Beschluss vom 29.12.2022 -
BVerwG 3 B 2.22ECLI:DE:BVerwG:2022:291222B3B2.22.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 29.12.2022 - 3 B 2.22 - [ECLI:DE:BVerwG:2022:291222B3B2.22.0]

Beschluss

BVerwG 3 B 2.22

  • VG Stuttgart - 13.02.2019 - AZ: 3 K 6076/18
  • VGH Mannheim - 22.06.2021 - AZ: 8 S 502/20

In der Verwaltungsstreitsache hat der 3. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 29. Dezember 2022
durch die Vorsitzende Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Philipp und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Liebler und Dr. Sinner
beschlossen:

  1. Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 22. Juni 2021 wird zurückgewiesen.
  2. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 5 000 € festgesetzt.

Gründe

1 Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers bleibt ohne Erfolg. Die Voraussetzungen eines der in § 132 Abs. 2 VwGO abschließend genannten Gründe für die Zulassung der Revision werden nicht in einer den Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO genügenden Weise dargetan bzw. liegen nicht vor.

2 Der Kläger begehrt die Feststellung seiner Zuverlässigkeit nach § 7 Abs. 1 des Luftsicherheitsgesetzes (LuftSiG). Er hatte im Juli 2018 über seinen Arbeitgeber die Durchführung einer Zuverlässigkeitsüberprüfung beantragt. Mit Bescheid vom 3. Mai 2018 lehnte das Regierungspräsidium Stuttgart die Feststellung der Zuverlässigkeit des Klägers ab. Da er dem Phänomenbereich "Reichsbürger" zuzuordnen sei und die Verdachtsmomente nicht habe entkräften können, seien die Voraussetzungen des § 7 Abs. 1a Satz 2 Nr. 3 LuftSiG erfüllt. Diesen Bescheid hat das Verwaltungsgericht Stuttgart aufgehoben und den Beklagten unter Abweisung der Klage im Übrigen verpflichtet, über den Antrag des Klägers erneut zu entscheiden. Der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg hat diese Entscheidung auf die Berufung des Beklagten geändert und die Klage auch im Übrigen abgewiesen. Zur Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt: Die fehlende Zuverlässigkeit des Klägers ergebe sich entgegen der Annahme des Beklagten nicht schon daraus, dass gemäß § 7 Abs. 1a Satz 2 Nr. 3 LuftSiG tatsächliche Anhaltspunkte dafür bestünden, dass er Bestrebungen nach § 3 des Bundesverfassungsschutzgesetzes verfolge oder unterstütze oder in den letzten zehn Jahren verfolgt oder unterstützt habe. Solche tatsächlichen Anhaltspunkte ließen sich beim Kläger nicht feststellen. Doch lägen sonstige Erkenntnisse vor, die im Wege der Gesamtwürdigung Zweifel an dessen Zuverlässigkeit ergeben hätten (§ 7 Abs. 1a Satz 3 LuftSiG). Zwar habe der Kläger nicht ausdrücklich die Existenz und die Legitimation der Bundesrepublik Deutschland und die Verbindlichkeit ihrer Rechtsordnung in Frage gestellt. Er habe aber dadurch, dass er wiederholt erklärt habe, Staatsangehöriger des Königreichs Bayern zu sein, hinreichend Anlass zu der Befürchtung gegeben, dass er die Existenz der Bundesrepublik Deutschland in Abrede stelle. Somit könne nicht zweifelsfrei angenommen werden, dass der Kläger die bundesdeutsche Rechtsordnung und damit auch die Vorschriften, die die Sicherheit des Luftverkehrs gewährleisteten, strikt befolgen werde. Eine plausible Erklärung für das Verhalten des Klägers könne der Senat anders als das Verwaltungsgericht nicht erkennen. Es erschließe sich schon nicht, warum das Bedürfnis für einen Staatsangehörigkeitsausweis bestanden haben solle. Vor allem aber sei unplausibel, warum es in einem 2016 gestellten Antrag des 1972 geborenen Klägers auf die Verhältnisse im Jahr 1913 ankommen solle. Dass der Kläger nach eigenen Angaben Steuern zahle, einen Reisepass habe und Mitglied der freiwilligen Feuerwehr sei, könne die Zweifel an seiner Zuverlässigkeit nicht ausräumen. Dafür genüge nicht, dass er andere für "Reichsbürger" charakteristische Verhaltensweisen nicht gezeigt habe.

3 Der Kläger wendet sich mit seiner Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil.

4 1. Der Beschwerdebegründung kann nicht entnommen werden, dass der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zukommt.

5 Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung im Sinne dieser Vorschrift, wenn sie eine für die Revisionsentscheidung erhebliche Frage des revisiblen Rechts aufwirft, die im Interesse der Einheit oder der Fortbildung des Rechts revisionsgerichtlicher Klärung bedarf. Das ist in einer den Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO genügenden Weise darzulegen und setzt die Formulierung einer bestimmten, jedoch fallübergreifenden Rechtsfrage des revisiblen Rechts voraus, deren noch ausstehende höchstrichterliche Klärung im Revisionsverfahren zu erwarten ist und zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder zu einer bedeutsamen Weiterentwicklung des Rechts geboten erscheint (stRspr, vgl. u. a. BVerwG, Beschlüsse vom 29. August 2018 - 3 B 24.18 - VRS 134, 157 <159> und vom 15. Oktober 2021 - 3 B 22.21 - juris Rn. 6 m. w. N.). Diesen Anforderungen wird die Nichtzulassungsbeschwerde nicht gerecht.

6 Der Verwaltungsgerichtshof hat die Änderung des erstinstanzlichen Urteils und die vollständige Abweisung der Klage auf § 7 Abs. 1a Satz 3 LuftSiG gestützt. In Bezug auf den Kläger hätten sonstige Erkenntnisse vorgelegen, aus denen sich im Wege einer Gesamtwürdigung Zweifel an dessen Zuverlässigkeit ergeben hätten (UA S. 15 ff.). In Bezug auf die diese Bewertung tragenden Annahmen des Verwaltungsgerichtshofs formuliert der Kläger weder ausdrücklich eine entscheidungserhebliche und revisionsgerichtlich grundsätzlich klärungsbedürftige Frage noch ist seinen Ausführungen eine solche Fragestellung zumindest sinngemäß zu entnehmen. Dabei sind nach Ablauf der zweimonatigen Beschwerdebegründungsfrist des § 133 Abs. 3 Satz 1 VwGO erstmalig geltend gemachte Zulassungsgründe nicht berücksichtigungsfähig; lediglich bloße Erläuterungen zu fristgerecht dargelegten Zulassungsgründen können auch nach Fristablauf angebracht werden.

7 Soweit die fristgerecht eingegangene Beschwerdebegründung vom 13. Januar 2022 über mehrere Seiten hinweg Fundamentalkritik an der Handhabung des Staatsangehörigkeitsrechts in der Bundesrepublik Deutschland übt und den Vorwurf gegen das Berufungsgericht erhebt, dass die "Art und Weise der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs in dieser Angelegenheit Willkür und nationalsozialistische ergebnisorientierte Rechtsprechung zementiere", wird sie den Erfordernissen für die Darlegung einer grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO bereits im Ansatz nicht gerecht.

8 Soweit der Kläger geltend macht, es sei von grundsätzlicher Bedeutung, ob die Verwaltung nicht als unabhängige neutrale Institution aufzufassen sei, die unter Wahrung des Neutralitätsgebots ihre Entscheidungen rein auf sachlicher Natur treffe und sich nicht von den politischen Bestrebungen der jeweiligen Zeit vereinnahmen lasse, verwendet er zwar den Begriff der grundsätzlichen Bedeutung. Ebenso liegt es in Bezug auf seinen Vortrag, es sei von grundsätzlicher Bedeutung auch für die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, dass klargestellt werde, dass politische Ansichten und ideologische Bestrebungen der den Staat beherrschenden Parteien in der Verwaltung nichts zu suchen hätten. Bei beiden Fragen stellt der Kläger nicht - wie von § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO geboten - den Bezug zu der vom Verwaltungsgerichtshof entscheidungstragend herangezogenen Regelung des § 7 Abs. 1a Satz 3 LuftSiG und deren Auslegung und Anwendung durch das Berufungsgericht her. Eine entscheidungserhebliche und klärungsbedürftige Frage des revisiblen Rechts ergibt sich aus diesem Vorbringen nicht.

9 Soweit der Kläger im Schriftsatz vom 16. März 2022 zusätzliche Fragen benennt, denen nach seiner Auffassung grundsätzliche Bedeutung zukommen soll, ist dieses Vorbringen verfristet. Die zweimonatige Begründungsfrist des § 133 Abs. 1 Satz 1 VwGO endete am 24. Januar 2022; der Schriftsatz des Klägers vom 16. März 2022 ist erst nach Ablauf dieser Frist eingegangen. Soweit es sich in Teilen um ergänzenden und damit im Grundsatz berücksichtigungsfähigen Vortrag handelt, wird auch hier nicht der erforderliche Bezug zur streitentscheidenden Norm und den Erwägungen des Berufungsgerichts hergestellt, die dessen Entscheidung tragen. Auch das kann also nicht zur Bejahung der Zulassungsvoraussetzungen von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO führen.

10 Die Rüge, das Urteil benenne in Bezug auf den Kläger keine triftigen Gründe, die den Vorwurf der Unzuverlässigkeit auch nur ansatzweise rechtfertigen könnten und sei deshalb eine Willkürentscheidung, führt ebenfalls nicht auf eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache. Abgesehen davon, dass nicht erkennbar ist, dass dieser Vorwurf in der Sache berechtigt sein könnte, bezieht sich der Vortrag allein auf den vorliegenden Einzelfall. Der Kläger arbeitet keine über den Einzelfall hinausreichende klärungsbedürftige und zugleich entscheidungserhebliche Frage konkret heraus, wie es die Anwendung von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO voraussetzt.

11 Gleiches gilt für den in der Beschwerdebegründung vom 13. Januar 2022 mehrfach, aber ohne Anknüpfung an einen der Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 VwGO vorgetragenen Einwand, die Tätigkeit des Klägers bei der Feuerwehr sei bei der Beurteilung seiner Zuverlässigkeit unbeachtet geblieben. Auch diese Rüge ist einzelfallbezogen. Sie trifft außerdem nicht zu. Der Verwaltungsgerichtshof hat diese Tätigkeit, wie den schriftlichen Urteilsgründen an mehreren Stellen zu entnehmen ist (vgl. UA S. 3 f. und 17), zur Kenntnis genommen. Das Gericht hat diesem Umstand lediglich nicht die Bedeutung zuerkannt, die der Kläger ihm beimisst.

12 2. Ebenso wenig rechtfertigt die Beschwerdebegründung die Zulassung der Revision wegen eines Verfahrensmangels (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).

13 Soweit mit der Rüge, bei der Beurteilung der Zuverlässigkeit des Klägers sei dessen Tätigkeit bei der Feuerwehr unberücksichtigt geblieben, ein Aufklärungsmangel im Sinne von § 86 VwGO und/oder ein Verstoß gegen § 108 Abs. 1 VwGO geltend gemacht werden soll, geht das schon deshalb fehl, weil - wie gezeigt - der Verwaltungsgerichtshof diesen Umstand berücksichtigt hat. Gleiches gilt, soweit im Schriftsatz vom 16. März 2022 und damit im Übrigen erst nach Ablauf der Beschwerdebegründungsfrist gerügt wird, es sei dadurch das rechtliche Gehör des Klägers verletzt worden.

14 Mit der Rüge, es hätten keinerlei Vorfälle herangezogen werden können, die auch nur ansatzweise ein Bestreben nachvollziehbar erscheinen ließen, Recht und Gesetz nicht Genüge zu tun, vielmehr sei der Kläger unbescholten und gesellschaftlich engagiert gewesen und habe über Jahre hinweg nicht nur in der Berufsfeuerwehr, sondern auch ansonsten dem Gemeinwohl zuträgliche Tätigkeiten entfaltet, wird kein Verfahrensfehler im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO, sondern ein dem materiellen Recht zuzuordnender Fehler bei der Bejahung der Voraussetzungen von § 7 Abs. 1a Satz 3 LuftSiG durch den Verwaltungsgerichtshof behauptet. Dass insoweit der Vorwurf der Willkür gerechtfertigt sein könnte, den der Kläger gegenüber dem Verwaltungsgerichtshof erhebt, ist in keiner Weise zu erkennen.

15 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO; die Festsetzung des Streitwertes beruht auf § 47 Abs. 1 und 3 i. V. m. § 52 Abs. 1 und 2 GKG.