Beschluss vom 28.11.2022 -
BVerwG 20 F 2.22ECLI:DE:BVerwG:2022:281122B20F2.22.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 28.11.2022 - 20 F 2.22 - [ECLI:DE:BVerwG:2022:281122B20F2.22.0]

Beschluss

BVerwG 20 F 2.22

  • VG Berlin - 09.04.2021 - AZ: 1 K 706.17
  • OVG Berlin-Brandenburg - 06.01.2022 - AZ: 95 A 1/21

In der Verwaltungsstreitsache hat der Fachsenat des Bundesverwaltungsgerichts
am 28. November 2022
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Häußler,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Burmeister und
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Eppelt
beschlossen:

  1. Die Senatsverwaltung für Inneres, Digitalisierung und Sport des Landes Berlin wird beigeladen.
  2. Das Beschwerdeverfahren wird eingestellt, soweit es den Vorgang 160520-0050-100564 betrifft.
  3. Im Übrigen wird die Beschwerde des Klägers zurückgewiesen.
  4. Von den Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Kläger drei Viertel und der Beklagte ein Viertel mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen.

Gründe

I

1 In dem diesem Zwischenverfahren zugrunde liegenden Hauptsacheverfahren begehrt der Kläger Auskunft über die von dem Beklagten zu seiner Person gespeicherten Daten.

2 Im Hauptsacheverfahren hat das Verwaltungsgericht am 9. Oktober 2020 beschlossen, durch die Vorlage des vollständigen und ungeschwärzten Verwaltungsvorganges und der ungeschwärzten Originaldokumente zu den drei auf Blatt 8 des Verwaltungsvorganges geschwärzten Vorgängen Beweis zu dem Vorbringen des Beklagten zu erheben, einer weitergehenden Auskunft über die zum Kläger gespeicherten Informationen stünde ein öffentliches Interesse an der Geheimhaltung entgegen.

3 Daraufhin hat die Beigeladene mit Schriftsatz vom 11. Februar 2021 eine Sperrerklärung bezogen auf einzelne Seiten des Verwaltungsvorganges und die Originaldokumente zu den drei auf Blatt 8 des Verwaltungsvorganges genannten Originaldokumenten abgegeben, die ungeschwärzte Vorlage dieser Aktenteile verweigert, den Verwaltungsvorgang im Übrigen aber vorgelegt.

4 Den Antrag des Klägers auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der Sperrerklärung bezogen auf die Sperrung von drei Zeilen auf Blatt 8 des Verwaltungsvorgangs und der gesamten Originaldokumente zu den dort geschwärzt referenzierten Vorgängen hat das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 9. April 2021 an das Oberverwaltungsgericht abgegeben. Dieses hat den Antrag mit Beschluss vom 6. Januar 2022 abgelehnt. Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Klägers.

5 Unter dem 29. April 2022 hat der Kläger das Beschwerdeverfahren hinsichtlich des Vorganges 160520-0050-100564 für erledigt erklärt. Der Beklagte hat der Teilerledigterklärung mit Schriftsatz vom 11. August 2022 zugestimmt.

II

6 Soweit die Beteiligten das Beschwerdeverfahren übereinstimmend für erledigt erklärt haben, ist es entsprechend § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen. Im Beschwerdeverfahren war die von § 99 Abs. 2 Satz 6 VwGO vorgeschriebene Beiladung der obersten Aufsichtsbehörde (vgl. dazu BVerwG, Beschluss vom 15. August 2002 - 2 AV 3.02 - BVerwGE 117, 42 f.) nachzuholen. Die im Übrigen zulässige Beschwerde ist unbegründet.

7 1. Der Fachsenat des Oberverwaltungsgerichts hat den Antrag sachgerecht dahingehend ausgelegt, dass er sich nur auf die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Sperrerklärung hinsichtlich der Originaldokumente zu den vormals geschwärzten drei Vorgangsnummern auf Blatt 8 des Verwaltungsvorganges bezieht, soweit dort keine personenbezogenen Daten Dritter in Rede stehen.

8 2. Der nach ordnungsgemäßer Verlautbarung der Entscheidungserheblichkeit der angeforderten Unterlagen durch Beweisbeschluss des Verwaltungsgerichts zulässige Antrag des Klägers ist unbegründet, soweit nicht Erledigung erklärt wurde. Die Sperrerklärung ist im Hinblick auf die beiden noch in Rede stehenden Originaldokumente rechtmäßig.

9 a) Sie genügt den formalen Anforderungen. Aus der Sperrerklärung vom 11. Februar 2021 in der Fassung des Schriftsatzes vom 4. Juni 2021 ergibt sich hinreichend genau, welche Weigerungsgründe zu welchen der vorenthaltenden Originaldokumente geltend gemacht werden.

10 b) Soweit die Sperrerklärung noch Gegenstand des Beschwerdeverfahrens ist, ist sie auch in materieller Hinsicht rechtmäßig.

11 aa) Der Fachsenat des Oberverwaltungsgerichts hat die für die geltend gemachten Weigerungsgründe des § 99 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 und 3 VwGO zutreffenden rechtlichen Maßstäbe aufgezeigt.

12 (1) Danach ist ein Nachteil für das Wohl des Landes im Sinne von § 99 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 VwGO unter anderem dann gegeben, wenn und soweit die Bekanntgabe des Akteninhalts die zukünftige Erfüllung der Aufgaben der Sicherheitsbehörden einschließlich deren Zusammenarbeit mit anderen Behörden erschweren oder Leben, Gesundheit und Freiheit von Personen gefährden würde (BVerwG, Beschlüsse vom 21. August 2012 - 20 F 5.12 - juris Rn. 4 m. w. N., vom 21. Januar 2014 - 20 F 1.13 - juris Rn. 18 f. m. w. N. und vom 12. September 2017 - 20 F 4.16 - juris Rn. 7). Die künftige Erfüllung der Aufgaben der Sicherheitsbehörden kann erschwert und damit dem Wohl eines Landes ein Nachteil bereitet werden, wenn sich aus einer vollständigen Offenlegung von Unterlagen vor allem im Rahmen einer umfangreichen Zusammenschau Rückschlüsse auf die gegenwärtige Organisation der Sicherheitsbehörden, die Art und Weise ihrer Informationsbeschaffung, aktuelle Ermittlungsmethoden oder die praktizierten Methoden ihrer Zusammenarbeit mit anderen Stellen ableiten lassen (BVerwG, Beschlüsse vom 4. März 2010 - 20 F 3.09 - juris Rn. 6 m. w. N. und vom 21. Januar 2014 - 20 F 1.13 - juris Rn. 19). Zu solchen Rückschlüssen grundsätzlich geeignet sind beispielsweise Vorgangsvorblätter, Aktenzeichen, Organisationskennzeichen und Arbeitstitel, Verfügungen und namentliche Hinweise auf Bearbeiter, Aktenvermerke, Arbeitshinweise, Randbemerkungen und Querverweise sowie Hervorhebungen und Unterstreichungen (BVerwG, Beschlüsse vom 23. März 2009 - 20 F 11.08 - juris Rn. 9 und vom 21. Januar 2014 - 20 F 1.13 - juris Rn. 19 m. w. N.).

13 (2) Personenbezogene Daten sind grundsätzlich ihrem Wesen nach geheimhaltungsbedürftig im Sinne von § 99 Abs. 1 Satz 2 Alt. 3 VwGO. Bei solchen Daten besteht ein privates Interesse an der Geheimhaltung, das grundgesetzlich geschützt ist. Geschützt sind nicht nur personenbezogene Daten, die ohne Weiteres zur Identifikation der Person führen, sondern auch Äußerungen und Angaben zur Sache können geheimhaltungsbedürftig sein, wenn die Mitteilungen Rückschlüsse auf die Person erlauben und in Abwägung mit den Interessen der Klägerin ein berechtigtes Interesse an einer Geheimhaltung besteht (BVerwG, Beschluss vom 12. September 2017 - 20 F 4.16 - juris Rn. 7). Der Schutz persönlicher Daten gilt grundsätzlich auch für Behördenmitarbeiter (BVerwG, Beschluss vom 28. November 2013 - 20 F 11.12 - juris Rn. 13). Daran ändert nichts, dass Behördenmitarbeiter in Wahrnehmung öffentlich-rechtlicher Aufgaben und somit in ihrer Eigenschaft als Amtswalter tätig werden. Denn auch insoweit bleiben sie Träger von Grundrechten (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 22. Juli 2010 - 20 F 11.10 - BVerwGE 137, 318 Rn. 9 f. und vom 24. Oktober 2018 - 20 F 15.16 - BVerwGE 163, 271 Rn. 14).

14 bb) Die Durchsicht der dem Senat im Original vorliegenden Unterlagen hat bestätigt, dass die geltend gemachten Weigerungsgründe bestehen.

15 Die vorenthaltenen Originaldokumente sind in weitem Umfange bereits nicht antragsgegenständlich, weil sie im Wesentlichen personenbezogene Daten dritter Personen enthalten. Soweit dies nicht der Fall ist, besteht der geltend gemachte Weigerungsgrund des § 99 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 VwGO. Insoweit wird gemäß § 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO auf die - auch unter Berücksichtigung der Einwände der Beschwerdebegründung - zutreffenden Erwägungen des Fachsenats des Oberverwaltungsgerichts Bezug genommen. Auch die Bestätigung oder Nichtbestätigung von Vermutungen des Klägers über mögliche Orte seiner Beobachtung kann Rückschlüsse auf die Arbeitsweise der Sicherheitsbehörden ermöglichen. Von einer weiteren Begründung wird nach § 99 Abs. 2 Satz 10 VwGO abgesehen. Bloße Teilschwärzungen der Originaldokumente kommen nicht in Betracht, weil sie nur zu inhaltsleeren und nichtssagenden Restbeständen führen würden (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 28. November 2013 - 20 F 11.12 - juris Rn. 18 und vom 29. November 2016 - 20 F 10.16 - juris Rn. 12). Dies gilt auch, soweit die noch beschwerdegegenständlichen Originaldokumente an anderer Stelle offengelegte personenbezogene Daten des Klägers enthalten.

16 c) Soweit die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Vorlageverweigerung erfüllt sind, ist auch die Ermessensausübung nach § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO nicht zu beanstanden. Der Fachsenat des Oberverwaltungsgerichts hat zutreffend ausgeführt, dass die Beigeladene in ihrer Sperrerklärung die gegenläufigen privaten und öffentlichen Interessen bezogen auf die einzelnen Aktenstücke abgewogen, dabei die Möglichkeit von Teilschwärzungen geprüft und so eine Ermessensentscheidung getroffen, die den rechtlichen Anforderungen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 8. März 2010 - 20 F 11.09 - Buchholz 310 § 99 VwGO Nr. 56 Rn. 12 m. w. N.) genügt.

17 3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1, § 161 Abs. 2 Satz 1, § 162 Abs. 3 VwGO. Soweit das Beschwerdeverfahren eingestellt wurde, ist über die Kosten nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes zu treffen. Hier entspricht es der Billigkeit, wegen des erledigten Teiles des Streitgegenstandes einen Teil der Kosten dem Beklagten aufzuerlegen. Dieser hat wegen einer Neubewertung einen Teil der zunächst verweigerten Auskünfte erteilt und sich dadurch insoweit in die Position des Unterlegenen begeben. Allerdings gilt dies nicht für das vollständige Originaldokument, das auch weitere nicht offengelegte Informationen enthält, für die die geltend gemachten Weigerungsgründe bestehen und die Ermessensausübung nicht zu beanstanden ist. Insoweit wäre die teilweise für erledigt erklärte Beschwerde unbegründet gewesen.