Beschluss vom 27.04.2021 -
BVerwG 2 VR 3.21ECLI:DE:BVerwG:2021:270421B2VR3.21.0

Erfolgloser Eilantrag auf Abordnung mit dem Ziel der Versetzung zu einer anderen Behörde

Leitsätze:

1. Die verwaltungsgerichtliche Überprüfung der Ermessenserwägungen des Dienstherrn bei der Ablehnung einer von dem Beamten begehrten Abordnung mit dem Ziel der Versetzung erstreckt sich grundsätzlich nur auf das Vorliegen von Ermessensfehlern i.S.v. § 40 VwVfG, § 114 VwGO.

2. Aus dem Umstand, dass der Beamte sich in einem Auswahlverfahren bei der aufnehmenden Behörde als am besten geeigneter Bewerber i.S.v. Art. 33 Abs. 2 GG erwiesen hat, folgt kein Anspruch des Beamten gegen seinen Dienstherrn auf Zustimmung zu seiner Abordnung oder Versetzung.

  • Rechtsquellen
    BBG § 27 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1, § 28 Abs. 1 und 2, § 72 Abs. 1, § 78
    VwVfG § 40
    VwGO §§ 114, 123 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Satz 2
    GG Art. 6 Abs. 1 und 2, Art. 33 Abs. 2

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 27.04.2021 - 2 VR 3.21 - [ECLI:DE:BVerwG:2021:270421B2VR3.21.0]

Beschluss

BVerwG 2 VR 3.21

In der Verwaltungsstreitsache hat der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 27. April 2021
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Domgörgen
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. von der Weiden und Dollinger
beschlossen:

  1. Der Antrag wird abgelehnt.
  2. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 5 000 € festgesetzt.

Gründe

I

1 Der Antragsteller macht gegenüber der Antragsgegnerin im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes einen Anspruch auf Abordnung zum Zollfahndungsamt Berlin-Brandenburg geltend.

2 Der 1980 geborene und geschiedene Antragsteller ist Vater eines 14-jährigen Sohnes, mit dem er in häuslicher Gemeinschaft lebt. Er ist beim Bundesnachrichtendienst als Bundesbeamter auf Lebenszeit im Statusamt eines Regierungsobersekretärs (Besoldungsgruppe A 7 BBesO) beschäftigt. 2020 bewarb sich der Antragsteller erfolgreich auf einen förderlichen Dienstposten beim Zollfahndungsamt Berlin-Brandenburg. Das Zollfahndungsamt unterrichtete den Bundesnachrichtendienst von der getroffenen Auswahlentscheidung und bat darum, den Antragsteller mit dem Ziel der Versetzung zu ihm abzuordnen.

3 Der Bundesnachrichtendienst seinerseits bat den Antragsteller um Mitteilung der Gründe für den angestrebten Wechsel. Der Antragsteller legte seine Gründe für die erstrebte Abordnung zum Zollfahndungsamt dar, indem er auf bessere berufliche Entwicklungsmöglichkeiten und die bessere Möglichkeit der Betreuung seiner Angehörigen infolge wohnortnaher Verwendung hinwies. Mit Ablehnungsbescheid vom 13. November 2020 teilte der Bundesnachrichtendienst dem Antragsteller mit, dass die von ihm angeführten persönlichen Gründe keine Härte begründeten, die die angestrebte Abordnung rechtfertigen könnten. Außerdem könne der erstrebten Abordnung unter Berücksichtigung der angespannten Personalsituation aus personalwirtschaftlichen Gründen nicht zugestimmt werden.

4 Über den vom Antragsteller dagegen am 17. November 2020 erhobenen Widerspruch mit dem zusätzlichen Hinweis, ihm stehe ein aus Art. 33 Abs. 2 GG abzuleitender Anspruch auf Versetzung zu, da er sich als der am besten geeignete Bewerber für den Dienstposten beim Zollfahndungsamt erwiesen habe, hat der Bundesnachrichtendienst noch nicht entschieden.

5 Mit E-Mail vom 11. Dezember 2020 teilte das Zollfahndungsamt Berlin-Brandenburg dem Antragsteller auf dessen Nachfrage mit, dass der Dienstposten, für den er den Zuschlag erhalte habe, bis zum 1. Mai 2021 für ihn reserviert bleibe.

6 Der Antragsteller hat am 20. April 2021 um vorläufigen Rechtsschutz nachgesucht und beantragt,
die Antragsgegnerin im Wege einer einstweiligen Anordnung vorläufig bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache zu verpflichten, den Antragsteller an das Zollkriminalamt, Zollfahndungsamt Berlin-Brandenburg, mit dem Ziel der Versetzung abzuordnen.

7 Die Antragsgegnerin verteidigt den Ablehnungsbescheid und beantragt,
den Antrag abzulehnen.

8 Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Behörden- und Gerichtsakten Bezug genommen.

II

9 Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung, über den der Senat gemäß § 123 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 50 Abs. 1 Nr. 4 VwGO in erster und letzter Instanz entscheidet, ist unbegründet.

10 Nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO kann das Gericht zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis eine einstweilige Anordnung erlassen, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Dabei sind der Anordnungsgrund, die Eilbedürftigkeit der begehrten Entscheidung, und der Anordnungsanspruch glaubhaft zu machen (§ 123 Abs. 3 VwGO i. V. m. § 920 Abs. 2 ZPO).

11 1. Die Eilbedürftigkeit der verlangten vorläufigen Regelung - d.h. der vorläufigen Abordnung des Antragstellers - hat der Antragsteller durch Vorlage der Mitteilung des Zollfahndungsamt Berlin-Brandenburg belegt. Danach endet die Frist, bis zu dem ihm der begehrte Dienstposten freigehalten wird, mit dem 1. Mai 2021.

12 2. Der Antragsteller hat aber keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht.

13 a) Nach § 27 Abs. 1 Satz 1 BBG ist eine Abordnung die vorübergehende Übertragung einer dem Amt des Beamten entsprechenden Tätigkeit bei einer anderen Dienststelle desselben oder eines anderen Dienstherrn unter Beibehaltung der Zugehörigkeit zur bisherigen Dienststelle.

14 Nach § 27 Abs. 2 BBG liegt die Anordnung einer Abordnung eines Beamten zu einer Tätigkeit in einer anderen Dienststelle im Ermessen des Dienstherrn. Ein darauf bezogenes gesetzlich normiertes Antragsrecht steht dem Beamten im Unterschied zu der die Versetzung betreffenden Regelung in § 28 Abs. 2 BBG nicht zu. Damit hat der Dienstherr für den Erlass oder die Ablehnung einer Abordnungsverfügung einen noch weitergehenden Ermessensspielraum als bei einer Versetzungsverfügung. Auch wenn die Abordnung mit dem Ziel ausgesprochen wird, den Beamten später zu versetzen, behält sie ihren Charakter als vorübergehende Maßnahme. Auf Dauer wird dem Beamten das neue abstrakt-funktionale Amt erst durch die Versetzung übertragen (BVerwG, Beschluss vom 28. Oktober 2004 - 2 B 58.04 - juris Rn. 10). Das Fehlen eines einfachgesetzlich normierten Antragsrechts des Beamten schließt entsprechende Anträge eines Beamten weder aus noch entbindet es den Dienstherrn von der Pflicht, einen auf eine Abordnung gerichteten Antrag in pflichtgemäßer Ermessensausübung entsprechend dem Zweck der Ermächtigung (§ 40 VwVfG) zu bescheiden. Allerdings bewirkt das Fehlen eines gesetzlich normierten Antragsrechts, dass die Ausübung des Abordnungsermessens vorrangig dienstlichen Interessen dient.

15 Auch wenn man die vom Antragsteller angestrebte Abordnung im Hinblick auf ihr Ziel - die Versetzung vom Bundesnachrichtendienst zum Zollfahndungsamt Berlin-Brandenburg - an den strengeren Voraussetzungen für eine Versetzung nach § 28 Abs. 2 BBG messen würde, änderte dies für die Maßstabsbildung nichts. Da ein Beamter kein subjektiv-öffentliches Recht am konkret-funktionalen Amt hat (d.h. am innegehabten oder angestrebten konkreten Dienstposten, vgl. BVerwG, Urteile vom 29. April 1982 - 2 C 41.80 - BVerwGE 65, 27o <273> und vom 13. November 1986 - 2 C 20.84 - BVerwGE 75, 138 <141>), hat er - jedenfalls grundsätzlich - auch keinen Anspruch auf Zu- oder Wegversetzung auf einen bestimmten Dienstposten (siehe auch Grigoleit, in: Battis, BBG, 5. Auflage 2017, § 28 Rn. 17 m.w.N.; Lemhöfer, in: Plog/Wiedow, BBG, Stand März 2021 § 28 Rn. 73 f.). Die Entscheidung über eine Versetzung liegt vielmehr im pflichtgemäßen Ermessen des Dienstherrn, der dabei die persönlichen Belange des Beamten und das dienstliche Bedürfnis für die Versetzung - am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit orientiert - miteinander abzuwägen hat (BVerwG, Beschluss vom 16. Juli 2012 - 2 B 16.12 - juris Rn. 18).

16 Aus dem Vorstehenden folgt, dass die Ermessenserwägungen des Dienstherrn im verwaltungsgerichtlichen Verfahren bei Abordnungen und Versetzungen grundsätzlich nur daraufhin überprüft werden, ob sie Ermessensfehler im Sinne von § 114 VwGO aufweisen (vgl. VGH München, Beschlüsse vom 20. November 2014 - 6 ZB 14.15 50 - juris Rn. 10 und vom 15. Juli 2013 - 6 ZB 12.17 7 - juris Rn. 7; OVG Bautzen, Beschluss vom 7. Juli 2010 - 2 B 59.10 - juris Rn. 9). Nur dann käme bei einer Ermessensreduktion auf Null der Erlass der angestrebten Regelungsanordnung in Betracht.

17 b) Im Streitfall ist für Fehler bei der Ausübung des Entschließungsermessens der Antragsgegnerin bei der Ablehnung der Abordnung des Antragstellers zum Zollfahndungsamt Berlin-Brandenburg nichts ersichtlich. Sie hat ihr Ermessen entsprechend dem Zweck der Ermächtigung ausgeübt und die nach Lage der Dinge zu berücksichtigenden Umstände in ihre Erwägungen einbezogen. Dies gilt insbesondere für die vom Antragsteller dargestellte persönliche Lage.

18 Die Berücksichtigung dieser Umstände ist entgegen der Auffassung des Antragstellers nicht in fehlerhafter Weise erfolgt. Es liegt durchaus innerhalb des Ermessensspielraums, die jeweils zu beachtenden Umstände im Verhältnis zu vergleichbaren Umständen anderer Beschäftigter und den dienstlichen Einsatzinteressen zu gewichten und gegeneinander abzuwägen. Diesen Spielraum füllt der Dienstherr eigenverantwortlich aus, da die gerichtliche Überprüfung einer Ermessensentscheidung nicht dazu berechtigt, gerichtliches Ermessen an die Stelle des behördlich bereits ausgeübten Ermessens treten zu lassen. Ungeachtet von § 123 Abs. 3 VwGO i. V. m. § 938 Abs. 1 ZPO ist das Gericht auch im einstweiligen Rechtsschutzverfahren an § 114 VwGO gebunden und darf daher nur prüfen, ob die Ermessensausübung in rechtlicher Hinsicht fehlerhaft erfolgt ist, hier also zu berücksichtigende Umstände unbeachtet gelassen oder nicht mit dem nötigen Gewicht eingestellt wurden. Derartige Fehler liegen nicht vor.

19 aa) Der Antragsteller kann aus dem Umstand, das Auswahlverfahren um einen förderlichen Dienstposten bei der Zollverwaltung erfolgreich absolviert zu haben, keinen Anspruch gegen seinen Dienstherrn auf Zustimmung zu einer Abordnung oder Versetzung herleiten. Dieser Umstand stärkt seine Rechtsposition gegenüber unterlegenen Mitbewerbern um diesen Dienstposten (BVerwG, Urteil vom 4. November 2010 - 2 C 16.09 - BVerwGE 138, 102 Rn. 17, 27, 29), berührt indes nicht die davon unabhängige - und hier allein entscheidungserhebliche - Frage nach der Zustimmung der abgebenden Behörde zu einer Abordnung (§ 27 BBG) oder Versetzung (§ 28 BBG). Diese Entscheidung hat die abgebende Behörde - hier der Bundesnachrichtendienst - nach pflichtgemäßem Ermessen zu treffen. Dabei darf sie sich - jedenfalls vorrangig, wie unter 2. a) im Einzelnen dargelegt - an öffentlichen Interessen und dienstlichen Bedürfnissen orientieren.

20 bb) Unter substanziiertem Hinweis auf personalwirtschaftliche Gründe hat die Antragsgegnerin dienstliche Interessen dargelegt, aufgrund derer sie gegenwärtig die Abordnung des Antragstellers ablehnt. Dazu hat die Antragsgegnerin zum einen plausibel auf das dienstliche Interesse des Bundesnachrichtendienstes am Erhalt des von ihm im mittleren nichttechnischen Verwaltungsdienst besonders ausgebildeten Antragstellers für den nachrichtendienstlichen Kernbereich der Informationsgewinnung und -auswertung hingewiesen. Zum anderen begründet die Antragsgegnerin das dienstliche Interesse an der weiteren Verwendung des Antragstellers nachvollziehbar mit dessen polnischen Sprachkenntnissen. Mit Polnisch als Muttersprache verfügt der Antragsteller über wertvolle Kenntnisse für erweiterte Einsatzmöglichkeiten beim Bundesnachrichtendienst. Darüber hinaus stützt sich die Antragsgegnerin zusätzlich und ergänzend auf die Schwierigkeit, für den Antragsteller zeitnah qualifizierten Ersatz zu finden. Diese dreifache Konkretisierung personalwirtschaftlicher Belange lässt keine Rechtsfehler erkennen.

21 dd) Schließlich ergibt sich auch aus der Fürsorgepflicht (§ 78 BBG) zugunsten des Antragstellers kein Anspruch auf eine wohnortnähere oder familienfreundlichere dienstliche Verwendung, die seine Abordnung zur Zollverwaltung nahelegen könnten. Nach § 72 Abs. 1 BBG hat ein Beamter seine Wohnung so zu wählen, dass er in seiner Dienstausübung nicht beeinträchtigt wird. Daraus folgt, dass sich der private Wohnsitz nach dem Dienstort richtet, und nicht etwa der Dienstort sich nach dem Wohnort zu richten hat. Das gilt auch im Hinblick auf die familiäre Verantwortung des Antragstellers, da sich aus Art. 6 Abs. 1 und 2 GG kein Anspruch auf einen bestimmten dienstlichen Einsatzort ergibt. Die familiäre Verantwortung ist vielmehr grundsätzlich an einem dem Dienstort entsprechenden Wohnort wahrzunehmen.

22 Das Vorbringen des Antragstellers, er könne sich bei einer Tätigkeit beim Zollfahndungsamt Berlin-Brandenburg aufgrund der räumlichen Nähe zum Wohnort seiner Eltern und zur Schule seines Sohnes besser um seine kranke Mutter und seinen Sohn kümmern, hat die Antragsgegnerin rechtsfehlerfrei in ihrer Abwägungsentscheidung eingestellt. Jedenfalls deshalb, weil er eine Pflegebedürftigkeit der Mutter nach Maßgabe des Sozialgesetzbuches Elftes Buch nicht dargelegt hat und er sich auch nicht zu weiteren möglichen Pflegepersonen geäußert hat, hat die Antragsgegnerin diesem Vortrag unter dem Aspekt "Fürsorge" keinen durchschlagenden Charakter beimessen müssen. Nichts Anderes gilt hinsichtlich der Betreuungspflicht des Antragstellers gegenüber seinem 14-jährigen Sohn. Aus seinem Vortrag folgt nichts dafür, dass diese Betreuungspflicht nicht auch gegenwärtig wahrgenommen werden kann.

23 Schließlich hat die Antragsgegnerin bei ihrer Ermessensentscheidung einstellen dürfen, dass sich der Antragsteller ihrem Vortrag zufolge bei weiteren Behörden beworben hat, die ihre Dienstsitze zwar auch innerhalb von Berlin haben, teils aber in noch weiterer Entfernung zum Wohnort seiner Eltern und zur Schule seines Sohnes gelegen sind als die Zentrale des Bundesnachrichtendienstes.

24 Die von der Antragsgegnerin vorgenommene Gewichtung der dienstlichen Belange im Verhältnis zu den persönlichen Belangen des Antragstellers ist vor diesem Hintergrund nicht zu beanstanden. Zwar hätte die Antragsgegnerin ihr Ermessen auch anders ausüben können. Dies liegt jedoch allein in der Natur des durch § 27 Abs. 2 Satz 1 BBG eröffneten weiten Ermessens. Eine rechtliche Pflicht zu einer solchen anderen Ermessensausübung besteht jedoch nicht.

25 3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 und § 52 Abs. 2 GKG.