Beschluss vom 29.03.2023 -
BVerwG 2 WDB 16.21ECLI:DE:BVerwG:2023:290323B2WDB16.21.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 29.03.2023 - 2 WDB 16.21 - [ECLI:DE:BVerwG:2023:290323B2WDB16.21.0]

Beschluss

BVerwG 2 WDB 16.21

  • TDG Süd 3. Kammer - 19.08.2021 - AZ: TDG S 3 GL 7/20

In dem gerichtlichen Disziplinarverfahren hat der 2. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts durch
den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Häußler,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Burmeister und
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Henke
am 29. März 2023 beschlossen:

  1. Auf die Beschwerde der Wehrdisziplinaranwaltschaft wird der Beschluss der 3. Kammer des Truppendienstgerichts Süd vom 19. August 2021 abgeändert.
  2. Der Antrag des Soldaten, die vorläufige Dienstenthebung und das Uniformtrageverbot aufzuheben, wird abgelehnt.
  3. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Gründe

I

1 Das Beschwerdeverfahren betrifft Nebenentscheidungen nach § 126 WDO, deren Anordnung das Truppendienstgericht aufgehoben hat.

2 1. Der ... geborene, weder disziplinarisch noch strafrechtlich vorbelastete Soldat ist Berufssoldat im Dienstgrad eines Oberstleutnants. Ende März 2023 wird er antragsgemäß wegen Dienstunfähigkeit in den Ruhestand versetzt.

3 Er war bis Ende Januar 2019 Leiter ... Anschließend wurde er versetzt. Ausweislich der letzten Beurteilung vom 21. Juli 2017 erhielt er im Dienstgrad eines Majors einen Durchschnittswert der Aufgabenerfüllung von "7,80". Der nächsthöhere Vorgesetzte hat den Soldaten als "klasse Offizier" bezeichnet, den er in der erweiterten Spitzengruppe der ... sehe. Er erhielt mehrfach Prämien für Angehörige der ... und ist - unter anderem - mit einer förmlichen Anerkennung (2011) und dem Ehrenkreuz der Bundeswehr in Silber (2002) dekoriert.

4 Er ist verheiratet und Vater eines volljährigen Sohnes. Wegen einer schweren depressiven Episode befand er sich (vom 31. August bis 11. September 2020) in stationärer Behandlung. Im Juli 2021 wurde eine psychoreaktive Störung als Folge einer Wehrdienstbeschädigung anerkannt, die zu einem Grad der Schädigung von 50 und zur Gewährung eines Ausgleichs nach dem Soldatenversorgungsgesetz führte. Eine einsatzbedingte posttraumatische Belastungsstörung ist festgestellt.

5 2. Das Bundesamt für den Militärischen Abschirmdienst (BAMAD) informierte das ... im Januar 2019 über den Verdacht verfassungswidriger Bestrebungen des Soldaten, was folgende dienstrechtliche Maßnahmen nach sich zog:

6 a) Mit Bescheid vom 29. April 2020 wurde die mit einer arglistigen Täuschung des Dienstherrn begründete Entlassung des Soldaten aus dem Dienstverhältnis verfügt. Das Verwaltungsgericht hat den Bescheid mit Urteil vom 7. Juli 2022 aufgehoben. Über den Antrag des Bundes auf Zulassung der Berufung hat der Verwaltungsgerichtshof noch nicht entschieden. In dem Urteil wurde festgestellt, dass der Soldat anlässlich seiner Bewerbung als Soldat über seine frühere Mitgliedschaft bei den Jungen Nationaldemokraten (JN) nicht arglistig getäuscht habe und ihm noch unter dem 18. Dezember 2017 mitgeteilt worden sei, dass sich keine Umstände ergeben hätten, die im Hinblick auf die damalige sicherheitsempfindliche Tätigkeit des Soldaten ein Sicherheitsrisiko darstellten.

7 b) Der Kommandeur ... sprach gestützt auf das Soldatengesetz im Januar 2019 ein Dienstausübungs- sowie Uniformtrageverbot aus, welches das Truppendienstgericht mit Beschluss vom 18. März 2020 aufgehoben hat.

8 c) Der Kommandeur der ... leitete gegen den Soldaten mit Verfügung vom 12. April 2019 ein gerichtliches Disziplinarverfahren ein.

9 3. Die Wehrdisziplinaranwaltschaft hat ihn sodann unter dem 15. Oktober 2020 wie folgt angeschuldigt:

  • Er kommentierte am 23. Juli 2014 auf einer öffentlich zugänglichen Facebook-Seite das Bild eines Soldaten, der einen verwundeten Kameraden trägt und auf dem daneben der Wahlspruch 'TREUE UM TREUE' steht mit den Worten: '... es werden militärische Sinn- und Leitsprüche verboten, da man das Militärische ansich in unserer postheroischen Gesellschaft negiert. Danke ... für meine Lehrjahre, die mich bis heute positiv prägen. Die Gedanken sind jedoch frei und solche Verbote sprechen nur 'Offiziere' aus, die nach meiner persönlichen, privaten Meinung keine sind, da sie die Grundprinzipien des Soldatischen pervertieren.', womit er sich auf den Erlass des Inspekteurs des Heeres vom 6. Mai 2014 bezog, mit dem die Verwendung des Wahlspruchs 'Treue um Treue' seither verboten ist, da dieser im Wesentlichen durch die Verwendung als Motto der Fallschirmjäger der Wehrmacht geprägt und mit dieser verbunden ist, wobei er wusste, zumindest aber hätte wissen können und müssen, dass er damit die Autorität des damaligen Inspekteurs des Heeres öffentlich untergräbt. Dabei stellte der Soldat durch Posten eines Fotos des am 2. April 2010 in Afghanistan zerstörten Dingos einen konkreten Bezug zur Bundeswehr her.

  1. Er war zumindest in der Zeit vom 1. Juni 2015 bis zum 29. Januar 2019 öffentlich einsehbar Mitglied der Facebook-Gruppe 'Ernst von Salomon', obwohl er wusste, zumindest aber hätte wissen können und müssen, dass andere Mitglieder dieser zahlenmäßig kleinen Facebook-Gruppe im Schwerpunkt Bezüge zur Identitären Bewegung Deutschland (IBD) und der Identitären Bewegung Österreich (IBÖ) aufweisen und dass der Namensgeber der Gruppe ein Mitglied der rechtsterroristischen 'Organisation Consul' war, die auch unter Beteiligung von Ernst von Salomon für die Ermordung des damaligen Außenministers Walter Rathenau am 24. Juni 1922 verantwortlich war und die von 1920 bis 1922 die Implementierung einer Militärdiktatur zum Ziel hatte, womit er öffentlich dokumentierte, jedenfalls aber den Eindruck erweckte, mit den o. g. Aktivitäten Ernst von Salomons und der 'Organisation Consul' zu sympathisieren anstatt sich von diesen und der Facebook-Gruppe 'Ernst von Salomon' sowie den Mitgliedern mit Bezügen zu IBD und IBÖ eindeutig zu distanzieren und unterließ es damit für die freiheitliche demokratische Grundordnung im Sinn des Grundgesetzes einzutreten.

  1. Er befürwortete und verbreitete zu den nachfolgend genannten Zeitpunkten das öffentlich einsehbare Facebook-Profil 'Konservative Revolution' und in einem Fall 'Konservative Revolution II', obwohl er wusste, zumindest aber hätte wissen können und müssen, dass bereits zur Zeit der Weimarer Republik unter der Bezeichnung 'Konservative Revolution' antidemokratische Denker aktiv waren, auf die sich insbesondere seit den 1970er Jahren die geistige Strömung der sog. 'Neuen Rechten' beruft, die sich für eine Intellektualisierung des Rechtsextremismus und die Beseitigung oder zumindest die Beeinträchtigung des demokratischen Verfassungsstaates einsetzt, anstatt sich von diesem Facebook-Profil und der 'Konservativen Revolution' eindeutig zu distanzieren und unterließ es damit für die freiheitliche demokratische Grundordnung im Sinn des Grundgesetzes einzutreten, jedenfalls aber setzte er diesen Anschein:

  1. am 9. Mai 2017 und 2. Juli 2017 durch Teilen eines Fotos mit der deutlich sichtbaren Aufschrift 'Konservative Revolution',

  1. am 28. Juni 2017 durch Anklicken des 'gefällt mir'-Buttons in Bezug auf einen dort geposteten Beitrag mit der deutlich sichtbaren Aufschrift 'Konservative Revolution',

  1. am 25. Oktober 2017, 10. Dezember 2017 ('Konservative Revolution II'), 21. Dezember 2017 und 12. Mai 2018 durch Teilen eines Beitrages mit der deutlich sichtbaren Aufschrift 'Konservative Revolution'.

  1. Er kommentierte zu einem nicht näher bestimmbaren Zeitpunkt zwischen dem 7. Februar 2018 und dem 29. Januar 2019 auf der öffentlich zugänglichen Facebook-Seite 'Bundespolizei Karriere' eine dort gepostete Meldung über die neue Bundespolizeiinspektion ... mit den Worten: 'Sichern Sie endlich die deutschen Staatsgrenzen gem. den rechtlichen Vorgaben, ansonsten begehen Sie Rechtsbruch wie aktuell das Primat der Politik. Niemand steht aber über dem Gesetz. Wir wissen, dass der größte Teil der Beamten der BPOL einen ordentlichen Dienst verrichten möchte und sich dieser epochalen Lage des Rechtsbruchs bewusst ist.', wobei er wusste, zumindest aber hätte wissen können und müssen, dass er mit seiner Wortwahl und der Darstellung des vermeintlichen 'Rechtsbruchs' als Tatsache ohne differenzierte inhaltliche Auseinandersetzung öffentlich suggerierte, die Bundesregierung habe einen festgestellten fortgesetzten Rechtsbruch begangen. Im weiteren Chatverlauf verteidigte der Soldat seinen geäußerten Beitrag gegenüber Dritten mit Kommentaren wie 'die Geschichte und Deutschland wird das bewerten' und '... Ab einer gewissen Führungsebene wurde mein Beitrag sicherlich verstanden' und verstetigte damit seine Haltung und Auffassung.

  1. Er kommentierte zu einem nicht näher bestimmbaren Zeitpunkt zwischen dem 4. März 2018 und dem 29. Januar 2019 auf einer öffentlich zugänglichen Facebook-Seite Aussagen über die vermeintliche Einsatzlage der Bundeswehr unter anderem mit den Worten '... aber es gibt doch Umstandsuniformen und Handtaschen für weibliche Soldaten. Diese Ministerin hat epochal versagt.', wobei er wusste, zumindest aber hätte wissen können und müssen, dass er damit die Autorität der ihm zu dieser Zeit vorgesetzten Bundesministerin der Verteidigung öffentlich untergräbt.

  1. Nachdem gegen ihn durch den Kommandeur ... ein Verbot zur Ausübung des Dienstes sowie ein Uniformtrageverbot ausgesprochen wurde hat er am 31. Januar 2019 in einer WhatsApp-Nachricht an einen nicht bestimmbaren Adressatenkreis unter anderem ausgeführt: '... Man will uns und den Verband und unserer Einsatzbereitschaft schaden und ich stehe mit meinem Typus bestimmten medialpolitischen, aber auch feigen opportunistischen Kräften in Uniform im Weg. [ ... ] P. S. teilen und verbreiten ist von meiner Seite erbeten ...', wobei er wusste, zumindest aber hätte wissen können und müssen, dass er damit zumindest die Autorität seines militärischen Vorgesetzten, der dieses Verbot ihm gegenüber ausgesprochen hat, untergräbt.

  1. Er postete auf seinem Facebook-Account, den er unter dem Namen '...' betreibt, am 27. Mai 2019 ein Foto, auf dem u. a. das Buch 'Politisches Soldatentum', herausgegeben von Dr. Franz Riedweg abgebildet ist, auf dessen Buchdeckel sich für den Betrachter erkennbar ein gebrochenes Sonnenkreuz (kreisrund gebogenes sog. Swastika-Kreuz, ein Hakenkreuz in abgerundet verlaufender Form) befindet, obwohl er wusste, jedenfalls aber hätte wissen können und müssen, dass der Herausgeber des Buches zum Zeitpunkt des Erscheinens des Buches, 1941, als SS-Soldat und Angehöriger des SS-Hauptamtes über eine enge und existenzielle Verbindung zum Nationalsozialismus verfügte, und obwohl er wusste, jedenfalls aber hätte wissen können und müssen, dass das dargestellte Swastika-Kreuz eine Erscheinungsform des von der NSDAP verwendeten Hakenkreuzes ist und im Übrigen in dem Mitgliedsabzeichen des 'Deutschen Frauenwerkes', einer seit dem 10. Oktober 1945 verbotenen nationalsozialistischen Organisation, verwendet wurde, und kommentierte dazu '... ab dem zweiten Whisky [Emoticon] des Tages bleibt es natürlich auch weiterhin politisch, aber eben nur noch schöngeistiger und noch intellektueller, also grundsätzlich und meistens so wie ich [Emoticon]..[ ... ]', womit er öffentlich dokumentierte, jedenfalls aber den Eindruck erweckte, dass er sich mit dem Nationalsozialismus und dessen menschenverachtender Ideologie identifiziert, anstatt sich davon eindeutig zu distanzieren und unterließ es damit für die freiheitliche demokratische Grundordnung im Sinn des Grundgesetzes einzutreten."

10 Durch sein Verhalten habe der Soldat die ihm obliegenden Dienstpflichten vorsätzlich, zumindest aber fahrlässig verletzt, die freiheitliche demokratische Grundordnung anzuerkennen und durch sein gesamtes Verhalten für ihre Erhaltung einzutreten, auch außerhalb des Dienstes bei Äußerungen die Zurückhaltung zu wahren, die erforderlich sei, um das Vertrauen als Vorgesetzter zu erhalten, die Würde, die Ehre und die Rechte der Kameraden zu achten und sich auch außer Dienst und außerhalb der dienstlichen Unterkünfte und Anlagen so zu verhalten, dass er die Achtung und das Vertrauen, die seine dienstliche Stellung erfordere, nicht ernsthaft beeinträchtige.

11 4. Das wegen des Anschuldigungspunktes 7. betriebene Strafverfahren wurde durch die Staatsanwaltschaft im Oktober 2020 mangels hinreichenden Tatverdachts (auf eine Straftat nach § 86a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 StGB) gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt. Dem Soldaten könne nicht nachgewiesen werden, dass er die Wahrnehmbarkeit für einen größeren, durch persönliche, nähere Beziehungen nicht zusammenhängenden Personenkreis habe ermöglichen wollen. Zwar liege grundsätzlich ein Verbreiten nationalsozialistischer Symbole durch das Inverkehrbringen bzw. Hochladen über das Internet vor; vorliegend sei der Kontrast aufgrund der Bildqualität jedoch so schlecht, dass das aufgebrachte Symbol selbst durch eine digitale Vergrößerung nur mit großer Mühe und nur im Vergleich mit einer Aufnahme des Originalbuchs überhaupt als Swastika zu erkennen sei. Anhaltspunkte dafür, dass der Soldat dennoch davon ausgegangen sei, andere Facebook-Benutzer würden das Symbol als solches erkennen, bestünden nicht.

12 5. In dem disziplinargerichtlichen Verfahren vor dem Truppendienstgericht (S 3 VL 61/20) liegt noch keine Hauptsacheentscheidung vor. Der Soldat hat sich in ihm mit Schriftsatz vom 16. November 2020 und unter Vorlage entsprechender Screenshotausdrucke sowie ärztlicher Berichte zu den Vorwürfen dahingehend eingelassen, dass zahlreiche Äußerungen durch Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG gedeckt seien und es augenscheinlich nicht um die Ausschaltung extremistischer Kräfte, sondern eines auch im Auslandseinsatz verdienten Soldaten als Kritiker der Regierung gehe. Die Wehrdisziplinaranwaltschaft hat es in das Ermessen des Gerichts gestellt, ein Sachverständigengutachten zur Frage einzuholen, ob sich der Soldat bei Begehung der ihm vorgeworfenen Pflichtverletzungen im Zustand einer verminderten Schuldfähigkeit befunden habe.

13 6. Mit Bescheid vom 14. Oktober 2020 wurde der Soldat vorläufig des Dienstes enthoben, ihm verboten, Uniform zu tragen, und die Einbehaltung eines Fünftels seiner Dienstbezüge angeordnet (Nebenentscheidungsanordnung). Dessen Antrag, sie aufzuheben, wurde mit Bescheid vom 13. November 2020 abgelehnt.

14 7. Das Truppendienstgericht hat auf Antrag des Soldaten die Nebenentscheidungsanordnung mit Beschluss vom 19. August 2021 rückwirkend aufgehoben. Mit Ausnahme des in den Vorwürfen 1. und 6. geschilderten Verhaltens liege kein Dienstvergehen vor.

15 a) Mit dem im Anschuldigungspunkt 1. beschriebenen Verhalten dürfte der Soldat vorsätzlich seine Pflichten zur Zurückhaltung, zur Kameradschaft, zur Disziplin und zum inner- und außerdienstlichen Wohlverhalten verletzt und mit dem unter Anschuldigungspunkt 6. beschriebenen Verhalten gegen die Pflichten zur Verschwiegenheit, zur Zurückhaltung, zur Disziplin und Achtung seiner Vorgesetzten und zum außerdienstlichen Wohlverhalten verstoßen haben. Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen dafür seien jedoch weder die Entfernung aus dem Dienstverhältnis noch eine Dienstgradherabsetzung. Dabei käme mildernd hinzu, dass sich das zum Anschuldigungspunkt 6. dargestellte Verhalten als eine unüberlegte Reaktion auf das am selben Tag gegen ihn ausgesprochene Verbot der Ausübung des Dienstes darstelle.

16 b) Den Nebenentscheidungen seien auch keine Anhaltspunkte dafür zu entnehmen, dass bei einem Verbleiben des disziplinar- und strafrechtlich unvorbelasteten Soldaten im Dienst ein schwerer, nicht wiedergutzumachender Schaden eintrete. Dahingestellt bleiben könne, ob der Soldat sich bei Begehung des Dienstvergehens in einem seine Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit erheblich beeinträchtigenden Zustand befunden habe.

17 c) Im Übrigen lägen keine disziplinarisch bedeutsamen Handlungen vor. Das unter dem späteren Anschuldigungspunkt 2. beschriebene Verhalten sei aller Voraussicht nach aus den in der Entscheidung des Truppendienstgerichts vom 18. März 2020 (zum Verbot nach § 22 SG) dargelegten Gründen disziplinarisch irrelevant. Allein die passive Zugehörigkeit zu einer solchen öffentlichen Facebook-Gruppe sage nichts über die politische Grundhaltung einzelner Mitglieder aus. Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass selbst bei einer sprachlich verfänglichen Bezeichnung einer solchen Gruppe ein ihr hinzutretendes Mitglied sich gerade dort besonders kritisch zu den von der Gruppe verbreiteten politischen Meinungen äußern wolle. Die bloße Vermutung, dass der Soldat eine für die Bundeswehr unzumutbare politische Grundeinstellung besitze, reiche nicht aus.

18 Bei dem unter Anschuldigungspunkt 3. beschriebenen Verhalten bedürfe die Anschuldigungsschrift der Auslegung, ob die Begriffe "Konservative Revolution" und "neue Rechte" so eindeutig belegt seien, dass sie nicht mit der Verfassung in Einklang stünden. Dies sei wegen der starken Heterogenität der zusammengefassten Ideologien nicht feststellbar. Bei der Darstellung zum Vorwurf 3. c. bleibe zudem offen, ob es sich bei dem am 10. Dezember 2017 geteilten Beitrag der "Konservativen Revolution II" um ein und dieselbe politische Strömung handele. Eine verlässliche Zuordnung der einzelnen Postings könne daher nicht ohne nähere inhaltliche Betrachtung der jeweiligen Inhalte der Fotos, Bilder und Beiträge erfolgen. Eine Überprüfung der Inhalte sei jedoch durch die eindeutige Formulierung der Anschuldigungsschrift verwehrt.

19 Das im Anschuldigungspunkt 4. beschriebene Verhalten dürfte durch das Recht auf freie Meinungsäußerung gedeckt sein. Auch habe der Soldat seine Zugehörigkeit zur Bundeswehr nicht erkennen lassen.

20 Dasselbe gelte für das unter Anschuldigungspunkt 5. beschriebene Verhalten, mit dem auch keine Schmähung oder Herabwürdigung der Person der früheren Bundesverteidigungsministerin verbunden gewesen sei. Auch hier sei die Zugehörigkeit des Soldaten zur Bundeswehr nicht erkennbar. Es liege nichts Ehrverletzendes oder Diskriminierendes vor, was als Angriff auf die Autorität der Verteidigungsministerin zu verstehen wäre. Der Soldat habe auch nicht den Eindruck erweckt, einen Befehl der Amtsinhaberin nicht loyal ausführen zu wollen.

21 Auch mit dem unter Anschuldigungspunkt 7. beschriebenen Verhalten habe der Soldat insbesondere nicht gegen die politische Treuepflicht verstoßen. Ob auf dem Foto für einen Dritten das Zeichen überhaupt erkennbar sei, sei bereits zweifelhaft. Selbst wenn es den Anschein erwecke, dass der Soldat das NS-Regime rechtfertige oder als Vorbild hinstelle, habe er dies jedenfalls nicht vorsätzlich getan. Dessen Einlassung, dass die Swastika (gebrochenes Sonnenkreuz) auf dem Buchtitel nicht erkennbar gewesen sei, könne ihm nicht widerlegt werden. Auch Fahrlässigkeit liege nicht vor, weil weder der Buchtitel noch der Autor eine Verknüpfung mit dem Nationalsozialismus nahelegten.

22 8. Die Wehrdisziplinaranwaltschaft hat gegen den Beschluss des Truppendienstgerichts Beschwerde erhoben und zugleich beantragt, dessen Vollziehung bis zur Entscheidung über die Beschwerde auszusetzen (BVerwG 2 W-VR 2.21 ).

23 Über die Anschuldigungspunkte 1. und 6. hinaus lägen Pflichtverletzungen vor, die den Soldaten untragbar werden ließen. Soweit sich das Truppendienstgericht zum Vorwurf 2. auf seinen Beschluss vom 18. März 2020 beziehe, verkenne es den unterschiedlichen Charakter von Anordnungen nach § 22 SG und Nebenentscheidungen nach der WDO. Die jahrelange Mitgliedschaft in einer nach einem verurteilten Rechtsterroristen benannten Facebook-Gruppe sei sehr wohl disziplinarisch relevant. Sie sei nicht per se neutral und spreche gegen die Einlassung des Soldaten, er habe nur Recherche betrieben. Er habe damit zumindest den Anschein erweckt, einem mit der freiheitlichen demokratischen Grundordnung unvereinbaren Gedankengut nicht distanziert gegenüberzustehen. Soweit es den Tatvorwurf 3. betreffe, sei es mit § 8 SG unvereinbar, dass ein Soldat Inhalte, die sich eindeutig gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung richteten, mit der Funktion "Teilen" kommentarlos verbreite. Zutreffend sei, dass dem Soldaten das undifferenzierte Befürworten des Facebook-Profils "Konservative Revolution" bzw. "Konservative Revolution II" vorgeworfen werde und es auf die konkreten Inhalte der Postings nicht ankomme. Beim Tatvorwurf 4. habe das Truppendienstgericht nicht beachtet, dass § 10 Abs. 6 SG die Mäßigungspflicht auch außerhalb des Dienstes statuiere und die Meinungsfreiheit dadurch eingeschränkt sei. Beim Anschuldigungspunkt 5. habe es übersehen, dass mit der Bezeichnung "Ministerin" eindeutig gewesen sei, um wen es sich handle. Beim Anschuldigungspunkt 7. habe das Truppendienstgericht eine Beweiswürdigung vorgenommen, die dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben müsse. Im Übrigen habe der Soldat besondere Aufmerksamkeit walten lassen müssen und sich vor dem Posten des Bildes des Buches über den Autor und dessen Hintergrund sowie noch erkennbare Symbole informieren müssen. Jedenfalls habe er den Anschein erweckt, sich nicht von nationalsozialistischen Symbolen zu distanzieren.

24 9. Der Soldat entgegnet im Wesentlichen, die Beschwerde sei unzulässig, jedenfalls unbegründet. Ermittlungsergebnisse und Tatsachen, die für ihn sprächen, seien ignoriert worden. Dazu gehöre etwa, dass er regelmäßig die höchste Sicherheitsstufe erhalten habe. Auch sei er kein Mitglied irgendeiner Partei, Gruppierung oder Organisation. Zudem bekenne er sich seit Jahrzehnten eindeutig in Wort und Schrift zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung. Die von ihm zum Nachweis dessen in das Disziplinarverfahren eingeführten Facebook-Beiträge würden ignoriert. Er stehe auch in keiner Beziehung zur Identitären Bewegung. Die dort öffentlich auftretenden Personen seien ihm unbekannt. Auch die Reichsbürgerszene sei ihm weder bekannt noch pflege er Kontakte zu ihr; deren Gedankengut lehne er ab. Im Wesentlichen würden Äußerungen beanstandet, die durch sein Grundrecht auf Meinungsfreiheit geschützt seien. Die Wehrdisziplinaranwaltschaft verkenne Kritik an der Regierung einerseits und Agieren gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung andererseits. Seit 2015 sei er nicht einmal mehr passiv in der Gruppe "Ernst von Salomon". 2019 sei er auf den Hinweis des BAMAD ohne Zögern ausgetreten. Die Ziele der Organisation Consul habe er sich nie zu eigen gemacht. Es sei ihm beim Aufrufen dieser Seite nur um englische Texte zum Thema Sturmtruppen "1. Weltkrieg/Freikorpsverbände" für Hausarbeiten und Vorträge gegangen. Die Ausführungen zur angeblichen Verbreitung der Swastika seien nicht nachvollziehbar. Dieses Symbol sei als Wasserzeichen auf einem antiquarischen Buch über Carl von Clausewitz nicht zu erkennen gewesen; deshalb habe die Staatsanwaltschaft das strafrechtliche Verfahren eingestellt. Der Vorwurf sei auch abwegig, weil dies nicht mit den von ihm vorgelegten Facebook-Beiträgen über bedeutende Widerstandskämpfer in Einklang zu bringen sei.

25 10. Das Truppendienstgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vorgelegt.

II

26 1. Die Beschwerde ist nach § 114 WDO zulässig.

27 a) Die Beschwerde der Wehrdisziplinaranwaltschaft ist zulässig, insbesondere statthaft.

28 Nach § 114 Abs. 1 Satz 1 WDO ist gegen Beschlüsse des Truppendienstgerichts und gegen gerichtliche Verfügungen die Beschwerde zum Bundesverwaltungsgericht möglich, soweit das Gesetz nicht ausdrücklich etwas anderes bestimmt. Ein solcher Ausschluss folgt nicht aus § 126 Abs. 5 Satz 3 WDO, der einen Rechtsbehelf nur für den Soldaten eröffnet. Dass nur der Soldat gegen die ihn belastenden Anordnungen bei Gericht einstweiligen Rechtsschutz beantragen kann, bedeutet ähnlich wie bei § 80 Abs. 5 VwGO nicht, dass auch nur ihm ein Beschwerderecht gegen die gerichtliche Entscheidung zusteht. Denn je nach Ausgang des truppendienstgerichtlichen Verfahrens können entweder der Soldat oder die Einleitungsbehörde beschwert sein, sodass aus Gründen der Waffengleichheit beiden Seiten ein Beschwerderecht zustehen muss. Die Möglichkeit der Beschwerde ist dann auch der Wehrdisziplinaranwaltschaft als Vertreterin der Einleitungsbehörde (§ 81 Abs. 2 Satz 1 WDO analog) eröffnet (BVerwG, Beschlüsse vom 9. Oktober 2019 - 2 WDB 3.19 - Buchholz 450.2 § 126 WDO 2002 Nr. 8 Rn. 9 sowie vom 25. Januar 2023 - 2 WDB 14.22 - Rn. 13 m. w. N.).

29 b) Der Beschwerde fehlt es auch nicht am Rechtsschutzbedürfnis, weil der Soldat zum 1. April 2023 in den Ruhestand tritt und die Nebenentscheidungen dann gemäß § 126 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 1 WDO zwingend aufzuheben sind. Denn die Aufhebung wird erst zum Eintritt des Soldaten in den Ruhestand und nicht rückwirkend erfolgen.

30 Der Bund kann auch im Hinblick auf eine in Bälde zu prüfende Ruhegehaltskürzung nach § 126 Abs. 3 WDO ein Interesse an der Klärung der Rechtsfragen haben. Auf eine Beschwer kommt es bei Rechtsmitteln der Wehrdisziplinaranwaltschaft nicht an, weil deren Rechtsmittel ohnedies nach § 91 Abs. 1 Satz 1 WDO i. V. m. § 296 Abs. 2 StPO zu Gunsten wie zu Lasten des angeschuldigten Soldaten eingelegt werden können und eine Abänderung in beide Richtungen zulassen.

31 2. Die Beschwerde ist teilweise begründet. Das Truppendienstgericht hat dem Antrag des Soldaten auf Aufhebung der vorläufigen Dienstenthebung und des Uniformtrageverbots zu Unrecht stattgegeben. Im Übrigen ist die Beschwerde unbegründet.

32 a) Das Verfahren gemäß § 126 Abs. 5 Satz 3 i. V. m. § 114 Abs. 3 Satz 2 WDO ist durch eine nur summarisch mögliche Prüfung der aktuellen Sach- und Rechtslage charakterisiert (BVerwG, Beschluss vom 16. Dezember 2020 - 2 WDB 9.20 - Buchholz 450.2 § 126 WDO 2002 Nr. 13 Rn. 11). Insbesondere die Richtigkeit der gegen den Soldaten erhobenen disziplinarischen Anschuldigung wird in dem noch vor dem Truppendienstgericht anhängigen disziplinargerichtlichen Hauptsacheverfahren eingehend geprüft und dort abschließend geklärt (vgl. BVerwG, Beschluss vom 16. September 2021 - 2 WDB 3.21 - Buchholz 450.2 § 126 WDO 2002 Nr. 17 Rn. 7).

33 b) Angesichts dieses Prüfungsmaßstabs geht der Senat davon aus, dass der Beschwerdegegner noch über den Soldatenstatus verfügt und ihn nicht bereits durch den Entlassungsbescheid vom 29. April 2020 verloren hat, womit die gegen ihn im Oktober 2020 ausgesprochenen Nebenentscheidungen ins Leere liefen, weil er dann bereits zu diesem Zeitpunkt gemäß § 49 Abs. 2 SG sowohl seinen Dienstgrad als auch nach § 49 Abs. 3 SG seinen Anspruch auf Dienstbezüge (und Versorgung) verloren hätte. Denn nach dem zwar noch nicht rechtskräftigen, jedoch auf einer umfassenden Sachaufklärung - insbesondere einer Beweiserhebung - beruhenden Urteil des Verwaltungsgerichts ist die Entlassung rechtswidrig. Sollte das Urteil des Verwaltungsgerichts durch den Verwaltungsgerichtshof zugunsten des Bundes geändert werden, läge ein neuer Umstand vor, der dem vorliegenden Beschluss seine Bindungswirkung nähme.

34 c) Die zur Anordnung der vorläufigen Dienstenthebung und zum Uniformtrageverbot ergangene Entscheidung des Truppendienstgerichts hält einer rechtlichen Überprüfung schon deshalb nicht stand, weil sie für den diesbezüglichen Antrag des Soldaten ein Rechtsschutzbedürfnis bejaht hat. Daran fehlt es jedoch, weil dieser nach eigenen, durch die vorliegenden ärztlichen Befunde auch glaubhaften Angaben bereits seinerzeit auf unabsehbare Zeit dienstunfähig war, was durch dessen nun anstehende Versetzung in den vorzeitigen Ruhestand unterstrichen wird. Weder die vorläufige Dienstenthebung noch das Uniformtrageverbot berührten ihn damit faktisch nachteilig.

35 d) Soweit es die Einbehaltung der Dienstbezüge betrifft, hat die Entscheidung des Truppendienstgerichts jedoch Bestand, weil bei der nur summarisch gebotenen Prüfung der aktuellen Sach- und Rechtslage (BVerwG, Beschluss vom 16. Dezember 2020 - 2 WDB 9.20 - Buchholz 450.2 § 126 WDO 2002 Nr. 13 Rn. 11) nicht hinreichend sicher feststeht, dass der Soldat Pflichtverletzungen begangen hat, die mit der Höchstmaßnahme zu ahnden wären.

36 aa) Zwar begegnet die Einbehaltungsanordnung in formeller Hinsicht keinen Bedenken. Sie beruht auf der gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage des § 126 Abs. 2 Satz 1 WDO und wurde in der Nebenentscheidungsanordnung unter Berücksichtigung der ergänzenden Erwägungen der Einleitungsbehörde im Bescheid vom 13. November 2020 und der sie gemäß § 81 Abs. 2 Satz 1 WDO analog im Beschwerdeverfahren vertretenden Wehrdisziplinaranwaltschaft in der Beschwerdebegründung ausreichend begründet (vgl. §§ 39, 45 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 VwVfG). Dass die Nebenentscheidungen nicht zugleich mit der Einleitungsverfügung getroffen wurden, begegnet keinen Bedenken, weil § 126 Abs. 1 WDO ihren Erlass auch nach Ergehen der Einleitungsverfügung gestattet.

37 bb) Jedoch setzt eine Einbehaltungsanordnung nach § 126 Abs. 2 Satz 1 WDO in materieller Hinsicht voraus, dass im gerichtlichen Disziplinarverfahren voraussichtlich auf die Höchstmaßnahme erkannt werden wird (vgl. BVerwG, Beschluss vom 16. Dezember 2020 - 2 WDB 9.20 - Buchholz 450.2 § 126 WDO 2002 Nr. 13 Rn. 17).

38 aaa) Der Senat neigt wie das Truppendienstgericht zur Annahme, dass der Soldat durch das in Anschuldigungspunkt 1. und 6. beschriebene Verhalten jedenfalls gegen die auch außerhalb des Dienstes bestehende Mäßigungspflicht verstoßen hat. Diese Pflichtverletzungen können für sich genommen die Höchstmaßnahme indes nicht rechtfertigen. Ebenso neigt er dazu, dass der Soldat durch seine mit den in Anschuldigungspunkt 4. und 5. beschriebenen Äußerungen sich wohl noch im Rahmen der Meinungsfreiheit bewegt hat (vgl. BVerwG, Urteile vom 22. Oktober 2008 - 2 WD 1.08 - BVerwGE 132, 179 Rn. 33 ff., vom 18. Juni 2020 - 2 WD 17.19 - BVerwGE 168, 323 Rn. 25 ff. und vom 1. Juli 2020 - 2 WD 15.19 - BVerwGE 169, 66 Rn. 23).

39 bbb) Im Übrigen teilt er zwar nicht die Rechtsauffassung des Truppendienstgerichts, dass sich aus den unter Punkt 2., 3. und 7. der Anschuldigungsschrift beschriebenen Internetaktivitäten des Soldaten voraussichtlich kein Dienstvergehen ergibt. Vielmehr ist bei der im Verfahren nach § 126 WDO nur möglichen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage nach dem gegenwärtigen Erkenntnisstand zu erwarten, dass diese Anschuldigungen zumindest teilweise im Hauptsacheverfahren nachgewiesen werden und als Verletzung der in § 8 SG verankerten Pflicht zu verfassungstreuem Verhalten bewertet werden müssen.

40 Die unabhängig vom Dienstgrad bestehende politische Treuepflicht eines Soldaten verlangt von diesem zwar - wie vom Soldaten zutreffend betont - nicht, sich mit den Zielen oder einer bestimmten Politik der jeweiligen Bundesregierung oder der im Bundestag vertretenen Parteien zu identifizieren und sie zu unterstützen, auch wenn ihn dies nicht - wie vom Soldaten augenscheinlich verkannt - vom Zurückhaltungsgebot nach § 10 Abs. 6 SG befreit (BVerwG, Urteil vom 1. Juli 2020 - 2 WD 15.19 - BVerwGE 169, 66 Rn. 22); sie verpflichtet ihn jedoch, die freiheitliche demokratische Grundordnung des Grundgesetzes zum einen anzuerkennen und zum anderen, für ihre Erhaltung einzutreten.

41 Der Begriff in § 8 SG ist identisch mit dem gleichlautenden Begriff, wie er bezogen auf Art. 21 Abs. 2 GG konturiert worden ist. Daraus folgt eine Konzentration auf wenige, zentrale Grundprinzipien, die für den freiheitlichen Verfassungsstaat schlechthin unentbehrlich sind. Ausgangspunkt für die Bestimmung des Begriffsinhalts ist danach die Würde des Menschen und das Demokratieprinzip, für das die Möglichkeit gleichberechtigter Teilnahme aller am politischen Willensbildungsprozess sowie die Rückbindung der Ausübung von Staatsgewalt an das Volk maßgeblich ist. Schließlich erfasst der Begriff den Grundsatz der Rechtsstaatlichkeit (vgl. BVerwG, Urteil vom 13. Januar 2022 - 2 WD 4.21 - Buchholz 450.2 § 77 WDO 2002 Nr. 1 Rn. 42 m. w. N.).

42 Ein Soldat muss diese zentralen Verfassungsprinzipien nach § 8 Alt. 1 SG anerkennen und durch sein gesamtes Verhalten für sie eintreten (§ 8 Alt. 2 SG). Die Verpflichtung zum Eintreten für die freiheitliche demokratische Grundordnung wird bereits verletzt, wenn ein Soldat sich nicht eindeutig von Bestrebungen distanziert, die diesen Staat und die geltende Verfassungsordnung angreifen, bekämpfen und diffamieren (vgl. BVerwG, Urteil vom 14. Januar 2021 - 2 WD 7.20 - Buchholz 450.2 § 38 WDO 2002 Nr. 89 Rn. 28). Ein Soldat darf daher auch nicht entgegen seiner inneren verfassungstreuen Gesinnung aus Solidarität zu Freunden, aus Übermut, aus Provokationsabsicht oder aus anderen Gründen nach außen hin verfassungsfeindliche Bestrebungen unterstützen und sich objektiv betrachtet illoyal verhalten (vgl. BVerwG, Urteile vom 18. Juni 2020 - 2 WD 17.19 - BVerwGE 168, 323 Rn. 39 und vom 13. Januar 2022 - 2 WD 4.21 - Buchholz 450.2 § 77 WDO 2002 Nr. 1 Rn. 44).

43 Allerdings ist für die hier angeordnete vorläufige Bezügekürzung maßgeblich, ob anhand des bisherigen Ermittlungsergebnisses unter Berücksichtigung der vorhandenen Beweismittel und von Rückschlüssen, die durch die allgemeine Lebenserfahrung gerechtfertigt sind, zumindest der hinreichend begründete Verdacht eines Dienstvergehens besteht, das zur Entfernung des Soldaten aus dem Dienstverhältnis führen wird (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 31. März 2020 - 2 WDB 2.20 - Buchholz 450.2 § 126 WDO 2002 Nr. 11 Rn. 33 und vom 28. Januar 2022 - 2 WDB 7.21 - NVwZ 2022, 794 Rn. 19). Es genügt daher nicht, wenn sich nach dem aktuellen Ermittlungsstand eine Verletzung der politischen Treuepflicht aus § 8 SG nicht ausschließen lässt. Vielmehr muss deren Verletzung bei summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage so schwerwiegend sein, dass die disziplinarrechtliche Höchstmaßnahme hinreichend wahrscheinlich zu erwarten ist. Dafür genügen Verhaltensweisen, die den irrigen Eindruck einer hohen Identifikation mit dem Nationalsozialismus, der Reichsbürgerbewegung oder anderen verfassungsfeindlichen Gruppierungen vermitteln, im Regelfall nicht. Vielmehr muss das Verhalten Ausdruck einer tatsächlich nationalsozialistischen oder ansonsten verfassungsfeindlichen Gesinnung sein. Nur in diesem Fall bildet die Entfernung aus dem Dienst den Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen (vgl. BVerwG, Urteile vom 18. Juni 2020 - 2 WD 17.19 - BVerwGE 168, 323 Rn. 44 ff. und vom 12. Mai 2022 - 2 WD 10.21 - NVwZ 2023, 91 Rn. 44). Nach dem gegenwärtigen Stand der Ermittlungen steht aber jedenfalls nicht zu erwarten, dass dem Soldaten bei den Anschuldigungspunkten 2., 3. und 7. ein Handeln aus verfassungsfeindlicher Gesinnung nachgewiesen werden kann.

44 ccc) Die Verhaltensweisen sind bei objektiver Betrachtung geeignet, den berechtigten Eindruck einer mit den Grundsätzen der freiheitlichen demokratischen Grundordnung unvereinbaren Einstellung des Soldaten - jedenfalls in den Jahren 2015 bis 2019 - zu vermitteln.

45 (1) Dies erscheint lediglich bei Anschuldigungspunkt 7. zweifelhaft. Zwar wäre das Verbreiten eines Swastika-Kreuzes, d. h. eines abgerundeten Hakenkreuzes, in einem allgemein einsehbaren Internetauftritt wohl als öffentliches Verwenden eines nationalsozialistischen Kennzeichens nach § 86a Abs. 1 Nr. 1 StGB strafbar (vgl. LG Dresden, Beschluss vom 27. Mai 2008 - 3 Qs 17/08 - juris Rn. 16). Wie das Truppendienstgericht zutreffend ausgeführt hat, ist das Swastika-Kreuz von der NS-Frauenschaft verwendet worden und aufgrund seiner Ähnlichkeit mit dem Hakenkreuz ein nationalsozialistisch konnotiertes Symbol. Die Verwendung dieses NS-Kennzeichens dürfte disziplinarrechtlich selbst im Falle eines nicht öffentlichen "Postings" grundsätzlich als objektive Verletzung der politischen Treuepflicht zu werten sein. Allerdings hat die Staatsanwaltschaft bei der Einstellung des Strafverfahrens nach § 170 Abs. 2 StPO ausgeführt, dass dieses Symbol auf dem vom Soldaten geposteten Bild selbst bei einer digitalen Vergrößerung nur mit großer Mühe und nur im Vergleich mit einer Aufnahme des Originalbuches erkennbar sei. Ist das Symbol aber für normale Internetnutzer nicht erkennbar, fehlt es am Tatbestand des Verwendens eines nationalsozialistischen Kennzeichens. Dementsprechend steht auch im disziplinarrechtlichen Verfahren aller Voraussicht nach nicht zu erwarten, dass der erforderliche Tatsachenbeweis für den Vorwurf objektiv verfassungsilloyalen Verhaltens geführt werden kann.

46 (2) Hingegen spricht nach dem gegenwärtigen Stand der Ermittlungen Überwiegendes dafür, dass der Soldat durch das unter Punkt 3. angeschuldigte Teilen und Liken von Beiträgen der Gruppierung "Konservative Revolution" bzw. "Konservative Revolution II" objektiv den Anschein erweckt hat, mit einer verfassungsfeindlichen Gruppierung zu sympathisieren. Nach Einschätzung des Bundesamts für Verfassungsschutz wird die Plattform "Konservative Revolution" von einer rechtsextremen Gruppierung betrieben, die sich in bewusster Anknüpfung an die gleichnamige Vereinigung der Weimarer Republik für die Beseitigung oder zumindest Beeinträchtigung des demokratischen Rechtsstaats einsetzt. Durch das Verbreiten oder Liken von Bildern, auf denen der Schriftzug und das Logo der Gruppierung deutlich zu sehen sind, hat der Soldat voraussichtlich bei Außenstehenden den Eindruck erweckt, mit dieser Bewegung zu sympathisieren, auch wenn der sonstige Aussagegehalt der verbreiteten Zitate, Bilder und Kommentare keinen spezifisch verfassungsfeindlichen Inhalt haben dürfte.

47 Soweit das Truppendienstgericht ausführt, dem Teilen dieser Posts komme keine über die bloße Verbreitung der Zitate und Bilder hinausgehende Bedeutung zu, überzeugt dies nicht. Es ist zwar grundsätzlich eine Frage des Einzelfalls, ob sich eine Person mit der Verbreitung einer fremden Äußerung deren Aussage zu eigen macht. Bei einer solchen Schlussfolgerung ist auch vor dem Hintergrund der von Art. 5 Abs. 1 GG geschützten Meinungsfreiheit Zurückhaltung geboten (BGH, Urteil vom 17. Dezember 2013 - VI ZR 211/12 - BGHZ 199, 237 Rn. 19). Im vorliegenden Fall erweckt jedoch gerade das wiederholte Weitergeben und Befürworten von Bildern mit dem auffällig zentrierten Schriftzug und Logo einer verfassungsfeindlichen Gruppierung bei Außenstehenden objektiv den Eindruck, dass der Soldat mit dieser Gruppierung sympathisiert und sie hoffähig machen will, zumal distanzierende Bemerkungen zu dieser Gruppierung durchgehend fehlen. Mit der in § 8 Alt. 2 SG enthaltenen Verpflichtung des Soldaten, durch sein gesamtes Verhalten für die Einhaltung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung einzutreten, sind aber auch unterschwellige Werbemaßnahmen für verfassungsfeindliche Gruppierungen objektiv nicht vereinbar.

48 Damit unvereinbar ist die unter Punkt 2. angeschuldigte, jahrelange und öffentliche Mitgliedschaft in einer Facebook-Gruppe, die unter dem Namen "Ernst von Salomon" firmiert. Durch den Beitritt zu dieser Gruppe bringen Mitglieder typischerweise ihre Identifizierung mit dem Gedankengut des Namensträgers zum Ausdruck, der Repräsentant von Bestrebungen war, die erste deutsche Demokratie ("Weimarer Republik") zu beseitigen und eine Militärdiktatur zu implementieren. Der Namensträger wurde zudem wegen Beihilfe am Mord des Reichsaußenministers Walther Rathenau verurteilt. Bestrebungen und Verhaltensweisen dieser Art stellen sowohl das Demokratie- als auch das Rechtsstaatsprinzip, welches insbesondere die Anerkennung des Gewaltmonopols des Staates einschließt (BVerfG, Urteil vom 17. Januar 2017 - 2 BvB 1/13 - BVerfGE 144, 20 - Rn. 542, 547), infrage. Soweit das Truppendienstgericht ausführt, die mehrjährige, rein passive Mitgliedschaft des Soldaten in der Facebook-Gruppe schließe eine kritische Distanz des Soldaten nicht aus, übersieht es einen wesentlichen Punkt: Der Soldat ist über dreieinhalb Jahre ein öffentlich einsehbares Mitglied der Gruppe "Ernst von Salomon" gewesen und hat damit für Außenstehende durch das Einstellen seines Namens und seines Bildes objektiv den Eindruck einer Solidarisierung mit dieser Vereinigung erweckt. Im Übrigen finden sich keine kritischen Äußerungen des Soldaten im Zusammenhang mit seiner Facebook-Gruppenzugehörigkeit, obwohl er ihr Jahre angehörte; er selbst hat sie auch nicht behauptet. Angesichts dessen kann dahingestellt bleiben, inwieweit die Einlassung des Soldaten glaubhaft ist, er habe lediglich im Zuge der Erstellung seiner Studienarbeit Literaturrecherchen zu militärhistorischen und literarischen Themen unter anderem zu den Freikorps zu Zeiten der Weimarer Republik durchgeführt, denn auch dies würde am objektiven Eindruck nichts ändern.

49 ddd) Auch wenn bei summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage im Hauptsacheverfahren voraussichtlich eine Verletzung der in § 8 Alt. 2 SG verankerten Eintretenspflicht festgestellt wird, ist beim gegenwärtigen Stand der Ermittlungen nicht hinreichend wahrscheinlich, dass der Soldat auch seine Pflicht aus § 8 Alt. 1 SG, die freiheitliche demokratische Grundordnung anzuerkennen, verletzt hat. Allein dies würde - wie ausgeführt - regelmäßig die Höchstmaßnahme nach sich ziehen und eine vorläufige Gehaltskürzung rechtfertigen (vgl. BVerwG, Urteile vom 18. Juni 2020 - 2 WD 17.19 - BVerwGE 168, 323 Rn. 44 f. und vom 1. Dezember 2022 - 2 WD 1.22 - juris Rn. 38). Gegenwärtig kann bei Auswertung des Akteninhalts zwar festgestellt werden, dass einige Indizien für eine verfassungswidrige Gesinnung des Soldaten sprechen (1). Andere Indizien lassen jedoch auf eine noch verfassungstreue Grundeinstellung schließen (2). Seine Äußerungen erscheinen hochgradig ambivalent (3). Gegenwärtig kann damit nicht ausgeschlossen werden, dass der Soldat bei dem angeschuldigten Teilen von Posts mit dem Schriftzug und Logo der "Konservativen Revolution" und beim Eintritt in die Facebook-Gruppe "Ernst von Salomon" aus Provokationslust gehandelt hat.

50 (1) Der Anschein einer verfassungswidrigen Gesinnung verstärkt sich bei Durchsicht der sonstigen aktenkundigen und unstreitigen Chat-Äußerungen des Soldaten auf Facebook. So hat der Soldat in einem Post vom 8. Juli 2015 ausgeführt, er wolle "Griechenland Basher, devote antideutsche US Transatlantiker und spätkapitalistische Neoliberale, Bonner Republik Rentner und Schwuchtel Lobbyisten" in einem gelben Sack entsorgen, um in seinem virtuellen/realen Kühlschrank Platz zu machen. Zudem hat er am 19. April 2018 ein Meme, welches Adolf Kitzler heißt und in dem eine Katze mit Oberlippenbart dargestellt ist, mit dem Zusatz kommentiert "ich mag doch Katzen". In einem Post vom 2. Juli 2017 heißt es zudem unter anderem: "Das Bewusstsein der eigenen individuellen Position muss sich der Verantwortung vor den übergeordneten Begriffen von Familie, Volk und Nation unterordnen ...". Diese Äußerung würde objektiv die Menschenwürdegarantie massiv infrage stellen, wenn mit ihr die Vorstellung einer unbedingten Unterordnung einer Person unter ein Kollektiv zum Ausdruck gebracht wird (BVerfG, Urteil vom 17. Januar 2017 - 2 BvB 1/13 - BVerfGE 144, 20 - Rn. 540). Darüber hinaus hat der Soldat unter dem 6. Januar 2016 gepostet, "Sollte die Politik weiterhin versagen, ideologisch relativieren und die Bevölkerung nicht schützen können oder wollen, ist privater Selbstschutz und ziviler Ungehorsam im Rahmen von Notwehr und Nothilfe der nächste Schritt. Wenn meiner Familie oder meinen Freunden so etwas passiert und es erfolgt keine rechtsstaatliche Reaktion, bin ich die Reaktion." Dies stellt wiederum das staatliche Gewaltmonopol als Bestandteil des Rechtsstaatsprinzips infrage (BVerfG, Urteil vom 17. Januar 2017 - 2 BvB 1/13 - BVerfGE 144, 20 - Rn. 547 sowie BVerwG, Urteil vom 28. September 2021 - 2 WD 11.21 - juris Rn. 34).

51 (2) Diese jedenfalls den Anschein einer verfassungswidrigen Gesinnung erweckenden Umstände begründen jedoch noch nicht die erforderliche Überzeugungsgewissheit des Senats, dass der Soldat sie auch tatsächlich hatte. Denn andere Äußerungen des Soldaten lassen auf eine verfassungstreue Gesinnung schließen. Dafür mögen die mit Schriftsatz vom 16. November 2020 vorgelegten Posts insbesondere vom 20. Juli 2020 ("Ich gedenke in Demut diesem Widerstandskreis des 20. Juli 1944"), 3. Oktober 2020 ("Eine Nation jedoch, die braune und rote totalitäre Ismen überwunden hat"), 9. Oktober 2019 ("Wer wahllos deutsche erschießt und jüdische Bürger töten wollte, stellt sich außerhalb jeglicher zivilisatorischen Grundlagen"), 11. Oktober 2020 ("Jegliche Art von Extremismus, egal ob links, rechts oder religiös steht für mich weit außerhalb meines persönlichen Wertekanons") und vom 16. Oktober 2020 ("das virtuelle liken von historischen Aufnahmen und oder Büchern aus anderen deutschen Epochen sind im wissenschaftlichen historischen, künstlerischen Kontext zu sehen das impliziert regelmäßig nicht, ein gestörtes Verhältnis zu unserer schützenswerten Heraldik und unserer schützenswerten Grundordnung") sprechen. Da sie nach der Aufnahme disziplinargerichtlicher Vorermittlungen im Januar 2019 getätigt wurden, kann nicht ausgeschlossen werden, dass der Soldat sich lediglich prozesstaktisch motiviert politisch gegenläufig geäußert hat.

52 (3) Die aktenkundigen Äußerungen des Soldaten sind damit von einer großen Ambivalenz geprägt. Sie lassen auch den Rückschluss zu, der Soldat habe jedenfalls gemeint, sich mit seinen Äußerungen noch auf der Ebene eines - wie auf Facebook am 8. Juli 2015 betont – "preußischen Erzkonservativen" oder eines - wie in der WhatsApp vom 31. Januar 2019 erklärt - zutiefst national konservativen Patrioten und nicht bereits eines Nationalsozialisten zu bewegen.

53 Denn selbst wenn seine nach Einleitung des Verfahrens geposteten Aussagen ausgeklammert werden, verbleiben vor Einleitung des disziplinargerichtlichen Verfahrens getätigte Äußerungen wie er distanziere sich von den Vollidioten "Reichsbürger" (vom 20. Oktober 2016) sowie der Ausspruch "Es lebe das heilige Deutschland!" (Post vom 19. Juli 2017), der sich auf den Widerstandskämpfer von Stauffenberg bezieht. Dem entspricht, dass der Soldat unter dem 28. Dezember 2017 ausgeführt hat, in seiner Bibliothek stünde ein Buch von Graf von Stauffenberg. Die Ambivalenz seiner Haltung wird freilich wiederum dadurch deutlich, dass er zugleich ein Buch von Otto Ernst Remer erwähnt, der an der Niederschlagung des Umsturzversuchs am 20. Juli 1944 beteiligt war. Der Ambivalenz entspricht weiterhin, dass der Soldat trotz seiner massiven Kritik an den aktuellen Zuständen den Tod des Kanzlers Kohl als Verlust eines großen Staatsmannes beklagte (Post vom 16. Juni 2017) und den des FDP-Vorsitzenden Westerwelle als Mensch bedauerte.

54 (4) Gegenwärtig kann der Senat nach Aktenlage und ohne einen persönlichen Eindruck von dem Soldaten nicht feststellen, dass sein Verhalten auf einer verfassungsfeindlichen Einstellung beruht. Hinzu tritt, dass weder der Disziplinarvorgesetzte noch sonstige Kameraden von extremistischen Äußerungen des Soldaten berichtet haben und nur einer festgestellt hat, der Soldat könne von seiner Persönlichkeit her schon mal über das Ziel hinausschießen. Ob das Changieren des Soldaten an den Grenzen zwischen noch erz- bzw. national-konservativer und bereits nationalsozialistischer Gesinnung mit einer psychischen Erkrankung in Zusammenhang steht, ist zudem angesichts der vorliegenden ärztlichen Befundberichte nicht von vornherein auszuschließen. Die insoweit bestehende Unklarheit ist nicht im vorliegenden Verfahren, sondern im seit fast zweieinhalb Jahren anhängigen Hauptsacheverfahren abschließend zu klären, wobei dessen augenscheinliche Überlänge die Rechtmäßigkeit der Einbehaltungsanordnung unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit zusätzlich infrage stellt (BVerwG, Beschluss vom 11. Februar 2021 - 2 WDB 10.20 - Buchholz 450.2 § 126 WDO 2002 Nr. 15 Rn. 22). Die belastenden Auswirkungen des Disziplinarverfahrens sind auch erkennbar, da das Bundeswehrkrankenhaus ... bereits unter dem 22. Januar 2021 erklärt hat, die laufenden disziplinarrechtlichen Verfahren würden zu einer nicht notwendigen Kränkung des Soldaten und zu einer Chronifizierung seines Leidens führen.

55 3. Einer Entscheidung über die Kosten des Verfahrens bedurfte es nicht. Diese werden von der zur Hauptsache ergehenden Kostenentscheidung des gerichtlichen Disziplinarverfahrens miterfasst (vgl. BVerwG, Beschluss vom 16. Dezember 2020 - 2 WDB 9.20 - juris Rn. 52 m. w. N.).

56 4. Mit der vorliegenden Entscheidung wird der Antrag, die Vollziehung des angefochtenen Beschlusses bis zur Entscheidung über die Beschwerde auszusetzen - 2 WD-VR 2.21 - gegenstandslos (BVerwG, Beschluss vom 31. März 2020 - 2 WDB 2.20 - NZWehrr 2021, 121 <127>).