Urteil vom 28.05.2025 -
BVerwG 2 WA 4.23ECLI:DE:BVerwG:2025:280525U2WA4.23.0

Entschädigungsanspruch wegen überlanger Verfahrensdauer

Leitsatz:

Das Bundesverwaltungsgericht ist als Entschädigungsgericht nach § 94 Abs. 1 Satz 3 Halbs. 1 WDO i. V. m. § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG auch hinsichtlich der Dauer eines unangemessen langen Disziplinarverfahrens an die Feststellungen des Wehrdienstgerichts im Ausgangsverfahren gebunden.

  • Rechtsquellen
    GVG § 198 Abs. 2 Satz 3 und 4, Abs. 4 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 und 2, § 199 Abs. 3 Satz 1 und 2, § 201 Abs. 2 Satz 1, Abs. 4
    WDO § 94 Abs. 1 Satz 3 Halbs. 1
    VwGO § 90 Satz 2, § 92 Abs. 3, § 101 Abs. 2, § 155 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2
    BGB § 187 Abs. 1, § 288 Abs. 1 Satz 2, § 291 Satz 2

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Urteil vom 28.05.2025 - 2 WA 4.23 - [ECLI:DE:BVerwG:2025:280525U2WA4.23.0]

Urteil

BVerwG 2 WA 4.23

In dem Entschädigungsverfahren hat der 2. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts am 28. Mai 2025 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Häußler, den Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Burmeister, die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Henke, die ehrenamtliche Richterin Oberstabsarzt Dr. Lössel und den ehrenamtlichen Richter Stabsbootsmann Kolberg ohne mündliche Verhandlung für Recht erkannt:

  1. Das Verfahren wird eingestellt, soweit der Kläger die Klage zurückgenommen hat.
  2. Die Beklagte hat an den Kläger 4 700 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf den Betrag von 2 400 € ab dem 5. Juli 2023 und auf den Betrag von weiteren 2 300 € ab dem 18. Juli 2023 zu zahlen; im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
  3. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens zu 3/5, die Beklagte zu 2/5.

Gründe

I

1 Das Verfahren betrifft eine Entschädigung wegen unangemessener Dauer eines gerichtlichen Disziplinarverfahrens.

2 1. Der Kläger ist Soldat auf Zeit, der zum April 2021 zum Stabsbootsmann befördert wurde.

3 Nachdem der Inspekteur der Marine gegen ihn im September 2015 ein gerichtliches Disziplinarverfahren eingeleitet hatte, kam es im August 2018 zur Anschuldigung wegen sechs Pflichtverletzungen im vor dem Truppendienstgericht Nord unter dem Aktenzeichen ... geführten Verfahren, in dem der Verteidiger am 19. Februar 2021 die Verzögerungsrüge erhob. Das Verfahren fand mit dem seit 4. Juli 2023 rechtskräftigen Urteil des Truppendienstgerichts vom 20. April 2023 seinen Abschluss.

4 2. Mit dem Urteil wurde das Verfahren unter Feststellung eines Dienstvergehens eingestellt. Es wurde als erwiesen angesehen, dass der Soldat als Vorgesetzter im April 2015 bei Betreten einer Stube die Tür versehentlich in den Rücken einer Soldatin gestoßen und diese gefragt habe, ob der Stoß wehgetan habe, woraufhin sie "ein bisschen" erwidert und der Soldat sinngemäß geantwortet habe, "Dann wars ja nicht genug!".

5 Zur Bemessungsentscheidung führte das Truppendienstgericht aus, für die fahrlässige Körperverletzung hätte isoliert betrachtet eine mittlere einfache Disziplinarmaßnahme ausgereicht. Hinzu komme allerdings einerseits erschwerend die nachfolgende Bemerkung des Soldaten. Andererseits sei ihm nicht nachzuweisen, dass er sie ernst gemeint habe. Ob angesichts dessen eine gerichtliche Disziplinarmaßnahme in Form einer geringen Kürzung der Dienstbezüge oder eine deutlich spürbare, hohe einfache Disziplinarmaßnahme den Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen bilde, könne dahinstehen. Denn auf der zweiten Bemessungsstufe lägen erhebliche entlastende Umstände vor, die verlangten, von der in Ansatz gebrachten, ohnehin schon geringen Maßnahme abzusehen. Als gewichtiger mildernder Umstand liege zunächst eine Nachbewährung vor, die regelmäßig den Übergang zu einer milderen Maßnahmeart gebiete. Ferner sprächen für den Soldaten die ihm erteilten förmlichen Anerkennungen. Darüber hinaus weise das gerichtliche Verfahren eine erhebliche und ungerechtfertigte Überlänge von etwa vier Jahren auf, was zu einer deutlichen Kompensation bei der Maßnahmebemessung führen müsse. Die erheblichen Milderungsgründe "gepaart mit der extrem überlangen Verfahrensdauer" verböten es, auch eine einfache Disziplinarmaßnahme zu verhängen.

6 3. Der Soldat hat beim Bundesverwaltungsgericht am 26. November 2021 Entschädigungsklage erhoben, die der Beklagten am 21. Dezember 2021 zugestellt wurde.

7 Den zunächst geltend gemachten Antrag auf Ersatz des materiellen Schadens in Höhe von 7 711,64 € brutto bzw. 4 866,55 € netto wegen der verzögerten Beförderung hat er zurückgenommen und unter dem 20. März 2025 abschließend beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 4 700 € nebst Zinsen i. H. v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 6. Dezember 2021 auf den Betrag von 2 400 € und seit dem 18. Juli 2023 auf den Betrag 2 300 € zu zahlen.

8 Zur Begründung trägt er im Wesentlichen vor, das gerichtliche Disziplinarverfahren habe unangemessen lange gedauert. Es sei seit August 2018 anhängig und hätte im August 2019 abgeschlossen werden müssen, sodass die Berechnung der überlangen Verfahrensdauer im September 2019 beginne. Die Entschädigungshöhe ergebe sich aus der Verfahrensüberlänge von 47 Monaten bei monatlich 100 € als Entschädigung. Er habe die Verfahrensdauer nicht zu vertreten. Die Ausführungen des Truppendienstgerichts zur kompensatorischen Berücksichtigung der überlangen Verfahrensdauer bei der Maßnahmebemessung hätten nicht zu einer Wiedergutmachung auf andere Weise geführt. Denn sie könne für die Maßnahmebemessung keine Rolle mehr gespielt haben, weil die übrigen Milderungsgründe schon für sich genommen zur Einstellung des Verfahrens ausgereicht hätten.

9 4. Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Zwar liege eine unangemessen lange Verfahrensdauer vor. Das Truppendienstgericht habe sie jedoch bei der Maßnahmebemessung mildernd berücksichtigt, so dass eine Wiedergutmachung auf sonstige Weise vorliege.

10 5. Wegen der Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Akten des truppendienstgerichtlichen Verfahrens Bezug genommen, die Gegenstand der Beratung gewesen sind.

II

11 1. Das Verfahren ist gemäß § 94 Abs. 1 Satz 3 Halbs. 1 WDO i. V. m. § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen, soweit der Kläger die Entschädigungsklage zurückgenommen hat. Dies betrifft die geltend gemachte Entschädigung wegen materieller Nachteile in Gestalt von Besoldungseinbußen in Höhe von zunächst 7 711,64 € und - nach der bereits mit Schriftsatz vom 27. November 2023 erfolgten Klagerücknahme - von 4 866,55 € (zu den Erfolgsaussichten: BVerwG, Urteil vom 28. August 2024 - 2 WA 6.23 - Rn. 39 ff.). Die Kostenentscheidung beruht insoweit auf § 94 Abs. 1 Satz 3 Halbs. 1 WDO i. V. m. § 155 Abs. 2 VwGO.

12 2. Im Übrigen hat die Entschädigungsklage, über die gemäß § 94 Abs. 1 Satz 3 Halbs. 1 WDO i. V. m. § 201 Abs. 2 Satz 1 GVG, § 101 Abs. 2 VwGO im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden werden kann, überwiegend Erfolg.

13 a) Die Klage ist als allgemeine Leistungsklage statthaft (vgl. BVerwG, Urteil vom 12. Juli 2018 - 2 WA 1.17 D - NJW 2019, 320 Rn. 15) und die Wartefrist gemäß § 94 Abs. 1 Satz 3 Halbs. 1 WDO i. V. m. § 198 Abs. 5 Satz 1 GVG (vgl. BVerwG, Urteil vom 28. August 2024 - 2 WA 1.24 - NVwZ 2025, 94 Rn. 26) wurde gewahrt. Die Entschädigungsklage wurde mit der Zustellung an die Beklagte am 21. Dezember 2021 und damit mehr als sechs Monate nach der wirksamen (vgl. BVerwG, Urteil vom 28. August 2024 - 2 WA 1.24 - NVwZ 2025, 94 Rn. 25) Verzögerungsrüge vom 19. Februar 2021 rechtshängig (§ 94 Abs. 1 Satz 3 Halbs. 1 WDO i. V. m. § 201 Abs. 2 Satz 1 GVG, § 90 Satz 2 VwGO). Auch die Klagefrist gemäß § 94 Abs. 1 Satz 3 Halbs. 1 WDO i. V. m. § 198 Abs. 5 Satz 2 GVG ist eingehalten, weil die Entschädigungsklage zulässigerweise bereits vor Beendigung des Ausgangsverfahrens erhoben worden ist (BVerwG, Urteil vom 28. August 2024 ‌- 2 WA 1.24 - NVwZ 2025, 94 Rn. 27; ebenso BSG, Urteil vom 21. März 2024 ‌- B 10 ÜG 1/23 R - juris Rn. 18; BFH, Urteil vom 6. April 2022 - X K 5/21 - juris Rn. 20; BGH, Urteil vom 23. Januar 2014 - III ZR 37/13 - NJW 2014, 939 Rn. 29).

14 Der Kläger ist auch rechtsschutzbedürftig. Denn die Frage, ob er eine ausreichende Wiedergutmachung auf andere Weise im Sinne des § 94 Abs. 1 Satz 3 Halbs. 1 WDO i. V. m. § 198 Abs. 2 Satz 3, § 199 Abs. 3 Satz 1 GVG erhalten hat, wird von den Prozessparteien kontrovers beurteilt und ist nicht offensichtlich zu beantworten, so dass sich ihre Klärung auf der Zulässigkeitsebene (vgl. BVerwG, Urteil vom 28. August 2024 - 2 WA 6.23 - Rn. 16) verbietet.

15 b) Die Klage ist weitgehend begründet.

16 Nach § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG kann jeder Verfahrensbeteiligte, der infolge einer unangemessenen Dauer eines Gerichtsverfahrens einen Nachteil erleidet, eine angemessene Entschädigung beanspruchen. Diese umfasst sowohl einen Ersatz für materielle Nachteile als auch - wie vorliegend allein noch im Streit - einen Ausgleich für immaterielle Nachteile (BGH, Urteil vom 7. November 2019 ‌- III ZR 17/19 - NJW 2020, 1364 Rn. 20), wobei beide Ansprüche selbständig nebeneinanderstehen (vgl. BVerwG, Urteile vom 11. Juli 2013 - 5 C 27.12 D - juris Rn. 50 m. w. N. und vom 28. August 2024 - 2 WA 6.23 - Rn. 20). Diese Regelung gilt gemäß § 94 Abs. 1 Satz 3 Halbs. 1 WDO auch für Angeschuldigte eines gerichtlichen Wehrdisziplinarverfahrens.

17 aa) Das Ausgangsverfahren war unangemessen lang. Dabei erübrigt sich eine eigenständige Bestimmung der unangemessenen Verfahrensdauer im Entschädigungsverfahren nach den Kriterien des § 94 Abs. 1 Satz 3 Halbs. 1 WDO i. V. m. § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG. Denn das Entschädigungsgericht ist bei der Beurteilung der Angemessenheit der Verfahrensdauer nach § 94 Abs. 1 Satz 3 Halbs. 1 WDO i. V. m. § 199 Abs. 3 Satz 2 GVG an die Entscheidung des Ausgangsgerichts gebunden. Diese für das strafrechtliche Entschädigungsverfahren geltende Bindungswirkung gilt für das wehrdisziplinarrechtliche Entschädigungsverfahren entsprechend (BVerwG, Urteil vom 14. September 2017 - 2 WA 2.17 D - BVerwGE 159, 366 Rn. 30). Dabei erstreckt sich die Bindungswirkung nicht nur auf das Vorliegen oder Nicht-Vorliegen einer unangemessenen Verfahrensdauer. Zweck der Norm ist es, widersprüchliche Beurteilungen zwischen dem Entschädigungs- und dem Ausgangsgericht hinsichtlich der Überlänge zu vermeiden (BT-Drs. 17/3802 S. 24 f.). Enthält das Urteil des Ausgangsgerichts Feststellungen zur Dauer der Überlänge, nehmen auch diese Feststellungen zur Vereinfachung und Beschleunigung des Entschädigungsverfahrens an der Bindungswirkung teil (Kreicker, in: MüKo StPO, 2. Aufl. 2025, § 199 GVG Rn. 15). Aus diesem Grund ist das Bundesverwaltungsgericht als Entschädigungsgericht hier auch an die Feststellung des Truppendienstgerichts gebunden, die unangemessene Verfahrensdauer betrage ca. vier Jahre.

18 bb) Dem Anspruch steht auch nicht entgegen, dass das Truppendienstgericht die unangemessene Verfahrensdauer zu Gunsten des Soldaten bei der Bemessungsentscheidung berücksichtigt und bereits dadurch eine ausreichende Wiedergutmachung auf andere Weise im Sinne des § 199 Abs. 3 Satz 1 GVG vorgenommen hätte.

19 Eine ausreichende Berücksichtigung im Sinne des § 199 Abs. 3 Satz 1 GVG liegt nur vor, wenn das Wehrdienstgericht seiner Bemessungsentscheidung nicht nur die unangemessene Dauer des gerichtlichen Disziplinarverfahrens zugrunde legt, sondern darüber hinaus auch die maßnahmemildernde Wirkung dieses Aspektes klarstellt. Es muss ausgeschlossen werden, dass die mildernde Berücksichtigung der unangemessenen Verfahrensdauer bloß formelhaft behauptet wird. Hierfür ist grundsätzlich nicht nur die - vorliegend getroffene - Feststellung erforderlich, um welchen Zeitraum das Verfahren unangemessen lang war bzw. wie der mildernd berücksichtigte Verzögerungszeitraum konkret bemessen wird. In aller Regel ist es zudem geboten, in den Entscheidungsgründen zu erläutern, wie sich die unangemessene Verfahrensdauer auf die - von ihr abgesehen - tat- und schuldangemessene Maßnahmebemessung konkret auswirkt (BVerwG, Urteil vom 14. September 2017 - 2 WA 2.17 D - BVerwGE 159, 366 Rn. 28).

20 Diesen Maßstäben wird das Urteil nicht gerecht. Nachdem es bei der Frage des Ausgangspunkts der Zumessungsentscheidung offengelassen hat, ob angesichts der erschwerend einzustellenden Bemerkung des Soldaten eine gerichtliche Disziplinarmaßnahme (Kürzung der Dienstbezüge) oder eine hohe einfache Disziplinarmaßnahme den Ausgangspunkt der Maßnahmebemessung bildete, hat es auf der zweiten Bemessungsstufe erheblich entlastende Umstände angenommen, die es zwingend erforderten, von der in Ansatz gebrachten, geringen Disziplinarmaßnahme überhaupt abzusehen. Als mildernden Umstand von Gewicht erkannte es "zunächst" eine Nachbewährung an. Als weiteren mildernden Umstand stellte es sodann ein, dass dem Soldaten zwei förmliche Anerkennungen erteilt worden seien, wobei es offenließ, in welchem Umfang diese bereits sehr gewichtigen Milderungsgründe eine Abweichung von der hohen einfachen Disziplinarmaßnahme verlangten. Denn es nahm an, die erheblichen Milderungsgründe würden "gepaart mit der extrem überlangen Verfahrensdauer" (S. 17, letzter Absatz), folglich in ihrer Kumulation, verbieten, noch eine einfache Disziplinarmaßnahme zu verhängen. Damit gibt das Urteil aber keine Auskunft darüber, worin die tat- und schuldangemessene Disziplinarmaßnahme bestanden hätte und in welchem Umfang die überlange Verfahrensdauer isoliert betrachtet zur Entscheidung beigetragen hat, von einer einfachen Disziplinarmaßnahme abzusehen. Die maßnahmemildernde Wirkung der überlangen Verfahrensdauer wurde mithin nur pauschal behauptet, nicht konkret dargelegt. Das Ausgangsgericht hat insbesondere nicht erörtert, ob mit seiner Entscheidung eine vollständige oder nur eine teilweise Wiedergutmachung für die extreme Überlänge des Verfahrens verbunden war. Es kann daher nicht festgestellt werden, dass der Soldat bereits eine angemessene Wiedergutmachung auf andere Weise erhalten hätte.

21 cc) Der Anerkennung eines immateriellen Entschädigungsanspruchs steht ebenfalls nicht entgegen, dass allein die Feststellung einer unangemessenen Verfahrensdauer nach § 198 Abs. 4 Satz 1 GVG ausreichend wäre. Ob eine solche Feststellung genügt, beurteilt sich auf der Grundlage einer umfassenden Abwägung sämtlicher Umstände des Einzelfalles (vgl. BVerwG, Urteil vom 11. Juli 2013 ‌- 5 C 27.12 D - juris Rn. 48 m. w. N.). Hier ergibt eine Einzelabwägung, dass schon wegen des Ausmaßes der unangemessenen Verfahrensdauer und seines Hintergrundes (struktureller Mangel) eine bloße Feststellung nicht genügt, um das jahrelange Warten des Klägers auf eine endgültige Entscheidung wiedergutzumachen (vgl. BVerwG, Urteil vom 28. August 2024 - 2 WA 1.24 - NVwZ 2025, 94 Rn. 41 f. m. w. N.).

22 dd) Gemäß § 94 Abs. 1 Satz 3 Halbs. 1 WDO i. V. m. § 198 Abs. 2 Satz 3 GVG sind die durch die unangemessene Verfahrensdauer erlittenen immateriellen Nachteile regelmäßig mit 1 200 € für jedes Jahr der Verzögerung zu entschädigen. Mit dieser Pauschalierung sollen Streitigkeiten über die Höhe der Entschädigung, die eine zusätzliche und unnötige Belastung für die Gerichte bedeuten würden, vermieden und zugleich eine zügige Erledigung der Entschädigungsansprüche im Interesse der Betroffenen ermöglicht werden, wobei hinsichtlich der Berechnungszeiträume unter einem Jahr eine zeitanteilige Berechnung erfolgt (vgl. BT-Drs. 17/3802 S. 20). Danach steht dem Kläger eine Entschädigung für die von ihm begehrten 47 Monate über 4 700 € zu.

23 Zwar kann das Gericht nach § 94 Abs. 1 Satz 3 Halbs. 1 WDO i. V. m. § 198 Abs. 2 Satz 4 GVG einen höheren oder niedrigeren Betrag festsetzen, wenn der Pauschalbetrag nach den Umständen des Einzelfalls unbillig ist. Im Hinblick auf den eine Verfahrensvereinfachung anstrebenden Gesetzeszweck ist das Entschädigungsgericht aber nur in Ausnahmefällen gehalten, aus Billigkeitserwägungen von dem normierten Pauschalsatz abzuweichen (vgl. BT-Drs. 17/3802 S. 20). Ein solcher Ausnahmefall liegt nicht vor (vgl. BVerwG, Urteil vom 28. August 2024 - 2 WA 1.24 - NVwZ 2025, 94 Rn. 44).

24 ee) Der Soldat hat auch Anspruch auf Prozesszinsen nach § 291 Satz 1 BGB. Der beantragte Zinsanspruch für den Betrag von 2 400 € wurde allerdings erst mit dem rechtskräftigen Abschluss des disziplinargerichtlichen Verfahrens am 4. Juli 2023 fällig. Erst dann stand fest, ob und in welchem Umfang ein Entschädigungsanspruch in Geld besteht und ob eine Wiedergutmachung auf andere Weise erfolgte (BVerwG, Urteil vom 14. September 2017 - 2 WA 2.17 D - BVerwGE 159, 366 Rn. 22 ff.). Der Lauf des Zinsanspruchs beginnt entsprechend § 187 Abs. 1 BGB an dem auf die Fälligkeit folgenden Tag (vgl. BVerwG, Urteil vom 28. August 2024 - 2 WA 1.24 - NVwZ 2025, 94 Rn. 48) also am 5. Juli 2023. Analog § 291 Satz 2 i. V. m. § 288 Abs. 1 Satz 2 BGB beträgt der Zinssatz 5 Prozentpunkte über dem Basiszinssatz. Dasselbe gilt für den weiteren Betrag von 2 300 €, für den der Kläger eine Verzinsung jedoch erst ab dem 18. Juli 2023 beantragt hat.

25 3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 94 Abs. 1 Satz 3 Halbs. 1 WDO i. V. m. § 201 Abs. 2 Satz 1 GVG, § 155 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 VwGO. Sie entspricht dem Obsiegensanteil (4 700 €) des Klägers bezogen auf den vor der Klagerücknahme bestehenden Streitwert von 12 411,64 €. Eine Billigkeitsentscheidung nach § 94 Abs. 1 Satz 3 Halbs. 1 WDO i. V. m. § 201 Abs. 4 GVG ist nicht zu treffen, da ein Entschädigungsanspruch besteht und auch keine Feststellung nach § 198 Abs. 4 GVG ausgesprochen worden ist (BVerwG, Urteil vom 17. August 2017 - 5 A 2.17 D - NVwZ 2018, 909 Rn. 42; BGH, Urteil vom 14. November 2013 - III ZR 376/12 - NJW 2014, 220 Rn. 50).