Beschluss vom 30.03.2023 -
BVerwG 1 B 4.23ECLI:DE:BVerwG:2023:300323B1B4.23.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 30.03.2023 - 1 B 4.23 - [ECLI:DE:BVerwG:2023:300323B1B4.23.0]

Beschluss

BVerwG 1 B 4.23

  • VG Schwerin - 28.03.2017 - AZ: 16 A 1516/16 As SN
  • OVG Greifswald - 22.11.2022 - AZ: 4 LB 432/17

In der Verwaltungsstreitsache hat der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 30. März 2023
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Keller und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dollinger und Böhmann
beschlossen:

  1. Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 22. November 2022 wird zurückgewiesen.
  2. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe

1 Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Die Revision ist nicht wegen der allein geltend gemachten Divergenz gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO zuzulassen.

2 Eine Divergenz ist nur dann im Sinne des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO hinreichend bezeichnet, wenn die Beschwerde einen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden Rechtssatz benennt, mit dem die Vorinstanz einem in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts oder eines anderen in der Vorschrift genannten Gerichts aufgestellten ebensolchen Rechtssatz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift widersprochen hat. Die nach Auffassung des Beschwerdeführers divergierenden Rechtssätze müssen einander präzise gegenübergestellt werden. Die Behauptung einer fehlerhaften oder unterbliebenen Anwendung von Rechtssätzen, die eines der genannten divergenzfähigen Gerichte aufgestellt hat, genügt den Zulässigkeitsanforderungen einer Divergenzrüge dagegen nicht (stRspr, vgl. BVerwG, Beschluss vom 21. November 2017 - 1 B 148.17 , 1 PKH 93.17 - juris Rn. 16 m. w. N.).

3 Nach diesem Maßstab zeigt die Beschwerde nicht auf, dass die Berufungsentscheidung - wie behauptet - von dem noch nicht zugestellten und veröffentlichten Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 19. Januar 2023 - 1 C 1.22 - (Pressemitteilung Nr. 4/2023 vom 19.01 .2023) abweicht. Die Beschwerde führt aus, das Bundesverwaltungsgericht habe unter Bezugnahme auf die Urteile des EuGH vom 19. November 2020 - C-238/19 - und vom 19. Januar 2023 (richtig 12. Januar 2023) - C-280/21 - entschieden, es spreche eine starke Vermutung dafür, dass die Wehrdienstverweigerung durch die Behörden Syriens unabhängig von den viel komplexeren persönlichen Gründen eines Betroffenen als ein Akt politischer Opposition ausgelegt werde und die Militärdienstverweigerung mit den unionsrechtlich relevanten Verfolgungsgründen in Zusammenhang stehe. Diese Vermutung könne im Einzelfall widerlegt werden, da die Plausibilität der Zuschreibung der oppositionellen Haltung und der Verknüpfung unter dem Vorbehalt der tatsächlichen Prüfung durch Behörden und Gerichte in Anbetracht sämtlicher Umstände des Einzelfalls stehe.

4 Es kann dahinstehen, welche Anforderungen an die Begründung einer Nichtzulassungsbeschwerde hinsichtlich der Angabe eines divergenzfähigen Rechtssatzes in der Entscheidung, von der abgewichen worden sein soll, zu stellen sind, wenn diese Entscheidung dem Rechtsmittelführer noch nicht im Volltext zugänglich ist (vgl. etwa BVerfG, Beschluss vom 3. Oktober 1989 - 1 BvR 1245/88 - BVerfGE 81, 22 <27 f.>). Hier scheitert die Divergenzrüge jedenfalls daran, dass der Kläger einen zu dem vorstehend angeführten Rechtssatz in Widerspruch stehenden entscheidungstragenden Rechtssatz des Berufungsbeschlusses nicht benennt und ein solcher diesem Beschluss auch ersichtlich nicht zu entnehmen ist. Denn das Berufungsgericht hat seine die Versagung von Flüchtlingsschutz bestätigende Entscheidung allein tragend darauf gestützt, dass dem Kläger bei einer Rückkehr nach Syrien nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Verfolgungshandlungen i. S. v. § 3a AsylG seitens des syrischen Staates drohten. Ihm drohe insbesondere auch keine Strafverfolgung oder Bestrafung wegen Verweigerung des Militärdienstes in einem Konflikt, wenn der Militärdienst Verbrechen oder Handlungen umfassen würde, die unter die Ausschlussklauseln des § 3 Abs. 2 AsylG fallen (§ 3a Abs. 2 Nr. 5 AsylG). Zu der - auf dieser Grundlage nicht mehr entscheidungserheblichen - Frage, ob eine (gerade nicht festgestellte) drohende Verfolgungshandlung die erforderliche Verknüpfung (vgl. § 3a Abs. 3 AsylG) mit einem Verfolgungsgrund i. S. v. § 3b AsylG aufweisen würde, enthält der angegriffene Beschluss keinerlei Ausführungen. Nur hinsichtlich dieser Verknüpfung mit einem Verfolgungsgrund sind indessen der Gerichtshof der Europäischen Union und ihm folgend der Senat im Urteil vom 19. Januar 2023 - 1 C 1.22 - (Pressemitteilung Nr. 4/2023 vom 19.01 .2023) von einer "starken Vermutung" ausgegangen, die unter dem Vorbehalt der tatsächlichen Prüfung durch Behörden und Gerichte in Anbetracht sämtlicher Umstände des Einzelfalls steht.

5 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylG nicht erhoben. Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 RVG; Gründe für eine Abweichung gemäß § 30 Abs. 2 RVG liegen nicht vor.