Verfahrensinformation

Die klagenden Umweltverbände wenden sich gegen die ergänzten Planfeststellungsbeschlüsse für den Fahrrinnenausbau von Unter- und Außenelbe. Mit Urteil vom 9. Februar 2017 hat das Bundesverwaltungsgericht festgestellt, dass die Planfeststellungsbeschlüsse in ihrer damaligen Fassung wegen Verstößen gegen das Habitatschutzrecht rechtswidrig und nicht vollziehbar sind. Die Verträglichkeitsprüfung für die nach der FFH-Richtlinie besonders geschützte und nur an der Elbe vorkommende Pflanzenart Schierlings-Wasserfenchel wurde den strengen Schutzanforderungen nicht in jeder Hinsicht gerecht. Teilweise zu beanstanden waren auch die Regelungen der Planfeststellungsbeschlüsse zur Kohärenzsicherung. Dies galt zum einen für die auf niedersächsischem Gebiet vorgesehenen Ausgleichsmaßnahmen und zum anderen für die durch einen gesonderten Planfestellungsbeschluss zugelassene Maßnahme „Spadenlander Busch/Kreetsand“. Zur Heilung dieser Mängel haben die zuständigen Behörden ein ergänzendes Verfahren durchgeführt und insbesondere einen neuen Standort für den Schierlings-Wasserfenchel im Gebiet der Billwerder Insel geplant. Die Kläger sind der Ansicht, dass die Planfeststellungsbeschlüsse auch in der Fassung der Planergänzungsbeschlüsse den rechtlichen Anforderungen nicht gerecht werden.


Pressemitteilung Nr. 27/2020 vom 04.06.2020

Klagen gegen die Elbvertiefung abgewiesen

Die Planfeststellungsbeschlüsse zur Fahrrinnenanpassung von Unter- und Außenelbe sind nach ihrer erneuten Änderung von Rechts wegen nicht mehr zu beanstanden. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden und die Klagen zweier Umweltverbände abgewiesen.


In einem vorherigen Klageverfahren gegen die Elbvertiefung hatte das Bundesverwaltungsgericht mit Urteil vom 9. Februar 2017 festgestellt, dass die Planfeststellungsbeschlüsse in ihrer damaligen Fassung wegen Mängeln der habitatrechtlichen Prüfung rechtswidrig und nicht vollziehbar waren. Im Übrigen hatte das Bundesverwaltungsgericht die Planungen nicht beanstandet. Die gerichtliche Überprüfung im jetzigen Klageverfahren hat ergeben, dass die bezeichneten Rechtsfehler mit den nach einem ergänzenden Verfahren erlassenen Planergänzungsbeschlüssen beseitigt worden sind. Das Ausmaß einer vorhabenbedingten Beeinträchtigung des besonders geschützten Schierlings-Wasserfenchels haben die Beklagten zutreffend bestimmt. Die neu planfestgestellte Maßnahme „Tideanschluss Billwerder Insel“, mit der neue Wuchsorte für den allein an der Tideelbe heimischen Schierlings-Wasserfenchel geschaffen werden sollen, ist geeignet, diese Beeinträchtigungen auszugleichen. Bei den auf niedersächsischem Gebiet vorgesehenen weiteren Kohärenzsicherungsmaßnahmen haben die Beklagten jetzt nachvollziehbar dargelegt, dass es sich dabei nicht um sogenannte Standardmaßnahmen des Gebietsmanagements handelt. Auch im Übrigen sind die Planergänzungsbeschlüsse nicht zu beanstanden. Insbesondere verstößt das geänderte Vorhaben nicht gegen das wasserrechtliche Verschlechterungsverbot.


BVerwG 7 A 1.18 - Urteil vom 04. Juni 2020


Urteil vom 04.06.2020 -
BVerwG 7 A 1.18ECLI:DE:BVerwG:2020:040620U7A1.18.0

Planergänzung zur Fahrrinnenanpassung von Unter- und Außenelbe

Leitsätze:

1. Werden durch eine Planergänzung Kohärenzsicherungsmaßnahmen im Sinne von § 34 Abs. 5 Satz 1 BNatSchG für ein Vorhaben ausgewechselt, das unbenannte Ausnahmegründe nach § 34 Abs. 4 Satz 2 BNatSchG in Anspruch nimmt, ist die Europäische Kommission nochmals zu beteiligen und deren Stellungnahme einzuholen.

2. Die Rechtskraft einer mit dem Feststellungsurteil nach § 75 Abs. 1a Satz 2 VwVfG verbundenen negativen Feststellung, dass der angefochtene Planfeststellungsbeschluss nicht an anderen als den im Urteil ausdrücklich benannten - heilbaren - Fehlern leidet, bezieht sich auf solche Teile des Planfeststellungsbeschlusses, die im Sinne einzelner Klagegründe einer gesonderten Entscheidung zugänglich sind. Die so bezeichneten abtrennbaren rechtlichen Anforderungen an die Zulassungsentscheidung betreffen in erster Linie die Bewertung der durch spezielle verfahrensrechtliche oder materiell-rechtliche Vorgaben geprägten Problemkreise und Sachbereiche aus dem oftmals umfangreichen Prüfprogramm, dem der Planfeststellungsbeschluss genügen muss. Darüber hinaus können nach den Umständen des Einzelfalles auch vom Gericht nicht beanstandete rechtliche Erwägungen und Begründungselemente, die der Überprüfung eines in den Urteilsgründen markierten Rechtsfehlers zuzuordnen sind, von der Rechtskraftwirkung erfasst sein.

3. Ob ein Vorhaben gegen das wasserrechtliche Verschlechterungsverbot verstößt, beurteilt sich nach dem allgemeinen ordnungsrechtlichen Maßstab der hinreichenden Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts (Bestätigung von BVerwG, Urteil vom 9. Februar 2017 - 7 A 2.15 - BVerwGE 158, 1 Rn. 480).

4. Eine Verschlechterung des chemischen Zustands eines Grundwasserkörpers liegt vor, sobald mindestens eine Umweltqualitätsnorm für einen Parameter vorhabenbedingt überschritten wird. Für Schadstoffe, die den maßgeblichen Schwellenwert bereits im Ist-Zustand überschreiten, stellt jede weitere Konzentrationserhöhung eine Verschlechterung dar (im Anschluss an EuGH, Urteil vom 28. Mai 2020 - C-535/18 [ECLI:EU:C:2020:391], Land NRW - Rn. 119).

5. Bei der Feststellung der Erhöhung der Konzentration von Schadstoffen in der Wasserphase kommt es auf deren Messbarkeit auf der Grundlage sachgerechter Analysemethoden an; eine nur rechnerisch ableitbare, gegebenenfalls minimale Erhöhung ist unbeachtlich.

  • Rechtsquellen
    BNatSchG § 34 Abs. 3, 4 und 5, § 44
    WHG § 27 Abs. 1 und 2, § 47 Abs. 1 Nr. 1
    VwVfG § 75 Abs. 1a Satz 2
    UmwRG § 6
    AEUV Art. 191 Abs. 2 Satz 2
    FFH-RL Art. 6 Abs. 3 und 4
    WRRL Art. 4 Abs. 1

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Urteil vom 04.06.2020 - 7 A 1.18 - [ECLI:DE:BVerwG:2020:040620U7A1.18.0]

Urteil

BVerwG 7 A 1.18

In der Verwaltungsstreitsache hat der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
auf die mündliche Verhandlung vom 29. Mai 2020
durch
den Vizepräsidenten des Bundesverwaltungsgerichts Prof. Dr. Korbmacher und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Brandt, Dr. Schemmer, Dr. Günther und Dr. Löffelbein
am 4. Juni 2020 für Recht erkannt:

  1. Die Klagen werden abgewiesen.
  2. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens je zur Hälfte.

Gründe

I

1 Die Kläger, zwei Umwelt- und Naturschutzvereinigungen, wenden sich gegen die (zuletzt) nach einem ergänzenden Verfahren geänderten Planfeststellungsbeschlüsse der Beklagten zur Fahrrinnenanpassung von Unter- und Außenelbe.

2 Mit Urteil vom 9. Februar 2017 - 7 A 2.15 - (BVerwGE 158, 1) hat das Bundesverwaltungsgericht auf die Klagen der Kläger die jeweils am 23. April 2012 erlassenen Planfeststellungsbeschlüsse der Beklagten zu 1 für die (Hamburger) Delegationsstrecke und der Beklagten zu 2 für die Bundesstrecke in der Fassung der bis zu diesem Zeitpunkt ergangenen Änderungen für rechtswidrig und nicht vollziehbar erklärt und die Klagen im Übrigen abgewiesen. Die festgestellten Mängel betrafen die habitatrechtliche Verträglichkeitsprüfung, nämlich die Verneinung der Beeinträchtigung des Schierlings-Wasserfenchels durch einen vorhabenbedingten Anstieg des Salzgehalts der Elbe im Bereich Elbe-km 660 bis 670, die Abgrenzung der Kohärenzsicherungsmaßnahmen von Standardmaßnahmen auf niedersächsischem Gebiet sowie den Kohärenzausgleich durch den Wegfall der nicht als Kohärenzsicherungsmaßnahme für den Schierlings-Wasserfenchel und den Lebensraumtyp (LRT) 1130 (Ästuarien) anerkannten Maßnahme "Spadenlander Busch/Kreetsand".

3 Im Anschluss an ein ergänzendes Verfahren erließen die Beklagten unter dem 23. August 2018 jeweils einen 3. Planergänzungsbeschluss. Darin wird zum einen die FFH-Verträglichkeit im beanstandeten Umfang einer nochmaligen Überprüfung unterzogen und als deren Ergebnis die Bewertung in den Planfeststellungsbeschlüssen (in Gestalt der vorherigen Änderungen) bestätigt. Zum anderen wird mit dem Tideanschluss "Billwerder Insel" eine neue Kohärenzsicherungsmaßnahme planfestgestellt. Zu diesem Zweck sollen zwei ehemalige Absetzbecken des seit 25 Jahren stillgelegten Elbwasserfiltrierwerks Kaltehofe über den Entleerungsgraben und den Holzhafengraben mit dem Holzhafen und der Billwerder Bucht verbunden und damit dem Tideeinfluss ausgesetzt werden. Die Geländemorphologie der Beckensohle soll an die Wuchsbedingungen des Schierlings-Wasserfenchels angepasst werden. Zwischen den Einfassungen der Becken sollen tidebeeinflusste Bereiche mit Flusswatt, einem verästelten Prielsystem mit Gehölzinseln und Tide-Weiden-Auwald sowie Weiden-Feuchtgebüsch entstehen. Schließlich wird in Bezug auf die in Niedersachsen vorgesehenen Kohärenzsicherungsmaßnahmen dargelegt, inwieweit diese Planungen über zwingend vorgeschriebene Standardmaßnahmen hinausgehen. Die 3. Planergänzungsbeschlüsse wurden den Klägern jeweils am 27. August 2018 zugestellt.

4 Am 26. September 2018 haben die Kläger gegen die beiden Beschlüsse jeweils Klage erhoben.

5 Die Kläger machen geltend, dass die Heilung der vom Bundesverwaltungsgericht aufgezeigten Mängel wegen formeller und materieller Fehler der Planergänzungsbeschlüsse nicht gelungen sei und die Beschlüsse an weiteren Rechtsfehlern, so insbesondere in Bezug auf die wasserrechtliche Prüfung, litten.

6 Die Kläger beantragen jeweils,
die Planfeststellungsbeschlüsse der Beklagten vom 23. April 2012, zuletzt geändert durch die 3. Planergänzungsbeschlüsse vom 23. August 2018, aufzuheben,
hilfsweise,
die Planfeststellungsbeschlüsse der Beklagten vom 23. April 2012, zuletzt geändert durch die 3. Planergänzungsbeschlüsse vom 23. August 2018, für rechtswidrig und nicht vollziehbar zu erklären.

7 Die Beklagten beantragen jeweils,
die Klagen abzuweisen.

II

8 Die Klagen sind zulässig, aber nicht begründet.

9 A. Dem geltend gemachten Aufhebungsanspruch steht nicht die Rechtskraft des die Klagen gegen die Planfeststellungsbeschlüsse insoweit abweisenden Urteils des Senats vom 9. Februar 2017 entgegen. Ob dies bereits deswegen anzunehmen ist, weil Gegenstand des Klageverfahrens nunmehr zwei jeweils durch die Verschmelzung mit den 3. Planergänzungsbeschlüssen (PEB) neue (geänderte) Planfeststellungsbeschlüsse sind (BVerwG, Urteil vom 9. Februar 2017 - 7 A 2.15 - BVerwGE 158, 1 Rn. 19 m.w.N.), erscheint zweifelhaft, kann aber dahinstehen. Denn die Abweisung des mit dem Hauptantrag verfolgten Aufhebungsbegehrens setzt immer voraus, dass nach § 75 Abs. 1a Satz 2 VwVfG, der den Vorrang der Planerhaltung begründet und damit den in § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO vorausgesetzten ungeschriebenen materiell-rechtlichen Aufhebungsanspruch ausschließt (siehe BVerwG, Urteil vom 21. Mai 1976 - 4 C 80.74 - BVerwGE 51, 15 <24>; Wolff, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 113 Rn. 10 ff.; Baumeister, Der Beseitigungsanspruch als Fehlerfolge des rechtswidrigen Verwaltungsakts, 2006, S. 6 ff., 9 f., 412 f.; a.A. Sonderverwaltungsprozessrecht: Neumann/Külpmann, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Aufl. 2018, § 75 Rn. 45 und Gaentzsch, UPR 2001, 201 <206>), die Heilung der festgestellten Rechtsfehler in einem ergänzenden Verfahren auch tatsächlich möglich erscheint (Neumann/Külpmann, a.a.O. Rn. 53c). Es ist aber jedenfalls nicht von vornherein ausgeschlossen, dass an dieser Einschätzung nach einem - unterstellt - erfolglosen Heilungsversuch aufgrund neuer rechtlicher oder tatsächlicher Entwicklungen und Erkenntnisse nicht mehr festgehalten werden kann.

10 B. Unter Berücksichtigung des fristgerecht vorgebrachten Klagevorbringens (1.) erweist sich die Klage sowohl im Haupt- als auch im Hilfsantrag als unbegründet. Weder die gerügten Verfahrensmängel (2.) noch die geltend gemachten materiellen Fehler (3. bis 8.) liegen vor.

11 1. Entgegen der Rechtsbehelfsbelehrung in den 3. Planergänzungsbeschlüssen, die auf die sechswöchige Klagebegründungsfrist nach § 14e Abs. 5 WaStrG a.F. verweist, gilt für die Kläger die zehnwöchige Klagebegründungsfrist des § 6 Satz 1 UmwRG. Diese Regelung ging nach der damaligen Rechtslage der genannten fachgesetzlichen Klagebegründungsfrist vor. Denn der Gesetzgeber beabsichtigte mit der Einfügung des § 6 UmwRG eine einheitliche und abschließende Regelung für alle Rechtsbehelfe im Geltungsbereich dieses Gesetzes (BVerwG, Urteil vom 27. November 2018 - 9 A 8.17 - BVerwGE 163, 380 Rn. 14). Erst mit der Änderung der fachplanungsrechtlichen Vorschriften durch das Gesetz zur Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsverfahren im Verkehrsbereich vom 29. November 2018 (BGBl. I S. 2237) hat der Gesetzgeber - wenn auch in Orientierung an der generellen Bestimmung des § 6 UmwRG - wieder eine für alle Klagen gegen wasserstraßenrechtliche Planfeststellungsbeschlüsse vorrangige fachgesetzliche Spezialregelung zur Klagebegründungsfrist geschaffen (vgl. BT-Drs. 19/4459 S. 50 zu § 14e Abs. 5 WaStrG n.F.).

12 Innerhalb der durch die Klageerhebung in Lauf gesetzten 10-Wochen-Frist haben die Kläger ihre Klagen begründet und durch die nach § 6 Satz 1 UmwRG gebotene Angabe von Tatsachen und Beweismitteln den Prozessstoff grundsätzlich festgelegt. Nach Ablauf dieser Frist kann der Tatsachenvortrag vertieft, der Prozessstoff als solcher jedoch nur unter den Voraussetzungen des § 6 Satz 2 und 3 UmwRG erweitert werden.

13 2. Die 3. Planergänzungsbeschlüsse leiden nicht an den geltend gemachten Verfahrensfehlern.

14 a) Die Europäische Kommission (Kommission) ist im ergänzenden Verfahren ordnungsgemäß beteiligt worden. Die angesichts der geänderten Planungen zur Kohärenzsicherung nach § 34 Abs. 4 Satz 2 BNatSchG erforderliche Stellungnahme der Kommission liegt vor.

15 aa) Nach Ansicht der Beklagten ist eine Stellungnahme der Kommission nach § 34 Abs. 4 Satz 2 BNatSchG (Art. 6 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 92/43/EWG des Rates vom 21. Mai 1992 zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen - FFH-RL, ABl. L 206 S. 7) nur in Bezug auf geltend gemachte sonstige zwingende Gründe des überwiegenden öffentlichen Interesses einzuholen; hinsichtlich der dann erforderlichen Kohärenzsicherung sei - wie immer - nach § 34 Abs. 5 Satz 2 BNatSchG (Art. 6 Abs. 4 Unterabs. 1 Satz 2 FFH-RL) lediglich eine Unterrichtung der Kommission erforderlich. Durch die neuen Planungen aufgrund der 3. Planergänzungsbeschlüsse habe sich an den für das Vorhaben sprechenden zwingenden Gründen des überwiegenden öffentlichen Interesses nichts geändert, so dass eine Unterrichtung ausreichend gewesen und nur vorsorglich eine Stellungnahme eingeholt worden sei.

16 Dieser Auffassung, die die sonstigen zwingenden Gründe des überwiegenden öffentlichen Interesses und die Ausgleichsmaßnahmen in Bezug auf die Beteiligung der Kommission strikt trennt, ist nicht zu folgen. Spricht für ein Vorhaben, das mit einer Beeinträchtigung prioritärer Lebensraumtypen und Arten einhergeht, keines der in § 34 Abs. 4 Satz 1 BNatSchG, Art. 6 Abs. 4 Unterabs. 2 FFH-RL erwähnten zwingenden öffentlichen Interessen (benannte Abweichungsgründe), soll die Kommission eine Bewertung der möglicherweise beeinträchtigten ökologischen Werte vornehmen können; sie ist deswegen umfassend zu unterrichten (vgl. BVerwG, Urteile vom 9. Juli 2009 - 4 C 12.07 - BVerwGE 134, 166 Rn. 8 und vom 23. April 2014 - 9 A 25.12 - BVerwGE 149, 289 Rn. 87). Dies bezieht sich zum einen auf die Grundlagen der Ermittlung des überwiegenden öffentlichen Interesses, was die Gegenüberstellung der mit dem Vorhaben verfolgten öffentlichen Interessen und dem betroffenen Integritätsinteresse der beeinträchtigten prioritären Arten bzw. Lebensraumtypen voraussetzt. Schon danach liegt es nahe, dass es einer erneuten Stellungnahme der Kommission bedurfte. Denn aufgrund der Beanstandungen im Urteil vom 9. Februar 2017 stand auch eine neue Prüfung des Ausmaßes der Beeinträchtigung des Schierlings-Wasserfenchels in Rede, und nur in Kenntnis von deren Ergebnissen kann das Gewicht des Integritätsinteresses bemessen und können im Anschluss daran Art und Umfang etwaiger Ausgleichsmaßnahmen bestimmt werden (EuGH, Urteile vom 15. Mai 2014 - C-521/12 [ECLI:​EU:​C:​2014:​330], Briels - Rn. 36, vom 14. Januar 2016 - C-399/14 [ECLI:​EU:​C:​2016:​10], Grüne Liga Sachsen - Rn. 56 f. und vom 29. Juli 2019 - C-411/17 [ECLI:​EU:​C:​2019:​622], Inter-Environnement Wallonie - Rn. 150). Zum anderen muss die Beteiligung so erfolgen, dass die Kommission auch die erforderlichen Ausgleichsmaßnahmen (Kohärenzsicherungsmaßnahmen - KSM) beurteilen kann (BVerwG, Urteil vom 9. Februar 2017 - 7 A 2.15 - BVerwGE 158, 1 Rn. 36, 461 unter Verweis auf den Auslegungsleitfaden der Kommission vom Januar 2007 zu Art. 6 Abs. 4 der "Habitat-Richtlinie" 92/43/EWG, S. 27; bestätigt durch die Neufassung vom 21. November 2018, ABl. 2019 C 33 S. 1, Nr. 5.8.3.; siehe auch das einheitliche Formblatt für die Übermittlung von Informationen nach Art. 6 Abs. 4 an die Kommission <Anhang III; im Wesentlichen inhaltsgleich Anhang IV der Vorgänger-Information aus dem Jahr 2007>, wonach bei der Übermittlung von Unterlagen zur Stellungnahme neben den Alternativlösungen und den zwingenden Gründen des überwiegenden Interesses auch die Ausgleichsmaßnahmen zu benennen sind). Werden die Kohärenzmaßnahmen für ein Vorhaben ausgewechselt, das die unbenannten Ausnahmegründe in Anspruch nimmt, ist die Kommission demnach zwingend zu beteiligen und deren Stellungnahme einzuholen.

17 bb) Die erforderliche Stellungnahme liegt hier mit dem Schreiben der Kommission vom 25. April 2018 vor. Sie hat zwar nicht die äußere Form und den Umfang der im Planfeststellungsverfahren eingeholten Stellungnahme vom 6. Dezember 2011. Das ist jedoch unbeachtlich. Wenn das Schreiben sich nach Form und Inhalt zurücknimmt, erklärt sich das daraus, dass die Kommission - wie im Betreff ausdrücklich angegeben - ergänzende Informationen zu der ursprünglichen Stellungnahme zur Kenntnis nimmt und darauf in der Sache reagiert. Sie bestätigt ihre (erste) Stellungnahme und schreibt sie fort, indem sie auch die Kohärenzsicherungsmaßnahme Tideanschluss Billwerder Insel den in diesem Schreiben formulierten Bedingungen unterwirft. Der Einwand, dass die Beklagten ihrer Verpflichtung zur umfassenden Unterrichtung der Kommission nicht nachgekommen seien und diese folglich auf einer unzutreffenden Tatsachengrundlage entschieden habe, geht fehl. Die rechtliche Einschätzung des Bundesverwaltungsgerichts zur (Un-)Tauglichkeit der in den Planfeststellungsbeschlüssen ausgewiesenen KSM Spadenlander Busch/Kreetsand haben die Beklagten unmissverständlich übermittelt. Dass sie zugleich darauf hinweisen, an der Umsetzung dieser - nahezu fertiggestellten - Maßnahme festzuhalten, ist unschädlich. Denn es wird gleichwohl ausgeführt, dass das Kohärenzziel auch ohne diese Maßnahme erreicht werde. Damit standen der Kommission - auch mit dem Hinweis auf die ergänzenden Planunterlagen - alle Informationen für eine Prüfung, ob an der positiven Stellungnahme festgehalten werden kann, zur Verfügung. Eines Hinweises auf den wechselhaften Erfolg der verschiedenen darüber hinaus ergriffenen Maßnahmen bedurfte es nicht.

18 b) Die in Bezug auf die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) geltend gemachten Mängel liegen ebenfalls nicht vor. Mit dem Vorbringen der Kläger werden allerdings nicht nur Verfahrensmängel gerügt, die der Regelung des § 4 UmwRG unterfallen.

19 Die UVP dient der Ermittlung, Beschreibung und Bewertung der erheblichen Auswirkungen eines Vorhabens auf die Schutzgüter; sie strukturiert das Verfahren im Vorfeld der Sachentscheidung durch die Phasen der Informationsgewinnung und Informationsverarbeitung und vollzieht sich in verschiedenen Verfahrensschritten. Von der so normierten äußeren Ordnung des Verfahrens sind diejenigen Anforderungen an die inhaltliche Ausgestaltung der Umweltverträglichkeitsprüfung zu unterscheiden, die von den materiell-rechtlichen Maßstäben der jeweils einschlägigen Fachgesetze geprägt werden und folglich nicht von § 4 UmwRG erfasst werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 28. November 2017 - 7 A 17.12 - BVerwGE 161, 17 Rn. 29 ff.)

20 aa) Die behauptete defizitäre Dokumentation der artenschutzrechtlichen Bestandsaufnahme bezeichnet danach keinen Verfahrensmangel. Sie betrifft nicht die äußere Ordnung des Verfahrens. Die Anforderungen an die Sachverhaltsermittlung werden vielmehr durch das materielle Recht bestimmt (siehe nachfolgend unter 7.).

21 bb) Die Rüge, die UVP verkenne den Projektbegriff, weil sie nur auf die Auswirkungen der neu geplanten Kohärenzsicherungsmaßnahme, nicht aber auf diejenigen des damit geänderten Gesamtvorhabens der Fahrrinnenanpassung abstelle, bezieht sich ebenso wenig auf einen Verfahrensfehler. Denn es geht nicht um die verfahrensbezogene Grundentscheidung und Weichenstellung, ob die Entscheidung über die Zulassung eines bestimmten Vorhabens gemäß § 5 des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVPG) die Durchführung einer UVP voraussetzt, sondern um die Bewertung der Auswirkungen eines UVP-pflichtigen Vorhabens.

22 Der somit auf das materielle Recht bezogene Einwand der Kläger greift indessen nicht durch. Zwar handeln die 3. Planergänzungsbeschlüsse die UVP unter Abschnitt B.I.1. und somit bei der Planfeststellung der ergänzenden Kohärenzsicherungsmaßnahme ab. Bei der Entgegnung auf die Einwendungen der Kläger wird auf Seite 26 aber unter Bezugnahme auf die Untersuchungen der Bundesanstalt für Wasserbau (BAW) im Fachbeitrag Hydrologie und Morphologie (PEU III 1.3, S. 8, 55) darauf verwiesen, dass das zusätzliche Tidevolumen durch den Anschluss der Absetzbecken derart klein sei, dass es keine Auswirkungen auf das Gesamtvorhaben habe; folglich habe es lediglich einer ergänzenden Untersuchung von Hydrologie und Morphologie im Bereich der Kohärenzsicherungsmaßnahme und ihrem Umfeld bedurft. Aufgrund der Größenordnung der morphologischen Veränderungen durch die gesamte Elbvertiefung ist diese Einschätzung ohne Weiteres plausibel und nachvollziehbar. Sie wird durch die Darstellung der minimalen ausbaubedingten Veränderungen der Tidekennwerte belegt (PEU III 1.3, S. 12 ff., Bild 8 <Tidehub>, Bild 9 <maximale Ebbestromgeschwindigkeit>, Bild 10 <maximale Flutstromgeschwindigkeit>, Bild 11 <maximaler Salzgehalt>). Insoweit sind die tatsächlichen Verhältnisse mit denen der sogenannten Vermeidungslösung im Verfahren zum Ausbau der Weser nicht vergleichbar. Denn dort waren die Wechselwirkungen zwischen den im Wege einer Planänderung einbezogenen Schutzvorkehrungen als integrale Bestandteile des Vorhabens und dem Vorhaben im Übrigen gerade nicht geprüft worden (BVerwG, Urteil vom 11. August 2016 - 7 A 1.15 - BVerwGE 156, 20 Rn. 46 f.).

23 cc) Der Einwand, in der UVP seien die Auswirkungen und Betroffenheiten des Vorhabens in Bezug auf den Klimawandel nur unvollständig untersucht worden, betrifft hingegen einen Verfahrensfehler. Insoweit wird geltend gemacht, ein vorgeschriebener Verfahrensschritt sei nur unvollständig abgearbeitet bzw. gänzlich übergangen worden. Mit ihrer Rüge dringen die Kläger allerdings nicht durch.

24 (1) Das Gesamtvorhaben war nicht anhand der Vorgaben des § 16 Abs. 3 UVPG i.V.m. Anlage 4 Ziffer 4 Buchst. b und insbesondere Ziffer 4 Buchst. c Doppelbuchst. hh auf eine Anfälligkeit gegenüber den Folgen des Klimawandels einer neuen Prüfung zu unterziehen. Zur Verdeutlichung der Notwendigkeit einer solchen Überprüfung verweisen die Kläger auf den Anstieg des Meeresspiegels und damit einhergehende höhere Überflutungswahrscheinlichkeiten auf den Vordeichflächen, wodurch die dort vorkommenden Brutvogelarten stärker beeinträchtigt würden.

25 Eine Neubewertung des Gesamtvorhabens im Anschluss an die Änderung des Vorhabens durch die neue Kohärenzsicherungsmaßnahme wäre nur dann erforderlich gewesen, wenn diese Ergänzung und - räumlich auf einen Randbereich beschränkte - Erweiterung des planfestgestellten Vorhabens beachtliche Auswirkungen auf das im Übrigen von dieser Änderung nicht unmittelbar betroffene Gesamtvorhaben gehabt hätte. Nur unter dieser Voraussetzung wäre die Rechtskraft des Urteils des Senats vom 9. Februar 2017, das in dieser Hinsicht Rechtsfehler nicht festgestellt hat, nicht mehr zu beachten. Solche tatsächlichen Auswirkungen der KSM Tideanschluss Billwerder Insel haben die 3. Planergänzungsbeschlüsse - wie bereits oben dargelegt - unter Bezugnahme auf den Fachbeitrag der BAW (PEU III 1.3) aber nachvollziehbar verneint.

26 (2) Auswirkungen der Kohärenzsicherungsmaßnahme als solcher auf das klein- und großräumige Klima hat die UVP geprüft. Sie ist anlagebedingt aufgrund der Erhöhung der für die Kaltluftentstehungsgebiete bedeutsamen Durchgrünungsanteile von unerheblich vorteilhaften Auswirkungen auf das lokale (Klein-)Klima ausgegangen und hat Auswirkungen auf das großräumige Klima verneint (PEU III 1.4, S. 113). Die UVP hat schließlich auch verneint, dass die Kohärenzsicherungsmaßnahme besonders anfällig gegenüber den Folgen des Klimawandels ist (PEU III 1.4, S. 53). Dies gilt aufgrund ihrer Lage im Einflussbereich eines (geregelten) Tidegeschehens nicht nur für veränderte Niederschlagsereignisse und Hitzeperioden, sondern auch für mögliche Veränderungen des Sturmflutgeschehens. Vor letzterem ist die Kohärenzsicherungsmaßnahme durch das Sperrwerk Billwerder Bucht geschützt.

27 3. Die FFH-Verträglichkeitsprüfung für den Schierlings-Wasserfenchel begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Dies gilt sowohl für den Rückgriff auf bereits vorhandene Gutachten als auch für die Modalitäten von deren Anwendung.

28 a) Die 3. Planergänzungsbeschlüsse haben bei der erneuten Durchführung der im Urteil vom 9. Februar 2017 als fehlerhaft beanstandeten Verträglichkeitsprüfung in Bezug auf durch die Verschiebung der Brackwasserzone gefährdete Wuchsorte des Schierlings-Wasserfenchels an der Elbe unter Berufung auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts im Wesentlichen an den bereits im Zeitpunkt der ursprünglichen Planfeststellung gegebenen Erkenntnisstand angeknüpft. Die Kläger vertreten demgegenüber die Auffassung, die Beklagten hätten insbesondere die im Planfeststellungsverfahren erstellten hydromorphologischen Grundlagengutachten nicht zugrunde legen dürfen. Vielmehr sei deren Überarbeitung aufgrund von Veränderungen der Morphologie der Elbe und Fortschritten bei den Möglichkeiten einer längerfristigen Modellierung erforderlich gewesen.

29 aa) Diesem Einwand der Kläger steht nicht schon die Rechtskraft des Urteils vom 9. Februar 2017 (§ 121 VwGO) entgegen.

30 Die FFH-Verträglichkeitsprüfung wurde in Bezug auf den Schierlings-Wasserfenchel bereits im Verfahren zum Erlass der 2. Planergänzungsbeschlüsse vom 24. März 2016 überarbeitet. Damals wurde die Bestandsaufnahme aktualisiert, während die BAW-Gutachten aus dem ursprünglichen Planfeststellungsverfahren zur Bewertung der Beeinträchtigungen über die verschiedenen Wirkpfade herangezogen wurden. Dieses Vorgehen hat der Senat im Urteil vom 9. Februar 2017 - 7 A 2.15 - (BVerwGE 158, 1 Rn. 140 f.) nicht beanstandet. Die dem zugrundeliegende rechtliche Bewertung erwächst aber nicht in Rechtskraft.

31 Im Anwendungsbereich des § 75 Abs. 1a Satz 2 VwVfG bezieht sich die Rechtskraft eines klageabweisenden Urteils zum einen auf den mit der Anfechtungsklage im Hauptantrag geltend gemachten Aufhebungsanspruch; danach steht fest, dass der Planfeststellungsbeschluss nicht an solchen Fehlern leidet, die nach Maßgabe des § 75 Abs. 1a Satz 2 VwVfG nicht behoben werden können und folglich zu dessen Aufhebung führen müssen. Zum anderen ist mit der Rechtskraft des stattgebenden Feststellungsurteils, wonach der Planfeststellungsbeschluss - nach Maßgabe der Urteilsgründe - rechtswidrig und nicht vollziehbar ist, zugleich eine negative Feststellung des Inhalts verbunden, dass der Planfeststellungsbeschluss nicht an anderen als den im Urteil ausdrücklich benannten - heilbaren - Fehlern leidet. Der Kläger kann demnach im nachfolgenden Klageverfahren gegen den im ergänzenden Verfahren insgesamt bestätigten oder auch teilweise geänderten Planfeststellungsbeschluss nicht geltend machen, dass dieser über die Beanstandung des Gerichts hinaus wegen weiterer Mängel rechtswidrig ist (BVerwG, Urteil vom 8. Januar 2014 - 9 A 4.13 - BVerwGE 149, 31 Rn. 28; Beschlüsse vom 20. März 2018 - 9 B 43.16 - Buchholz 406.403 § 34 BNatSchG 2010 Nr. 16 Rn. 65 und zuletzt vom 17. März 2020 - 3 VR 1.19 - NVwZ 2020, 1051 Rn. 18).

32 Einer nochmaligen gerichtlichen Überprüfung entzogen sind solche Teile des Planfeststellungsbeschlusses, die - ungeachtet eines nach den allgemeinen prozessrechtlichen Kategorien einheitlichen Streitgegenstandes - als prozessuale Besonderheit und Folgerung aus dem Gebot der Planerhaltung im Sinne einzelner Klagegründe einer gesonderten Entscheidung zugänglich sind. Diese Klagegründe bezeichnen abtrennbare rechtliche Anforderungen an die Zulassungsentscheidung. Sie betreffen in erster Linie die Bewertung der durch spezielle verfahrensrechtliche oder materiell-rechtliche Vorgaben geprägten Problemkreise und Sachbereiche aus dem oftmals umfangreichen Prüfprogramm, dem der Planfeststellungsbeschluss nicht zuletzt als Folge seiner Konzentrationswirkung genügen muss. Inwieweit vom Gericht nicht beanstandete rechtliche Erwägungen und Begründungselemente, die der Überprüfung eines in den Urteilsgründen markierten Rechtsfehlers zuzuordnen sind, in dem Sinne eigenständig zu betrachten sind, dass dieser Ausschnitt der rechtlichen Würdigung als rechtsbeständig anzusehen ist, hängt von den jeweiligen Umständen des Einzelfalles ab. Von Gewicht ist dabei insbesondere die Bedeutung dieser Erwägungen für das gesamte Verfahren, worauf nicht zuletzt der argumentative Aufwand der Beteiligten sowie Begründungsumfang und -tiefe bei der gerichtlichen Bewältigung der aufgeworfenen Rechtsfragen hindeuten können; daraus kann sich insbesondere auch die Absicht und der Anspruch des Gerichts ergeben, diese Fragen jedenfalls im gegebenen Prozessrechtsverhältnis einer abschließenden Klärung zuzuführen. Davon sind Ausführungen des Gerichts zu unterscheiden, die zwar ebenfalls die rechtlichen Erwägungen und Vorgehensweisen der Behörden billigen, die aber nicht von diesem Gewicht und somit als bloße Vorfragen einzustufen sind und folglich nicht in Rechtskraft erwachsen (siehe hierzu auch BVerwG, Beschluss vom 23. Mai 2017 - 4 A 7.16 - juris Rn. 7 ff., 9). Um eine solche Vorfrage handelt es sich bei der Frage, welche Gutachten nach Maßgabe allgemeiner Grundsätze eine verlässliche Entscheidungsgrundlage abgeben.

33 bb) Die Beklagten haben die vom Bundesverwaltungsgericht zum maßgeblichen Zeitpunkt bei ergänzenden Verfahren entwickelten Grundsätze zutreffend angewandt; diese bedürfen keiner Ergänzung.

34 Bei der Prüfung der Rechtmäßigkeit eines Planfeststellungsbeschlusses kommt es grundsätzlich auf die Sach- und Rechtslage bei dessen Erlass an. Wird danach ein ergänzendes Verfahren durchgeführt mit der Folge, dass der festgestellte Plan und die nachträglichen Änderungen zu einem einzigen Plan in der durch den Änderungsbeschluss erreichten Gestalt verschmelzen, bedarf es einer differenzierenden Betrachtungsweise. Der Zeitpunkt für die gerichtliche Überprüfung der Rechtmäßigkeit hängt maßgeblich von der Zielrichtung des Verfahrens ab. Beschränkt es sich darauf, einen punktuellen Fehler der früheren Entscheidung zu heilen, so bleibt der Zeitpunkt des (ersten) Planfeststellungsbeschlusses maßgeblich. Abweichendes gilt dann, wenn die Planfeststellungsbehörde ihre Entscheidung im ergänzenden Verfahren auf veränderte tatsächliche oder rechtliche Verhältnisse stützt und auf der Grundlage einer Aktualisierung der Beurteilungsgrundlagen eine Neubewertung etwa der Verträglichkeitsuntersuchung vornimmt; dann ist insoweit der Zeitpunkt der Aktualisierung maßgeblich. Letzteres gilt bei der Prüfung des FFH-Rechts insbesondere auch dann, wenn das ergänzende Verfahren zu einem Zeitpunkt durchgeführt wird, zu dem das rechtswidrig zugelassene Vorhaben bereits errichtet ist. In dieser Situation kann eine realitätsnahe Prüfung der Auswirkungen nicht auf eine gegebenenfalls von den tatsächlichen Gegebenheiten überholte prognostische Einschätzung gestützt werden (stRspr, vgl. etwa BVerwG, Urteile vom 9. Februar 2017 - 7 A 2.15 - BVerwGE 158, 1 Rn. 21 und vom 27. Juni 2019 - 7 C 22.17 - NuR 2019, 846 Rn. 14 m.w.N.).

35 Nach diesen Maßstäben durften die Beklagten die im Zeitpunkt des ursprünglichen Planfeststellungsbeschlusses vorliegenden Gutachten der BAW für die Prüfung der Änderung des Salzgehalts durch die Verlagerung der Brackwasserzone im betreffenden Abschnitt der Elbe heranziehen. Der inhaltlichen Verwertbarkeit dieser Gutachten stehen Hinderungsgründe nicht entgegen. Dabei spricht zwar viel dafür, dass die Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichts zu diesen Gutachten, die es als Ergebnis einer umfangreichen und vertieften Prüfung als hinreichend aktuell und methodisch korrekt erarbeitet eingestuft hat (BVerwG, Urteil vom 9. Februar 2017 - 7 A 2.15 - BVerwGE 158, 1 Rn. 39 ff.), nach den oben dargelegten Grundsätzen an der Rechtskraftwirkung des Urteils teilhaben. Das kann aber letztlich dahinstehen. Denn der Senat hat jedenfalls keine Veranlassung, von dieser Einschätzung, gegen die substantiiert nichts vorgetragen wird, abzurücken.

36 Die Zielrichtung des in Rede stehenden Teils des ergänzenden Verfahrens ist - wie bereits bei den insoweit im Anschluss an den Hinweisbeschluss des Senats vom 2. Oktober 2014 - 7 A 14.12 - (DVBl 2015, 95 Rn. 38 f., 43 ff.) erlassenen 2. Planergänzungsbeschlüssen - eindeutig: Es sollte insoweit nur ein Ausschnitt aus der FFH-Verträglichkeitsprüfung - in den 3. Planergänzungsbeschlüssen eng beschränkt auf den Wirkpfad Salinität in einem Uferabschnitt der Elbe - neu erstellt werden, die aber weiterhin in ein im Wesentlichen unverändertes Gesamtvorhaben eingebettet war. In dieser Situation war die Verschiebung des maßgeblichen Zeitpunkts nicht deswegen geboten, weil die Beklagten für die 3. Planergänzungsbeschlüsse - wie bereits zuvor für die 2. Planergänzungsbeschlüsse - die Bestandserfassung aktueller und potentieller Wuchsorte des Schierlings-Wasserfenchels aufgrund neuer Erkenntnisse überprüft haben (PEU III, S. 9 Abb. 4-1). Eine solche lediglich partielle Öffnung des Zeithorizonts in Bezug auf relativ einfach festzustellende tatsächliche Verhältnisse dient dem Interesse einer möglichst vorsorglichen und realitätsnahen Beurteilungsgrundlage. Dies nötigt die Behörde aber nicht dazu, die aufwendigen und komplexen Grundlagengutachten insoweit einer Aktualisierung zu unterziehen. Denn auf diesen beruht die Bewertung des ganzen Vorhabens. Eine neuerliche auf einen Teilaspekt der FFH-Verträglichkeitsprüfung beschränkte rechtliche Bewertung fügt sich nur dann als Mosaikstein in das Gesamtbild ein, wenn sie ebenfalls hierauf aufbaut. Auf die von den Klägern in der mündlichen Verhandlung vorgelegten graphischen Darstellungen von Interpolationen des Salzgehalts auf der Grundlage des Ergebnisses der Modellkalibrierung der BAW mit der Topographie 2016 (Stellungnahme vom 17. Mai 2019) kommt es folglich nicht an.

37 Dieses Vorgehen steht allerdings unter dem Vorbehalt, dass die Grundlagengutachten auch für das im ergänzenden Verfahren geänderte Vorhaben weiterhin aussagekräftig sind. Davon durften die Beklagten auf der Grundlage der Einschätzung der BAW, wonach sich die relativ geringfügige Vergrößerung des Tidevolumens durch die Schaffung der neuen KSM Tideanschluss Billwerder Insel nicht auf die hydromorphologischen Verhältnisse in Unter- und Außenelbe auswirke, indessen ausgehen (3. PEB, S. 26; siehe oben unter B. 2. b) aa)).

38 Auch der Hinweis der Kläger auf die zwischen dem Erlass der Planfeststellungsbeschlüsse und dem Erlass der 3. Planergänzungsbeschlüsse verstrichene Zeit von über fünf Jahren und die Besonderheiten eines dynamischen Systems, in dem sich insbesondere die Morphologie des Gewässers ständig ändere, gibt keinen Anlass, vom Grundsatz der Maßgeblichkeit des Zeitpunkts des Erlasses der Planfeststellungsbeschlüsse abzurücken. Zwar können tatsächliche Entwicklungen zur Folge haben, dass bestimmte Erkenntnisse als überholt anzusehen sind und als verlässliche Grundlage für weitere Prüfungen und rechtliche Bewertungen nicht mehr taugen. Eine strikte 5-Jahres-Regel ist aber auch bei der Bestandserfassung für die UVP nicht anerkannt (BVerwG, Urteil vom 9. Februar 2017 - 7 A 2.15 - BVerwGE 158, 1 Rn. 149 f.). Vielmehr sind die besonderen Verhältnisse des jeweiligen Einzelfalls zu berücksichtigen. Dabei fällt hier maßgeblich ins Gewicht, dass die prognostischen Aussagen in den Gutachten der BAW bereits auf einen längerfristigen Zeithorizont ausgerichtet sind und gerade die auf Rechenmodelle aufsetzende wasserbauliche Systemanalyse Änderungen der Rahmenbedingungen in diesem dynamischen System berücksichtigt.

39 b) Die Überprüfung, ob aktuelle und potentielle Wuchsorte des Schierlings-Wasserfenchels durch eine ausbaubedingte Erhöhung des maximalen Salzgehalts als beeinträchtigt zu gelten haben, ist von Rechts wegen nicht zu beanstanden. Sie geht insbesondere von hinreichend vorsorglichen Annahmen aus.

40 Zu Unrecht meinen die Kläger, die Heranziehung der Unterlagen zur Planänderung III sei nicht in ausreichendem Maße von den gebotenen worst-case-Annahmen geprägt. Die vom Senat im Urteil vom 9. Februar 2017 - 7 A 2.15 - (BVerwGE 158, 1 Rn. 246) wegen des dort eingestellten Oberwassers von 350 m³/s beanstandete Bewertung auf der Grundlage der PEU II 5.1 (S. 17) legte die Prognosen des Gutachtens H.1a (siehe S. 49 zu den für die Simulation verwendeten Randwerten) zugrunde. Damals waren die Nebenflüsse noch nicht in die Modellierung eingestellt worden, was als solches ebenfalls zur Überschätzung der Ausbaufolgen beigetragen hat (vgl. BVerwG, Urteil vom 9. Februar 2017 a.a.O. Rn. 59). In den überarbeiteten Gutachten zur Planänderung III sind die Nebenflüsse stromauf der Störmündung und der Wischhafener Nebenelbe in die Modellierung einbezogen worden (PÄ III, Teil 10 S. 2). Allerdings ist neben einem - eher selten auftretenden - Oberwasser von 180 m³/s, von dem nach den Vorgaben des Urteils vom 9. Februar 2017 auszugehen ist, auch ein konstanter seeseitiger Salzgehalt von 32 PSU anstelle von lediglich 30 PSU eingestellt worden (PÄ III, Teil 10 S. 5; PEU III 2, S. 3 Tabelle 3-1). Die im Hinblick auf die Behandlung der Nebenflüsse geringere Vorsorglichkeit ist insoweit jedenfalls teilweise kompensiert worden. An weiteren - hier ganz entscheidenden - vorsorglichen Kriterien ist festgehalten worden. So geht die Prüfung insbesondere von einem vollständigen Ausfall der aktuellen und potentiellen Standorte bei einem Anstieg des Salzgehalts über den Wert von 2 PSU aus; dabei wird dort jeweils eine Besiedlung mit einer großzügig bemessenen Anzahl von Pflanzen unterstellt (BVerwG, Urteil vom 9. Februar 2017 a.a.O. Rn. 236, 238). Schließlich spricht auch nichts dagegen, anstatt einer pauschalierenden Herangehensweise, die den gesamten 10 km langen Abschnitt nach den dort bei Elbe-km 670 zu verzeichnenden Werten betrachtet, innerhalb des Abschnitts im Anschluss an das vorhandene Datenmaterial zu differenzieren, das das Vordringen einer Salzzunge im tieferen Fahrwasser verdeutlicht (siehe etwa auch Gutachten H.1a, Anlage 4, S. 106 Bild 102, S. 112 Bild 108; sowie stromab für das Teilgebiet West S. 51 Bild 49, S. 52 Bild 50). Dies drängt sich insbesondere deswegen auf, weil der Salzgehalt mit jedem Stromkilometer stromauf geringer wird und darüber hinaus die zu betrachtenden Standorte sich nur im Bereich von Elbe-km 660 bis ca. km 665 finden (PEU III 2, S. 9 Abb. 4-1; PEU II 5.1, S. 11 Abb. 3-1). Eine Betrachtungsweise, die sich nur am Maximalwert am seeseitig gelegenen Ende des Abschnitts ausrichtet, ersetzt die Vorsorglichkeit durch gänzlich realitätsfremde Annahmen.

41 4. Die Kohärenzeignung der Maßnahme Tideanschluss Billwerder Insel ist von den Beklagten zutreffend bejaht worden.

42 a) aa) Die Kläger wenden sich gegen die Tauglichkeit der Maßnahme in erster Linie mit der grundsätzlichen Argumentation, wonach die Kohärenzsicherung immer die Beibehaltung des natürlichen Verbreitungsgebiets der betroffenen Art voraussetze. Hier werde dieses Verbreitungsgebiet um mindestens 10 Fluss-km (Elbe-km 660 bis km 670; richtig: 670 bis 680) verkleinert. Mit der Maßnahme sei keine lokale Vergrößerung des Verbreitungsgebiets ("in die 'Breite'") verbunden, denn die Billwerder Insel sei ursprünglich eine tidebeeinflusste Auenlandschaft gewesen. Folglich werde nicht das Verbreitungsgebiet, sondern lediglich die besiedlungsfähigen Standorte erweitert. Wegen des Verlusts von Habitatinseln und Trittsteinbiotopen in dem von der Erhöhung des Salzgehalts betroffenen Abschnitt steige das Aussterberisiko für den Schierlings-Wasserfenchel; die Konzentration auf einen Schwerpunktraum sei nicht dienlich; es komme zu einer Fragmentierung des Lebensraums und einer Isolation der Standorte an der Stör. Die im betreffenden Bereich vorhandenen Diasporen gingen als Reserven verloren. Letztlich sei der Schutz aller Wuchsorte zur Erhaltung der Metapopulation geboten.

43 Mit diesen Einwänden können die Kläger nicht durchdringen. Sie bringen letztlich vor, dass der Schierlings-Wasserfenchel in seinen Lebensbedingungen und die Population als solche durch den Verlust der nunmehr auszugleichenden Wuchsorte unwiederbringlich geschädigt werde. Denn diese Argumentation führte - wie auch die vom Senat im Urteil vom 9. Februar 2017 - 7 A 2.15 - (BVerwGE 158, 1 Rn. 248 und 461) zurückgewiesene Argumentation zur Verkleinerung des "Weltareals", das wegen seiner Abhängigkeit von der tidebeeinflussten Elbe vorbehaltlich einer Beseitigung des Wehrs Geesthacht letztlich niemals vergrößert werden kann - dazu, dass das Vorhaben von vornherein wegen einer nicht ausgleichbaren Beeinträchtigung einer prioritären Art am Zulassungshindernis des § 34 Abs. 5 BNatSchG scheitern müsste. Träfe dies zu, hätte der Klage schon damals im Hauptantrag stattgegeben werden müssen. Die Rechtskraft der Abweisung der Klage im Hauptantrag steht folglich der Berücksichtigung dieses Vortrags entgegen. Auf die hierzu von den Klägern aufgeworfene, mit der Anregung einer Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union verbundene unionsrechtliche Frage, die insbesondere die Zulässigkeit einer Verkleinerung des Verbreitungsgebiets bezweifelt, kommt es folglich nicht mehr an.

44 bb) Auch im Übrigen zeigen die Kläger nicht auf, dass die Maßnahme von ihrer Gestaltung und ihrer Einbettung in die Umgebung her die ihr zugedachte Aufgabe als dauerhafter Standort für den Schierlings-Wasserfenchel nicht erfüllen kann.

45 Dabei kann dahinstehen, ob das im Laufe des Klageverfahrens durch gutachterliche Stellungnahmen unterfütterte Vorbringen der Kläger insbesondere zur Gefahr einer baldigen Verschlickung der neugestalteten Absetzbecken nach § 6 UmwRG überhaupt Ansatzpunkt für eine der Klage stattgebende Entscheidung hätte sein können. In den fristgerecht eingereichten Klagebegründungen war dieser Vortrag nicht angelegt. Dies gilt - ungeachtet der dortigen Ausführungen zum Sedimenttransport - auch für die Verschlickungsproblematik in der Billwerder Bucht. In den Klagebegründungen war dieses Vorbringen allein auf die Grundlagen der neuen FFH-Verträglichkeitsprüfung bezogen. Auch die Forderung nach Vorlage von Datensätzen der BAW bezog sich nur auf die neue Modellierung mit der Topographie 2016. Erstmals im Schriftsatz vom 20. Januar 2020 haben die Kläger den Wunsch nach einem Einblick in die dem Fachbeitrag der BAW (PEU III 1.3) zugrundeliegenden Datensätze und Berechnungen geäußert. Unabhängig hiervon hat das Vorbringen der Kläger jedenfalls in der Sache keinen Erfolg.

46 (1) Die Absetzbecken werden im Einklang mit den allgemein anerkannten Erkenntnissen über die Standortanforderungen des Schierlings-Wasserfenchels so modelliert, dass große flach geneigte Flächen in der Höhenlage im Bereich von - 0,20 m bis -1,30 m unter MThw (entspricht 2,02 bis 0,92 NHN) entstehen.

47 Ohne Erfolg wenden die Kläger gestützt auf die gutachterliche Stellungnahme von Prof. Dr. Jensen ein, der als solcher zutreffende Hinweis auf einen mittleren Tidehub von 3,71 m (beim nächstgelegenen Pegel Schöpfstelle, siehe HPA, Gewässerkundliche Information, Gewässerkundliches Jahr 2019, Pegel im Hafengebiet, 5-Jahresreihe 2011-2015) sei irreführend bis falsch, weil im Gebiet der Kohärenzsicherungsmaßnahme allein ein sehr geringer "wirksamer Tide(n)hub von 60-120 cm" eingestellt sei. Es versteht sich von selbst, dass je nach Höhe des Tidehubs der Wuchsort des Schierlings-Wasserfenchels nur im oberen Teil der Tidekurve - und somit nur während eines beschränkten Zeitabschnitts der Tide - von Wasser bedeckt ist. Wäre die Prielsohle tiefer als 0,80 NHN geplant, so dass die Flut schon früher in die Becken einströmt, änderte sich an den Standortbedingungen des Schierlings-Wasserfenchels nichts. Auch am Rande einer Flachwasserzone - so etwa bei der Flachwasserbucht Kreetsand -, wo der Tidehub in seiner gesamten Höhe zu beobachten ist, kommt es nur auf die Verhältnisse am konkreten Standort an. Dass der Schierlings-Wasserfenchel mit der gegebenen Überflutungsdauer auskommt, zeigen die Vorkommen z.B. in Heuckenlock/Schweenssand, wo mit einem mittleren Tidehub von 3,79 m ein vergleichbarer Tidehub zu verzeichnen ist (siehe die Angaben zum Pegel Hamburg-Harburg bei HPA, Gewässerkundliche Information, Gewässerkundliches Jahr 2019).

48 (2) Der dauerhaften Eignung und Wirksamkeit der Kohärenzsicherungsmaßnahme steht auch nicht entgegen, dass durch das Sperrwerk Billwerder Bucht große und Extremtiden von > 3,5 NHN (> ca. 1,3 m über MThw) ferngehalten werden.

49 Nach den Ausführungen in PEU III 1.5, Anhang (Planula, G. Obst, Grundlagen für die Planung der Wuchsbereiche des Schierlings-Wasserfenchels im Maßnahmengebiet "Tideanschluss Billwerder Insel", S. 2) haben höhere Wasserstände keinen positiven Effekt auf die Habitateigenschaften des Schierlings-Wasserfenchels; auf Störstellen durch abfließendes Hochwasser, Treibholz oder Eisschur zielt die Gestaltung der Wuchsflächen nicht ab. Diese sachverständige Einschätzung, die auf langjährigen Erfahrungen des Gutachters mit einschlägigen Erkundungs- und Entwicklungs-Vorhaben und Monitorings beruht (a.a.O., S. 1), wird durch das Vorbringen der Kläger nicht erschüttert.

50 Der Schierlings-Wasserfenchel wächst bevorzugt an Prielen oder im ausreichend tidebeeinflussten Bereich. Dabei sind zwei unterschiedliche Standorttypen zu unterscheiden, zum einen der Röhricht-/Hochstaudengürtel, zum anderen der Halbschatten von Weidengebüsch/Baumweiden (siehe Bundesamt für Naturschutz <BfN> und Bund-Länder-Arbeitskreis <BLAK> FFH-Monitoring und Berichtspflicht, Bewertungsschemata für die Bewertung des Erhaltungsgrades von Arten und Lebensraumtypen als Grundlage für ein bundesweites FFH-Monitoring, Teil I, BfN-Skripten 48o, 2017, S. 65). Im erstgenannten Bereich ist der Schierlings-Wasserfenchel als Pionierpflanze im Bereich des Biotops der Pioniervegetation (Schlammuferfluren) der starken Konkurrenz insbesondere des Schilfröhrichts ausgesetzt und wird im Wege der Sukzession verdrängt, wenn dieser eine dichte Vegetationsdecke bildet (siehe hierzu etwa Neubecker, PLAN, Der Schierlings-Wasserfenchel, Monitoring und fachliche Begleitung der Vermessung von Maßnahmenflächen in Hamburg, Jahr 2018, 14. November 2019, S. 36, 45; FHH BUE, Brandt, Rückdeichung der Billwerder Insel/Holzhafen, Monitoring der Maßnahmen, Bericht 2017, 14. Mai 2018, im Folgenden: Brandt, Monitoring-Bericht, S. 42, 45). Um dort wieder auf geeigneten Offenflächen wachsen zu können, ist der Schierlings-Wasserfenchel neben dem durchlichteten Rand des Bewuchses auf Störstellen im Schilfröhricht als eines zeitlichen Pionierstadiums angewiesen. Diese Störstellen entstehen durch die oben genannten Störungseinflüsse; von Bedeutung sind allerdings auch die Stauzeiten länger anhaltender Hochwasser (vgl. Neubecker, a.a.O., S. 60), die ungeachtet des Schließwasserstands des Sperrwerks Billwerder Bucht auch im Maßnahmengebiet auftreten können. Im Gegensatz dazu stehen Wuchsorte, an denen sich der Schierlings-Wasserfenchel langfristig im Endstadium der natürlichen Sukzession der tidebeeinflussten Flächen halten kann. Auf die Herausbildung solcher Standorte im Halbschatten von Baum- und Strauchweiden (siehe dazu auch Neubecker, a.a.O., S. 46) ist die Kohärenzsicherungsmaßnahme ausgerichtet, wie der Sachbeistand des Beklagten zu 1, Dipl.-Geogr. Kindermann, in der mündlichen Verhandlung erläutert hat. Aufgrund der Beschattung sollen lichtbedürftige Konkurrenzpflanzen wie der Schilfröhricht nicht oder nur lückig wachsen; Störungseinflüsse wie im Falle von für den Schilfröhricht optimalen Wuchsbedingungen sind deshalb entbehrlich. Sie sind schließlich auch nicht erforderlich, um einen lichten Tide-Auwald hervorzubringen. Denn die Wuchsflächen für den Schierlings-Wasserfenchel sollen gerade am Gehölz-/Waldsaum, d.h. an den offenen Rändern und Übergängen zu benachbarten Biotopen, entstehen (siehe auch Brandt, Monitoring-Bericht, S. 53), während ausgedehnte Waldgebiete aufgrund der Modellierung der Becken nicht vorgesehen sind. Schließlich ist auch nicht ersichtlich, dass Laub und Detritus sich in einem Ausmaß ansammeln werden, dass die Räumkraft der vom Schließwasserstand des Sperrwerks in ihrem Ausmaß begrenzten Hochwasser unzureichend ist.

51 (3) Es ist des Weiteren nicht davon auszugehen, dass entgegen der Einschätzung der BAW (PEU III 1.3, S. 42 f., 54 f.) die unterschiedlichen Höhenlagen in den neugestalteten Becken wegen starker Verschlickung schnell nivelliert und die Flächen insgesamt für den Schierlings-Wasserfenchel ungeeignet werden.

52 (3.1) Ohne Erfolg berufen sich die Kläger auf eine in der mündlichen Verhandlung weiter erläuterte gutachterliche Stellungnahme von Prof. Dr. Zanke.

53 Die darin vorgebrachten Einwände gegen die den Einschätzungen der BAW zugrundeliegenden Modellierungen greifen nicht durch. Sie beziehen sich auf eine zur zweiwöchigen Simulation ergänzend herangezogene Simulation über einen Zeitraum von zwei Jahren.

54 Soweit die Kläger die Ergebnisse dieser Langzeitsimulation wegen aus ihrer Sicht nicht plausibler und folglich fragwürdiger Ergebnisse und Entwicklungen bezweifeln, ist dem nicht zu folgen. Was den in der Simulation auftretenden Sedimentverlust im Elbmündungsgebiet in Höhe von 7,5 Mio. m³ in zwei Jahren angeht, verweisen die Beklagten auf die im Rahmen der Gewässerunterhaltung umgelagerten Baggermengen von ca. 20 Mio. m³ Sediment pro Jahr, die in der Simulation nicht berücksichtigt werden. In der Präsentation in der mündlichen Verhandlung ist der Gutachter der Kläger auf diesen Einwand dann auch nicht mehr zurückgekommen.

55 Die Kläger rügen des Weiteren "erratische Änderungsstrukturen" in der Darstellung der Entwicklung der Sohlhöhen, die nur als "verfahrensabhängige Artefakte" einzustufen seien und auf ein fehlerhaftes Transportschema schließen ließen. Bereits die vom Gutachter hierzu vorgelegte graphische Darstellung, die im Maßstab eine vielfache Überhöhung abbildet (Stellungnahme von Prof. Dr. Zanke von Mai 2020, S. 23 Abb. 11; in der mündlichen Verhandlung vorgelegte Folie 10), kann indessen zu Missverständnissen Anlass geben. Denn die in der Modellierung der BAW angegebenen Änderungen beziehen sich auf Erosion und Sedimentation ausgehend von gegebenen Sohlhöhen. Diese führen bezogen auf die natürlichen Größenverhältnisse, wie von der BAW nachvollziehbar erläutert, auf eine Sohlstruktur mit langen Wellen, die als solche nicht unplausibel ist.

56 Auch der Einwand, das Modell verwende bei der Erfassung der Breite der Norderelbe eine extrem grobe Auflösung mit zu wenigen Rechenpunkten, so dass der durchströmte Querschnitt zu ungenau bestimmt werde, um Durchfluss- und Suspensionscharakteristika einigermaßen zutreffend zu erfassen, greift nicht durch. Die hierzu in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Folien 6 und 7 mit der beispielhaften Wiedergabe eines Querschnitts belegen indessen, dass der gepeilte Querschnitt und der dem Modell zugrunde gelegte - wie auch der Gutachter einräumt - eine große Ähnlichkeit aufweisen. Es ist aber nicht ersichtlich, dass die geringe prozentuale Abweichung der Querschnittsfläche der Verwertbarkeit im Rahmen einer modellhaften Berechnung, die zudem im Wege der wasserbaulichen Systemanalyse zu bewerten ist, entgegenstehen könnte.

57 Schließlich sind die Angaben zu den Änderungen des Tidehubs am Pegel Hamburg-St. Pauli, an denen der Gutachter vor dem Hintergrund der Prognosen im Planfeststellungsverfahren Anstoß genommen und daraus auf einen verfälschten morphologischen Nachlauf geschlossen hat, durch die Erläuterungen der Vertreter der BAW in der mündlichen Verhandlung nachvollziehbar erklärt worden. Der Planfeststellungsbeschluss geht von einer ausbaubedingten Änderung des mittleren Tidehubs von +0,05 m aus (PFB, S. 234; Gutachten H.1a, S. 76 und Anlage 2, S. 40 Bild 34, Anlage 4, S. 174 Bild 166 <niedriges Oberwasser>, sowie Anlage 7, S. 174 Bild 166 <hohes Oberwasser>). Demgegenüber weisen die Daten in der zweijährigen Simulation, wie von den Vertretern der BAW in der mündlichen Verhandlung dem Grunde nach bestätigt, aufgrund eines deutlichen Anstiegs des Tideniedrigwassers eine Abnahme des Tidehubs um ca. 0,5 - 0,6 m aus (Stellungnahme von Prof. Dr. Zanke von Mai 2020, S. 30 Abb. 19, S. 31 Abb. 20; in der mündlichen Verhandlung vorgelegte Folie 12). Diese Abweichung ist nach den Angaben der BAW darauf zurückzuführen, dass in der Simulation die Unterhaltungsbaggerungen nicht berücksichtigt worden sind. Vielmehr sollen so die natürlichen Tiden der Jahre 2010 und 2011 und die mittleren Tidehochwasser abgebildet werden, die in ihrer Bandbreite das Sedimentationsgeschehen abbilden; die Unterhaltungsbaggerungen können wegen deren unregelmäßiger Praxis in eine solche Simulation nicht einfließen. Dass diese Vorgehensweise der Verwertbarkeit der Ergebnisse der Studie entgegenstehen könnte, ist schon deswegen nicht ersichtlich, weil die Modellierung von maximalen Schwebstoffgehalten ausgeht.

58 (3.2) Der Abgleich mit den tatsächlichen Verhältnissen und Entwicklungen im Bereich der Billwerder Bucht führt ebenfalls nicht zu dem Ergebnis, dass die Prognosen der BAW zu den nur geringen Sedimentationsraten in der Kohärenzsicherungsmaßnahme als nicht tragfähig anzusehen wären.

59 Im nördlichen Bereich der Billwerder Bucht, d.h. nahe an der Verbindung zur Norderelbe, geht die BAW von maximalen Schwebstoffgehalten im Mittelwert von 0,05 kg/m³ bei Variationen in der gleichen Größenordnung aus (PEU III 1.3, S. 26, S. 33 Bild 27, S. 34 Bild 28). Dies entspricht im Wesentlichen den vom Gutachter Prof. Dr. Jensen herangezogenen Messwerten der Messstelle Bunthausspitze mit Maximalwerten von 0,045 bis 0,075 kg/m³. Ohne Aussagekraft ist indessen der Hinweis auf - auch bei korrekter Umrechnung der Maßeinheiten - deutlich höhere Schwebstoffgehalte bei Butzeck et al. (Sediment Deposition and Accretion Rates in Tidal Marshes Are Highly Variable Along Estuarine Salinity and Flooding Gradients, in: Butzeck, Tidal marshes of the Elbe Estuary - spatial and temporal dynamics of sedimentation and vegetation, 2014, S. 39 ff.). Denn diese Werte beziehen sich auf die Haseldorfer Marsch (S. 43) im Bereich von Elbe-km 650 (siehe dazu BAW-Gutachten H.1c, Anlage 1, S. 246 Bild 202, S. 258 Bild 212) und sind mit den Verhältnissen weiter stromauf nicht gleichzusetzen. Ohne Bedeutung ist auch die von den Klägern in der mündlichen Verhandlung vorgelegte Messreihe aus dem Wassergütemessnetz, die die Trübung an der Messstelle Seemannshöft aus dem Jahre 2017 wiedergibt. Die in der Einheit FNU durch Streulichtmessung bestimmte Trübung hat zwar eine Korrelation zum Schwebstoffgehalt. Aus diesen Daten kann demnach geschlossen werden, dass der Schwebstoffgehalt am 21. März 2017, auf den der Fachbeitrag beispielhaft Bezug nimmt (PEU III 1.3, S. 25 Fn. 2), nicht dem Maximalwert des Jahres entspricht. Das ist jedoch unerheblich, weil der Fachbeitrag ohnehin nicht den zum damaligen Zeitpunkt gemessenen, sondern einen höheren maximalen Mittelwert in die Modellierung einstellt.

60 Ausgehend von den demnach nachvollziehbar zugrunde gelegten Angaben zu den Schwebstoffgehalten erklärt der Fachbeitrag die niedrigen Sedimentationsraten im Gebiet der KSM Tideanschluss Billwerder Insel damit, dass die Schwebstoffe, die eine höhere Sinkgeschwindigkeit aufweisen, bereits im nördlichen Teil der Billwerder Bucht sedimentieren. Nur die Schwebstofffraktionen mit sehr kleinen Sinkgeschwindigkeiten erreichen die Becken, sodass auch die entsprechenden Sedimentationsraten nur sehr gering sind. Zudem strömt in der ersten Flutstromphase noch kein Wasser in den Holzhafengraben und die neu angeschlossenen Becken. Dadurch sind die Menge des sedimentationsfähigen Materials und der Zeitraum, in dem eine Sedimentation stattfinden kann, begrenzt (PEU III 1.3, S. 55). Diese in der mündlichen Verhandlung noch weiter vertieften Darlegungen werden durch die Entwicklungen der letzten Jahre in Teilbereichen der im Jahr 2008 erfolgten Rückdeichung Billwerder Insel/Holzhafen im Südwesten der Billwerder Bucht nicht infrage gestellt.

61 Dort sind zwar Verschlickungstendenzen zu verzeichnen (siehe Brandt, Monitoring-Bericht, S. 11 f. <morphologische Entwicklung>; sowie Neubecker, Ergebnisse zum FFH-Monitoring des Schierlings-Wasserfenchel in Hamburg 2017, Vortrag für Stiftung Lebensraum Elbe, 27. März 2018, Bl. 16;), doch verbietet sich aufgrund der unterschiedlichen örtlichen Verhältnisse eine undifferenzierte Übertragung der dortigen Beobachtungen und die Annahme, dass die neugestalteten Becken binnen kurzer Zeit ihre Eignung als Habitat für den Schierlings-Wasserfenchel verlieren.

62 Aus dem Monitoring-Bericht (Brandt, Monitoring-Bericht, S. 35 f. mit Abb. 27, 28) ergibt sich vielmehr, dass lediglich die Priele im Süden des Untersuchungsgebiets weiter aufgeschlickt worden sind; sie erreichen mittlerweile das Niveau des umgebenden Geländes und sind als Priele nur noch wegen der fehlenden Vegetation erkennbar. Die Verlandung wird darauf zurückgeführt, dass in diesem Bereich das abfließende Wasser keine erosive Wirkung entfaltet, weil die künstlich angelegten Priele bezogen auf die natürliche Gewässerdynamik überdimensioniert waren. Anders stellt sich jedoch die Situation in der Mitte des Rückdeichungsgebiets dar, wo eine Insel angelegt worden ist. Dort sind die Prielabschnitte - wenn auch gegenüber der Ausgangssituation schmaler - noch vorhanden, haben oft sandiges Substrat und zeigen entlang der Uferböschungen leichte Erosionserscheinungen. Mit den so charakterisierten Verhältnissen im mittleren Bereich der Rückdeichung ist die Geländemodellierung in den Absatzbecken mit dem verästelten Prielsystem und den Gehölzinseln aber vergleichbar. Dieses Relief führt zusammen mit dem relativ schmalen Holzhafengraben als der Verbindung der Tidebecken zur Billwerder Bucht, auf die die BAW in der mündlichen Verhandlung insbesondere hingewiesen hat, dazu, dass das Wasser in den Becken meist in Bewegung ist. Lange Stauwasserzeiten, die die Sedimentation feiner Schwebstoffe begünstigen, werden so im Unterschied zum südlichen Teil des Rückdeichungsgebiets vermieden. Die im Fachbeitrag angenommenen geringen Sedimentationsraten haben sich nach Angaben der Beklagten in der mündlichen Verhandlung mittlerweile nach Durchführung der Arbeiten bei einer Messung des Schwebstoffgehalts bestätigt: Der Unterschied zwischen Einlauf und Auslauf ist mit 34 mg/l zu 30,5 mg/l relativ klein.

63 cc) Den Klägern ist allerdings zuzugeben, dass die Lage der Kohärenzsicherungsmaßnahme wegen der relativ großen Entfernung vom Hauptstrom unter dem Aspekt der Verbindung zu anderen Populationen des Schierlings-Wasserfenchels nicht optimal ist. Eine Konnektivität durch die Möglichkeit der Verdriftung der Samen ist im Idealzustand, wie die Kläger zutreffend betonen, bei einer Entfernung von höchstens 3 km gegeben. Gleichwohl kann festgestellt werden, dass die Kohärenzsicherungsmaßnahme geeignet ist, die Funktionseinbußen durch den Verlust der Wuchsorte des Schierlings-Wasserfenchels zu kompensieren, indem sie zur Ausbildung einer Metapopulation beiträgt.

64 Zum einen ist festzuhalten, dass die Diasporen eine durchaus größere Reichweite haben. Denn sie können innerhalb von zwei Tiden bis zu 8 km zurücklegen (vgl. PEU III 1.5, S. 48). Darüber hinaus bleiben die Diasporen, auch nachdem sie an einer ungeeigneten Stelle abgesunken sind, noch viele Jahre keimfähig. Wenn sie remobilisiert werden, besteht die Möglichkeit, dass sie auch nach längerer Zeit an einen geeigneten Wuchsort gelangen (3. PEB, S. 85). Zum anderen ist jedenfalls eine Verbindung zu Beständen bzw. (potentiellen) Wuchsorten im Holzhafen und insbesondere im Bereich der Rückdeichung gegeben. Darauf kann abgestellt werden, obwohl der Bestand des Schierlings-Wasserfenchels dort seit dem im Jahre 2013 erreichten Höchststand aufgrund natürlicher Prozesse, insbesondere auch der Entwicklung der sonstigen Vegetation, stark zurückgegangen ist. Denn aufgrund der dort gegebenen günstigen Entwicklungsbedingungen ist angesichts der natürlichen Sukzession nicht zuletzt wegen des vorhandenen Diasporenreservoirs perspektivisch nicht von einem Erlöschen dieser Population, sondern von einer erneuten Zunahme auszugehen (siehe Brandt, Monitoring-Bericht, S. 24 ff., 42). Darüber hinaus ist das von den Beklagten erwähnte spontane Auftreten des Schierlings-Wasserfenchels im Holzhafen infolge des Autobahnausbaus (vgl. Brandt, Monitoring-Bericht, S. 24) zwar kein zwingender Beleg für eine Samenverdriftung aus der Elbe; eine gewisse Wahrscheinlichkeit ist damit aber dargetan. Ein Austausch mit den Vorkommen an der Spadenländer Spitze oder in der neu angelegten Maßnahme Kreetsand liegt folglich durchaus im Bereich des Möglichen (vgl. auch Neubecker, PLAN, Der Schierlings-Wasserfenchel, Monitoring und fachliche Begleitung der Vermessung von Maßnahmenflächen in Hamburg, Jahr 2018, 14. November 2019, S. 44 zum Vorkommen Heuckenlock/Schweenssand als Quellpopulation für Funde an der Spadenländer Spitze). Von einem bloßen naturfernen "botanischen Garten" kann folglich ungeachtet der konkreten Lage und einer weiterhin vorhandenen deutlichen äußeren Begrenzung der Tidebecken ohne sanften Übergang zur Umgebung nicht die Rede sein.

65 b) Zu Unrecht rügen die Kläger, dass die Anordnungen in den Planfeststellungsbeschlüssen unter A.II.3.4 (Kompensationsmaßnahmen) zur zeitlichen Umsetzung der Kohärenzsicherungsmaßnahmen (siehe BVerwG, Urteil vom 9. Februar 2017 - 7 A 2.15 - BVerwGE 158, 1 Rn. 459) nicht auf die Festsetzungen in den 3. Planergänzungsbeschlüssen übertragen worden seien. Einer solchen ausdrücklichen Regelung für die KSM Tideanschluss Billwerder Insel bedurfte es nicht. Denn die 3. Planergänzungsbeschlüsse verschmelzen mit den Planfeststellungsbeschlüssen zu einer einheitlichen Entscheidung (BVerwG, Urteil vom 9. Februar 2017 a.a.O. Rn. 19), sodass die dort getroffenen Anordnungen zur Umsetzung von Kohärenzsicherungsmaßnahmen auch für die nunmehr festgesetzte Maßnahme gelten.

66 c) Auf den Vortrag der Kläger zur eingeschränkten Eignung der Maßnahme zur Kohärenzsicherung für den LRT 1130 kommt es im Ergebnis nicht an. Selbst wenn der in der Kohärenzsicherungsbilanz für den LRT Ästuarien (3. PEB, S. 112 f.) für den Tideanschluss Billwerder Insel angesetzte anrechenbare Kohärenzumfang in Höhe von 5,87 ha entfiele, verblieben in der Summe weiterhin 349,12 ha, womit das Kohärenzziel von (lediglich) 321 ha immer noch deutlich übertroffen wird.

67 5. Ohne Erfolg bemängeln die Kläger die Einstufung der in Niedersachsen vorgesehenen Maßnahmen als taugliche Kohärenzsicherungsmaßnahmen.

68 Der Senat hat in seinem Urteil vom 9. Februar 2017 - 7 A 2.15 - (BVerwGE 158, 1 Rn. 426 ff.) bemängelt, dass die Planfeststellungsbeschlüsse in der Fassung der 2. Planergänzungsbeschlüsse bei der gebotenen Abgrenzung von ohnehin zu ergreifenden Standardmaßnahmen einerseits und Kohärenzsicherungsmaßnahmen andererseits zwar auf die im Bewirtschaftungsplan nach zutreffenden rechtlichen Maßstäben aufgeführten kohärenzgeeigneten Maßnahmentypen Bezug nehmen, es jedoch einzelfallbezogen an der nachvollziehbaren Darlegung fehlt, dass die konkrete Maßnahme gerade nicht - ungeachtet des Fehlen eines Managementplans - bereits im Rahmen des Gebietsmanagements nach Art. 6 Abs. 1 und 2 FFH-RL (§ 32 Abs. 3 BNatSchG) zu ergreifen, sondern vielmehr "überschießend" waren. Er hat darauf hingewiesen, dass es einer solchen Abgrenzung insbesondere dann bedarf, wenn der Erhaltungszustand des Gebiets bei der Meldung ungünstig war und es weiterhin auch ist. Denn die Ausweisung eines Schutzgebiets dient ausweislich des weiten Begriffs der Erhaltung in Art. 1 Buchst. a FFH-RL auch der Wiederherstellung eines günstigen Erhaltungszustands, sodass sich die Standardmaßnahmen nicht auf die Erhaltung eines Status quo beschränken können. Allerdings sind nicht alle Maßnahmen, die der Verbesserung eines Lebensraumes dienen, der sich in einem ungünstigen Erhaltungszustand befindet, durch Art. 6 Abs. 1 oder 2 FFH-RL geboten.

69 Auf der Grundlage des vom Senat bereits bestätigten Kohärenzsicherungskonzepts (siehe BVerwG, Urteil vom 9. Februar 2017 - 7 A 2.15 - BVerwGE 158, 1 Rn. 442) bewältigen die 3. Planergänzungsbeschlüsse diese Schwierigkeit durch eine differenzierende Betrachtung des FFH-Gebiets "Unterelbe" als Ganzes einerseits und der Teilgebiete, in denen die Maßnahmen vorgesehen sind, andererseits. Sie stellen im Anschluss an das Gutachten PEU III 3 (S. 11) zunächst fest, dass für die Einstufung des Erhaltungszustands des LRT 1130 im Gesamtgebiet mit "C" angesichts der anthropogenen Überformung des Sublitorals durch die prägende Nutzung als Bundeswasserstraße hauptsächlich die Defizite im aquatischen Bereich verantwortlich seien. Demgegenüber könne schon aufgrund des flächenmäßigen Verhältnisses die Bewertung im (semi-)terrestrischen Bereich für die Gesamtschau nicht maßgeblich sein. Zur Beseitigung bzw. Minderung der Defizite im aquatischen Bereich gebe es (nur) mittel- und langfristig wirkende Konzepte, die als Standardmaßnahmen geeignet seien, um dort großflächig Verbesserungen zu bewirken. In den Teilgebieten, in denen die Kohärenzsicherungsmaßnahmen umgesetzt werden sollten, sei der aktuelle Erhaltungszustand aufgrund der in den Naturschutzgebieten durchgeführten großflächigen Naturschutzmaßnahmen und natürlichen Prozesse mittlerweile als günstig ("B") zu bewerten. In diesen Teilbereichen erfolgt sodann eine Priorisierung weiterer Aufwertungsmaßnahmen; dabei werden angesichts der dort bereits erreichten deutlichen Verbesserungen Standardmaßnahmen im Rahmen des Gebietsmanagements in erster Linie für die Erhaltung des Status quo sowie zur Vermeidung von Verschlechterungen und Störungen als erforderlich angesehen.

70 Dieses Vorgehen ist rechtlich nicht zu beanstanden. Auf eine naturschutzfachliche Einschätzungsprärogative können sich die Beklagten dabei allerdings nicht berufen (so aber noch BVerwG, Urteil vom 9. Februar 2017 - 7 A 2.15 - BVerwGE 158, 1 Rn. 421). Abgesehen davon, dass diese Argumentationsfigur durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts überholt ist (BVerfG, Beschluss vom 23. Oktober 2018 - 1 BvR 2523/13 u.a. - BVerfGE 149, 407 Rn. 18 ff., 23), stellt sich insoweit auch nicht die Frage der Grenzen der tatbestandsbezogenen Erkenntnis- und Sachaufklärungsmöglichkeiten des Gerichts angesichts eines strukturellen Erkenntnisdefizits, sondern eine Rechtsfrage, deren Kontrolle immer dem Gericht obliegt.

71 Zutreffend gehen die Beklagten im Anschluss an den Fachbeitrag davon aus, dass das FFH-Gebiet "Unterelbe" nur bei einer auf Teilgebiete bezogenen Betrachtungsweise angemessen erfasst und bewertet werden kann (PEU III 3, S. 4). Das folgt zum einen aus der Eigenart des prägenden LRT 1130, der als Komplexlebensraum aus zahlreichen Biotoptypen bestehen und weitere Lebensraumtypen umfassen kann (BVerwG, Urteil vom 9. Februar 2017 - 7 A 2.15 - BVerwGE 158, 1 Rn. 250, 262; BfN, Natura 2000, Lebensraumtypen, 1130, Kartierungshinweise). Zum anderen fordert auch die schiere Größe und räumliche Ausdehnung dieses Gebiets eine Aufspaltung in Teilräume, womit allein eine realitätsgerechte Betrachtung der Qualitätsunterschiede ermöglicht wird. Als mögliche Kriterien für die Abgrenzung der Teilräume werden Salinitätsstufen, Differenzierung in Sublitoral/Eulitoral/Supralitoral, Haupt- und Nebenflüsse bzw. -arme, Buchten, Inseln sowie Art der landwirtschaftlichen Nutzung benannt (siehe NLWKN, Hinweise zur Definition und Kartierung der Lebensraumtypen von Anhang I der FFH-Richtlinie in Niedersachsen, Stand Februar 2014, S. 10). Wenn hiernach auf der einen Seite das Sublitoral im Hauptstrom mit der Fahrrinne, auf der anderen Seite Lebensräume in den Nebenelben und (semi-)terrestrischen Gebieten gesondert erfasst werden, wird das den Besonderheiten dieses FFH-Gebiets ersichtlich gerecht. Das Sublitoral im Hauptstrom wird in besonderer Weise durch die Nutzung der Elbe als Bundeswasserstraße geprägt. Die daraus folgenden Anforderungen stehen in deutlichem Gegensatz zu den mit der Ausweisung als FFH-Gebiet verfolgten Zielen. Eine realitätsnahe Betrachtung muss in Rechnung stellen, dass insoweit - und nachfolgend auch für das gesamte FFH-Gebiet - die Erreichung eines bzw. die Annäherung an einen günstigen Erhaltungszustand(s) nur mit langfristigen und großflächig wirkenden und auch gebietsübergreifenden Maßnahmen anzustreben ist. Solche Standardmaßnahmen im Sinne von Art. 6 Abs. 1 FFH-RL bleiben nicht bloß hypothetisch, sondern werden in Gestalt von Anforderungen an die Umsetzung des Strombau- und Sedimentmanagementkonzepts sowie der Integration der Natura 2000-Belange in die laufende Unterhaltung der Elbe (3. PEB, S. 95; PEU III 3, S. 18, Tabelle 4-1) auch konkret benannt.

72 Die Teilräume, in denen die Kohärenzsicherungsmaßnahmen vorgesehen sind, sind demgegenüber von diesem flächenmäßig dominierenden und deswegen das Gesamtgebiet prägenden Ausschnitt deutlich zu unterscheiden. Das gilt nicht nur für die terrestrischen Gebiete NI 3 (Allwördener Außendeich-Mitte) und NI 4 (Allwördener Außendeich-Süd) sowie NI 5 (Insel Schwarztonnensand Nord und Süd), sondern in gleicher Weise für die Gebiete NI 1 (Schwarztonnensander Nebenelbe mit Ufer Asseler Sand) sowie NI 2 (Barnkruger Loch). Diese werden allerdings nicht ohne Weiteres von der - jedenfalls in der Klageerwiderung - tragenden Argumentation der Beklagten erfasst. Denn sie stellen bei der rechtlichen Bewertung der Kohärenzsicherungsmaßnahmen darauf ab, dass sie dem (semi-)terrestrischen Teil des LRT 1130 zuzuordnen seien, und (nur) deswegen einer gesonderten Betrachtung neben dem nachhaltig beeinträchtigten Sublitoral zuzuführen sind. Gemäß den Ausführungen in der Planunterlage PÄ I 4, S. 195 handelt es sich bei der Maßnahme NI 1 um eine "aquatische Ausgleichsmaßnahme" (siehe dort auch Tabelle 7-1 und 7-2 sowie PEU III 3, S. 25: KSM NI 1 und NI 2 beziehen sich überwiegend auf eu- und sublitorale Bereiche). Jedoch unterscheidet sich das Teilgebiet der Nebenelbe deutlich von dem durch die Nutzung der Elbe als Bundeswasserstraße degradierten Sublitoral, sodass die Maßnahme zur partiellen Verbesserung des Sublitorals durch die Vergrößerung von Flachwasserbereichen nicht wegen dieses Bezugs zwingend den Standardmaßnahmen zuzuordnen ist.

73 6. Schließlich gehen die Einwände gegen die Alternativenprüfung fehl.

74 Die Beklagten haben im Rahmen der fachplanerischen Abwägung zur ergänzenden Kohärenzsicherungsmaßnahme dargelegt, dass es einen vorzugswürdigen alternativen Standort, an dem Lebensraum für den Schierlings-Wasserfenchel im erforderlichen Umfang ohne andere unzulässige Eingriffe in Natur und Umwelt zügig geschaffen werden könnte, nicht gegeben habe; auch eine Optimierung anderer Standorte sei nicht vorzugswürdig, weil die Kohärenzsicherung nur unzureichend bzw. in kleinem Umfang erreicht werden könnte (3. PEB, S. 79 f.). Dies ist nicht zu beanstanden.

75 a) Die Alternativenprüfung ist Teil des aus dem Wesen einer rechtsstaatlichen Planung folgenden Abwägungsgebots. Es verlangt, dass die von einer Planung berührten öffentlichen und privaten Interessen gegeneinander und untereinander gerecht abgewogen werden. Dabei müssen auch sich ernsthaft anbietende Alternativlösungen bei der Zusammenstellung des abwägungserheblichen Materials berücksichtigt werden und mit der ihnen objektiv zukommenden Bedeutung in die vergleichende Prüfung der von den möglichen Alternativen jeweils berührten öffentlichen und privaten Belange Eingang finden (BVerwG, Urteil vom 18. März 2009 - 9 A 39.07 - BVerwGE 133, 239 Rn. 131).

76 Die Prüfung, ob insoweit dem Abwägungsgebot bei der Planung der KSM Tideanschluss Billwerder Insel Rechnung getragen worden ist, eröffnet entgegen der Auffassung der Kläger nicht den (erneuten) Zugriff auf die Rechtmäßigkeit der Gesamtplanung. Die hierauf bezogene habitatrechtliche Alternativenprüfung (§ 34 Abs. 3 Nr. 2 BNatSchG; siehe dazu BVerwG, Urteil vom 9. Februar 2017 - 7 A 2.15 - BVerwGE 158, 1 Rn. 409 ff.) und das Ergebnis der FFH-Verträglichkeitsprüfung, die den Vorrang von Schadensminderungsmaßnahmen beachten muss, sind Grundlage der Überlegungen zur Planung einer Kohärenzsicherungsmaßnahme.

77 b) Vor dem Hintergrund des rechtsstaatlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes und insbesondere des Gebots der Eingriffsminimierung hat die auf die Kohärenzsicherungsmaßnahme bezogene Alternativenprüfung jedenfalls zum Gegenstand, ob es für eine taugliche Kohärenzsicherungsmaßnahme im gewählten, durch die Kohärenzsicherungsbilanz erforderlichen Umfang überhaupt andere Standorte gibt und diese wegen eines geringeren Ausmaßes der damit verbundenen negativen Wirkungen auf die von ihr betroffenen Rechtsgüter vorzugswürdig sind. Ist diese Eingriffswirkung am in erster Linie ins Auge gefassten Standort letztlich unerheblich, weil entgegenstehende private Interessen nicht bestehen und öffentliche Interessen an der Erhaltung des gegenwärtigen Zustands nur als geringwertig einzustufen sind, verliert die Alternativenprüfung an Gewicht. Die hierauf ausgerichtete Alternativenprüfung führt nicht auf Gründe, die gegen die gewählte Kohärenzsicherungsmaßnahme sprechen. Insbesondere stellen die 3. Planergänzungsbeschlüsse (S. 80) nachvollziehbar auf ein geringes ökologisches Konfliktpotential bei der Umgestaltung der Absetzbecken ab.

78 c) Nach Ansicht der Kläger ist im Rahmen der Alternativenprüfung - und den vorstehenden Überlegungen vorgelagert - auch die Optimierung des Kohärenzsicherungspotentials der Maßnahme anzustreben. Ob diese Rechtsauffassung mit dem Wortlaut der unionsrechtlichen Vorgaben in Einklang steht, wo in Art. 6 Abs. 4 Unterabs. 1 Satz 1 FFH-RL von "notwendigen Ausgleichsmaßnahmen" zur Sicherstellung des Schutzes der globalen Kohärenz von Natura 2000 die Rede ist, kann dahinstehen. Auch kann offenbleiben, wie die Aussage im Vermerk der Kommission vom 21. November 2018 (Natura 2000 - Gebietsmanagement - Die Vorgaben des Artikels 6 der Habitat-Richtlinie 92/43/EWG, ABl. 2019 C 33 S. 1) zu verstehen ist, wonach "bei der Entscheidung zwischen verschiedenen Möglichkeiten des Ausgleichs (...) die Maßnahmen mit der größten Wirksamkeit und den höchsten Erfolgsaussichten auszuwählen (sind)" (Ziffer 5.5.2: Wirksamer Ausgleich). Denn auch solchen Anforderungen wird die Entscheidung der Beklagten für die Errichtung einer Kohärenzsicherungsmaßnahme am gewählten Ort gerecht. Einer von den Klägern angeregten Vorlage zum Gerichtshof der Europäischen Union bedarf es daher nicht.

79 Die Beklagten haben hinreichend dargetan, dass eine praktikable Alternative für eine Kohärenzsicherungsmaßnahme im gebotenen Umfang nicht zur Verfügung stand. Dabei ist auch die Möglichkeit einer zügigen Umsetzbarkeit einzustellen, weil die Kohärenzsicherungsmaßnahme auf ein Vorhaben bezogen ist, an dessen Realisierung ein öffentliches Interesse besteht. Deswegen waren die Beklagten nicht gehalten, z.B. eine Mehrzahl kleinerer Projekte - etwa als Trittsteinbiotope - ins Auge zu fassen; dabei kann hier offenbleiben, ob solche in einem ausreichenden Gesamtumfang angesichts schon in Planung bzw. Ausführung befindlicher Maßnahmen in absehbarer Zeit überhaupt zur Verfügung stehen könnten (siehe zu solchen Maßnahmen und Überlegungen etwa FHH BUE, Michalczyk, Maßnahmen und Planungen für den Schierlings-Wasserfenchel in Hamburg, Erfahrungsaustausch Schierlings-Wasserfenchel, 28. März 2018). Insbesondere mussten die Beklagten nicht ein ersichtlich aufwändiges Verfahren im Zusammenhang mit der Rückverlegung des Moorwerder Hauptdeichs im Bereich Ellerholz in Erwägung ziehen. Im Übrigen spricht aber nichts dagegen, auch in diesem Gebiet weitere Wuchsorte für den Schierlings-Wasserfenchel zu schaffen. Entsprechendes gilt etwa für eine Rückdeichung im Gebiet Spadenlander Busch oder den Hinweis in der mündlichen Verhandlung auf Vorschläge im Integrierten Bewirtschaftungsplan (IBP) für das Elbeästuar (2012), wo unter den wichtigen Maßnahmen für den Schierlings-Wasserfenchel u.a. die Reaktivierung von früheren Vorkommensschwerpunkten in der Haseldorfer Marsch und durch Wiederanbindung der Alten Süderelbe genannt werden (A. 5.2.2, S. 62). Auf solche ausdrücklich als "Visionsprojekte" bezeichneten Vorstellungen mussten sich die Beklagten in der gegebenen Situation nicht näher einlassen. Der von den Klägern als fehlend gerügten ausdrücklichen Dokumentation bedurfte es bei dieser Sachlage nicht.

80 7. Die 3. Planergänzungsbeschlüsse verstoßen nicht gegen zwingende Vorschriften des Artenschutzrechts. Entgegen der Auffassung der Kläger ist nicht davon auszugehen, dass die artenschutzrechtliche Beurteilung des Vorhabens auf einer nicht methodengerechten Bestandserfassung beruht und somit schon deswegen keine verlässliche Aussage über einen Verstoß gegen die Verbotstatbestände des § 44 BNatSchG erlaubte.

81 Die gebotenen artenschutzrechtlichen Untersuchungen setzen eine ausreichende Ermittlung und Bestandsaufnahme der im Vorhabensbereich vorhandenen Pflanzen- und Tierarten sowie von deren Lebensräumen voraus. Dabei ist kein lückenloses Arteninventar zu erstellen. Die Untersuchung hängt vielmehr von den naturräumlichen Gegebenheiten im Einzelfall ab. Die hierbei anzuwendenden Methoden sind normativ nicht vorgegeben, sondern ergeben sich aus außerrechtlichen Maßstäben. Regelmäßig liegt der Ermittlung artenschutzrechtlicher Betroffenheiten neben einer Auswertung bereits vorhandener Erkenntnisse und Fachliteratur eine - unter Zuhilfenahme einschlägiger, im Interesse einer Standardisierung erarbeiteter Leitfäden und Arbeitshilfen vorgenommene - Bestandserfassung an Ort und Stelle zugrunde (stRspr, vgl. BVerwG, Urteile vom 9. Juli 2008 - 9 A 14.07 - BVerwGE 131, 274 Rn. 54, 59 und vom 28. April 2016 - 9 A 9.15 - BVerwGE 155, 91 Rn. 128 f.). Bei dieser muss sich der Gutachter an den - soweit vorhanden - allgemein anerkannten fachwissenschaftlichen Standards orientieren; fehlen diese, ist die gerichtliche Überprüfung insoweit auf eine bloße Vertretbarkeitskontrolle beschränkt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 23. Oktober 2018 - 1 BvR 2523/13 - BVerfGE 149, 407 Rn. 26 ff.).

82 Die Kläger bringen nicht vor, dass die Gutachter bei der Bestandserfassung selbst der Sache nach nicht methodengerecht vorgegangen seien mit der Folge, dass ihre Erkenntnisse schon deswegen unzureichend seien. Sie rügen vielmehr die Verwertbarkeit der Gutachten unter Verweis darauf, dass die Vorgehensweise unzureichend dokumentiert sei. Zum fachlichen Standard gehöre nämlich, für jede Begehung Datum, Beginn und Ende sowie die Witterungsbedingungen schriftlich festzuhalten (so BVerwG, Urteil vom 9. November 2017 - 3 A 4.15 - BVerwGE 160, 263 Rn. 46, 57; offengelassen in BVerwG, Urteil vom 11. Juli 2019 - 9 A 13.18 - NVwZ 2020, 788 Rn. 139).

83 Der Senat kann offenlassen, ob eine solche generelle Dokumentationspflicht einem allgemein anerkannten fachlichen Standard entspricht. Denn jedenfalls führt ein Dokumentationsmangel nicht zwingend zur Unverwertbarkeit der Ergebnisse der Bestandsaufnahme. Vielmehr kommt es darauf an, ob sich für die jeweiligen Untersuchungsergebnisse trotz dieses Fehlers die Überzeugung gewinnen lässt, dass die Daten in der Sache methodengerecht gewonnen wurden, was sich nur artspezifisch beurteilen lässt (BVerwG, Urteil vom 9. November 2017 - 3 A 4.15 - BVerwGE 160, 263 Rn. 46). Davon ist hier auszugehen.

84 Die von den Klägern genannten Formalitäten - Vermerk von Uhrzeit und Witterungsbedingungen - haben keinen Selbstzweck. Sie bringen die Selbstverständlichkeit zum Ausdruck, dass die erwähnten Randbedingungen für die Bestandserfassung und die Kartierung von Bedeutung sein können. Es ist jedoch, wie auch die Beklagten einwenden, eine differenzierende Betrachtung angezeigt.

85 So ist - soweit ersichtlich - bei der Flora die Tageszeit nur insoweit von Bedeutung, als die Bestandsaufnahme bei Tageslicht erfolgen sollte, damit die Möglichkeit besteht, die Pflanzen wahrzunehmen und zu erkennen. Bei Blütenpflanzen, die ihre Blüten nur bei Sonnenschein bzw. nur zu bestimmten Tageszeiten öffnen, erleichtert die Beachtung dieser Rahmenbedingung das Auffinden und die taxonomische Einordnung der Pflanze. Die sonstigen Witterungsbedingungen sind gegebenenfalls bei solchen Pflanzen von Bedeutung, die ihre Blüten bei (Dauer-)Regen schließen. Ansonsten sind die äußeren Bedingungen - von der Jahreszeit mit ihren Auswirkungen auf die Phänologie abgesehen - für das Kartieren von Pflanzen unerheblich, da sie ortsfest sind und sich nicht verbergen können. Die Kläger zeigen nicht auf, dass die Ergebnisse aufgrund des Fehlens der von ihnen vermissten Angaben ohne Aussagewert seien. Vielmehr zeichnet schon die Planergänzungsunterlage III 1.4 unter Ziffer 9.3 sowie die Planergänzungsunterlage III 1.6 unter Ziffer 5 auf der Grundlage der Biotopkartierung und der vorhabenbezogenen Bestandserfassungen ein sehr differenziertes Bild und weist eine Vielzahl von Arten in verschiedenen Biotopen nach. Es gibt keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass dabei Pflanzen nicht beachtet worden seien, die gegebenenfalls als prioritäre Art nach Anhang II/IV der FFH-Richtlinie für die FFH-Verträglichkeitsprüfung von Bedeutung hätten sein können.

86 Bei der Erfassung der Fauna, deren Vertreter mobil sind, haben die äußeren Umstände tendenziell ein größeres Gewicht. Die besonderen Lebensgewohnheiten der verschiedenen Arten können Einfluss auf die Anwesenheit bzw. die Erkennbarkeit und somit auf den Nachweis der Tiere haben. Den daraus folgenden Anforderungen sind die Gutachter bei der Bestandserfassung ausweislich des Fachbeitrags Flora und Fauna (LEGUAN Planungsbüro, PEU III 1.4, Anlage 1), auf den sich der Artenschutzfachbeitrag (PEU III 1.6, S. 16) stützt, nachgekommen. Darin wird die Methodik der Erfassung des Makrozoobenthos und der artenschutzrechtlich relevanten Arten (Zierliche Tellerschnecke, Scharlachkäfer, Fische, Amphibien, Brutvögel, Rastvögel, Fledermäuse, Haselmaus, Biber, Fischotter) erläutert. Hieraus lässt sich mit hinreichender Deutlichkeit entnehmen, dass die Bestandserfassung nicht zu beanstanden ist. Einer schematischen Angabe von Uhrzeit und Wetterbedingungen bedurfte es nicht. Vielmehr ist ungeachtet der insoweit lückenhaften Angaben davon auszugehen, dass ein jeweils artenspezifisch angemessenes Vorgehen gewählt und auch hinreichend dokumentiert worden ist. So ist insbesondere der nachtaktiven Lebensweise bestimmter Tierarten Rechnung getragen worden. Bei den Fledermäusen fanden neben einer Begehung am Tage zur Feststellung von Gehölz- und Gebäudestrukturen 12 nächtliche Begehungen von jeweils 4 bis 5 Stunden Dauer statt (PEU III 1.4, Anlage 1, S. 17), wobei die Feststellung der Fledermausarten in Anhang Tabelle 7-2 (PEU III 1.4) nach Uhrzeit und Flugverhalten (Jagd- oder Richtungsflug) dokumentiert wurden. Diese Begehungen wurden zugleich zur Verhörung nachtaktiver, rufender Amphibien (PEU III 1.4, Anlage 1, S. 13) und nachtaktiver Vogelarten (PEU III 1.4, Anlage 1, S. 14) genutzt. Bei den Brutvögeln wird darauf verwiesen, dass die Bestandserfassung im Wege des Verhörens und der Sichtbeobachtung "bei geeigneter Witterung und artspezifisch günstigen Erfassungszeitpunkten" (PEU III 1.4, Anlage 1, S. 13) stattgefunden habe; es wird ausdrücklich erwähnt, dass die Beobachtung der Eulen nachts erfolgt sei. Bei den Rastvögeln ist in Anhang Tabelle 7-1 (PEU III 1.4) eine Gesamtliste der Rastvogelarten nach Fundorten und Datum vorhanden, wobei hier von Mitte September 2016 bis Mitte April 2017 alle 14 Tage eine Überprüfung stattfand. Warum angesichts dieser Ermittlungsbemühungen und Ermittlungstiefe die Angabe der von den Klägern vermissten Randbedingungen von Bedeutung sein könnte, ist weder dargetan noch sonst ersichtlich. Für den Nachweis der Haselmaus wurden 55 Tubes und 12 Kästen installiert, und danach wurde die dort aufgefundene Losung analysiert (PEU III 1.4, Anlage 1, S. 17; Anhang Tabelle 7-3). Es erschließt sich nicht, dass es zu diesem Zweck auf die Witterungsbedingungen und die Uhrzeit bei der Kontrolle ankommen könnte. Der Nachweis des Fischotters wird anhand von Trittsiegeln, Spuren und Losung geführt, was in der vegetationsarmen Zeit leichter fällt (PEU III 1.4, Anlage 1, S. 20); auch hier trägt die Tageszeit ersichtlich nichts zum Erfolg der Suche nach solchen Hinweisen bei. Soweit schließlich das Makrozoobenthos bei Niedrigwasser untersucht wurde, ist auch das eine ausreichende Angabe.

87 8. Die 3. Planergänzungsbeschlüsse sind auch in wasserrechtlicher Hinsicht nicht zu beanstanden.

88 Einen Verstoß gegen das Verschlechterungsverbot nach § 27 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 1 und § 47 Abs. 1 Nr. 1 WHG sowie Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 2000/60/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2000 über die Schaffung eines Ordnungsrahmens für Maßnahmen der Gemeinschaft im Bereich der Wasserpolitik (ABl. L 327 S. 1) - Wasserrahmenrichtlinie - WRRL - haben die Beklagten zutreffend verneint. Das gilt sowohl für den durch den Bau und die fortlaufende Anbindung der Kohärenzsicherungsmaßnahme unmittelbar betroffenen Oberflächenwasserkörper (OWK) Elbe-Hafen und die übrigen OWK des Gesamtvorhabens als auch für den betroffenen Grundwasserkörper (GWK).

89 a) Eine Verschlechterung des ökologischen Potentials und des chemischen Zustands des erheblich veränderten OWK Elbe-Hafen liegt nicht vor.

90 aa) Eine Verschlechterung des ökologischen Potentials eines OWK im Sinne von § 27 Abs. 2 WHG, Art. 4 Abs. 1 Buchst. a Ziffer i WRRL liegt vor, sobald sich das Potential mindestens einer Qualitätskomponente (QK) des Anhangs V WRRL um eine Klasse verschlechtert, auch wenn diese Verschlechterung nicht zu einer Verschlechterung der Einstufung des OWK insgesamt führt. Ist die betreffende QK bereits in der niedrigsten Klasse eingeordnet, stellt jede Verschlechterung dieser Komponente eine Verschlechterung des Potentials des OWK dar (EuGH, Urteil vom 1. Juli 2015 - C-461/13 [ECLI:​EU:​C:​2015:​433], BUND - Rn. 70; BVerwG, Urteil vom 9. Februar 2017 - 7 A 2.15 - BVerwGE 158, 1 Rn. 479, 482 ff.).

91 (1) Die Prüfung einer Verschlechterung nach diesem Maßstab, die alle vorhabenbedingten Wirkpfade umfassen muss, setzt eine ordnungsgemäße Ermittlung des Ist-Zustands voraus (BVerwG, Beschlüsse vom 2. Oktober 2014 - 7 A 14.12 - DVBl 2015, 95 Rn. 12 und vom 25. April 2018 - 9 A 16.16 - DVBl 2018, 1426 Rn. 47, 51). Bei fehlender Einstufung des Wasserkörpers oder lückenhafter, unzureichender oder veralteter Datenlage sind gegebenenfalls weitere Untersuchungen erforderlich (BVerwG, Urteile vom 9. Februar 2017 - 7 A 2.15 - BVerwGE 158, 1 Rn. 489, vom 27. November 2018 - 9 A 8.17 - BVerwGE 163, 380 Rn. 27 und vom 11. Juli 2019 - 9 A 13.18 - NVwZ 2020, 788 Rn. 158 ff.).

92 (1.1) Die Einstufung des Wasserkörpers erfolgt nach § 5 Abs. 2 Satz 2 Oberflächengewässerverordnung (OGewV) sowie nach Maßgabe von Anlage 4, Tabelle 1 und 6 (WRRL, Anhang V, Tabelle 1.2 und 1.2 .5) grundsätzlich in ein System von fünf Klassen (höchstes, gutes, mäßiges, unbefriedigendes oder schlechtes Potential). Dabei sind gemäß § 5 Abs. 3 OGewV die in Anlage 5 aufgeführten Verfahren und Werte heranzuziehen. Dort sind unter Ziffer 1 für Fließgewässer für biologische QK (Makrophyten/Phythobenthos, benthische wirbellose Fauna, Fischfauna) bestimmte Bewertungsverfahren vorgeschrieben und nach Maßgabe der Einordnung des Gewässers in verschiedene Typen ökologische Qualitätsquotienten (Ecological Quality Ratio - EQR) als Grenzwerte für die Abgrenzung des sehr guten/höchsten vom guten und des guten vom mäßigen Zustand bzw. Potential anzugeben (WRRL, Anhang V Nr. 1.4.1 Ziffer ii, iii). Die Verwendung von EQR wird in der Wasserrahmenrichtlinie, Anhang V Nr. 1.4.1 Ziffer ii vorgegeben (EuGH, Urteil vom 1. Juli 2015 - C-461/13 - Rn. 57 f.).

93 Der Bewirtschaftungsplan (BWP) der Flussgebietsgemeinschaft Elbe vom 12. November 2015 für den Zeitraum von 2016 bis 2021, auf den sich die 3. Planergänzungsbeschlüsse im Anschluss an den Fachbeitrag für die Einstufung zulässigerweise stützen (BVerwG, Urteil vom 9. Februar 2017 - 7 A 2.15 - BVerwGE 158, 1 Rn. 488 ff.), weicht von der Vorgabe einer Einstufung in fünf Potentialklassen zwar insoweit ab, als die beiden obersten Klassen zu einer Klasse "gut und besser" verbunden werden (S. 73). Dieses Vorgehen beruht wohl auf zumindest missverständlichen Ausführungen im CIS-Guidance Document Nr. 13 (Overall Approach to the Classification of Ecological Status and Ecological Potential, 2003) Seite 5. Dort wird - anders als noch auf Seite 3 - nicht klar zwischen der Einstufung bzw. Bewertung in fünf Klassen einerseits, der Darstellung zum Zweck der Berichterstattung und in einer Karte gemäß Wasserrahmenrichtlinie, Anhang V Nr. 1.4.2 (§ 12 Abs. 1 Satz 1 OGewV i.V.m. Anlage 12 Nr. 1.2) andererseits unterschieden. Das ist insbesondere nach den Maßstäben für die Prüfung der Verschlechterung von Bedeutung, wo es auch auf - als einem allerdings eher hypothetischen Fall - einen Klassenwechsel vom höchsten zum guten ökologischen Potential ankommen kann.

94 Dieser fehlerhafte Ansatz bei der Bewertung des ökologischen Potentials wirkt sich hier aber nicht aus, denn der BWP weist für den OWK Elbe-Hafen bei der Gesamtbewertung ein mäßiges ökologisches Potential auf; gleiches gilt auch für alle biologischen QK, während die Umweltqualitätsnormen (UQN) bei den spezifischen Schadstoffen nicht eingehalten werden (siehe Fachbeitrag, PEU III 1.8, S. 20, Tabelle 6-3; BWP, S. 78, Abb. 4-3 Übersicht; siehe dort im einzelnen Anhang 5.2, S. 60 1. Zeile und Karten KOR Tideelbe 4.2, sowie 4.2.1 <Phythoplankton>; 4.2.2 <Makrophyten/Phythobenthos>; 4.2.3 <Makrozoobenthos>; 4.2.4 <Fischfauna>).

95 (1.2) Ökologische Qualitätsquotienten für die biologischen QK werden im Fachbeitrag entgegen der rechtlichen Vorgaben nicht ausgewiesen. In den veröffentlichten Teilen des BWP sind sie ebenfalls nicht angegeben, was aufgrund der Vielzahl der einzustufenden OWK nachvollziehbar ist (siehe schon BVerwG, Urteil vom 9. Februar 2017 - 7 A 2.15 - BVerwGE 158, 1 Rn. 495). Weitere Angaben finden sich aber im Fachbeitrag Wasserrecht für die 2. Planergänzung (PEU II.1). Ein EQR ist allerdings auch dort lediglich für die QK Fischfauna nachgewiesen mit einem EQR von 0,409, "an der Grenze zu unbefriedigend" (PEU II.1, S. 84, Tabelle 6.4-15). Die QK benthische wirbellose Fauna wurde nach expert judgement eingestuft, wobei das Potential der QK wiederum "mäßig an der Grenze zu unbefriedigend" ist (PEU II.1, S. 78, Tabelle 6.4-11). Zur QK Makrophythen fehlen auch dort nähere Angaben, weil durch das (Gesamt-)Vorhaben keine veränderten Habitatbedingungen zu erwarten seien, die insoweit zu einem Abweichen vom Status quo führen könnten (PEU II.1, S. 40).

96 Die hiernach jedenfalls teilweise fehlende präzise Einordnung der QK in die Bandbreite der Potentialklasse "mäßig" ist für die Prüfung einer Verschlechterung hier aber unerheblich, weil die 3. Planergänzungsbeschlüsse auf der Grundlage des Fachbeitrags feststellen, dass mögliche Veränderungen der unterstützend heranzuziehenden QK, die - wenn überhaupt - nur eng begrenzte lokale Auswirkungen hätten, keine negativen Auswirkungen auf die biologischen QK haben könnten (PEU III 1.8, S. 25 f.). Folglich seien insgesamt keine belastbaren Wirkpfade und davon ausgehend Veränderungen erkennbar, die zu einer Verschlechterung der biologischen QK im OWK Elbe-Hafen führen könnten (PEU III 1.8, S. 27). Damit setzen sich die Kläger nicht auseinander.

97 (2) Ohne Erfolg machen die Kläger geltend, die Reichweite der Bedeutung der unterstützend heranzuziehenden chemischen, physikalisch-chemischen und hydromorphologischen QK (BVerwG, Urteil vom 9. Februar 2017 - 7 A 2.15 - BVerwGE 158, 1 Rn. 496 ff.) sei verkannt worden. Das folgt weder daraus, dass der Fachbeitrag (PEU III 1.8) auf Seite 4 f. zunächst auch erläutert, unter welchen Voraussetzungen diese QK einen unmittelbaren Einfluss auf die Einstufung des ökologischen Potentials haben (siehe etwa § 5 Abs. 5 Satz 1 OGewV), noch aus der Tabelle 6-3 (PEU III 1.8, S. 20), die diejenigen QK aufführt, die für die Einstufung im Ist-Zustand maßgeblich sind. Demgegenüber werden die von den Wirkpfaden möglicherweise betroffenen unterstützenden QK auf Seite 21 ff. ausführlich abgehandelt. Deren Einstufung findet sich in PEU II.1 (S. 41, Tabelle 6.3-4). Wenn die Kläger insoweit - wie bereits im Verfahren BVerwG 7 A 2.15 - eine normativ vorgegebene Querverbindung zwischen der Veränderung einer unterstützenden QK und den Auswirkungen auf die biologischen QK vermissen sollten, gilt das bereits im Urteil des Senats vom 9. Februar 2017 - 7 A 2.15 - (BVerwGE 158, 1 Rn. 500) Ausgeführte. Im Übrigen setzen sich die Kläger mit den Ausführungen zu den unterstützenden QK nur teilweise, nämlich lediglich bezogen auf die chemische QK (flussgebietsspezifische Schadstoffe; OGewV, Anlage 3 Nr. 3.1, Anlage 6), auseinander.

98 (3) Bei den flussgebietsspezifischen Schadstoffen sind ausweislich des Fachbeitrags (PEU III 1.8, S. 20, Tabelle 6-3,) die UQN bei sieben Stoffen nicht eingehalten. Die Kläger sind der Auffassung, dass der Wirkpfad einer Freisetzung von (Schad-)Stoffen über den Wasserpfad nicht nachvollziehbar geprüft worden sei, sodass eine weitere Überschreitung der UQN für die benannten Stoffe im Raume stehe bzw. nicht auszuschließen sei.

99 Bei der chemischen QK der flussgebietsspezifischen Schadstoffe erfolgt keine Bewertung in einem fünfstufigen System, sondern lediglich die Feststellung, dass die UQN eingehalten sind oder nicht. Ob sich das Verschlechterungsverbot hier entsprechend den Maßstäben beim chemischen Zustand bestimmt und jegliche zusätzliche Überschreitung bei einer nicht eingehaltenen UQN zur Verschlechterung des ökologischen Potentials im Rechtssinne führt (vgl. BVerwG, Urteil vom 9. Februar 2017 - 7 A 2.15 - BVerwGE 158, 1 Rn. 578), bedarf keiner Entscheidung. Denn die 3. Planergänzungsbeschlüsse haben auf der Grundlage des Fachbeitrags und der darin in Bezug genommenen "Begutachtung bodenkundlich-hydrologischer Gegebenheiten" durch das Institut für Bodenkunde der Universität Hamburg (IfB; PEU III 1.2, Anlage 4) eine weitere vorhabenbedingte Überschreitung der UQN aufgrund der gesonderten Betrachtung des abzuleitenden Beckenwassers, möglicher Belastungen durch die zur Modellierung genutzten Materialien der Beckensohle sowie durch die verwendeten Abdeckschichten aus Sand verneint.

100 Bei diesen Untersuchungen sind drei Stoffe mit Überschreitungen im Ist-Zustand (Silber <filtriert>, Imidacloprid, Nicosulforon) nicht weiter, insbesondere in der Wasserbeschaffenheitsanalyse, betrachtet worden. Im Fachbeitrag (PEU III 1.8, S. 47, Anhangstabelle 9-3) wird das nachvollziehbar damit begründet, dass das Vorhandensein solcher Stoffe wegen deren Herkunfts-/Anwendungsbereichen insbesondere in der Landwirtschaft ausgeschlossen werden kann.

101 (3.1) Bei den folglich relevanten vier Kongeneren von Polychlorierten Biphenylen (PCB) weist das Gutachten IfB (S. 6, Tabelle 1) eine Konzentration in der Summe im Beckenwasser als nicht nachweisbar aus. Dabei stützt es sich auf die im Fachbeitrag (PEU III 1.8, S. 46, Anhangstabelle 9-1) wiedergegebene Wasserbeschaffenheitsanalyse des Analytikunternehmens GBA - Gesellschaft für Bioanalytik. Dort wird vermerkt, dass die Konzentration von PCB in beiden Becken jeweils unter der Bestimmungsgrenze liege. Diese wird mit 0,01 µg/l angegeben. Letzteres steht allerdings im Widerspruch zu den Vorgaben der OGewV, Anlage 6. Die Jahresdurchschnitts-UQN in Wasser, die nur von Relevanz ist, soweit die Erhebung von Schwebstoff- oder Sedimentdaten nicht möglich ist, beläuft sich auf 0,0005 µg/l. Daraus folgt die Möglichkeit, dass im Beckenwasser eine Konzentration vorliegt, die fast das Zwanzigfache der UQN erreicht. Das ist im Ergebnis jedoch unerheblich. Denn maßgeblich ist immer eine auf den gesamten OWK bezogene Betrachtung, wobei es auf die repräsentative Messstelle ankommt (OGewV, Anlage 6 Nr. 2, Anlage 10 Nr. 2.2; BVerwG, Urteil vom 9. Februar 2017 - 7 A 2.15 - BVerwGE 158, 1 Rn. 506). Demnach ist, da es um die Entleerung der Becken in mehreren Stufen in den OWK Elbe-Hafen geht, die damit verbundene Vermischung des Beckenwassers mit dem Elbwasser zu berücksichtigen. Solche Erwägungen sind dem Wasserrecht auch in vergleichbaren Regelungszusammenhängen nicht fremd. So sieht Art. 4 Abs. 1 der (nach Art. 16 Abs. 7 WRRL erlassenen "Tochter"-) Richtlinie 2008/105/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über Umweltqualitätsnormen im Bereich der Wasserpolitik (ABl. L 348 S. 84) bei der Einleitung von Schadstoffen in Gewässern die Ausweisung von sogenannten Durchmischungsbereichen vor. Dort können die Konzentrationen eines Schadstoffs die jeweiligen UQN überschreiten, wenn sie die Einhaltung dieser UQN für den restlichen OWK nicht beeinträchtigen. Die Vermischung des Wassers führt vorliegend wegen der Mengenverhältnisse ausweislich der Darstellung im Fachbeitrag (PEU III 1.8, S. 47, Anhangstabelle 9-2) zu einem großen Verdünnungseffekt und folglich zu einem geringen vorhabenbedingten Beitrag zur Stoffkonzentration in der Wasserphase. Die Einleitungsmenge aus den Becken macht 0,05 % bzw. 0,11 % der mittleren Abflussmenge aus. Auch wenn man diese Zahlen zunächst angesichts der unzutreffenden Angaben zur Bestimmungsgrenze um den Faktor 20 erhöht und sodann wegen eines - im Vergleich zur Modellierung - niedrigeren Oberwasserzuflusses nochmals verdoppelt, kommt man lediglich auf einen geringen Anteil von 2 % bzw. 4,4 %, sodass die zutreffend ausgewiesene Bestimmungsgrenze letztlich nicht erreicht wird. Darüber hinaus ist zu beachten, dass gemäß OGewV, Anlage 6 Nr. 3 die Einhaltung der UQN anhand eines Jahresdurchschnittswerts nach Maßgabe von Anlage 9 Nr. 3.2.2 zu überprüfen ist; danach ist das arithmetische Mittel zu unterschiedlichen Zeiten in einem Jahr maßgeblich.

102 (3.2) Bei der Prüfung einer Schadstofffreisetzung durch die Verwendung der Beckensohle stellt das Gutachten IfB (S. 12, Tabelle 4) wiederum darauf ab, dass eine Konzentration von PCB (Summe) im Material nicht nachweisbar sei. Anders als bei der Wasserphase ist beim Feststoff, wie die Angaben zur Schadstoffkonzentration in den potentiell einsetzbaren Sanden belegen (Gutachten IfB, S. 17, Tabelle 5: Konzentration im Sandgerinne Ellerholz < 0,018 mg/kg; UQN 0,02 mg/kg), davon auszugehen, dass die Bestimmungsgrenze zutreffend angesetzt worden ist. Ergänzend spricht gegen eine vorhabenbedingte Erhöhung der UQN an der maßgeblichen Messstelle wiederum der Verdünnungseffekt, denn der Anteil des Sickerwassers aus dem in den Becken zu errichtenden Inselbereichen am tidebedingten Ausstrom liegt bei 0,3 bis 0,35 % (Gutachten IfB, S. 15).

103 (3.3) Wegen einer Schadstofffreisetzung durch die für die Abdeckschichten potentiell einsetzbaren Sande stellt das Gutachten IfB (S. 17, Tabelle 5) lediglich für den Feststoff des Sandgerinnes Ellerholz eine mit dem Wert von < 0,018 mg/kg nachweisbare, allerdings unter der UQN von 0,02 mg/kg liegende Belastung mit PCB (Summe) fest. Darüber hinaus führt das Gutachten aus, dass der Vergleich der Feststoffgehalte und der Eluatanalysen zeige, dass die in einem Teil der potentiell verwendbaren Sande nachgewiesenen Schadstoffe, unter anderem organische Schadstoffe, nur sehr gering löslich seien und sich daher nicht auf das Sickerwasser auswirkten (Gutachten IfB, S. 19). Nach diesen Darlegungen spricht nichts für eine Erhöhung der UQN durch die untersuchten Wirkpfade.

104 (4) Mit der Bewertung der im Gutachten zugleich abgehandelten Parameter nach OGewV, Anlage 7, die den allgemeinen physikalisch-chemischen QK im Sinne der OGewV, Anlage 3 Nr. 3.2 zuzurechnen sind, setzen sich die Kläger nicht auseinander.

105 bb) Auch eine Verschlechterung des chemischen Zustands des OWK Elbe-Hafen haben die Beklagten in den 3. Planergänzungsbeschlüssen ohne Rechtsverstoß verneint.

106 Eine Verschlechterung des chemischen Zustands eines OWK liegt vor, sobald mindestens eine UQN für einen Parameter vorhabenbedingt überschritten wird. Für Schadstoffe, die den maßgeblichen Schwellenwert bereits im Ist-Zustand überschreiten, stellt jede weitere (messbare) Erhöhung der Konzentration eine Verschlechterung dar (BVerwG, Urteil vom 9. Februar 2017 - 7 A 2.15 - BVerwGE 158, 1 Rn. 578; und - insoweit vergleichbar - für das Grundwasser EuGH, Urteil vom 28. Mai 2020 - C-535/18 [ECLI:​EU:​C:​2020:​391], Land NRW - Rn. 119 sowie BVerwG, Vorlagebeschluss vom 25. April 2018 - 9 A 16.16 - DVBl 2018, 1418 Rn. 49 und Urteile vom 27. November 2018 - 9 A 8.17 - BVerwGE 163, 380 Rn. 50 und vom 11. Juli 2019 - 9 A 13.18 - NVwZ 2020, 788 Rn. 196).

107 Wie bereits bei den flussgebietsspezifischen Schadstoffen, sind auch hier bei mehreren - allesamt als prioritär, und größtenteils auch als gefährlich eingestuften - Stoffen der OGewV, Anlage 8, Tabelle 1 die UQN im Ist-Zustand überschritten. Drei der Stoffe bedürfen wiederum keiner näheren Betrachtung, weil deren Vorhandensein wegen deren Herkunfts-/Anwendungsbereichen - hier ausschließlich in der Landwirtschaft - ausgeschlossen werden kann (PEU III 1.8, S. 48, Anhangstabelle 9-3).

108 Bei den verbleibenden Stoffen ist nach der Wasserbeschaffenheitsanalyse die Konzentration im Beckenwasser jeweils unterhalb der Bestimmungsgrenze. Dies gilt auch für Quecksilber, wobei allerdings die angegebene Bestimmungsgrenze von 0,2 µg/l über der zulässigen Höchstkonzentration von 0,07 µg/l liegt. Hier ist aber wiederum auf die Verdünnung zu verweisen (PEU III 1.8, S. 47). Im Material der Beckensohle und in den potentiell einsetzbaren Sanden ist Benzo(a)pyren in geringer Konzentration nachweisbar. Hier stellt das Gutachten fest, dass es nicht zu Auswaschungen kommen wird und der Anteil des Sickerwassers am tidebedingten Ausstrom minimal ist (Gutachten IfB, S. 14 f.). Bei den Abdeckschichten wird darauf verwiesen, dass die organischen Schadstoffe nur sehr gering löslich sind und sich nicht auf das Sickerwasser auswirken (Gutachten IfB, S. 19). Für eine Verschlechterung des chemischen Zustands ist demnach nichts dargetan.

109 cc) Dieser Bewertung steht weder der Umstand, dass jeweils an messbare Veränderungen angeknüpft wird, noch der von den 3. Planergänzungsbeschlüssen zugrunde gelegte Wahrscheinlichkeitsmaßstab entgegen.

110 (1) Das Verschlechterungsverbot ist zwar auf Rechtsfolgen bezogen, knüpft aber gleichwohl an eine nachteilige Veränderung tatsächlicher Verhältnisse an; das gilt auch für die Erhöhung der Konzentration von Schadstoffen in der Wasserphase. Auf eine nur rechnerisch ableitbare, gegebenenfalls minimale Erhöhung kann es dann nicht ankommen (BVerwG, Urteile vom 9. Februar 2017 - 7 A 2.15 - BVerwGE 158, 1 Rn. 533, vom 12. Juni 2019 - 9 A 2.18 - juris Rn. 144 und vom 11. Juli 2019 - 9 A 13.18 - NVwZ 2020, 788 Rn. 225; vgl. auch zum Abschneidewert bei Stickstoffeinträgen BVerwG, Urteil vom 15. Mai 2019 - 7 C 27.17 - BVerwGE 165, 340 Rn. 35 f.). Mit diesem Erfordernis, dass nachweisbare Vorgänge nur dann rechtlich beachtlich sind, wenn sie im Tatsächlichen einen Niederschlag finden, werden keine auf einer Interessenabwägung beruhenden Erheblichkeitsschwellen angewandt, die nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union nicht zulässig sind (vgl. EuGH, Urteil vom 1. Juli 2015 - C-461/13 - Rn. 68). Vielmehr wird durch den Bezug auf die Messbarkeit den durch die verfügbaren naturwissenschaftlichen Methoden bedingten Grenzen der empirischen Erkennbarkeit einer Veränderung Rechnung getragen. Von solchen Grenzen geht ersichtlich auch der Gerichtshof der Europäischen Union im Urteil vom 28. Mai 2020 - C-535/18 - (Rn. 119) aus. Darin stellt er ohne weitere Erläuterung bei der Frage der Verschlechterung auf eine Konzentrationserhöhung bei Schadstoffen ab und sieht damit - ungeachtet der ausdrücklichen Erwähnung einer (messbaren) Erhöhung der Konzentration im Vorlagebeschluss - ebenso wie der Generalanwalt (Schlussanträge vom 12. November 2019 - C-535/18 [ECLI:​EU:​C:​2019:​957] - Rn. 44 ff., 66 ff.) keinen Anlass, ein als selbstverständlich vorausgesetztes Tatbestandsmerkmal näher zu problematisieren (a.A. Durner, W+B 2020, 99 <101>).

111 Allerdings versteht sich von selbst, dass sich die Anforderungen an die Analysemethoden an den normativ festgelegten UQN/Grenzwerten ausrichten müssen. Sie müssen folglich in der Lage sein, solche Grenzwerte verlässlich abzubilden; die Bestimmungsgrenze (Quantifizierungsgrenze) darf demnach grundsätzlich nicht über dem Grenzwert liegen. Dies ist wiederum durch normative Vorgaben zur Messanalytik zu gewährleisten. Diese finden sich für OWK in der Anlage 9 Ziffer 1 zur OGewV. Dort ist unter Ziffer 1.3 festgelegt, dass die Bestimmungsgrenze der Analysemethoden höchstens 30 % der jeweiligen UQN betragen darf; fehlt es für einen Parameter an solchen Analysemethoden, ist gemäß Ziffer 1.4 die beste verfügbare Technik heranzuziehen, die keine übermäßigen Kosten verursacht. Werden die den Behörden für die wasserrechtliche Prüfung zur Verfügung stehenden Beschaffenheitsanalysen diesen Anforderungen nicht gerecht, ist dies - soweit in der gegebenen Konstellation überhaupt möglich - durch rechnerische Überschätzungen auszugleichen.

112 (2) Auch der im Fachbeitrag im Einklang mit der Rechtsprechung des erkennenden Senats zugrunde gelegte Wahrscheinlichkeitsmaßstab bei der Prüfung einer Verschlechterung bedarf keiner Korrektur.

113 Ob ein Vorhaben eine Verschlechterung des Zustands eines OWK bewirken kann, beurteilt sich nach dem allgemeinen ordnungsrechtlichen Maßstab der hinreichenden Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts. Eine Verschlechterung muss daher nicht ausgeschlossen, aber auch nicht sicher zu erwarten sein (BVerwG, Urteile vom 9. Februar 2017 - 7 A 2.15 - BVerwGE 158, 1 Rn. 480 und vom 11. Juli 2019 - 9 A 13.18 - NVwZ 2020, 788 Rn. 154, allerdings mit Hilfserwägungen Rn. 155; offen gelassen im <Hinweis->Beschluss vom 25. April 2018 - 9 A 16.16 - DVBl 2018, 1426 Rn. 52). Demgegenüber vertreten die Kläger unter Berufung auf den Vorsorgegrundsatz die Ansicht, dass sich die Prüfung nach dem für das Habitatrecht geltenden besonders strengen Maßstab richten müsse.

114 Aus dem umweltrechtlichen Vorsorgeprinzip, das nach Art. 191 Abs. 2 Satz 2 AEUV auch für das Unionsrecht Geltung beansprucht, lassen sich solche Folgerungen aber nicht ableiten. Der Verweis auf die allgemeine Bezugnahme auf den primärrechtlichen Rahmen in Erwägungsgrund 11 der Wasserrahmenrichtlinie ist insoweit ohne Aussagekraft, denn der Vorsorgegrundsatz hat aufgrund seiner Weite und Offenheit als solcher keine unmittelbare Wirkung für das Verständnis einzelner unionsrechtlicher Bestimmungen. Vielmehr bedarf er der Umsetzung in den jeweiligen sekundärrechtlichen Normen (siehe etwa Epiney, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Umweltverfassungsrecht, Stand September 2019, Art. 191 AEUV Rn. 27). Folglich ist zu prüfen, inwieweit er in diesen Vorschriften seinen Niederschlag gefunden hat; erst danach kann gegebenenfalls von einer Vergleichbarkeit der Normen ausgegangen werden.

115 Die Regelungen in Art. 6 Abs. 3 FFH-RL über die habitatrechtliche Verträglichkeitsprüfung sind Ausdruck des Vorsorgegrundsatzes. Das ist in der Rechtsprechung anerkannt (EuGH, Urteil vom 7. September 2004 - C-127/02 [ECLI:​EU:​C:​2004:​482], Waddenvereniging - Rn. 44, 58; BVerwG, Urteil vom 15. Mai 2019 - 7 C 27.17 - BVerwGE 165, 340 Rn. 36).

116 Dies gilt nicht nur - allein hierauf verweisen allerdings die Kläger - für die in Art. 6 Abs. 3 Satz 1 FFH-RL als 1. Phase geregelten Voraussetzungen für die Durchführung einer Verträglichkeitsprüfung (siehe hierzu EuGH, Urteil vom 7. September 2004 - C-127/02 - Ls. 2, Rn. 44), sondern schließt gerade auch das in Art. 6 Abs. 3 Satz 2 FFH-RL als 2. Phase geregelte strenge Genehmigungskriterium der Verträglichkeitsprüfung mit ein (siehe EuGH, Urteile vom 7. September 2004 - C-127/02 - Rn. 58 sowie vom 11. April 2013 - C-258/11 [ECLI:​EU:​C:​2013:​220], Sweetman - Ls. 1, Rn. 41, vom 15. Mai 2014 - C-521/12 - Rn. 26 und zuletzt vom 26. April 2017 - C-142/16 [ECLI:​EU:​C:​2017:​301], Kommission/Deutschland - Rn. 40). Danach darf ein Plan oder Projekt im Sinne von Art. 6 Abs. 3 FFH-RL nur unter der Voraussetzung genehmigt werden, dass die zuständige Behörde nach Ermittlung sämtlicher Gesichtspunkte des betreffenden Plans oder Projekts, die für sich oder in Verbindung mit anderen Plänen oder Projekten die für das betroffene Gebiet festgelegten Erhaltungsziele beeinträchtigen können, und unter Berücksichtigung der besten einschlägigen wissenschaftlichen Erkenntnisse Gewissheit darüber erlangt hat, dass sich der Plan oder das Projekt nicht dauerhaft negativ auf das betreffende Gebiet als solches auswirkt. Dies ist dann der Fall, wenn aus wissenschaftlicher Sicht kein vernünftiger Zweifel daran besteht, dass es keine solchen Auswirkungen gibt. Die Behörde muss die Genehmigung des Plans oder des Projekts versagen, wenn Unsicherheit darüber besteht, ob keine nachteiligen Auswirkungen auf das Gebiet als solches auftreten (siehe etwa EuGH, Urteil vom 11. April 2013 - C-258/11 - Rn. 40 f.).

117 Solche besonderen verfahrensrechtlichen Vorkehrungen oder in dieser Weise gesteigerte materiell-rechtliche Anforderungen finden sich bei der Prüfung, ob wasserrechtliche Bestimmungen einer Vorhabenzulassung entgegenstehen, nicht. Entsprechende konkrete normative Vorgaben können nicht durch den bloßen Verweis auf den allgemeinen Vorsorgegrundsatz ersetzt werden (vgl. auch BVerwG, Urteil vom 9. Juli 2008 - 9 A 14.07 - BVerwGE 131, 274 Rn. 56 zu unterschiedlichen Anforderungen im Habitat- und Artenschutzrecht).

118 Dem Vorsorgegrundsatz kann auf unterschiedliche Weise Geltung verschafft werden. So verweist die Wasserrahmenrichtlinie in den Erwägungsgründen 40 ff. unter anderem darauf, dass zur Vermeidung und Verminderung der Verschmutzung die gemeinschaftliche Wasserpolitik auf einem kombinierten Konzept beruhen sollte, d.h. sowohl Begrenzung der Verschmutzung an der Quelle durch die Vorgabe von Emissionsgrenzwerten als auch Festlegung von UQN. Für bestimmte Schadstoffgruppen oder -familien sollten gemeinsame UQN und Emissionsgrenzwerte als Mindestanforderung festgelegt werden. Es wird betont, dass die Bestimmung prioritärer gefährlicher Stoffe dem Grundsatz der Vorsorge Rechnung tragen und sich insbesondere auf die Bestimmung von potentiell negativen Auswirkungen des Erzeugnisses und auf eine wissenschaftliche Bewertung des Risikos stützen sollte. Hieraus folgt, dass das Vorsorgeprinzip insbesondere auch schon bei der Festlegung von UQN verwirklicht werden soll (vgl. Köck, ZUR 2020, 131 <135>). Dann ist in Ermangelung sonstiger normativer Vorgaben bei der Frage, wann von deren Verletzung auszugehen ist, der normale ordnungsrechtliche Wahrscheinlichkeitsmaßstab anzulegen.

119 b) Zu Unrecht rügen die Kläger, dass die Auswirkungen der KSM Tideanschluss Billwerder Insel auf die übrigen vom Gesamtvorhaben betroffenen OWK (Elbe-Ost, Elbe-West, Elbe-Übergangsgewässer, Außenelbe-Nord) nicht geprüft worden seien.

120 Im Anschluss an die Ausführungen im Fachbeitrag (PEU III I.8, S. 31 ff.) prüfen die 3. Planergänzungsbeschlüsse (S. 77) auch Auswirkungen des wegen Ergänzung um die Kohärenzsicherungsmaßnahme veränderten Gesamtvorhabens. Wenn sich der Fachbeitrag zunächst auf die Auswirkungen auf den OWK Elbe-Hafen konzentriert, ist das zwangsläufige Folge aus der Tatsache, dass die Kohärenzsicherungsmaßnahme zu einer geringfügigen Vergrößerung dieses OWK durch die Herstellung einer hydraulischen Verbindung führt. Das Ausmaß möglicher Auswirkungen an diesem Ort ist bereits ein Indiz für Veränderungen in den übrigen OWK. Der Fachbeitrag (PEU III I.8, S. 34) nimmt auch Bezug auf die Untersuchungen der BAW im Fachbeitrag Hydrologie und Morphologie (PEU III 1.3, S. 8, 55), wonach die Prognose zu den ausbaubedingten Wirkungen der geplanten Fahrrinnenanpassung durch die Kohärenzsicherungsmaßnahme nicht beeinflusst wird; denn diese führt nur zu einer vergleichsweise sehr geringen Vergrößerung des Tidevolumens. Auf dieser ohne Weiteres nachvollziehbaren Grundlage erübrigt sich eine Aktualisierung der Ausgangsprognose. Die Ergänzung des Gesamtvorhabens, die nicht zu einer relevanten Änderung insbesondere der hydromorphologischen Verhältnisse führt, kann entgegen der Auffassung der Kläger nicht Anlass für eine Korrektur vermeintlicher Fehler und Unzulänglichkeiten in der gerichtlichen Überprüfung des Gesamtvorhabens sein; dies stünde im Widerspruch zur Bindungswirkung des Urteils vom 9. Februar 2017 - 7 A 2.15 - (BVerwGE 158, 1).

121 c) Ein Verstoß gegen die Bewirtschaftungsziele in Bezug auf den GWK El12 Bille Marsch/Niederung Geesthacht, in dessen Bereich die Kohärenzsicherungsmaßnahme liegt, haben die 3. Planergänzungsbeschlüsse ebenfalls zutreffend verneint. Insoweit ist insbesondere von einem Verstoß gegen das Verschlechterungsverbot nach § 47 Abs. 1 Nr. 1 WHG nicht auszugehen.

122 aa) Die 3. Planergänzungsbeschlüsse legen bei dieser Prüfung den zutreffenden rechtlichen Maßstab zugrunde. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (Urteil vom 28. Mai 2020 - C-535/18 - Rn. 119; so bereits BVerwG, Urteile vom 27. November 2018 - 9 A 8.17 - BVerwGE 163, 380 Rn. 50 und vom 11. Juli 2019 - 9 A 13.18 - NVwZ 2020, 788 Rn. 196 sowie für den chemischen Zustand eines OWK, Urteil vom 9. Februar 2017 - 7 A 2.15 - BVerwGE 158, 1 Rn. 578) liegt eine Verschlechterung des chemischen Zustands eines GWK vor, sobald mindestens eine UQN für einen Parameter vorhabenbedingt überschritten wird. Für Schadstoffe, die den maßgeblichen Schwellenwert bereits im Ist-Zustand überschreiten, stellt jede weitere Konzentrationserhöhung eine Verschlechterung dar.

123 bb) Der GWK El12 befindet sich in einem schlechten mengenmäßigen und schlechten chemischen Zustand (siehe BWP, Karten KOR Tideelbe 4.6 <chemischer Zustand> und 4.7 <mengenmäßiger Zustand>). Beides ist auf Salzwasserintrusionen zurückzuführen, die zur Erfüllung des Tatbestands des § 4 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. d GrwV und zu einer Überschreitung des Schwellenwertes nach § 5 Abs. 1 Satz 1 GrwV, Anlage 2 für Chlorid führen (vgl. BWP, S. 64, 86; Karten KOR Tideelbe 4.6.1 <Nitrat>, 4.6.2 <Pestizide> und 4.6.3 <andere Schadstoffe>).

124 Eine weitere Beeinträchtigung des chemischen Zustands des GWK ist auf der Grundlage der Ausführungen in den 3. Planergänzungsbeschlüssen und im Fachbeitrag, mit dem sich die Kläger nicht substantiiert auseinandersetzen, nicht zu besorgen. Der Fachbeitrag (PEU III 1.8, S. 37) stellt unter Bezugnahme auf weitere Untersuchungen darauf ab, dass das Grundwasser des GWK durch eine nahezu undurchlässige Kleischicht geschützt ist, so dass Stoffaustauschprozesse in Richtung auf das unterhalb dieser organischen Weichschicht gespannt anstehende Grundwasser wegen der geringen Wasserleitfähigkeit und der niedrigen hydraulischen Gradienten sehr begrenzt ist (PEU III 1.4 <UVP-Bericht zur Umweltverträglichkeitsprüfung>, S. 108; Gutachten IfB, S. 14; Burmann, Mandel + Partner, Baugrund- und Gründungsbeurteilung, PEU III 1.2, Anlage 1, S. 18). Diese Ausführungen stehen nicht im Widerspruch zu Aussagen in der PEU III 1.5. Wenn dort mit Blick auf die Beseitigung der Beckensohle die "hydraulische Anbindung [...] mit dem GWK in Kontakt stehenden OWK" als positive Auswirkung erwähnt wird (S. 89), handelt es sich nur um eine ersichtlich generalisierende Einschätzung, die die speziellen geologischen Verhältnisse gerade nicht in den Blick nimmt.

125 Vor diesem Hintergrund ist es nicht zu beanstanden, dass - ungeachtet der in den 3. Planergänzungsbeschlüssen (S. 29 f.) und im Fachbeitrag (PEU III 1.8, S. 27) aufgeführten möglichen (theoretischen) Wirkpfade - eine nachteilige Einwirkung auf den chemischen Zustand des GWK verneint wird. Soweit die Kläger sich darauf berufen, dass in den 3. Planergänzungsbeschlüssen bei der Umweltverträglichkeitsprüfung unter den anlagebedingten Wirkungen des Vorhabens unter anderem auch "veränderte Stoffaustauschprozesse in Richtung des Grundwassers" angeführt werden (S. 30), ist mit den Beklagten darauf zu verweisen, dass solche Wirkungen schon in der PEU III 1.4 im Rahmen der Relevanzprüfung ausgeschlossen werden (S. xii, 48, 50).

126 Schließlich wird mit dem Hinweis der Kläger auf die in den 3. Planergänzungsbeschlüssen (S. 30) ebenfalls angeführte Möglichkeit eines "Absenkens des niederschlagsgespeisten Grundwassers (Stauwasser)" im Bereich der Becken keine auf den GWK El12 und dessen Zustand bezogene Frage aufgeworfen. Das oberhalb der Kleischicht in der Sättigungszone im Boden anstehende Wasser ist zwar Grundwasser im Sinne von § 3 Nr. 3 WHG, nicht aber Teil eines GWK im Sinne von § 3 Nr. 6 WHG, denn es bewegt sich nicht in einem Grundwasserleiter. Negative Auswirkungen auf grundwasserabhängige Landökosysteme (siehe auch § 4 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. c GrwV) in den Kleingewässern, Tümpeln und Sumpfbereichen neben den Becken werden vom Fachbeitrag (PEU III 1.8, S. 37) ebenfalls ausgeschlossen. Ein dauerhaftes Absenken des Stauwasserspiegels durch Zusickern in die Becken ist nicht zu erwarten. Die mittlere jährliche Niederschlagsmenge ist nämlich größer als das Porenvolumen des anstehenden Bodens und die durch die Maßnahme zu erwartende abfließende Menge an Stauwasser, die in die Becken fließt (PEU III 1.4, S. 50). In Abhängigkeit von den Niederschlagsereignissen wird die Umgebung weiterhin durch Vernässungen geprägt sein (Gutachten Burmann u.a., PEU III 1.2, Anlage 1, S. 33 ff.).

127 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1, § 159 Satz 1 VwGO, § 100 Abs. 1 ZPO.