Beschluss vom 26.10.2023 -
BVerwG 1 WB 28.22ECLI:DE:BVerwG:2023:261023B1WB28.22.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 26.10.2023 - 1 WB 28.22 - [ECLI:DE:BVerwG:2023:261023B1WB28.22.0]

Beschluss

BVerwG 1 WB 28.22

In dem Wehrbeschwerdeverfahren hat der 1. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts durch
den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Häußler,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Eppelt,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Koch,
den ehrenamtlichen Richter Oberst i.G. Kurjahn und
den ehrenamtlichen Richter Hauptfeldwebel Leinen
am 26. Oktober 2023 beschlossen:

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Gründe

I

1 Der Antrag betrifft die Anrechnung von Ausbildungszeiten auf die Laufbahnausbildung zum Offizier des militärfachlichen Dienstes.

2 Der ... geborene Antragsteller leistete zunächst Grundwehrdienst. Im Jahre 2008 wurde er in das Dienstverhältnis eines Soldaten auf Zeit berufen. Im Zeitraum vom 9. Mai bis zum 22. Dezember 2017 absolvierte der Antragsteller erfolgreich eine Ausbildung zum geprüften Wirtschaftsfachwirt. Am 26. August 2018 wurde er zum Hauptfeldwebel ernannt. Seit September 2021 ist der Antragsteller Berufssoldat. Seine Dienstzeit wird voraussichtlich mit Ablauf des 31. März 2039 enden. Mit Wirkung zum 1. Oktober 2021 wurde der Antragsteller als Anwärter für die Laufbahn der Offiziere des militärfachlichen Dienstes zugelassen und trägt den Dienstgrad Oberfähnrich. Die Zulassung erfolgte im Werdegang ... "..." und sieht neben anderen Ausbildungsmodulen eine zweijährige Fortbildung mit dem Abschluss "staatlich geprüfter Betriebswirt" an der Fachschule ... in ... vor.

3 Mit Schreiben vom 27. Mai 2021 beantragte der Antragsteller, die bereits von ihm zivilberuflich absolvierten Ausbildungen auf seine Ausbildungszeit in der Laufbahn der Offiziere des militärfachlichen Dienstes anzurechnen. Hierzu legte er Nachweise über den Erwerb der Fachhochschulreife sowie seine Abschlüsse als Fachkraft für Lagerlogistik und als geprüfter Wirtschaftsfachwirt vor.

4 Am 16. Juni 2021 wurde der Antragsteller in einem Personalentwicklungsgespräch über die Absicht informiert, ihm zum 10. August 2021 an die Fachschule ... in ... zu versetzen. Mit der geplanten Personalmaßnahme erklärte sich der Antragsteller einverstanden und verzichtete auf die sechsmonatige Schutzfrist.

5 Mit Bescheid vom 5. Juli 2021 lehnte das Bundesamt für das Personalmanagement der Bundeswehr den Antrag wegen der fehlenden Gleichartigkeit der zivilberuflichen Ausbildungen mit der zu absolvierenden Ausbildung zum Betriebswirt ab.

6 Gegen den Bescheid legte der Antragsteller mit Schreiben vom 29. Juli 2021 Beschwerde ein.

7 Der Antragsteller wurde in der Folge an die Fachschule ... in ... versetzt und absolvierte im Zeitraum vom 9. August 2021 bis zum 7. Juli 2023 die geplante Ausbildung.

8 Mit Schreiben vom 24. Februar 2022, beim Bundesministerium der Verteidigung am 25. Februar 2022 eingegangen, erhob der Antragsteller Untätigkeitsbeschwerde und bat um Vorlage des Vorgangs an das Bundesverwaltungsgericht.

9 Mit Schreiben vom 1. März 2022 teilte das Bundesamt für das Personalmanagement mit, dass das statusrechtliche Beförderungsverfahren bis zum Abschluss des truppendienstlichen Verfahrens über die Anrechnung ausgesetzt werde.

10 Das Bundesministerium der Verteidigung hat die Beschwerde als Antrag auf gerichtliche Entscheidung gewertet und dem Senat mit seiner Stellungnahme vom 26. April 2022 vorgelegt.

11 Der Antragsteller macht geltend, die Anrechnung von Ausbildungsabschnitten sei in der vorliegenden Fallkonstellation als dienstliche Maßnahme zu bewerten, da mit der Anrechnung die Notwendigkeit der Ausbildung an der Fachschule ... hätte entfallen können und die Entscheidung somit unmittelbare Auswirkung auf seine dienstliche Verwendung gehabt hätte. Das Verfahren unterscheide sich in diesem Punkt von der bisher vom 1. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts entschiedenen Konstellation zur Anrechnung von Ausbildungszeiten. Die Aussetzung des statusrechtlichen Verfahrens einerseits und die Annahme der Unzulässigkeit der truppendienstlichen Beschwerde und des gerichtlichen Antragsverfahrens andererseits führten zu einer Pattsituation, die ihn rechtsschutzlos stelle. Die Aussetzung durch das Bundesamt für das Personalmanagement der Bundeswehr erwecke vielmehr den Eindruck, dass die Anrechnung der Ausbildungszeit nicht lediglich als Vorfrage betrachtet werde. Eine Aufspaltung in eine truppendienstliche und eine statusrechtliche Beschwerde wäre andernfalls nicht erforderlich gewesen.

12 Der Antragsteller hat keinen konkreten Sachantrag gestellt.

13 Das Bundesministerium der Verteidigung beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.

14 Der zulässige Antrag sei unbegründet, da bereits die Beschwerde des Antragstellers gegen die Ablehnung der Anrechnung unzulässig gewesen wäre. Die Anrechnung von Ausbildungsabschnitten als Zwischenentscheidung stelle keine Maßnahme im Sinn von § 1 Abs. 1 WBO dar. Diese diene vielmehr der Vorbereitung einer truppendienstlichen Maßnahme, hier einer Versetzungsverfügung, und sei einer Beschwerde nicht zugänglich. Der Antragsteller müsse sich vielmehr gegen die Versetzung wenden, in deren Rahmen auch die Anrechenbarkeit inzident überprüft werde. Dies sei durch den erkennenden Senat bestätigt worden und gelte auch für die vorliegende Fallkonstellation.

15 Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen. Die Beschwerdeakte des Bundesministeriums der Verteidigung und die Personalgrundakte des Antragstellers haben dem Senat bei der Beratung vorgelegen.

II

16 Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung hat keinen Erfolg.

17 Der Senat kann dahinstehen lassen, ob für das ursprünglich - hier jedenfalls der Sache nach - verfolgte Verpflichtungsbegehren noch ein Rechtsschutzinteresse besteht, weil es sich durch die vollständige Absolvierung zum staatlich geprüften Betriebswirt in ... erledigt haben könnte, und der Antragsteller sein Begehren im Wege des Fortsetzungsfeststellungsantrages verfolgen müsste. Denn ungeachtet dessen ist der Antrag jedenfalls nicht statthaft, weil das Antragsbegehren keine dienstliche Maßnahme betrifft. Ein unzulässiges Verpflichtungsbegehren kann unabhängig vom Bestehen eines Feststellungsinteresses durch die Erledigung nicht zulässig werden.

18 Gemäß § 17 Abs. 3 Satz 1 WBO (hier i. V. m. § 21 Abs. 2 Satz 1 WBO) kann mit dem Antrag auf gerichtliche Entscheidung nur geltend gemacht werden, dass eine dienstliche Maßnahme oder deren Unterlassung rechtswidrig sei.

19 Merkmal einer Maßnahme in diesem Sinne ist (u. a.), dass sie unmittelbar gegen den Soldaten gerichtet ist oder - obwohl an andere Soldaten gerichtet - in Form einer Rechtsverletzung oder eines Pflichtenverstoßes in seine Rechtssphäre hineinwirkt. Überlegungen, Bewertungen, Stellungnahmen oder Zwischenentscheidungen, die lediglich der Vorbereitung von truppendienstlichen Maßnahmen oder Personalmaßnahmen dienen, sind hingegen als Elemente innerdienstlicher Willens- und Meinungsbildung noch keine die Rechte eines Soldaten unmittelbar berührenden Maßnahmen; sie sind infolgedessen einer selbstständigen gerichtlichen Nachprüfung nicht zugänglich (stRspr, vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 23. Oktober 2012 - 1 WB 59.11 - Buchholz 450.1 § 17 WBO Nr. 84 Rn. 26 ff. und vom 21. März 2019 - 1 WB 38.18 - Buchholz 450.1 § 17 WBO Nr. 106 Rn. 12).

20 Etwas anderes gilt nur für solche, eine andere Entscheidung vorbereitenden Maßnahmen, die diese wesentlich prägen. Dies gilt beispielsweise für die Zuordnung eines Soldaten zu einer bestimmten Ausbildungs- und Verwendungsreihe, weil diese den weiteren Werdegang eines Soldaten weitgehend festlegt (BVerwG, Beschluss vom 28. Februar 2019 - 1 WB 7.18 - Buchholz 450.1 § 17 WBO Nr. 102 Rn. 10).

21 Um eine Entscheidung von hiermit vergleichbarer Tragweite handelt es sich bei der Anrechnung von vor der Übernahme in die Laufbahn der Offiziere des militärfachlichen Dienstes absolvierten Ausbildungen auf die Ausbildungs- und Beförderungszeit nach § 47 Abs. 3 Satz 2 SLV nicht. Denn sowohl die Beförderung als auch die Ausbildung zum Offizier des militärfachlichen Dienstes setzen neben der Bestimmung von Ausbildungs- und Beförderungszeiten weitere wesentliche Faktoren voraus, auf die die hier streitgegenständliche Festlegung keinen Einfluss hat. Sowohl für den Gang der weiteren Ausbildung als auch für das "ob" und "wann" der Beförderung kommt es insbesondere noch auf die von dem Soldaten im Rahmen der Ausbildung gezeigten Leistungen an. Eine Verkürzung der Ausbildungs- und Beförderungszeiten in der Folge einer Anrechnung nach § 47 Abs. 3 Satz 2 SLV löst keinen Automatismus hinsichtlich einer Beförderung aus und sie prägt auch den Gang der weiteren Ausbildung des Anwärters nicht entscheidend vor (so zur Anrechnungsbestimmung in § 41 Abs. 2 SLV a. F. BVerwG, Beschluss vom 7. November 2019 - 1 WB 36.18 - Buchholz 449.2 § 41 SLV 2002 Nr. 1 Rn. 18).

22 Ein Antragsteller kann gegen Kommandierungen zu solchen Lehrgängen und Ausbildungsteilen, die nach seiner Auffassung anrechenbar wären, weil er bereits inhaltlich identische Ausbildungseinheiten in seiner Vordienstzeit absolviert hat, mit einem Rechtsbehelf nach der Wehrbeschwerdeordnung vorgehen. Insoweit steht ihm auch vorläufiger Rechtsschutz zur Verfügung. Im Rahmen eines solchen Rechtsstreites wird die Anrechenbarkeit eines konkreten Lehrganges auf die Ausbildung inzident überprüft, ohne dass dem Antragsteller die Bestandskraft der Entscheidung entgegengehalten werden kann (BVerwG, Beschluss vom 28. Januar 2021 - 1 WB 29.20 - juris Rn. 17 m. w. N.).

23 Nichts anderes gilt, wenn zu dem Ausbildungsteil, auf den die Vorausbildungszeit angerechnet werden soll, nicht kommandiert, sondern versetzt wird. Der Antragsteller hat dann die Möglichkeit, sich mit einer Beschwerde jedenfalls gegen den Zeitpunkt oder Zeitraum der Versetzung zu wenden, wenn der Beginn des fraglichen Lehrganges den Zeitpunkt der Versetzung zu der Ausbildungseinrichtung bestimmt und die Versetzung zum Zweck der Teilnahme an dem Lehrgang erfolgt (zu BVerwG, Beschluss vom 28. Januar 2021 - 1 WB 29.20 - juris Rn. 18).

24 Soweit der Antragsteller geltend macht, er stehe nach dieser Rechtsprechung rechtsschutzlos dar, trifft dies nicht. Im vorliegenden Fall hätte für ihn jedenfalls die Möglichkeit bestanden, die hier streitgegenständliche Frage der Anrechnung im Rahmen einer Beschwerde gegen seine Versetzung an die Fachschule ... in ... mit dem Argument klären zu lassen, er benötige die dort zu absolvierende Ausbildung zum staatlich geprüften Betriebswirt mindestens im Hinblick auf konkrete Ausbildungsabschnitte nicht mehr, weil er eine gleichartige Ausbildung bereits absolviert habe. Von dieser Möglichkeit hat er keinen Gebrauch gebracht. Vielmehr hat er seinen Dienst an der Fachschule ... angetreten. Mit der Versetzung war er ausweislich des Vermerks über das am 16. Juni 2021 geführte Personalentwicklungsgespräch auch einverstanden. Dass der Antragsteller nach Abschluss der Ausbildung in ... keine Möglichkeit mehr hat, die Rechtmäßigkeit der Entscheidung über die Nichtanrechnung seiner Ausbildung überprüfen zu lassen, ist ihm nach alledem zuzurechnen. Die von ihm monierte "Pattsituation" bestand zu keinem Zeitpunkt. Auch die Aussetzung des statusrechtlichen Verfahrens erweist sich in diesem Zusammenhang als bedeutungslos. Im Ergebnis hat der Antragsteller durch das geschilderte Verhalten im Wesentlichen prägend selbst dazu beigetragen, dass er nicht in kürzerer Zeit zum Offizier ausgebildet werden kann. Vor diesem Hintergrund bestand für den Senat keinerlei Anlass, seine Rechtsprechung im Sinne des Antragstellers zu ändern.