Beschluss vom 30.11.2023 -
BVerwG 1 C 14.23ECLI:DE:BVerwG:2023:301123B1C14.23.0
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Zitiervorschlag
BVerwG, Beschluss vom 30.11.2023 - 1 C 14.23 - [ECLI:DE:BVerwG:2023:301123B1C14.23.0]
Beschluss
BVerwG 1 C 14.23
- VG Stuttgart - 18.02.2021 - AZ: 1 K 9602/18
- VGH Mannheim - 28.03.2022 - AZ: 1 S 1265/21
In der Verwaltungsstreitsache hat der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts am 30. November 2023 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Keller, den Richter am Bundesverwaltungsgericht Böhmann und die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Fenzl beschlossen:
- Die Anhörungsrüge des Klägers gegen das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 15. Juni 2023 - BVerwG 1 C 10.22 - wird zurückgewiesen.
- Der Kläger trägt die Kosten des Rügeverfahrens.
Gründe
1 Die Anhörungsrüge ist gemäß § 152a Abs. 2 VwGO zulässig, aber nicht begründet. Der Senat hat den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör in seinem Urteil vom 15. Juni 2023 - BVerwG 1 C 10.22 - nicht verletzt.
2 Die Verfahrensgarantie des rechtlichen Gehörs gemäß Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO, deren Verletzung nach § 152a VwGO gerügt werden kann, verpflichtet das Gericht, das Vorbringen jedes Verfahrensbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Das Gericht wird dadurch jedoch nicht verpflichtet, dem Vorbringen der Beteiligten zu folgen. Es muss in seiner Entscheidung auch nicht ausdrücklich und im Einzelnen sämtliche von den Beteiligten im Lauf des Verfahrens vorgetragenen Tatsachen und Rechtsansichten erörtern. Vielmehr sind in der Entscheidung nur diejenigen Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind. Das Gericht kann sich auf die Darstellung und Würdigung derjenigen rechtlichen Gesichtspunkte beschränken, auf die es nach seinem Rechtsstandpunkt entscheidungserheblich ankommt. Daher kann aus dem Umstand, dass das Gericht nicht auf sämtliche Begründungselemente des Beteiligtenvorbringens eingegangen ist, nur dann geschlossen werden, es habe diesen Aspekt nicht berücksichtigt, wenn er nach dem Rechtsstandpunkt des Gerichts eine Frage von zentraler Bedeutung betrifft (stRspr, vgl. BVerwG, Beschluss vom 5. Januar 2023 - 1 B 77.22 - juris Rn. 3 m. w. N.). Gemessen hieran zeigt der Kläger eine Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör nicht auf.
3 Der Kläger beanstandet, der Senat habe nicht zur Kenntnis genommen, dass das Berufungsgericht einzelne Modalitäten der angegriffenen Maßnahmen ausdrücklich offengelassen habe, und das Vorbringen in der Revisionsbegründung hierzu übergangen. Dies führt nicht auf eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör. Der Senat hat seiner Entscheidung den Rechtssatz zugrunde gelegt, dass sich eine Durchsuchung nicht in einem Betreten der Wohnung erschöpft, sondern als zweites Element die Vornahme von Handlungen in Gestalt einer Suche nach Personen oder die Ermittlung eines Sachverhalts erfordert (Rn. 17). Auf die vom Berufungsgericht offengelassene Frage, ob der Beamte des Polizeivollzugsdienstes "einen Schritt in das Zimmer" des Klägers getan und dabei das Licht oder seine Taschenlampe angeschaltet hat (UA S. 49, 52), kam es daher nicht an, da allenfalls ein kurzfristiges Betreten nebst einer Einsichtnahme, aber keine Suchhandlung erfolgte.
4 Der Senat hat auch nicht das Vorbringen des Klägers zu einer - fehlenden - Einwilligung beim gemeinsamen Betreten mit den Beamten des Polizeivollzugsdienstes übergangen. Das Berufungsgericht hat ein kooperatives Verhalten des Klägers zu diesem Zeitpunkt festgestellt (UA S. 51). Dass der Senat hieraus andere rechtliche Schlüsse gezogen hat als der Kläger, begründet keine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör.
5 Soweit der Kläger der Auffassung ist, der Senat habe sein Vorbringen zur fehlenden Gefahrenlage und zur Erforderlichkeit der Wohnungsbetretung unberücksichtigt gelassen, setzt er lediglich seine Würdigung des Sachverhalts an die Stelle derjenigen des Senats, zeigt aber keine Verletzung des Art. 103 Abs. 1 GG auf. Der Senat hat den bindenden (§ 137 Abs. 2 VwGO) tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts entnommen, dass die angegriffenen Maßnahmen des Polizeivollzugsdienstes angesichts der zeitlichen und räumlichen Vorgaben des italienischen Staates für eine Aufnahme des Klägers zweckmäßige und grundrechtsschonende Mittel der Gefahrenabwehr darstellten (Rn. 31), und ist damit der anderweitigen Auffassung der Revision nicht gefolgt.
6 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.