Verfahrensinformation

Die 1993 geborene Klägerin ist mit einem höheren Grad als schwerbehinderter Mensch anerkannt. Seit Dezember 2014 arbeitete sie in einer Werkstatt für behinderte Menschen und erhielt dafür ein monatliches Nettoentgelt von durchschnittlich 88 €. Gleichzeitig gewährte ihr der beklagte Landkreis Hilfe für junge Volljährige in Form der vollstationären Unterbringung in einem Wohnheim für behinderte Menschen. Für diese Jugendhilfeleistung zog er die Klägerin im Zeitraum von Januar 2015 bis Juli 2016 zu einem monatlichen Kostenbeitrag i.H.v. 75 % ihres Einkommens heran, den er im Widerspruchsbescheid auf durchschnittlich 67 € im Monat festsetzte. Außerdem verlangte er von der Klägerin eine Nachzahlung i.H.v. 1 373,95 €.


Die dagegen von der Klägerin erhobene Klage hatte sowohl vor dem Verwaltungsgericht als auch vor dem Oberverwaltungsgericht Erfolg. Die Kostenbeitragsbescheide seien rechtswidrig. Entgegen der Ansicht des Beklagten sei das durchschnittliche Monatseinkommen in dem der Jugendhilfeleistung vorausgegangenen Kalenderjahr maßgeblich. Zudem habe der Beklagte das ihm gesetzlich eingeräumte Ermessen nicht ausgeübt, wonach er von der Erhebung eines Kostenbeitrags ganz oder teilweise absehen könne, wenn das Einkommen aus einer Tätigkeit stamme, die dem Zweck der Jugendhilfeleistung diene. Hiergegen wendet sich der Beklagte mit seiner vom Oberverwaltungsgericht zugelassenen Revision.


Pressemitteilung Nr. 74/2020 vom 11.12.2020

Grenzen der Erhebung eines jugendhilferechtlichen Kostenbeitrags bei jungen Menschen aus ihrem in einer Werkstatt für behinderte Menschen erzielten Einkommen

Maßgeblich für die Berechnung des Kostenbeitrags, den junge Menschen bei vollstationären Leistungen der Jugendhilfe zu erbringen haben, ist das durchschnittliche Monatseinkommen des Vorjahres. Stammt das Einkommen aus einer Tätigkeit in einer Werkstatt für behinderte Menschen, die dem Zweck der Jugendhilfeleistung dient, hat der Jugendhilfeträger nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden, ob er von der Erhebung eines Kostenbeitrags ganz oder teilweise absieht. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden.


Die 1993 geborene Klägerin ist mit einem höheren Grad als schwerbehinderter Mensch anerkannt. Ab Dezember 2014 arbeitete sie in einer Werkstatt für behinderte Menschen. Hierfür erhielt sie ein monatliches Nettoentgelt von durchschnittlich 88 €. Für die ihr gleichzeitig gewährte Hilfe für junge Volljährige in Form der vollstationären Unterbringung in einem Wohnheim zog der beklagte Landkreis sie für den Zeitraum von Januar 2015 bis Juli 2016 zu einem monatlichen Kostenbeitrag i.H.v. 75 Prozent ihres Einkommens heran. Diesen Beitrag setzte er im Widerspruchsbescheid auf durchschnittlich 67 € im Monat fest und verlangte von der Klägerin eine Nachzahlung i.H.v. 1 373,95 €. Die dagegen von der Klägerin erhobene Klage hatte in beiden Vorinstanzen Erfolg.


Das Bundesverwaltungsgericht hat die Revision des Beklagten zurückgewiesen. Der streitige Kostenbeitragsbescheid ist rechtswidrig, weil der Beklagte bei der Berechnung des Einkommens der Klägerin die gesetzliche Regelung nicht angewendet hat, wonach das durchschnittliche Monatseinkommen maßgeblich ist, das die kostenbeitragspflichtige Person in dem Kalenderjahr erzielt hat, welches dem jeweiligen Kalenderjahr der Leistung vorangeht (§ 93 Abs. 4 Satz 1 Sozialgesetzbuch Achtes Buch - SGB VIII -). Diese Bestimmung ist entgegen der Ansicht des Beklagten auch anzuwenden, wenn junge Menschen für vollstationäre Leistungen der Jugendhilfe zu Kostenbeiträgen i.H.v. 75 Prozent ihres Einkommens (§ 94 Abs. 6 Satz 1 SGB VIII) herangezogen werden. Der Umstand, dass das Abstellen auf den Vorjahreszeitraum teilweise als rechtspolitisch verfehlt angesehen wird und in der Gesetzgebung seit längerem Änderungen geplant sind, ist für die Auslegung des geltenden Rechts nicht erheblich.


Der Beklagte hat außerdem zu Unrecht von dem ihm gesetzlich (§ 94 Abs. 6 Satz 2 SGB VIII) eingeräumten Ermessen keinen Gebrauch gemacht. Danach kann ein geringerer Kostenbeitrag erhoben oder gänzlich von der Erhebung abgesehen werden, wenn das Einkommen aus einer Tätigkeit stammt, die dem Zweck der Jugendhilfeleistung dient. Diese Voraussetzung für die Ermessensausübung war hier erfüllt. Zweck der Hilfe für junge Volljährige ist in erster Linie die Unterstützung der Persönlichkeitsentwicklung und die Förderung einer selbstständigen und eigenverantwortlichen Lebensführung. Diesem Zweck diente auch die Tätigkeit der Klägerin in einer Werkstatt für behinderte Menschen.


BVerwG 5 C 9.19 - Urteil vom 11. Dezember 2020

Vorinstanzen:

OVG Bautzen, 3 A 751/18 - Urteil vom 09. Mai 2019 -

VG Dresden, 1 K 2114/16 - Urteil vom 18. April 2018 -


Urteil vom 11.12.2020 -
BVerwG 5 C 9.19ECLI:DE:BVerwG:2020:111220U5C9.19.0

Kostenbeitrag für Einkommen aus einer Werkstatt für behinderte Menschen

Leitsätze:

1. Für die Berechnung des Kostenbeitrags, den junge Menschen bei vollstationären Leistungen der Jugendhilfe einzusetzen haben, ist gemäß § 93 Abs. 4 Satz 1 SGB VIII das durchschnittliche Monatseinkommen des Vorjahres maßgeblich.

2. Der Jugendhilfeträger hat gemäß § 94 Abs. 6 Satz 2 SGB VIII nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden, ob er von der Erhebung eines Kostenbeitrags ganz oder teilweise absieht, wenn das Einkommen aus einer Tätigkeit in einer Werkstatt für behinderte Menschen stammt, die dem Zweck der Jugendhilfeleistung dient.

  • Rechtsquellen
    VwGO § 137 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2, § 154 Abs. 2, § 188 Satz 2 Halbs. 1
    SGB VIII § 1 Abs. 1, § 7 Abs. 1 Nr. 3, §§ 34, 41 Abs. 1 Satz 1, § 92 Abs. 1 Nr. 1 und 2, § 93 Abs. 1 Satz 3, Abs. 2, 3 und 4 Satz 1, § 94 Abs. 6 Satz 1, 2 und 3

  • VG Dresden - 18.04.2018 - AZ: VG 1 K 2114/16
    OVG Bautzen - 09.05.2019 - AZ: OVG 3 A 751/18

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Urteil vom 11.12.2020 - 5 C 9.19 - [ECLI:DE:BVerwG:2020:111220U5C9.19.0]

Urteil

BVerwG 5 C 9.19

  • VG Dresden - 18.04.2018 - AZ: VG 1 K 2114/16
  • OVG Bautzen - 09.05.2019 - AZ: OVG 3 A 751/18

In der Verwaltungsstreitsache hat der 5. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
auf die mündliche Verhandlung vom 11. Dezember 2020
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Störmer,
die Richterinnen am Bundesverwaltungsgericht Stengelhofen-Weiß und Dr. Harms und
die Richter am Bundesverwaltungsgericht Holtbrügge und Preisner
für Recht erkannt:

  1. Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 9. Mai 2019 wird zurückgewiesen.
  2. Der Beklagte trägt die Kosten des Revisionsverfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

I

1 Die Beteiligten streiten über die Erhebung von Kostenbeiträgen für die Gewährung von Hilfe für junge Volljährige.

2 Die 1993 geborene Klägerin ist als schwerbehinderter Mensch anerkannt und wird von einer Berufsbetreuerin betreut. Der beklagte Landkreis ist Träger der Jugendhilfe und gewährte ihr Hilfe für junge Volljährige in Form der vollstationären Unterbringung in einem Wohnheim für behinderte Menschen. Seit Dezember 2014 arbeitete sie in einer von einem freien Träger betriebenen Werkstatt für behinderte Menschen, für die der Kommunale Sozialverband S. als überörtlicher Träger der Sozialhilfe (Sozialhilfeträger) die Kosten trug. In dem hierüber mit dem freien Träger abgeschlossenen Werkstattvertrag waren ein vom Arbeitsergebnis abhängiges Arbeitsentgelt sowie ein Arbeitsförderungsgeld vereinbart. Von Dezember 2014 bis Juli 2016 erzielte die Klägerin für ihre Tätigkeit Entgelte von durchschnittlich rund 134 € im Monat. Davon wurden ihr nach Abzug eines "Kostenbeitrags", der an den Sozialhilfeträger abgeführt und später von diesem an den Beklagten überwiesen wurde, monatlich im Durchschnitt rund 95 € ausgezahlt.

3 Mit Leistungsbescheid vom 15. Februar 2016 setzte der Beklagte ab dem 1. Dezember 2014 einen monatlichen Kostenbeitrag fest, den er ohne Berücksichtigung der an den Sozialhilfeträger abgeführten Beträge aus dem durchschnittlichen monatlichen Bruttoeinkommen der Klägerin abzüglich eines pauschalen Betrages in Höhe von 25 Prozent berechnete. Auf den Widerspruch der Klägerin änderte er den Leistungsbescheid mit Widerspruchsbescheid vom 22. August 2016. Den für Dezember 2014 festgesetzten Kostenbeitrag hob er auf und setzte für den Zeitraum vom 1. Januar 2015 bis zum 31. Juli 2016 monatliche Kostenbeiträge fest, deren Berechnung er das in den jeweiligen Monaten erzielte und um die an den Sozialhilfeträger abgeführten Beträge verminderte Einkommen der Klägerin zugrunde legte, woraus sich eine Verpflichtung der Klägerin zu einer Nachzahlung in Höhe von 1 373,95 € ergab.

4 Die dagegen erhobene Klage hat in beiden Vorinstanzen Erfolg gehabt. Das Oberverwaltungsgericht hat zur Begründung insbesondere darauf abgestellt, sowohl aus dem Wortlaut als auch aus dem systematischen Zusammenhang des § 93 Abs. 4 Satz 1 SGB VIII folge, dass auch bei der Heranziehung kostenbeitragspflichtiger junger Menschen wie der Klägerin Kostenbeiträge auf der Grundlage des durchschnittlichen Monatseinkommens des Vorjahres zu berechnen und festzusetzen seien. Außerdem habe der Beklagte nicht gemäß § 94 Abs. 6 Satz 2 SGB VIII nach pflichtgemäßem Ermessen entschieden, ob von der Erhebung eines Kostenbeitrags ganz oder teilweise abgesehen werden solle. Der Ermessenstatbestand sei erfüllt, weil die Tätigkeit der Klägerin in der Werkstatt für behinderte Menschen zu einem wesentlichen Teil der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft und damit zugleich der ihr gewährten Jugendhilfeleistung diene.

5 Hiergegen wendet sich der Beklagte mit seiner Revision. Er macht im Wesentlichen geltend, § 93 Abs. 4 SGB VIII sei vom Wortlaut her zu weit gefasst und aus teleologischen Gründen nur auf die Berechnung des Einkommens bei solchen Kostenbeitragspflichtigen anwendbar, die zu Unterhaltsleistungen verpflichtet seien, nicht aber bei den jungen Menschen selbst. Der Gesetzgeber habe mit der Einführung des § 93 Abs. 4 SGB VIII die Abrechnungsmodalitäten bei kostenbeitragspflichtigen jungen Menschen nicht verändern wollen, bei denen die Anwendung dieser Vorschrift zu unbilligen und aus pädagogischer Sicht nicht sinnvollen Ergebnissen führe. Die Ermessensregelung in § 94 Abs. 6 Satz 2 SGB VIII sei ihrem Wortlaut nach sowie aus systematischen und teleologischen Gründen eng auszulegen und erfasse nur Tätigkeiten, bei denen ein gemeinnütziges Engagement im Vordergrund stehe.

6 Die Klägerin verteidigt die angegriffene Entscheidung.

7 Der Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht beteiligt sich am Verfahren und unterstützt im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend die Revision des Beklagten.

II

8 Die Revision ist nicht begründet. Das angefochtene Urteil beruht nicht auf der Verletzung von Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Es steht im Einklang mit den streitigen Regelungen des Achten Buches Sozialgesetzbuch - Kinder- und Jugendhilfe - (SGB VIII) i.d.F. der Bekanntmachung vom 11. September 2012 (BGBl. I S. 2022), für den hier maßgeblichen Zeitraum zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes vom 29. August 2013 (BGBl. I S. 3464). Das Oberverwaltungsgericht hat zu Recht entschieden, dass für die Berechnung des Kostenbeitrags, den junge Menschen bei vollstationären Leistungen der Jugendhilfe einzusetzen haben, gemäß § 93 Abs. 4 Satz 1 SGB VIII das durchschnittliche Monatseinkommen des Vorjahres maßgeblich ist und dass der Jugendhilfeträger gemäß § 94 Abs. 6 Satz 2 SGB VIII nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden hat, ob er von der Erhebung eines Kostenbeitrags ganz oder teilweise absieht, wenn das Einkommen aus einer Tätigkeit in einer Werkstatt für behinderte Menschen stammt, die dem Zweck der Jugendhilfeleistung dient.

9 Zwischen den Beteiligten steht zu Recht nicht im Streit, dass die Klägerin für den hier in Rede stehenden Zeitraum vom 1. Januar 2015 bis zum 31. Juli 2016 als junge Volljährige i.S.v. § 7 Abs. 1 Nr. 3 SGB VIII dem Grunde nach gemäß § 91 Abs. 1 Nr. 8 i.V.m. Nr. 5 Buchst. b und § 92 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 SGB VIII aus ihrem Einkommen nach Maßgabe der §§ 93 und 94 SGB VIII zu einem Kostenbeitrag zu den ihr gemäß § 41 i.V.m. § 34 SGB VIII gewährten vollstationären Leistungen heranzuziehen ist.

10 Sie gehen, was die Kostenbeteiligung der Höhe nach betrifft, auch übereinstimmend zu Recht davon aus, dass für die Berechnung des Einkommens § 93 Abs. 1 SGB VIII maßgeblich ist, weil § 94 Abs. 6 Satz 1 SGB VIII mit dem Begriff "Einkommen" darauf verweist. Einigkeit besteht insofern zutreffenderweise auch darüber, dass nur solche Einkünfte in Geld oder Geldeswert gemäß § 93 Abs. 1 SGB VIII als Einkommen zu berücksichtigen sind, die der Klägerin im maßgeblichen Zeitraum tatsächlich zugeflossen sind (vgl. zu dem insoweit geltenden Zuflussprinzip z.B. BVerwG, Urteil vom 19. März 2013 - 5 C 16.12 - Buchholz 436.511 § 93 SGB VIII Nr. 4 Rn. 23 f.).

11 Unstreitig ist schließlich zu Recht, dass, wie bereits vom Verwaltungsgericht (UA S. 8 ff.) ausgeführt, zwischen dem Einkommen aus der Werkstatt für behinderte Menschen und der Jugendhilfeleistung keine Zweckidentität i.S.d. § 93 Abs. 1 Satz 3 SGB VIII besteht. Streit besteht zwischen den Beteiligten allein darüber, ob bei der Ermittlung des zugrunde zu legenden Einkommens § 93 Abs. 4 SGB VIII anzuwenden ist (1.) und ob der Beklagte verpflichtet war, von dem ihm in § 94 Abs. 6 Satz 2 SGB VIII eingeräumten Ermessen Gebrauch zu machen (2.). Beides ist der Fall.

12 1. Das Oberverwaltungsgericht hat zu Recht entschieden, dass bei der Berechnung des Kostenbeitrags der Klägerin § 93 Abs. 4 Satz 1 SGB VIII anzuwenden ist. Danach ist das durchschnittliche Monatseinkommen maßgeblich, das die kostenbeitragspflichtige Person in dem Kalenderjahr erzielt hat, welches dem jeweiligen Kalenderjahr der Leistung vorangeht. § 93 Abs. 4 SGB VIII findet auch dann Anwendung, wenn sich der Umfang der Heranziehung wie im Fall der Klägerin nach § 94 Abs. 6 Satz 1 SGB VIII richtet, der bestimmt, dass u.a. junge Menschen bei vollstationären Leistungen nach Abzug der in § 93 Abs. 2 SGB VIII genannten Beträge 75 Prozent ihres Einkommens als Kostenbeitrag einzusetzen haben. Das folgt aus Wortlaut (a), Systematik (b) sowie Sinn und Zweck des § 93 Abs. 4 SGB VIII (c), die Voraussetzungen für eine teleologische Reduktion im Hinblick auf den vom Gesetzgeber mit § 93 Abs. 4 SGB VIII verfolgten Zweck liegen nicht vor (d).

13 a) Für die Geltung des § 93 Abs. 4 SGB VIII bei der Heranziehung junger Menschen spricht bereits der klare Wortlaut der Vorschrift. Dieser stellt auf das Monatseinkommen der "kostenbeitragspflichtigen Person" ab und erfasst damit uneingeschränkt alle kostenbeitragspflichtigen Personen, die nach § 92 Abs. 1 SGB VIII aus ihrem Einkommen heranzuziehen sind. Das sind gemäß § 92 Abs. 1 Nr. 1 und 2 i.V.m. § 7 Abs. 1 Nr. 4 SGB VIII auch junge Menschen i.S.d. § 94 Abs. 6 Satz 1 SGB VIII.

14 b) Das Wortlautverständnis wird durch die systematische Stellung des Absatzes 4 innerhalb des § 93 SGB VIII sowie durch das Verhältnis von § 93 zu § 94 SGB VIII bestätigt (aa). § 94 Abs. 6 SGB VIII steht dem nicht entgegen (bb).

15 aa) Binnensystematisch ergänzt § 93 Abs. 4 Satz 1 SGB VIII den Einkommensbegriff in § 93 Abs. 1 SGB VIII. § 93 Abs. 4 Satz 1 SGB VIII bestimmt sowohl den maßgeblichen Zeitraum ("Kalenderjahr [...], welches dem jeweiligen Kalenderjahr der Leistung oder Maßnahme vorangeht") als auch die Art und Weise der Berechnung des Einkommens ("das durchschnittliche Monatseinkommen") und ist deshalb Teil des Einkommensbegriffs des § 93 Abs. 1 SGB VIII. Überdies spricht, wie das Oberverwaltungsgericht unter Bezugnahme auf das Verwaltungsgericht Hannover (Urteil vom 14. Dezember 2018 - 3 A 7642/16 - juris Rn. 25) zu Recht ausführt, für eine Anwendbarkeit des § 93 Abs. 4 SGB VIII bei der Heranziehung junger Menschen gemäß § 94 Abs. 6 SGB VIII die systematische Stellung der §§ 93 und 94 SGB VIII innerhalb des Zweiten Abschnitts des Achten Kapitels des SGB VIII. Die §§ 91 bis 94 SGB VIII regeln jeweils selbstständige Voraussetzungen für die Erhebung von Kostenbeiträgen für stationäre und teilstationäre Leistungen sowie vorläufige Maßnahmen und bauen grundsätzlich aufeinander auf. So normiert § 93 SGB VIII die Berechnung des Einkommens, die Voraussetzung für die Ermittlung des Umfangs der Heranziehung nach § 94 SGB VIII ist. Das rechtfertigt die Annahme, dass die Einkommensberechnungsregelungen des § 93 SGB VIII grundsätzlich für die Heranziehungsregelungen in § 94 SGB VIII gelten, soweit dort nichts anderes geregelt ist.

16 bb) § 93 Abs. 4 Satz 1 SGB VIII wird nicht durch die Regelung über den Umfang der Heranziehung junger Menschen in § 94 Abs. 6 Satz 1 SGB VIII verdrängt.

17 In diese Richtung weist bereits der Wortlaut des § 94 Abs. 6 Satz 1 SGB VIII, der zwar ausdrücklich die Anwendbarkeit der Abzugsregelung des § 93 Abs. 2 SGB VIII regelt, zu § 93 Abs. 4 SGB VIII aber keine Regelung trifft.

18 Dafür, dass § 93 Abs. 4 SGB VIII auch bei der Heranziehung junger Menschen nach § 94 Abs. 6 Satz 1 SGB VIII anzuwenden ist, spricht maßgeblich die systematische Auslegung der Regelung. § 94 Abs. 6 Satz 1 SGB VIII bezieht sich mit der Wendung "[...] haben [...] 75 Prozent ihres Einkommens [...] einzusetzen" auf den Einkommensbegriff in § 93 Abs. 1 SGB VIII. Von dieser Bezugnahme ist auch § 93 Abs. 4 SGB VIII umfasst, der § 93 Abs. 1 SGB VIII durch die Festlegung des maßgeblichen Zeitraums sowie der Berechnungsweise ergänzt und damit Teil des Einkommensbegriffs ist. Aus dem Umstand, dass in § 94 Abs. 6 Satz 1 SGB VIII ausdrücklich nur die Abzugsregelung des § 93 Abs. 2 SGB VIII genannt wird, ergibt sich nichts Gegenteiliges. Daraus folgt nur, dass § 93 Abs. 3 SGB VIII bei der Heranziehung junger Menschen gemäß § 94 Abs. 6 Satz 1 SGB VIII nicht gilt, sondern durch einen prozentualen Abschlag von 25 Prozent ersetzt wird (vgl. BT-Drs. 16/9299 S. 19). Die Bezugnahme des § 94 Abs. 6 Satz 1 SGB VIII auf den Einkommensbegriff des § 93 Abs. 1 und 4 SGB VIII bleibt davon unberührt. Das gilt umso mehr, als auch die übrigen Absätze des § 94 SGB VIII uneingeschränkt auf § 93 SGB VIII Bezug nehmen, sodass es einer hinreichend eindeutigen Regelung bedurft hätte, wenn der Gesetzgeber davon mit § 94 Abs. 6 Satz 1 SGB VIII über die Nichtanwendung von § 93 Abs. 3 SGB VIII hinaus hätte abweichen wollen.

19 Die Gesetzgebungsgeschichte des § 94 Abs. 6 SGB VIII und des § 93 Abs. 4 SGB VIII bestätigt diese Auslegung. Nach der Einführung des heutigen § 94 Abs. 6 Satz 1 SGB VIII durch Art. 1 Nr. 20 Buchst. b des Gesetzes zur Förderung von Kindern unter drei Jahren in Tageseinrichtungen und in Kindertagespflege (Kinderförderungsgesetz - KiföG) vom 10. Dezember 2008 (BGBl. I S. 2403) führte der darin sinngemäß angeordnete Ausschluss des § 93 Abs. 3 SGB VIII zwar zunächst nur dazu, dass das bei der Ermittlung des Kostenbeitrags zugrunde zu legende Einkommen lediglich nach § 93 Abs. 1 und 2 SGB VIII zu bestimmen war. Daraus folgt für das Verhältnis zu § 93 Abs. 4 SGB VIII jedoch nichts, weil diese Regelung erst später durch das Gesetz zur Verwaltungsvereinfachung in der Kinder- und Jugendhilfe (Kinder- und Jugendhilfeverwaltungsvereinfachungsgesetz - KJVVG) vom 29. August 2013 (BGBl. I S. 3464) eingefügt worden ist. In der Gesetzesbegründung dazu fehlt aber jeglicher Hinweis darauf, dass § 93 Abs. 4 SGB VIII für die Heranziehung von jungen Menschen nach § 94 Abs. 6 Satz 1 SGB VIII nicht gelten soll (vgl. BT-Drs. 17/13023 S. 14 f.). Dies wiegt umso schwerer, als der Gesetzgeber mit dem Kinder- und Jugendhilfeverwaltungsvereinfachungsgesetz nicht nur § 93 Abs. 4 SGB VIII, sondern auch in § 94 Abs. 6 SGB VIII die Sätze 2 und 3 angefügt und mit dieser neuen Ermessensregelung die Heranziehung u.a. junger Menschen zu einem Kostenbeitrag modifiziert hat, ohne hierfür zugleich die Geltung des § 93 Abs. 4 SGB VIII auszuschließen oder seine entsprechende Vorstellung zumindest in der Gesetzesbegründung zum Ausdruck zu bringen.

20 Etwas anderes ergibt sich entgegen der Auffassung des Beklagten auch nicht im Hinblick auf § 1 Abs. 1 SGB VIII, wonach jeder junge Mensch ein Recht auf Förderung seiner Entwicklung und auf Erziehung zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit hat. Denn die in § 94 Abs. 6 SGB VIII neu angefügten Sätze 2 und 3 sollen ausweislich der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 17/13023 S. 15) gerade der Übernahme von Eigenverantwortung durch die jungen Menschen Rechnung tragen, sodass der Gesetzgeber die in § 1 Abs. 1 SGB VIII formulierten Ziele der Kinder- und Jugendhilfe bei der Ausgestaltung der Kostenbeitragsregelung nicht außer Acht gelassen hat.

21 Durch die Anwendung des § 93 Abs. 4 SGB VIII wird der Zweck des § 94 Abs. 6 SGB VIII, junge Menschen im Hinblick auf ihre Verselbstständigung und Vorbereitung auf ein eigenverantwortliches Leben an ihrem notwendigen Lebensunterhalt zu beteiligen, der im Rahmen ihrer vollstationären Unterbringung vom Jugendhilfeträger voll finanziert wird, nicht infrage gestellt. Die Heranziehung nach Maßgabe des durchschnittlichen Monatseinkommens des Vorjahres verlangt einen anderen Umgang mit dem erzielten Einkommen, lässt sich aber ebenso als geeignet ansehen, eine eigenverantwortliche Lebensführung zu unterstützen (vgl. VG Cottbus, Urteil vom 3. Februar 2017 - 1 K 568/16 - juris Rn. 29 f.; VG Hannover, Urteil vom 14. Dezember 2018 - 3 A 7642/16 - juris Rn. 29 f.; VGH München, Urteil vom 25. September 2019 - 12 BV 18.12 74 - juris Rn. 37).

22 c) Entgegen der Ansicht des Beklagten gebietet auch der Zweck des § 93 Abs. 4 SGB VIII kein anderes Verständnis. Mit der Einführung des § 93 Abs. 4 SGB VIII durch das Kinder- und Jugendhilfeverwaltungsvereinfachungsgesetz im Jahr 2013 verfolgte der Gesetzgeber insbesondere die Zielsetzungen, den in der Praxis bestehenden Unsicherheiten über den für die Berechnung maßgeblichen Zeitraum zu begegnen und gleichzeitig im Interesse der Verwaltungsvereinfachung die Erhebung eines Kostenbeitrags zeitnah zur Leistung oder Maßnahme zu ermöglichen, um die kostentragungspflichtigen Kommunen in unmittelbarem Zusammenhang mit ihrer Belastung zu entlasten (vgl. BT-Drs. 17/13023 S. 14 f.). Anlass für die Schaffung einer Berechnungsregelung, die auf das durchschnittliche Monatseinkommen des Jahres abstellt, das der Jugendhilfeleistung vorangeht, waren zwar die Schwierigkeiten bei der Heranziehung Selbstständiger, deren Tätigkeit häufig durch hohe Schwankungen im Umsatz gekennzeichnet ist. Die Regelung ist aber nicht auf Selbstständige beschränkt worden. Im Vordergrund standen vielmehr unabhängig von bestimmten Gruppen von Leistungspflichtigen die Verwaltungsvereinfachung und leistungsnahe Entlastung der Jugendhilfeträger als solche, für die der Gesetzgeber als mögliche Folge auch eine komplette Freistellung der Kostenbeitragspflichtigen in Kauf genommen hat. Sachliche Unterschiede, die eine unterschiedliche Behandlung bei der Heranziehung von Unterhaltspflichtigen einerseits und jungen Menschen andererseits zwingend gebieten würden, sind vor diesem Hintergrund nicht ersichtlich.

23 d) Dieses Auslegungsergebnis zu § 93 Abs. 4 Satz 1 SGB VIII ist nicht im Wege richterlicher Rechtsfortbildung zu korrigieren. Deren Voraussetzungen liegen nicht vor.

24 Die Befugnis zur Korrektur des Wortlauts einer Vorschrift steht den Gerichten nur begrenzt zu. Sie ist u.a. dann gegeben, wenn die Beschränkung des Wortsinns einer gesetzlichen Regelung aufgrund des vom Gesetzgeber mit ihr verfolgten Regelungsziels geboten ist, die gesetzliche Regelung also nach ihrem Wortlaut Sachverhalte erfasst, die sie nach dem erkennbaren Willen des Gesetzgebers nicht erfassen soll. In einem solchen Fall ist eine zu weit gefasste Regelung im Wege der sogenannten teleologischen Reduktion auf den ihr nach Sinn und Zweck zugedachten Anwendungsbereich zurückzuführen. Ob eine planwidrige Gesetzeslücke als Voraussetzung einer teleologischen Reduktion vorliegt, ist nach dem Plan des Gesetzgebers zu beurteilen, der dem Gesetz zugrunde liegt (stRspr, vgl. etwa BVerwG, Urteile vom 25. März 2014 - 5 C 13.13 - Buchholz 436.36 § 8 BAföG Nr. 14 Rn. 25, vom 23. April 2015 - 5 C 10.14 - BVerwGE 152, 60 Rn. 21 und vom 28. Februar 2019 - 5 C 1.18 - Buchholz 436.511 § 23 SGB VIII Nr. 4 Rn. 15).

25 Gemessen daran lässt sich schon nicht feststellen, dass die Regelung in § 93 Abs. 4 Satz 1 SGB VIII über die damit verfolgten Zwecke des Gesetzgebers hinausgeht. Es fehlt jeglicher Anhaltspunkt dafür, dass diese Berechnungsmodalitäten bei der Heranziehung junger Menschen keine Anwendung finden sollten und lediglich übersehen worden wäre, dass die Regelung alle Kostenbeitragspflichtigen erfasst. Ebenso wenig ist ersichtlich, dass die damit bezweckte Verwaltungsvereinfachung in der Gruppe junger Menschen von vornherein nicht erreicht werden könnte oder dass die Anwendung des § 93 Abs. 4 SGB VIII dem Ziel der Jugendhilfe zuwiderlaufen würde, den jungen Menschen bei einer eigenverantwortlichen Lebensführung zu unterstützen.

26 Darüber hinaus setzt eine teleologische Reduktion voraus, dass sich dem Plan des Gesetzgebers mit hinreichender Deutlichkeit entnehmen lässt, in welcher Weise die gesetzliche Regelung einzuschränken ist, um den Gesetzeszweck zu erreichen (vgl. BVerwG, Urteil vom 27. Februar 2020 - 5 C 5.19 - BVerwGE 168, 15 Rn. 15). Daran fehlt es hier, weil neben der vom Beklagten anstelle der Berücksichtigung des Vorjahreseinkommens befürworteten monatlichen Heranziehung aus dem Einkommen im Hilfezeitraum auch andere Lösungen, etwa die Berechnung anhand des zu Beginn des Jahres oder einer Beschäftigung erzielten monatlichen Durchschnittseinkommens, denkbar sind.

27 Weil der Beklagte zur Ermittlung der monatlichen Kostenbeiträge der Klägerin für das Jahr 2015 nicht, wie nach § 93 Abs. 4 Satz 1 SGB VIII geboten, deren durchschnittliches Monatseinkommen aus dem Jahr 2014 und für das Jahr 2016 deren monatliches Durchschnittseinkommen aus dem Jahr 2015 zugrunde gelegt hat, ist die angegriffene Kostenerhebung rechtswidrig, soweit der Beklagte zu hohe monatliche Kostenbeiträge sowie eine überhöhte Nachzahlung festgesetzt hat. Der Senat ist hier allerdings nicht gehalten, die zutreffende Höhe des monatlichen Kostenbeitrags und einer etwaigen Nachzahlung zu ermitteln. Denn der angegriffene Kostenbescheid in der Gestalt des Widerspruchsbescheids ist auch aus anderen Gründen rechtswidrig und deshalb insgesamt aufzuheben.

28 2. Das Oberverwaltungsgericht hat zu Recht entschieden, dass die Kostenerhebung auch deshalb rechtswidrig ist, weil der Beklagte das ihm in § 94 Abs. 6 Satz 2 SGB VIII eingeräumte Ermessen nicht ausgeübt hat. Danach kann ein geringerer Kostenbeitrag als nach § 94 Abs. 6 Satz 1 SGB VIII erhoben oder gänzlich von der Erhebung des Kostenbeitrags abgesehen werden, wenn das Einkommen aus einer Tätigkeit stammt, die dem Zweck der Leistung dient. Das ist hier der Fall.

29 Die Tätigkeit der Klägerin dient dem Zweck der ihr gewährten Hilfe für junge Volljährige, die gemäß § 41 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 34 SGB VIII auf die Förderung der Persönlichkeitsentwicklung sowie einer selbstständigen und eigenverantwortlichen Lebensführung des jungen Menschen gerichtet ist. Das Oberverwaltungsgericht hat für den Senat verbindlich (§ 137 Abs. 2 VwGO) festgestellt, dass die Arbeit der Klägerin in der Werkstatt für behinderte Menschen zum Ziel hat, ihre Persönlichkeit weiterzuentwickeln und ihr eine Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu ermöglichen, und ist auf der Grundlage dieser Tatsachenfeststellung zu Recht davon ausgegangen, dass diese Tätigkeit dem Zweck der ihr gewährten Hilfe für junge Volljährige dient.

30 Der Tatbestand des § 94 Abs. 6 Satz 2 SGB VIII ist nicht im Hinblick auf § 94 Abs. 6 Satz 3 SGB VIII einschränkend dahin auszulegen, dass das Ermessen nur bei Tätigkeiten im sozialen und kulturellen Bereich eröffnet wäre. Entgegen der Auffassung des Beklagten ist eine enge Auslegung des § 94 Abs. 6 Satz 2 SGB VIII nicht schon deshalb geboten, weil es sich um eine "Ausnahmeregelung" handeln würde. Dabei kann dahinstehen, ob § 94 Abs. 6 Satz 2 SGB VIII als solche zu qualifizieren ist. Denn auch Ausnahmevorschriften sind nach den allgemeinen Auslegungsgrundsätzen auszulegen und können je nach der ihnen innewohnenden Zweckrichtung einer einschränkenden oder ausdehnenden Auslegung zugänglich sein (stRspr, vgl. z.B. BVerwG, Urteile vom 7. November 1995 - 9 C 73.95 - BVerwGE 100, 23 <30>, vom 26. November 2003 - 9 C 4.03 - BVerwGE 119, 258 <260> und vom 16. März 2005 - 9 C 7.04 - BVerwGE 123, 132 <136 f.>).

31 Der Wortlaut des § 94 Abs. 6 Satz 2 SGB VIII ist insofern offen, als er uneingeschränkt alle Tätigkeiten erfasst, die dem Zweck der Leistung dienen. Gemäß § 94 Abs. 6 Satz 3 SGB VIII gilt die Ermessensregelung des Satzes 2 allerdings insbesondere, wenn es sich um eine Tätigkeit im sozialen oder kulturellen Bereich handelt, bei der nicht die Erwerbstätigkeit, sondern das soziale oder kulturelle Engagement im Vordergrund stehen. Dem Beklagten ist einzuräumen, dass das Wort "insbesondere" üblicherweise vom Gesetzgeber verwendet wird, um Regelbeispiele einzuführen, die die Auslegung der Tatbestandsmerkmale steuern sollen, auf die sie sich beziehen (vgl. z.B. BVerwG, Urteil vom 29. August 2019 - 7 C 33.17 - Buchholz 422.1 Presserecht Nr. 21 Rn. 16). In § 94 Abs. 6 Satz 3 SGB VIII hat der Gesetzgeber jedoch keine derartigen Regelbeispiele festgelegt. Die dort genannten Beispiele haben keinen Leitbildcharakter. Das Wort "insbesondere" wird hier vielmehr im Sinne von "das ist stets dann der Fall, wenn" verwendet und nicht im Sinne einer Definition des Merkmals "Tätigkeiten, die dem Zweck der Leistung dienen" in § 94 Abs. 6 Satz 2 SGB VIII. Wie sich aus der Gesetzesbegründung (vgl. BT-Drs. 17/13023 S. 15) und den dort ausdrücklich angeführten Beispielen eindeutig ergibt, soll die Ermessensregelung nach dem Willen des Gesetzgebers für alle Fälle der Aufnahme einer bezahlten Tätigkeit gelten, "in denen der junge Mensch Eigeninitiative ergreift und sich verantwortungsbewusst gegenüber seinem Leben und seiner Zukunft zeigt". Dies entspricht dem sich ebenfalls aus der Gesetzesbegründung ergebenden Zweck des § 94 Abs. 6 Satz 2 SGB VIII, den rechtlichen Spielraum zum Absehen von einer Kostenbeteiligung im Einzelfall im Vergleich zur vorherigen Rechtslage zu erweitern und solche Kostenbeteiligungen auszuschließen, die im Widerspruch zum Auftrag der Kinder- und Jugendhilfe stehen. Dass § 92 Abs. 5 Satz 1 SGB VIII bereits eine Härtefallregelung vorsieht, steht dem nicht entgegen, weil der Gesetzgeber den Handlungsspielraum bei der Heranziehung junger Menschen in Kenntnis dieser Regelung erweitern, also gerade darüber hinausgehen wollte.

32 3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Entscheidung über die Gerichtskostenfreiheit folgt aus § 188 Satz 2 Halbs. 1 VwGO.