 - 1 WB 48.22 (1 WB 2.22 ) - NVwZ 2023, 173 Rn. 31 m. w. N.). Dabei dient das Ablehnungsverfahren nicht dazu, richterliche Entscheidungen auf ihre Richtigkeit zu überprüfen oder einem Verfahrensbeteiligten eine Handhabe zu geben, einen seinem Anliegen gewogenen Richter auszuwählen. Es soll Verfahrensbeteiligte ausschließlich vor einer persönlichen Voreingenommenheit des Richters, nicht aber vor dessen Rechtsanwendung schützen (BVerwG, Beschluss vom 5. Oktober 2022 - 1 WB 48.22 (1 WB 2.22 ) - NVwZ 2023, 173 Rn. 33 m. w. N.). Da diese Maßstäbe bei mündlichen oder schriftlichen Äußerungen von Sachverständigen entsprechend gelten (BGH, Beschluss vom 14. April 2011 - 1 StR 458/10 - juris Rn. 24), somit ein - vom Verteidiger mehrfach gerügter - Mangel an Sachkunde, Unzulänglichkeiten oder Fehlerhaftigkeiten eines Sachverständigengutachtens einen Sachverständigen nicht befangen macht, sondern die davon zu unterscheidende Verwertbarkeit eines Gutachtens betrifft (vgl. BVerwG, Beschluss vom 25. Oktober 2023 - 2 WD 9.23 - Rn. 5 sowie OLG Brandenburg, Beschluss vom 7. März 2019 - 12 W 3/19 - BauR 2021, 858 <860 f.> und OLG Celle, Beschluss vom 18. Januar 2002 - 14 W 45/01 - NJW-RR 2003, 135 <135>), sind die Anträge unbegründet.

10 b) Hinsichtlich des Sachverständigen ... ist bei objektiver Betrachtung nicht die Annahme berechtigt, dieser habe die Beweisfrage des Gerichts positiv beantworten wollen und "dazu auch fernliegende Deutungen, in den Tiefen der Archiven verschwundene Literatur, Arkanwissen einer winzigen spezialisierten Gruppe von Politologen und ein kaum zu übersehendes Vorurteil gegen Menschen mit einer Gesinnung rechts vom Mainstream, aber klar innerhalb des Verfassungsbogens, den er allerdings wie viele Politologen und Publizisten seines Schlages nach links verschieben (wolle), zu einer ... braunen Melange" verrührt (Seite 15 des Schriftsatzes vom 6. Juni 2023). Der Verteidiger unterstellt dem Sachverständigen damit lediglich eine befangene Haltung und leitet sie vor allem aus schwammigen, nebulösen Aussagen (Seite 12, 14), nicht nachvollziehbaren Schlussfolgerungen (Seite 13), unbehelflichen Feststellungen (Seite 14) und unzutreffenden Aussagen über die Haltung des früheren Soldaten (Seite 14) ab. Damit stützt er den Eindruck der Befangenheit auf Defizite des Gutachtens, die - ebenso wie bei Einwendungen gegen die richterliche Rechtserkenntnis (BVerwG, Beschluss vom 5. Oktober 2022 - 1 WB 48.22 (1 WB 2.22 ) - ‌NVwZ 2023, 173 Rn. 33 f.) – allein nicht geeignet sind, den objektiven Eindruck einer Befangenheit zu begründen. Dies gilt umso mehr, als die - mit dem vorliegenden Beschluss zu beseitigenden - Defizite des Sachverständigengutachtens auch darauf beruhen, dass das Truppendienstgericht diesem Sachverständigen bei der Ladung kein und ihm in der Hauptverhandlung kein klar eingegrenztes Beweisthema vorgegeben, sondern von ihm eine rechtliche Würdigung zur Frage der Verfassungstreue des früheren Soldaten abverlangt hat (vgl. BVerwG, Beschluss vom 25. Oktober 2023 - 2 WD 9.23 - Rn. 3). Zutreffend hat der Verteidiger dazu ausgeführt, die Aufgabenstellung an den Sachverständigen sei damit verfehlt worden.

11 c) Nichts anderes gilt für die Sachverständige ..., deren Gutachten nach der erstinstanzlichen Einschätzung die gerichtlich gestellte Beweisfrage nicht beantwortet hat und das nicht verwertet wurde, obwohl ein sachverständiger Abgleich der vom früheren Soldaten in seinen Publikationen verwerteten Literatur und dessen Positionierung dazu Rückschlüsse auf dessen Gesinnung und Persönlichkeit zulässt.

12 Der Eindruck des Verteidigers, die Sachverständige habe eine vermeintlich günstige Gelegenheit beim Schopf gepackt, einen ihr politisch suspekten Menschen zu diskreditieren, findet bei objektiver Würdigung der Umstände keine Bestätigung. Eine eigenmächtige Abweichung vom Beweisthema im Sinne einer bewussten, für die Voreingenommenheit der Sachverständigen sprechenden Abweichung liegt bei objektiver Betrachtung nicht vor. Denn der Eindruck einer eigenmächtigen Abweichung vom Beweisthema durch eine personenbezogene Würdigung einer Rechtsfrage resultiert aus dem Begutachtungsauftrag vom 5. Mai 2022. In ihm wird nicht nur eine gutachterliche Stellungnahme zur Frage, "ob die angeschuldigten Sachverhalte (so erweislich) geeignet scheinen, Zweifel an der Verfassungstreue im Sinne des § 8 SG des früheren Soldaten zu begründen", gefordert, sondern wurden auch Veröffentlichungen des früheren Soldaten beigefügt. Nicht zuletzt durch deren Übersendung wurde bei der Sachverständigen der Eindruck einer "zentralen Quelle" erweckt (vgl. Mail vom 14. März 2023) und eine personenbezogene Würdigung vorgenommen, die in den Fragestellungen gemäß Seite 1 des schriftlichen Sachverständigengutachtens vom 20. November 2022 Ausdruck fand, obgleich das Truppendienstgericht "politologische Ausführungen zum Wesen und Zielen der Identitäten Bewegung in den Jahren 2015/2016 ... Was musste/konnte man über diese wissen, war ihre Ideologie ... zum damaligen Zeitpunkt verfassungsfeindlich?" (Schreiben des erstinstanzlichen Vorsitzenden vom 26. Januar 2023 an die Sachverständige) erwartet hatte. Vor diesem in die Einzelfallbetrachtung mit einzubeziehenden Hintergrund (OLG Celle, Beschluss vom 7. August 2023 - 14 W 24/23 - juris Rn. 11) bildet die Verkennung des Beweisthemas durch die Sachverständige keinen schwerwiegenden, sondern einen nachvollziehbar mit dem gerichtlichen Agieren erklärbaren Irrtum (vgl. auch OLG Brandenburg, Beschluss vom 7. März 2019 - 12 W 3/19 - BauR 2021, 858 <860 f.>), der nicht den Eindruck entstehen lässt, diese habe sich faktisch an die Stelle des Gerichts gesetzt und ihre Neutralitätspflicht dadurch verletzt, dass sie dem Gericht den Weg der Entscheidungsfindung weist (OLG Celle, Beschluss vom 7. August 2023 - 14 W 24/23 - juris Rn. 11 und OLG Oldenburg, Beschluss vom 13. November 2007 - 5 W 133/07 - MDR 2008, 101).

13 Dass die Sachverständige in ihrem Sachverständigengutachten "genderte", mag zwar den Rückschluss zulassen, dass sie konservativen Ausdrucksformen nicht nahesteht, berechtigt indes nicht zur weiteren Schlussfolgerung, ihre insoweit abgrenzende politische Positionierung habe sie aus ideologischen Gründen daran gehindert, wissenschaftliche Standards zu wahren.

14 3. Dieser Beschluss ist unanfechtbar.