Verfahrensinformation



Der Rechtsstreit betrifft die Auswirkungen der Elternzeit auf die für Polizeivollzugsbeamte in Nordrhein-Westfalen geltende besondere Altersgrenze für den Ruhestand.


Die im Jahr 1964 geborene Klägerin steht als Polizeihauptkommissarin im Dienst des beklagten Landes. Sie begehrt die Feststellung, dass von ihr in Anspruch genommene Elternzeiten als Dienstzeiten im Wechselschichtdienst anzurechnen sind. Dies hätte zur Folge, dass die Mindestzeit von 25 Jahren Wechselschichtdienst erfüllt wäre, die nach nordrhein-westfälischem Beamtenrecht für eine Herabsetzung der Altersgrenze für den Ruhestandseintritt von Polizeivollzugsbeamten erforderlich ist.


Die zuständige Behörde erkannte die Elternzeiten der Klägerin nicht als im Wechselschichtdienst abgeleistete Zeiten an. Die dagegen erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Oberverwaltungsgericht das beklagte Land zu der Feststellung verpflichtet, dass die zwei – insgesamt einen Zeitraum von knapp zweieinhalb Jahren umfassenden – "beschäftigungslosen" Elternzeiten der Klägerin im Rahmen der Berechnung der herabgesetzten Altersgrenze als Zeiten im Wechselschichtdienst mitzurechnen sind. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Klägerin könne einen entsprechenden Anspruch zwar nicht unmittelbar aus nordrhein-westfälischem Landesrecht, aber aus einer unionsrechtskonformen Auslegung der betreffenden Vorschriften herleiten. Die Praxis des beklagten Landes verstoße gegen die Richtlinie 2019/1158/EU (sog. Vereinbarkeitsrichtlinie), wonach Personen, die Elternzeit wahrgenommen haben, so behandelt werden müssten, als sei es nicht zur Freistellung vom Dienst gekommen.


Hiergegen richtet sich die vom Oberverwaltungsgericht wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassene Revision des beklagten Landes.


Pressemitteilung Nr. 49/2025 vom 26.06.2025

Keine Anrechnung von Elternzeit als Wechselschichtdienst in Nordrhein-Westfalen

Die Inanspruchnahme von Elternzeit hat keine Auswirkungen auf die für Polizeivollzugsbeamte in Nordrhein-Westfalen geltende besondere Altersgrenze für den Ruhestandseintritt. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden.


Die im Jahr 1964 geborene Klägerin steht als Polizeivollzugsbeamtin im Dienst des Landes Nordrhein-Westfalen. Nach der Geburt ihrer Kinder nahm sie insgesamt zweieinhalb Jahre Elternzeit in Anspruch. Sie begehrt die Feststellung, dass die Elternzeit als Dienstzeit im Wechselschichtdienst anzurechnen ist. Dann wäre die Mindestzeit von 25 Jahren Wechselschichtdienst erfüllt, die nach nordrhein-westfälischem Beamtenrecht dazu führt, dass Polizeivollzugsbeamte ein Jahr früher in den Ruhestand treten.


Die zuständige Behörde lehnte eine Anrechnung ab. Die dagegen erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Oberverwaltungsgericht das beklagte Land wegen europarechtlicher Vorgaben zu der Feststellung verpflichtet, dass die Elternzeiten der Klägerin als Zeiten im Wechselschichtdienst bei der Bestimmung der herabgesetzten Altersgrenze mitzurechnen sind.


Auf die Revision des beklagten Landes hat das Bundesverwaltungsgericht die Abweisung der Klage bestätigt. Wechselschichtdienst liegt nach § 114 Abs. 2 LBG NRW nur vor, wenn Beamte ständig nach einem Schichtplan eingesetzt sind, der einen regelmäßigen Wechsel der täglichen Arbeitszeit vorsieht. Unionsrechtliche Vorgaben gebieten entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts keine Anrechnung der Elternzeiten. Eine solche folgt insbesondere nicht aus Art. 10 Abs. 2 der Richtlinie 2019/1158/EU (sog. Vereinbarkeitsrichtlinie). Die Vorschrift gewährleistet, dass Frauen und Männer, die aus der Elternzeit zurückkehren, an zwischenzeitlichen Verbesserungen der Arbeitsbedingungen teilhaben. Die besondere Altersgrenze für die durch langjährige Wechselschichtdienste belasteten Polizeibeamten wird hiervon nicht erfasst. Mit dieser zwingenden Regelung trägt der Gesetzgeber vielmehr der vorzeitigen Abnahme der Leistungsfähigkeit Rechnung, die typischerweise nach langjährigem Wechselschichtdienst wegen der damit verbundenen gesundheitlichen Belastungen eintritt.


Fußnote:

(1) Polizeivollzugsbeamtinnen und Polizeivollzugsbeamte auf Lebenszeit treten mit Ende des Monats, in dem sie das 62. Lebensjahr vollenden, in den Ruhestand.


(2) Die Altersgrenze nach Absatz 1 verringert sich um ein Jahr für 25 Dienstjahre, die im Wechselschichtdienst abgeleistet wurden. Wechselschichtdienst sind Zeiten, in denen die Beamtin oder der Beamte ständig nach einem Schichtplan (Dienstplan) eingesetzt ist, der einen regelmäßigen Wechsel der täglichen Arbeitszeit in Wechselschichten (wechselnde Arbeitsschichten, in denen ununterbrochen bei Tag und Nacht, werktags, sonntags und feiertags gearbeitet wird) vorsieht. Die Beamtin oder der Beamte hat die Zeiten nachzuweisen.


(3) Ohne Nachweis der Dienstunfähigkeit können Polizeivollzugsbeamtinnen und Polizeivollzugsbeamte auf Lebenszeit auf Antrag frühestens mit Vollendung des 60. Lebensjahres in den Ruhestand versetzt werden.


BVerwG 2 C 15.24 - Urteil vom 26. Juni 2025

Vorinstanzen:

VG Köln, VG 19 K 2820/21 - Urteil vom 21. September 2023 -

OVG Münster, OVG 6 A 1816/23 - Urteil vom 01. Juli 2024 -


Urteil vom 26.06.2025 -
BVerwG 2 C 15.24ECLI:DE:BVerwG:2025:260625U2C15.24.0

Keine Berücksichtigung von Elternzeit bei der Berechnung von im Wechselschichtdienst verbrachten Dienstzeiten

Leitsätze:

1. Die Absenkung der Altersgrenze nach § 114 Abs. 2 Satz 1 LBG NRW dient der Kompensation für besondere tatsächliche Belastungen, denen Polizeivollzugsbeamte durch langjährige Tätigkeit im Wechselschichtdienst ausgesetzt sind. Zeiträume beschäftigungsloser Elternzeit fallen nicht darunter.

2. Weder aus Art. 10 Abs. 2 der Richtlinie (EU) 2019/1158 noch aus sonstigen Vorgaben des Unionsrechts folgt, dass in beschäftigungsloser Elternzeit verbrachte Zeiten generell als Dienstzeit behandelt werden müssten.

  • Rechtsquellen
    RL 2019/1158/EU Art. 1, Art. 5 Abs. 1 und 2, Art. 10 Abs. 2, Art. 11
    RL 2006/54/EG Art. 14 Abs. 1 Buchst. c
    GG Art. 3 Abs. 3 Satz 1
    VwGO § 43 Abs. 1
    LBG NRW § 67, § 69, § 114 Abs. 2
    LBeamtVG NRW § 4 Abs. 2 Satz 1, § 56a
    FrUrlV NRW § 3 Abs. 1 Nr. 2, § 9, § 10

  • VG Köln - 21.09.2023 - AZ: 19 K 2820/21
    OVG Münster - 01.07.2024 - AZ: 6 A 1816/23

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Urteil vom 26.06.2025 - 2 C 15.24 - [ECLI:DE:BVerwG:2025:260625U2C15.24.0]

Urteil

BVerwG 2 C 15.24

  • VG Köln - 21.09.2023 - AZ: 19 K 2820/21
  • OVG Münster - 01.07.2024 - AZ: 6 A 1816/23

In der Verwaltungsstreitsache hat der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 26. Juni 2025 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Kenntner, die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. von der Weiden und Dr. Hartung, die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Schübel-Pfister und den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Hissnauer für Recht erkannt:

  1. Das Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 1. Juli 2024 wird aufgehoben.
  2. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Köln vom 21. September 2023 wird zurückgewiesen.
  3. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungs- und des Revisionsverfahrens.

Gründe

I

1 Die Klägerin begehrt die Feststellung, dass ihre Elternzeiten als Dienstzeiten im Wechselschichtdienst anzurechnen sind. Dies hätte zur Folge, dass die Mindestzeit von 25 Dienstjahren Wechselschichtdienst erfüllt wäre, deren Ableistung im beklagten Land zwingend zu einer Verringerung der Altersgrenze für den Ruhestandseintritt von Polizeivollzugsbeamten um ein Jahr - vom vollendeten 62. auf das vollendete 61. Lebensjahr - führt.

2 Die am ... geborene Klägerin steht als Polizeihauptkommissarin (Besoldungsgruppe A 11 LBesO) im Dienst des Beklagten. Sie versieht ihren Dienst seit dem ... 1989. Jeweils nach der Geburt ihrer beiden Kinder 1996 und 2000 und dem Ende der Mutterschutzfristen befand sich die Klägerin zunächst in beschäftigungsloser Elternzeit und nahm sodann während der Elternzeit eine Teilzeitbeschäftigung auf. Ihre Beschäftigung in Teilzeit setzte sie - in unterschiedlichem Umfang - auch nach Ende ihrer Elternzeiten fort. Zum September 2016 beendete die Klägerin zunächst ihre Tätigkeit im Wechselschichtdienst; seit dieser Zeit ist sie wieder in Vollzeit tätig. Nach Erlass des Berufungsurteils im Juli 2024 hat die Klägerin erneut den Wechselschichtdienst aufgenommen. Im Februar 2025 vollendete die Klägerin ihr 61. Lebensjahr; sie befindet sich nach wie vor im aktiven Dienst.

3 Mit Bescheid vom 29. März 2019 stellte die Kreispolizeibehörde fest, dass sich die Altersgrenze im Fall der Klägerin nicht durch Ableistung von mindestens 25 Jahren Wechselschichtdienst um ein Jahr verringert habe. Ausweislich der beigefügten tabellarischen Übersicht habe die Klägerin diese Anforderung nicht erfüllt. Der Zeitraum ihrer Elternzeit von insgesamt zwei Jahren und 173 Tagen sei dabei nicht anrechenbar, sodass (nur) 21 Jahre und 345 Tage im Wechselschichtdienst berücksichtigt werden könnten. Widerspruch und Klage hiergegen blieben erfolglos.

4 Auf die Berufung der Klägerin hat das Oberverwaltungsgericht den Beklagten unter Aufhebung der entgegenstehenden Bescheide zu der Feststellung verpflichtet, dass die Elternzeiten der Klägerin im Rahmen der Berechnung ihrer Altersgrenze einzubeziehen sind. Zwar folge der Anspruch der Klägerin auf die begehrte Feststellung nicht aus dem Landesbeamtenrecht, weil die beschäftigungslose Elternzeit kein Wechselschichtdienst im Sinne der landesrechtlichen Vorschriften sei; auch das bei ermäßigter Arbeitszeit geltende Benachteiligungsverbot komme nicht zur Anwendung. Der Anrechnungsanspruch ergebe sich aber aus einer unionsrechtskonformen Auslegung der landesrechtlichen Vorschriften. Die Verringerung der Altersgrenze stelle eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen im Sinne des Unionsrechts dar, auf die Arbeitnehmer nach Rückkehr aus dem Elternurlaub einen Anspruch hätten. Im Wege unionsrechtskonformer Auslegung seien die vom Wechselschichtdienst umschlossenen Elternzeiten daher vollumfänglich − also auch über den unionsrechtlich gewährleisteten Mindestumfang des Elternurlaubs hinaus − auf Dienstzeiten im Wechselschichtdienst anzurechnen.

5 Hiergegen wendet sich der Beklagte mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision. Er macht insbesondere geltend, die landesrechtlich angeordnete Verringerung der Altersgrenze stelle eine besondere Kompensation für gesundheitliche Beeinträchtigungen mit Ausnahmecharakter dar, die nicht unter den Begriff "Verbesserung der Arbeitsbedingungen" im Sinne des Unionsrechts falle. Während und infolge der Inanspruchnahme der Elternzeit seien die jeweiligen Beamten gerade nicht den erhöhten gesundheitlichen Belastungen durch langjährige Tätigkeit im Wechselschichtdienst ausgesetzt, für die das Landesbeamtenrecht einen Ausgleich schaffe. Tatsächlich nicht erlittene Belastungen könnten nicht fingiert werden, um daraus eine Kompensation abzuleiten. Selbst wenn man eine Anwendbarkeit der unionsrechtlichen Vorschriften unterstelle, könne dies jedenfalls nur in Höhe der dort geregelten Vorgaben, also des unionsrechtlich vorgeschriebenen Mindestumfangs des Elternurlaubs, gelten.

6 Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 1. Juli 2024 aufzuheben und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Köln vom 21. September 2023 zurückzuweisen.

7 Die Klägerin beantragt,
die Revision des Beklagten mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass das Urteil des Verwaltungsgerichts Köln vom 21. September 2023 aufgehoben und festgestellt wird, dass die Elternzeiten der Klägerin vom 7. Dezember 1996 bis 30. September 1998 und vom 4. Oktober 2000 bis 31. Mai 2001 im Rahmen der Berechnung der Wechselschichtdienstzeiten nach § 114 Abs. 2 LBG NRW mitzurechnen sind.

8 Sie verteidigt das angegriffene Urteil und hält insbesondere die Auslegung der nationalen Vorschriften anhand der unionsrechtlichen Richtlinien für zutreffend.

9 Die Vertreterin des Bundesinteresses beteiligt sich nicht an dem Verfahren.

II

10 Die Revision des Beklagten ist zulässig und begründet. Das Berufungsurteil beruht auf der Verletzung revisiblen Rechts (§ 137 Abs. 1 Nr. 1, § 191 Abs. 2 VwGO i. V. m. § 63 Abs. 3 Satz 2 BeamtStG und § 127 Nr. 2 BRRG). Die von der Klägerin begehrte Feststellung lässt sich weder unmittelbar noch im Wege einer unionsrechtskonformen Auslegung aus § 114 Abs. 2 Satz 1 des Gesetzes über die Beamtinnen und Beamten des Landes Nordrhein-Westfalen (LBG NRW) ableiten. Die Entscheidung stellt sich auch nicht aus anderen Gründen im Ergebnis als richtig dar (§ 144 Abs. 4 VwGO). Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts war die Berufung der Klägerin gegen das erstinstanzliche Urteil zurückzuweisen, weil ihre Klage zwar zulässig (1.), aber unbegründet (2.) ist.

11 1. Die Klage ist als allgemeine Feststellungsklage nach § 43 Abs. 1 VwGO zulässig (vgl. BVerwG, Urteil vom 25. Januar 2007 - 2 C 28.05 - NVwZ 2007, 1192 Rn. 9). Sie ist auf die Feststellung gerichtet, dass - entgegen den Angaben in den streitgegenständlichen Bescheiden - die Vollendung des 61. Lebensjahres die im Fall der Klägerin maßgebliche Altersgrenze darstellt.

12 Der vom Berufungsgericht angenommenen Verpflichtungsklage auf Erlass eines feststellenden Verwaltungsakts bedurfte es nicht. Das maßgebliche materielle Recht knüpft die Feststellung nicht an den Ausspruch einer Behörde. Unter den Voraussetzungen des § 114 Abs. 2 Satz 1 LBG NRW verringert sich die Altersgrenze des Absatzes 1 vielmehr automatisch und kraft Gesetzes um ein Jahr. Die normativ bestimmten Rechtsfolgen treten damit unabhängig vom Erlass eines Verwaltungsakts oder eines gesondert festgestellten Tatbestandsmerkmals ein (vgl. BVerwG, Urteil vom 16. Januar 2003 - 7 C 31.02 - BVerwGE 117, 322 <326 = juris Rn. 13> m. w. N.).

13 Angesichts der zeitlichen Abläufe erweist sich die Feststellungsklage hier sogar als rechtsschutzintensiver als die Verpflichtungsklage, weil bei einem stattgebenden Urteil die begehrte Feststellung unmittelbar, also ohne einen weiteren behördlichen Zwischenschritt, einträte. Da die Klägerin ihr 61. Lebensjahr bereits im Februar 2025 vollendet hat und die Verringerung der Altersgrenze nur noch anteilig zum Tragen kommen kann, ist dieser Zwischenschritt in zeitlicher Hinsicht auch von praktischer Bedeutung.

14 2. Die Klage ist jedoch unbegründet. Die von der Klägerin in Anspruch genommenen Elternzeiten sind - auch unter Berücksichtigung des in § 69 LBG NRW normierten Benachteiligungsverbots - nicht bei der Berechnung der Wechselschichtdienstzeiten nach § 114 Abs. 2 Satz 1 LBG NRW zu berücksichtigen (a). Unionsrecht gebietet keine Korrektur dieses Ergebnisses (b). Auch verfassungsrechtliche Erwägungen führen nicht zu einer anderen Beurteilung (c).

15 a) Die Regelung des § 114 Abs. 2 Satz 1 LBG NRW bestimmt, dass sich die Altersgrenze nach Absatz 1 - das für Polizeivollzugsbeamte auf Lebenszeit geltende Ruhestandseintrittsalter von 62 Lebensjahren - um ein Jahr verringert, wenn 25 Dienstjahre im Wechselschichtdienst abgeleistet worden sind. Die Vorschrift zielt auf einen Ausgleich für diese besonders belastende Form des aktiven Dienstes (aa). Eine Gleichstellung der von den Beamten in Anspruch genommenen Elternzeiten mit Dienstzeiten im Wechselschichtdienst scheidet daher aus (bb). Das Benachteiligungsverbot nach § 69 LBG NRW erfasst die vorliegende Fallgestaltung nicht (cc).

16 aa) Die Vorverlegung der Altersgrenze in § 114 Abs. 2 Satz 1 LBG NRW bezieht sich nur auf Dienstzeiten, die im Wechselschichtdienst geleistet worden sind.

17 (1) Nach der Legaldefinition des § 114 Abs. 2 Satz 2 LBG NRW handelt es sich beim Wechselschichtdienst um Zeiten, in denen die Beamten ständig nach einem Schichtplan (Dienstplan) eingesetzt sind, der einen regelmäßigen Wechsel der täglichen Arbeitszeit in Wechselschichten (wechselnde Arbeitsschichten, in denen ununterbrochen bei Tag und Nacht, werktags, sonntags und feiertags gearbeitet wird) vorsieht. Erfasst werden somit nur Zeiten des dienstlichen Einsatzes von Beamten.

18 Die von der Klägerin aus privaten Gründen in Anspruch genommene beschäftigungslose Elternzeit fällt nicht darunter. Hierbei handelt es sich bereits nicht um Dienstzeit, sondern um eine Phase der Freistellung vom Dienst ohne Besoldung, wie sich aus dem Verweis in § 9 der Verordnung über die Freistellung wegen Mutterschutz für Beamtinnen und Richterinnen, Eltern- und Pflegezeit, Erholungs- und Sonderurlaub der Beamtinnen und Beamten und Richterinnen und Richter im Land Nordrhein-Westfalen vom 10. Januar 2012 (GV. NRW S. 2 - FrUrlV NRW) auf die Bestimmungen des Gesetzes zum Elterngeld und zur Elternzeit (BEEG) ergibt. Die Klägerin war den Belastungen des Wechselschichtdienstes, deren Ausgleich § 114 Abs. 2 Satz 2 LBG NRW dient, in diesem Zeitraum auch nicht ausgesetzt.

19 (2) Systematisch-teleologische Erwägungen bestätigen dieses Verständnis. Bei der Verringerung der Altersgrenze nach Absatz 2 handelt es sich nicht um eine Besserstellung im Sinne einer Belohnung für besondere Treue zum Dienstherrn, sondern um einen Ausgleich für langjährige und tatsächliche Belastungen, die mit der Dienstform des Wechselschichtdienstes einhergehen. Hierauf ist die Norm zugeschnitten und beschränkt. Wie das Berufungsgericht unter Bezugnahme auf die Gesetzesmaterialien (vgl. Plenarprotokoll 13/108 vom 17. Dezember 2003, LT-Drs. 13/3930 S. 10729) festgestellt hat, war mit der im Jahr 2003 eingeführten, seither inhaltlich unveränderten Vorschrift die Schaffung einer "Härteregelung" zum Ausgleich für die spezifischen Belastungen durch die Verwendung im Wechselschichtdienst intendiert. Die Vorschrift modifiziert die Altersgrenze für den Ruhestandseintritt der Polizeivollzugsbeamten nach § 114 Abs. 1 LBG NRW, wobei sie anders als Absatz 1 nicht an eine allgemeine Gruppenzugehörigkeit, sondern - konkret und abschließend - an den zeitlich bemessenen Einsatz in einer bestimmten Tätigkeitsform anknüpft.

20 (3) Die Anwendung der Norm setzt voraus, dass die auszugleichende besondere Beanspruchung durch den Einsatz im Wechselschichtdienst erfolgt ist (vgl. Schrapper/​Günther, Landesbeamtengesetz Nordrhein-Westfalen, 3. Aufl. 2021, § 114 Rn. 3 f.).

21 Die mit dieser Dienstform verbundenen Erschwernisse sind physischer, psychischer und sozialer Art; sie hängen insbesondere mit der permanenten Umstellung des Arbeits- und Lebensrhythmus durch wechselnde Dienstzeiten und einen hohen Anteil an Nachtstunden zusammen (vgl. OVG Münster, Beschluss vom 29. Januar 2014 - 6 A 2207/12 - juris Rn. 12). Diese gesundheitlichen und sozialen Auswirkungen sollen in typisierender Form durch den um ein Jahr vorgezogenen Ruhestandseintritt und die hierdurch eintretende Verringerung der Lebensarbeitszeit kompensiert werden. Die Ausgestaltung des Belastungsausgleichs als nachträgliche Abgeltung trägt dabei dem Umstand Rechnung, dass die besonderen Beanspruchungen typischerweise ein früheres Nachlassen der Leistungsfähigkeit zur Folge haben. Der Gesetzgeber geht im Rahmen seines Gestaltungsspielraums zulässigerweise davon aus, dass die Dienstfähigkeit infolge des langjährigen Wechselschichtdienstes regelmäßig soweit vorzeitig abnimmt, dass dies einen früheren Ruhestandseintritt erfordert. Wie bei sonstigen Altersgrenzen wird - in hohem Maße generalisierend und pauschalisierend - auch hier unterstellt, dass die betroffenen Beamten ohne Rücksicht auf ihre individuelle Leistungsfähigkeit den dienstlichen Anforderungen nicht mehr genügen und deswegen in den Ruhestand treten (vgl. BVerwG, Urteil vom 25. Januar 2007 - 2 C 28.05 - NVwZ 2007, 1192 Rn. 21; BVerfG, Kammerbeschluss vom 23. Mai 2008 - 2 BvR 1081/07 - NVwZ 2008, 1233 Rn. 25 m. w. N.).

22 (4) Mit diesem Inhalt und Charakter des § 114 Abs. 2 Satz 1 LBG NRW korrespondiert, dass die Regelung zwingend ausgestaltet ist (vgl. Plog/​Wiedow, Bundesbeamtengesetz, Stand März 2025, § 114 LBG NRW Rn. 5).

23 Dies folgt aus dem Wortlaut ("verringert sich") ebenso wie aus der systematischen Stellung zwischen Absatz 1 (Altersgrenze für Polizeivollzugsbeamte ohne im Wechselschichtdienst verbrachte Mindestzeit) und Absatz 3 (früherer Ruhestandseintritt auf Antrag ohne Nachweis der Dienstunfähigkeit). Insbesondere das in Absatz 3 enthaltene Antragserfordernis führt zu dem Gegenschluss, dass die Rechtsfolge des Absatzes 2 zwingend und von Amts wegen eintritt. Sie stellt somit keine Vergünstigung dar, die von den Beamten nach Belieben und unter Ausübung eines Wahlrechts in Anspruch genommen werden könnte.

24 Die in Absatz 2 Satz 3 getroffene Bestimmung, wonach der Beamte die im Wechselschichtdienst abgeleisteten Zeiten nachzuweisen hat, steht dem nicht entgegen. Die Regelung ist bereits fragwürdig, weil sie den Beamten mit der den Behörden obliegenden Sachaufklärung belastet, obwohl die Schichtpläne aus der Sphäre des Dienstherrn stammen (vgl. hierzu etwa Schachel, in: Schütz/​Maiwald <Hrsg.>, Beamtenrecht, Stand März 2025, § 114 LBG NRW 2016 Rn. 44 f.). Jedenfalls aber ist der Norm lediglich eine Beweislastregel zu entnehmen. In Zweifelsfällen − die insbesondere in Fällen von Behördenwechseln praktische Bedeutung erlangen dürften − hat der Beamte die anspruchsbegründenden Tatsachen nachzuweisen. Mit der Regelung ist aber kein − auch kein verstecktes − Antragsrecht der Beamten verbunden. Dem steht bereits der zwingende Wortlaut der Vorschrift entgegen. Wie die Beteiligten in der mündlichen Verhandlung zur praktischen Handhabung erläutert haben (vgl. hierzu auch den Erlass des Ministeriums für Inneres und Kommunales vom 9. Oktober 2014: "Verringerung der Lebensarbeitszeit im Bereich der Polizei des Landes NRW gemäß § 115 Abs. 2 LBG", Az. 403 - 42.02 .04, S. 3), werden die - ohnehin für die Berechnung der Wechselschichtzulage nach § 17a der Erschwerniszulagenverordnung (EZulV) – erforderlichen Schichtpläne den Beamten auf Nachfrage auch zur Verfügung gestellt. Im Fall der Klägerin ist die Behörde sogar von sich aus tätig geworden und hat die Klägerin darauf aufmerksam gemacht, dass sie ihre Wechselschichtzeiten ausrechnen lassen könne; erst daraufhin ist die Klägerin aktiv geworden und hat sich die maßgeblichen Zeiten vom Beklagten ermitteln und berechnen lassen.

25 bb) § 114 Abs. 2 Satz 1 LBG NRW ist auch keiner erweiternden Auslegung dahingehend zugänglich, dass beschäftigungslose Elternzeiten, die vom Wechselschichtdienst "nahtlos umschlossen" sind, als derartige Beschäftigungszeiten fingiert werden.

26 (1) Das vom Berufungsgericht herangezogene Kriterium des "nahtlosen Umschlossenseins" findet im Wortlaut des § 114 Abs. 2 LBG NRW keine Stütze. Das Kriterium, das eine Formulierung aus dem Erlass vom 9. Oktober 2014 (S. 2) aufgreift, ist zu einer Präzisierung der Reichweite der Anrechnung auch nicht geeignet. Mit der im Wechselschichtdienst "ununterbrochen" geleisteten Arbeit ist nach der Klammerdefinition des Satzes 2 gemeint, dass der Einsatz der Beamten nach einem rollierenden Dienstplan "24/7" erfolgt, der rund um die Uhr eine kontinuierliche Besetzung der Dienststelle gewährleistet und keine Lücken innerhalb einer Woche bzw. eines Tages zulässt (vgl. OVG Münster, Beschluss vom 29. Januar 2014 - 6 A 2207/12 - juris Rn. 7, 12). Mit der Frage, wann der einzelne Beamte seine Arbeitsleistung erbracht hat und ob diese beispielsweise von Urlaubs- oder anderen Ausfallzeiten unterbrochen war, hat diese Schichtfolge nichts zu tun.

27 (2) Die vom Berufungsgericht vorgenommene Gleichsetzung der Elternzeit mit Urlaubs-, Krankheits- und Mutterschutzzeiten, die nach der Verwaltungspraxis des Beklagten angerechnet werden (vgl. den Erlass vom 9. Oktober 2014, S. 2), vermag ebenfalls nicht zu überzeugen. Diese Phasen werden bereits kraft Gesetzes anders behandelt als die Elternzeit, sodass die vom Beklagten vorgenommene Differenzierung auf einem Sachgrund beruht. Beamte befinden sich auch während urlaubs- oder krankheitsbedingter Abwesenheiten im aktiven Dienst, wohingegen es sich bei den - typischerweise längeren - beschäftigungslosen Elternzeiten um eine Freistellung vom Dienst ohne Dienstbezüge handelt. Die Inanspruchnahme von Elternzeit ist optional (vgl. §§ 15 ff. BEEG). Demgegenüber besteht während der Mutterschutzfristen nach dem Gesetz zum Schutz von Müttern bei der Arbeit, in der Ausbildung und im Studium (MuSchG) ein weitreichendes und gerade auch den Dienst zu besonderen Zeiten umfassendes gesetzliches Beschäftigungsverbot (vgl. § 3 Abs. 1 Nr. 2 FrUrlV NRW i. V. m. § 3 Abs. 1 und Abs. 2 MuSchG). Diese Regelung liegt im Interesse der Gesundheit von Mutter und Kind und trägt damit zugleich der Fürsorgepflicht des Dienstherrn Rechnung. Ihr entspricht es, dass die Mutterschutzzeiten kraft Gesetzes als Beschäftigungszeiten fingiert werden (vgl. etwa § 18 Abs. 5 FrUrlV NRW). Eine Behandlung von Elternzeit als Dienstzeit ist schließlich nicht wegen der Schutzpflicht für (stillende) Mütter aus Art. 6 Abs. 4 GG geboten (vgl. hierzu BVerfG, Kammerbeschluss vom 2. April 1996 - 2 BvR 169/93 - NVwZ 1997, 54 <54 f.>). Diese wird bereits durch § 7 FrUrlV NRW i. V. m. § 23 Abs. 1 MuSchG umgesetzt.

28 (3) Entgegen der Annahme des Berufungsgerichts ist die Inanspruchnahme von Elternzeit auch nicht die einzige der Mutter verbleibende Möglichkeit. Vielmehr sieht das geltende Recht eine Vielzahl unterschiedlicher Handlungsmöglichkeiten vor, um Elternschaft und Beruf zu verbinden. Die Gleichstellung von Elternzeit mit tatsächlich verrichtetem Wechselschichtdienst ist daher nicht "alternativlos", um die zwingenden Vorgaben des Unionsrechts zu beachten. Die Durchsetzung weitergehender Vorstellungen, auch wenn sie gesellschaftlich wünschenswert erscheinen mögen, ist nicht Sache der Gerichte.

29 Nach dem Ende der Mutterschutzfristen ermöglicht bereits das Landesbeamtenrecht unterschiedliche Formen der Weiterbeschäftigung, darunter die - gegebenenfalls unterhälftige (§ 10 FrUrlV NRW i. V. m. § 67 LBG NRW) – Teilzeitbeschäftigung. Eine Inanspruchnahme der Elternzeit bzw. früher des Erziehungsurlaubs durch Väter (vgl. etwa § 15 des Bundeserziehungsgeldgesetzes vom 20. Dezember 1996) kommt ebenso in Betracht wie eine Tagesbetreuung für Kinder ab dem vollendeten ersten Lebensjahr, auf die seit 2013 gemäß § 24 Abs. 2 SGB VIII ein Rechtsanspruch besteht.

30 (4) Die von § 114 Abs. 2 Satz 1 LBG NRW erfassten tatsächlichen Belastungen sind auch nicht mit den Nachteilen im beruflichen Fortkommen gleichzusetzen, die bei freigestellten Personalratsmitgliedern und Gleichstellungsbeauftragten durch die fiktive Nachzeichnung ihres Werdegangs ausgeglichen werden.

31 cc) Das Benachteiligungsverbot aus § 69 LBG NRW ist für die vorliegende Fallgestaltung nicht anwendbar.

32 Nach dieser Vorschrift dürfen die Ermäßigung der Arbeitszeit und die Teilnahme an der alternierenden mobilen Arbeit (vgl. § 60 LBG NRW) das berufliche Fortkommen nicht beeinträchtigen; eine unterschiedliche Behandlung von Beamten mit ermäßigter Arbeitszeit gegenüber Beamten mit regelmäßiger Arbeitszeit ist nur zulässig, wenn zwingende sachliche Gründe sie rechtfertigen. Wie bereits das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, soll die Bestimmung verhindern, dass eine Ermäßigung der Arbeitszeit zu Verzögerungen beim beruflichen Aufstieg von Teilzeitkräften im aktiven Dienst führt. Ein früherer Eintritt in den Ruhestand, der die berufliche (Weiter-)Entwicklung nicht befördert, sondern gerade beendet, ist von der Regelung bereits tatbestandlich nicht erfasst.

33 Im Übrigen liegt eine Ermäßigung der Arbeitszeit nur bei Teilzeittätigkeit vor, nicht aber bei einer Reduzierung der Arbeitszeit auf null im Sinne einer vollständigen Freistellung vom Dienst (so auch Tiedemann, in: Schütz/​Maiwald <Hrsg.>, Beamtenrecht, Stand März 2025, Teil C, § 69 LBG NRW Nr. 6; Heinz, in: Brinktrine/​Heid <Hrsg.>, BeckOK Beamtenrecht NRW, Stand April 2025, § 69 LBG NRW Rn. 5; a. A. Schrapper/​Günther, Landesbeamtengesetz NRW, 3. Aufl. 2021, § 69 LBG NRW Rn. 1). Hierfür sprechen nicht nur der Gesetzeswortlaut ("ermäßigte" als Gegenstück zur "regelmäßigen" Arbeitszeit), sondern auch die auf die Förderung von Teilzeitkräften bezogene Historie (vgl. BT-Drs. 12/5468 S. 40 f.) sowie die systematische Stellung der Vorschrift, die innerhalb des Abschnitts "Rechtliche Stellung im Beamtenverhältnis" an die Bestimmungen über die Teilzeitbeschäftigung (§§ 63 ff. LBG NRW) anschließt.

34 b) Unionsrecht gebietet keine Korrektur dieses Ergebnisses, und zwar weder die vom Berufungsgericht als Grundlage einer unionsrechtskonformen Auslegung herangezogene Richtlinie (aa) noch andere in Betracht kommende Vorschriften (bb). Einer Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union bedurfte es nicht (cc).

35 aa) Die Elternzeiten sind nicht wegen einer unionsrechtskonformen Auslegung des nationalen Rechts anhand des Art. 10 Abs. 2 der Richtlinie (EU) 2019/1158 vom 20. Juni 2019 zur Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben für Eltern und pflegende Angehörige und zur Aufhebung der Richtlinie 2010/18/EU des Rates (ABl. L 188 S. 79; sog. Vereinbarkeitsrichtlinie) auf die im Wechselschichtdienst verbrachten Zeiten anzurechnen. Ausweislich dieser Bestimmung sorgen die Mitgliedstaaten dafür, dass die Arbeitnehmer nach Ablauf eines Urlaubs gemäß Art. 5 - des sogenannten Elternurlaubs - Anspruch darauf haben, an ihren früheren oder einen gleichwertigen Arbeitsplatz unter Bedingungen zurückzukehren, die für sie nicht weniger günstig sind, und in den Genuss aller Verbesserungen der Arbeitsbedingungen zu kommen, auf die sie Anspruch gehabt hätten, wenn sie den Urlaub nicht genommen hätten. Die allein in Betracht kommende Gewährleistung nach dem zweiten Halbsatz von Art. 10 Abs. 2 der Richtlinie kommt vorliegend nicht zum Tragen. Sie ist in sachlicher Hinsicht nicht einschlägig (1), für eine Gleichstellung der Elternzeit bietet sie keinen Ansatzpunkt (2). Im Übrigen käme danach nur eine Berücksichtigung des unionsrechtlichen Mindestumfangs des Elternurlaubs in Betracht (3).

36 (1) Die im Jahr 2019 erlassene und bis August 2022 in nationales Recht umzusetzende Richtlinie ist zwar in persönlicher (vgl. zur Vorgängervorschrift EuGH, Urteil vom 7. September 2017 - C-174/16, H./Land Berlin, NJW 2017, 3357; zur Anwendbarkeit auf Beamte bereits EuGH, Urteil vom 3. Juli 1986 - 66/85, Lawrie-Blum/​Land Baden-Württemberg, Slg. 1986, 2121) und wohl auch in zeitlicher Hinsicht auf den Rechtsstreit anwendbar. Der sachliche Anwendungsbereich der Norm ist jedoch nicht eröffnet, ihre Tatbestandsvoraussetzungen sind nicht erfüllt. Die Verringerung der Altersgrenze nach § 114 Abs. 2 Satz 1 LBG NRW stellt keine "Verbesserung der Arbeitsbedingungen" dar, auf die die Klägerin einen "Anspruch" gehabt hätte.

37 (a) Die Verringerung der Altersgrenze für den Ruhestandseintritt gehört nicht zu den von Art. 10 Abs. 2 Halbs. 2 RL (EU) 2019/1158 erfassten Arbeitsbedingungen ("working conditions" / "conditions d'emploi").

38 Wie sich bereits aus dem Wortlaut sowie der Überschrift zu Art. 10 ("Beschäftigungsansprüche" / "employment rights" / "droits en matière d'emploi") ergibt, sind damit Aspekte umfasst, welche die Ausgestaltung und Modalitäten des aktiven Dienstverhältnisses betreffen, nicht aber dessen (vorzeitige) Beendigung. Dementsprechend sind die "Entlassungsbedingungen" in Art. 10 Abs. 2 RL (EU) 2019/1158 − in Abweichung zur Regelung in Art. 14 Abs. 1 Buchst. c RL 2006/54/EG und deren Vorgängervorschrift in Art. 5 Abs. 1 RL 76/207/EWG − nicht aufgeführt. Dafür, dass mit der Richtlinie gleichwohl auch die Entlassungsbedingungen umfasst sein sollten, geben auch die Erwägungsgründe keinerlei Anhaltspunkt. Dies gilt auch in Ansehung der in Erwägungsgrund 47 zum Ausdruck kommenden Vorstellung der Schutzverstärkung. Denn der dort ausgesprochene Schutz vor Einschränkungen der in anderen Richtlinien gewährten Rechte bedeutet nicht, dass die inhaltliche Reichweite der benannten Richtlinien identisch sein müsste.

39 Für dieses Verständnis spricht auch die Systematik der Richtlinie, die ausweislich ihres Art. 1 "Arbeitsmarktchancen und die Behandlung am Arbeitsplatz" zum Gegenstand hat, in Art. 10 einzelne "Beschäftigungsansprüche" gewährleistet und (nur) den Kündigungsschutz wegen Inanspruchnahme von Elternzeit gesondert in Art. 12 regelt. Dementsprechend nimmt auch der dem Erlass zugrundeliegende Kommissionsvorschlag (COM <2017> 253 final vom 26. April 2017, S. 1 und 2) auf die "Laufbahnentwicklung" sowie die "Chancen auf dem Arbeitsmarkt und Behandlung am Arbeitsplatz" Bezug. Der Zeitpunkt des Ruhestandseintritts infolge einer vorgezogenen Altersgrenze mit der Konsequenz des Bezugs von Versorgungsleistungen entspricht diesen Anforderungen nicht.

40 (b) Die Herabsetzung der Altersgrenze nach § 114 Abs. 2 Satz 1 LBG NRW ist auch nicht als "Verbesserung" (der Arbeitsbedingungen) einzustufen. Die Regelung weist vielmehr einen gemischten Charakter auf, der für die betroffenen Beamten - je nach persönlicher Situation und Interessenlage - auch nachteilige Folgen haben kann (so die Konstellation im Fall des VG Schwerin, Urteil vom 22. April 2025 - 1 A 1490/22 SN - juris).

41 Die Absenkung der Altersgrenze führt dazu, dass die Beamten bereits ab dem - in der Norm zwingend angeordneten - früheren Zeitpunkt in den Ruhestand treten. Sie erhalten damit nicht mehr reguläre Dienstbezüge, sondern die im Vergleich hierzu niedrigeren Versorgungsbezüge (vgl. § 4 Abs. 2 Satz 1 des Beamtenversorgungsgesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen - LBeamtVG NRW). Die zum Ausgleich in § 56a LBeamtVG NRW vorgesehene Einmalzahlung in Höhe von maximal 4 091 € ist nicht an den jeweiligen Besoldungsgruppen orientiert und vom tatsächlichen Lebensalter abhängig (vgl. § 56a Abs. 1 Satz 2 LBeamtVG NRW). Sie wird den tatsächlichen Einkommensverlust daher regelmäßig nicht ausgleichen können. Überdies fehlt den betroffenen Beamten ein Jahr ruhegehaltfähiger Dienstzeit, was − je nach individueller Situation, typischerweise aber gerade bei erfolgter Inanspruchnahme von Elternzeit und Teilzeitbeschäftigung − zu Einbußen bei der Höhe der Versorgungsbezüge führen kann. Die Absenkung der Altersgrenze bringt daher keine "Verbesserung" der Stellung des Beamten mit sich; mit der Regelung ist vielmehr eine grundlegende Statusveränderung verbunden, die sich bei objektiver Betrachtung einer Einordnung in Kategorien wie "Verbesserung" u. ä. entzieht. Mit der Verneinung des Anwendungsbereichs der Regelung wird dem Beamten daher auch nicht eine Vergünstigung vorenthalten.

42 (c) Im Übrigen sind auch die weiteren Tatbestandsvoraussetzungen der Norm nicht erfüllt. Die Gewährleistung knüpft an die Rückkehr aus dem (Eltern-)Urlaub an und erfasst Bedingungen für Arbeitnehmer, "auf die sie Anspruch gehabt hätten, wenn sie den Urlaub nicht genommen hätten". Worauf sich ein Anspruch der Klägerin nach Rückkehr aus der Elternzeit beziehen sollte, ist indes nicht ersichtlich. Die Verringerung der Altersgrenze, um die es der Klägerin geht, folgt gerade aus der weiteren Tätigkeit im Wechselschichtdienst, sodass ein Anspruch hierauf auch dann nicht bestanden hätte, wenn sie den Urlaub nicht genommen hätte. Tatbestandsvoraussetzung ist vielmehr die weitere und tatsächliche Dienstausübung unter den Bedingungen des Wechselschichtdienstes. Auf den (weiteren) Einsatz nach einem Schichtplan haben Polizeivollzugsbeamte aber keinen Anspruch. Dem entspricht die dem streitgegenständlichen Bescheid beigefügte tabellarische Aufstellung zum Verwendungsnachweis der Klägerin. Diese Übersicht enthält vor und nach den Elternzeiten auch Phasen der beruflichen Tätigkeit ohne Wechselschichtdienst.

43 (2) Art. 10 Abs. 2 Halbs. 2 der Richtlinie (EU) 2019/1158 bietet für eine generelle Gleichstellung von Elternzeiten mit Dienstzeiten - auch jenseits der streitgegenständlichen Frage einer Anerkennung fiktiver Belastungszeiten - keine Grundlage.

44 Die Neuregelung im zweiten Halbsatz der Vorschrift, der auf die Beschäftigungsbedingungen bei Rückkehr an den Arbeitsplatz Bezug nimmt, war in den Vorgängerregelungen, insbesondere der Richtlinie 2010/18/EU des Rates vom 8. März 2010 zur Durchführung der von BUSINESSEUROPE, UEAPME, CEEP und EGB geschlossenen überarbeiteten Rahmenvereinbarung über den Elternurlaub und zur Aufhebung der Richtlinie 96/34/EG (ABl. L 188 S. 79), noch nicht enthalten. Wäre mit der Neufassung ein grundsätzlicher Paradigmenwechsel hin zu einer pauschalen und flächendeckenden Gleichsetzung von (eltern-)urlaubsbedingten Abwesenheitszeiten mit aktiven Dienstzeiten beabsichtigt gewesen, hätte der Unionsgesetzgeber dies − angesichts der üblichen Gepflogenheiten − mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit in den Erwägungsgründen der Richtlinie zum Ausdruck gebracht. Es ist auch kaum denkbar, dass ein derartig fundamentaler Wandel in einem Halbsatz und damit an fast "versteckter Stelle" platziert worden wäre.

45 Dementsprechend lässt sich auch den Vorarbeiten der Europäischen Kommission (vgl. COM <2017> 253 final) eine solche Regelungsabsicht nicht entnehmen. Der Gewährleistungsgehalt des Halbsatzes 2 bezieht sich vielmehr (allein) auf die während der Urlaubsabwesenheit am jeweilig konkreten Arbeitsplatz neu geschaffenen vorteilhaften Arbeitsumstände im Sinne zusätzlicher Rechtspositionen, an denen auch Rückkehrer teilhaben sollen (wie z. B. Veränderungen des Arbeitsorts, der Büroausstattung oder der Homeoffice-Regelungen; vgl. Wietfeld in: Preis/​Sagan, Europäisches Arbeitsrecht, 3. Aufl. 2024, Rz. 17.69). Dies entspricht der arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung, die eine Gleichsetzung von Elternzeiten mit Berufserfahrungszeiten ebenfalls ablehnt (vgl. BAG, Urteile vom 27. Januar 2011 - 6 AZR 526/09 - BAGE 137, 80 = juris Rn. 36 ff., vom 22. Februar 2024 - 6 AZR 126/23 - juris und vom 6. Mai 2025 - 3 AZR 65/24 - Pressemitteilung).

46 (3) Selbst wenn man Art. 10 Abs. 2 Halbs. 2 RL (EU) 2019/1158 im Streitfall für einschlägig hielte, wäre hiervon allenfalls der unionsrechtlich gewährleistete Mindestumfang der Elternzeit erfasst, dessen Anerkennung als Wechselschichtdienst der Klägerin keinen rechtlichen Vorteil böte.

47 (a) Der sekundärrechtlich gewährleistete Elternurlaub umfasst nach Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie vier Monate pro Kind und Arbeitnehmer, während die Elternzeit nach deutschem Recht bis zu drei Jahre beträgt (vgl. § 15 Abs. 2 Satz 1 BEEG). Zwar können die Mitgliedstaaten nach nationalem Recht - insoweit ohne Bindung an die unionsrechtlichen Schutzregeln - auch überschießend umgesetzte oder anerkannte Urlaubszeiträume in die Gewährleistungen einbeziehen. Für eine solche Annahme, deren Feststellung den mitgliedstaatlichen Behörden und Gerichten obliegt, bestehen vorliegend aber keine Anhaltspunkte (vgl. zum Urlaubsverfall BVerwG, Urteil vom 11. April 2024 - 2 A 6.23 - NVwZ 2024, 1253 Rn. 27 f. unter Hinweis auf EuGH, Urteil vom 19. November 2019 ‌- C-609/17 u. a. - TSN, EuZW 2020, 69 Rn. 53 f. m. w. N.). Auch die Richtlinie selbst eröffnet dafür keinen Raum. Ihr Art. 10 Abs. 2 nimmt vielmehr ausdrücklich − und in Abgrenzung zur Vorgängervorschrift in § 5 Nr. 1 und 2 des Anhangs zur RL 2010/18/EU, die nur auf das Ende des Elternurlaubs abgestellt hatte (vgl. hierzu auch EuGH, Urteil vom 7. September 2017 - C-174/16 - NJW 2017, 3357 Rn. 40) − auf den "Ablauf eines Urlaubs gemäß Artikel 4, 5 und 6", also auf die darin unionsrechtlich gewährleisteten Zeiträume Bezug. Dementsprechend weisen auch die Erwägungsgründe der Richtlinie (vgl. etwa EGrd. 16, 21 und 46) stets eine Bezugnahme und zugleich Beschränkung auf den unionsrechtlich anerkannten Mindestzeitraum aus. Hiermit wird dem "effet utile" der unionsrechtlichen Regelung hinreichend Rechnung getragen.

48 (b) Eine "Eins-zu-Eins"-Anrechnung von (mitgliedstaatlich gewährten) Elternzeiten auf Zeiten des aktiven Dienstes würde im Übrigen zu einer undifferenzierten Gleichsetzung von jahrelangen Abwesenheitszeiten mit beförderungs-, besoldungs- und versorgungsrelevanten Berufserfahrungszeiten - oder, wie hier, mit Zeiten besonderer tatsächlicher Beanspruchung - führen (ablehnend etwa Sprenger, in: Franzen/​Gallner/​Oetker, Kommentar zum europäischen Arbeitsrecht, 5. Aufl. 2024, Art. 10 RL (EU) 2019/1158 Rn. 8; befürwortend hingegen von Roetteken, ZTR 2022, 340 <349 ff.>). In der hiesigen Konstellation ist von einem diesbezüglichen Willen des Landesgesetzgebers schon deshalb nicht auszugehen, weil er eine Anwendung des Art. 10 Abs. 2 Halbs. 2 der Richtlinie (EU) 2019/1158 auf die nordrhein-westfälische Regelung gar nicht erwogen hat. Der Normgeber war vielmehr der Auffassung, die Richtlinie bereits vollständig in nationales Recht umgesetzt zu haben (vgl. zu den einzelnen Umsetzungsmaßnahmen etwa Wietfeld/​Hinrichsen, EuZA 2023, 363). Dies hat die Europäische Kommission jüngst durch Beendigung eines zwischenzeitlich gegen die Bundesrepublik eingeleiteten Vertragsverletzungsverfahrens bestätigt (vgl. die Pressemitteilung des Bundesministeriums für Bildung, Familie, Senioren, Frauen und Jugend vom 24. April 2025). Bundes- und Landesgesetzgeber haben sich weder nach Erlass der Vereinbarkeitsrichtlinie noch zuvor auf der Grundlage des Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetzes zu einer flächendeckenden Gleichstellung von Elternzeiten mit Zeiten der beruflichen Tätigkeit veranlasst gesehen; allenfalls wurden punktuelle Anpassungen vorgenommen. So bestimmen beispielsweise § 5 Abs. 6 Satz 1 und § 7 Abs. 4 Satz 5 der Verordnung über die Laufbahnen der Beamtinnen und Beamten im Land Nordrhein-Westfalen, dass Beurlaubungszeiten ohne Dienstbezüge von mehr als drei Monaten nicht als Probe- bzw. Erprobungszeit gelten.

49 (c) Hielte man bei der Berechnung der Altersgrenze nach § 114 Abs. 2 Satz 1 LBG NRW gleichwohl die Elternzeit in dem in Art. 5 Abs. 1 RL (EU) 2019/1158 vorgesehenen Umfang von vier Monaten pro Kind für berücksichtigungsfähig, so würde der Klägerin eine diesbezügliche gerichtliche Feststellung nichts nützen. Die 25-jährige Mindestdauer des Wechselschichtdienstes könnte sie auch bei der Annahme einer solchen Fiktion bis zum Eintritt der für Polizeidienstkräfte allgemein geltenden Altersgrenze nach § 114 Abs. 1 LBG NRW nicht mehr erreichen. Bis zum Erlass des streitgegenständlichen Bescheids hatte die Klägerin 21 Jahre und 345 Tage Wechselschichtdienst geleistet; ihr fehlten damals also noch etwas mehr als drei Jahre. Im Zeitraum von der Wiederaufnahme des Wechselschichtdienstes im Juli 2024 bis zum regulären Ruhestandseintritt Ende Februar 2026 könnte sie höchstens auf weitere 20 Monate kommen. Selbst bei einer unterstellten Anerkennung von zweimal vier Monaten Elternurlaub ergäben sich somit nur 28 zusätzliche Monate, sodass die geforderte Gesamtdauer von 25 Jahren unterschritten wäre. Dies gilt auch, wenn man dem Elternurlaub der Klägerin jeweils die zwei weiteren Monate zurechnet, die ihr gemäß Art. 5 Abs. 2 der Richtlinie (EU) 2019/1158 vom anderen Elternteil übertragen werden können.

50 bb) Nicht in Betracht kommt weiter eine unionsrechtskonforme Auslegung des § 114 Abs. 2 Satz 1 LBG NRW anhand von Art. 14 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 2006/54/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. Juli 2006 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Chancengleichheit und Gleichbehandlung von Männern und Frauen in Arbeits- und Beschäftigungsfragen (ABl. L 204 S. 23; sog. Gleichbehandlungsrichtlinie). Diese - vom Berufungsgericht nicht als Anspruchsgrundlage, sondern lediglich als Vergleichsmaßstab herangezogene - Bestimmung verbietet unmittelbare oder mittelbare Diskriminierungen aufgrund des Geschlechts in Bezug auf die Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen einschließlich der Entlassungsbedingungen sowie das Arbeitsentgelt nach Maßgabe von Art. 141 EGV (jetzt Art. 157 AEUV). Sie ist vorliegend nicht einschlägig.

51 (1) Hinsichtlich des rechtlichen Rahmens für die Behandlung von Elternzeiten enthält die genannte Vorschrift keine über die speziellen Gewährleistungen der Vereinbarkeitsrichtlinie hinausgehenden Rechte.

52 Während die Vereinbarkeitsrichtlinie bereichsspezifisch und zeitlich limitiert an die tatsächliche Inanspruchnahme von Elternurlaub (und anderen "Urlaubsformen") anknüpft und hierzu Detailregelungen, wie etwa den unionsrechtlichen Mindestumfang, vorgibt, beschäftigt sich die - deutlich ältere - Gleichbehandlungsrichtlinie allgemein mit der Chancengleichheit von Männern und Frauen in Arbeits- und Beschäftigungsfragen (vgl. Art. 1 zum Gegenstand der Richtlinie). Der Elternurlaub wird - anders als die Rückkehr aus dem Mutterschaftsurlaub - bereits nicht erwähnt. Umgekehrt differenziert die Vereinbarkeitsrichtlinie nicht nach dem Geschlecht des Elternteils, das den Elternurlaub nimmt, und geht damit über einen etwaigen mittels der Gleichbehandlungsrichtlinie zu erlangenden Schutz vor mittelbarer Benachteiligung hinaus.

53 Diese Unterscheidung findet sich auch in der unionsrechtlichen Rechtsprechung wieder. Der Gerichtshof der Europäischen Union sieht die Gewährleistung des Art. 15 RL 2006/54/EG betreffend die Rückkehr aus dem Mutterschaftsurlaub als vorrangige Spezialregelung gegenüber dem Diskriminierungsverbot aus Art. 14 Abs. 1 Buchst. c RL 2006/54/EG an (EuGH, Urteil vom 6. März 2014 - C-595/12 - Napoli, NZA 2014, 715 = juris Rn. 29). Für die Beschäftigungsansprüche nach der Rückkehr aus dem Elternurlaub gemäß Art. 10 Abs. 2 Halbs. 2 RL (EU) 2019/1158 kann nichts Anderes gelten.

54 (2) Eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung aufgrund des Geschlechts läge im Übrigen nicht vor.

55 Eine unmittelbare Diskriminierung kommt von vornherein nicht in Betracht, weil die Regelung des § 114 Abs. 2 Satz 1 LBG NRW unterschiedslos auf männliche und weibliche Beamte anwendbar ist. Auch eine mittelbare Diskriminierung scheidet indes aus. Nach Art. 2 Abs. 1 Buchst. b RL 2006/54/EG bezeichnet der Ausdruck "mittelbare Diskriminierung" eine Situation, in der dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren Personen des einen Geschlechts in besonderer Weise gegenüber den Personen des anderen Geschlechts benachteiligen können, es sei denn, die betreffenden Vorschriften, Kriterien oder Verfahren sind durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt und die Mittel sind zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich. Die nationale Regelung muss durch objektive Gründe gerechtfertigt sein, die nichts mit einer Diskriminierung aufgrund des Geschlechts zu tun haben (vgl. etwa EuGH, Urteil vom 24. Februar 2022 - C-389/20 - juris Rn. 48 m. w. N.; jüngst EuGH, Urteil vom 10. April 2025 - C-584/23 - Alcampo u. a., juris Rn. 33).

56 Wie bereits dargelegt, stellt die Verringerung der Altersgrenze keine einer bestimmten Beamtengruppe vorenthaltene Vergünstigung, sondern lediglich - in neutraler bzw. gemischter Form - einen typisierenden Ausgleich für langjährige und spezifische tatsächliche Belastungen infolge des Wechselschichtdienstes dar. Selbst wenn man darin eine Benachteiligung von Personen sehen wollte, die sich in beschäftigungsloser Elternzeit befinden, wäre eine Ungleichbehandlung jedenfalls aus objektiven Gründen gerechtfertigt. Denn bei dem betreffenden Personenkreis treten während der beschäftigungslosen Zeit die physischen, psychischen und sozialen Erschwernisse des Wechselschichtdienstes, an die der vorgezogene Ruhestandseintritt anknüpft, nicht auf (vgl. zur Erschwerniszulage BVerwG, Urteil vom 20. Oktober 2022 - 2 C 30.20 - NVwZ-RR 2023, 330 Rn. 19). Auf die Fragen, wie überhaupt die relevanten Vergleichsgruppen für eine mittelbare Ungleichbehandlung zu bilden wären und ob das vom Berufungsgericht insoweit herangezogene statistische Material für die erforderlichen tatsächlichen Feststellungen hinreichend aussagekräftig wäre (dazu BVerwG, Urteil vom 20. April 2023 - 2 C 1.22 - BVerwGE 178, 212 Rn. 13 ff.), kommt es damit nicht entscheidungserheblich an.

57 cc) Die Einholung einer Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union nach Art. 267 Abs. 3 AEUV ist nicht geboten.

58 Nach ständiger Rechtsprechung bedarf es keiner Vorlage, wenn die Auslegung des Unionsrechts derart offenkundig ist, dass kein Raum für vernünftige Zweifel bleibt und davon ausgegangen werden kann, dass auch für die Gerichte der übrigen Mitgliedstaaten der Europäischen Union die gleiche Gewissheit über ihre Auslegung bestünde ("C.I.L.F.I.T.-Judikatur", vgl. aus jüngerer Zeit EuGH, Urteil der Großen Kammer vom 6. Oktober 2021 - C-561/19 - Consorzio, NJW 2021, 3303 Rn. 40, 51). So liegt der Fall hier. Die Frage, ob die Voraussetzungen des Art. 10 Abs. 2 Halbs. 2 RL (EU) 2019/1158 im vorliegenden Fall gegeben sind und die Vorschriften daher Anwendung finden, ist von den mitgliedstaatlichen Gerichten zu beantworten. Sie hängt entscheidend vom Verständnis des Bedeutungsgehalts des § 114 Abs. 2 Satz 1 LBG NRW ab. Gleiches gilt in Bezug auf eine etwaige Anwendung des Diskriminierungsverbots aus Art. 14 Abs. 1 Buchst. c RL 2006/54/EG, das vom Berufungsgericht im Übrigen nicht als Grundlage für seine unionsrechtskonforme Auslegung heranzogen wurde.

59 c) Schließlich führen auch verfassungsrechtliche Erwägungen nicht zu einer abweichenden Beurteilung. Eine von Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG verbotene mittelbare Ungleichbehandlung im Sinne einer faktischen Diskriminierung liegt nicht vor. Insoweit wird auf die obigen Ausführungen zur unionsrechtskonformen Auslegung anhand der Gleichbehandlungsrichtlinie verwiesen.

60 3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 und 2 VwGO.