Verfahrensinformation

Schadensersatzanspruch eines Beamten gegen seinen Dienstherrn wegen Verletzung der Gesundheit und des Persönlichkeitsrechts


Die Klägerin ist Kommunalbeamtin im höheren Dienst. Bei ihrem früheren Dienstherrn kam es nach einer Oberbürgermeisterwahl zu organisatorischen Änderungen, in deren Folge ihr u.a. ein anderer, weniger verantwortungsvoller Aufgabenbereich übertragen wurde. Hiergegen ging sie u.a. im Wege eines gerichtlichen Eilrechtsschutzantrags vor, mit dem sie einen Anspruch auf amtsangemessene Beschäftigung geltend machte und hiermit auch Erfolg hatte.


Außerdem hat die Klägerin von ihrem früheren Dienstherrn Schadensersatz wegen Verletzung ihrer Gesundheit und ihres allgemeinen Persönlichkeitsrechts verlangt. Ihre hierauf gerichtete Klage war erstinstanzlich erfolgreich, wurde aber zweitinstanzlich abgewiesen; die Vorkommnisse, auf die sich die Klage stütze, seien weder für sich betrachtet noch in der Gesamtschau geeignet, Schmerzensgeld- und Geldentschädigungsansprüche auf beamtenrechtlicher Grundlage auszulösen.


Mit der vom Bundesverwaltungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter.


Pressemitteilung Nr. 24/2023 vom 28.03.2023

Fürsorgepflichtverletzung erfordert bei geltend gemachtem "Mobbing" Gesamtschau von Einzelmaßnahmen

Ein Beamter kann Anspruch auf Schadensersatz gegen seinen Dienstherrn haben, wenn dieser seine Fürsorgepflicht dadurch verletzt, dass er ein systematisches Anfeinden, Schikanieren oder Diskriminieren - insbesondere durch Vorgesetzte - zulässt. Ob dies der Fall ist, kann nur aufgrund einer Gesamtschau der in Rede stehenden Geschehnisse beurteilt werden. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden.


Die Klägerin stand bis zu ihrer Versetzung im Jahr 2017 als Stadtverwaltungsoberrätin (Besoldungsgruppe A 14 LBesO) im Dienst der beklagten Gemeinde; sie war seit 2007 mit der Leitung des Fachbereichs "Bürgerdienste, Recht und Ordnung" betraut. Nach seiner Wiederwahl vom Mai 2014 verfügte der Oberbürgermeister der Beklagten im Juli 2014 eine Neuorganisation des Verwaltungsaufbaus, die eine Reduzierung der Fachbereiche von vier auf drei zur Folge hatte. Die Klägerin wurde auf die neu gebildete "Stabsstelle Recht" umgesetzt. Die dortige Verwendung entsprach nach einem später ergangenen und rechtskräftig gewordenen Urteil des Verwaltungsgerichts nicht dem Anspruch auf amtsangemessene Beschäftigung. Im Rahmen der Umsetzung wurde ihr ein Dienstzimmer im Dachgeschoss eines Seitentrakts des Rathauses zugewiesen. Aufgrund arbeitsschutzrechtlicher Bedenken gegen die ins Dachgeschoss führende "steile Treppe" wies die Beklagte den betroffenen Bediensteten im Juni 2015 andere Dienstzimmer zu. Im Dezember 2015 stellte der Personalrat der Beklagten eine Pressemitteilung auf der Homepage ein, in der der Klägerin u.a. vorgeworfen wurde, sie habe sich "über Monate bei voller Besoldung als Chefjuristin der Verwaltung in 'Krankheit'" geflüchtet.


Die Klägerin sieht in diesen und weiteren Verhaltensweisen ein gezieltes Mobbing des Oberbürgermeisters, der ihr gegenüber auch offenbart habe, im Rahmen seines Wahlkampfes im Frühjahr 2014 das Vertrauen in ihre Person verloren zu haben.


Ihre auf Schadensersatz gerichtete Klage war vor dem Verwaltungsgericht erfolgreich, wurde in der Berufungsinstanz indes abgewiesen. Auf die Revision der Klägerin hat das Bundesverwaltungsgericht die Sache an das Oberverwaltungsgericht zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.


Das Berufungsurteil verstößt gegen Bundesrecht, weil es von einem fehlerhaften rechtlichen Maßstab ausgeht. Die Besonderheit der als "Mobbing" bezeichneten Rechtsverletzung liegt gerade darin, dass die Zusammenschau mehrerer Einzelakte zur Annahme einer Fürsorgepflichtverletzung führen kann, auch wenn die jeweiligen Einzelmaßnahmen für sich betrachtet nicht zu beanstanden oder jedenfalls nicht von ausreichender Intensität sind. Diesen Maßstab hat das Oberverwaltungsgericht nicht hinreichend beachtet und eine Gesamtschau der betrachteten Maßnahmen unterlassen. Darüber hinaus hat das Berufungsgericht den Beweisantrag zur Aufklärung der Frage, ob dem Oberbürgermeister der Inhalt der Pressemitteilung des Personalrats vorab bekannt war, fehlerhaft abgelehnt. Zudem beruht die Ablehnung des Beweisantrags, über die gesundheitlichen Auswirkungen der amtsunangemessenen Beschäftigung der Klägerin ein Sachverständigengutachten einzuholen, auf einem fehlerhaften Kausalitätsmaßstab. 


BVerwG 2 C 6.21 - Urteil vom 28. März 2023

Vorinstanzen:

OVG Magdeburg, OVG 1 L 72/19 - Urteil vom 08. Oktober 2020 -

VG Halle, VG 5 A 519/16.HAL - Urteil vom 27. März 2019 -


Beschluss vom 12.07.2021 -
BVerwG 2 B 77.20ECLI:DE:BVerwG:2021:120721B2B77.20.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 12.07.2021 - 2 B 77.20 - [ECLI:DE:BVerwG:2021:120721B2B77.20.0]

Beschluss

BVerwG 2 B 77.20

  • VG Halle - 27.03.2019 - AZ: VG 5 A 519/16.HAL
  • OVG Magdeburg - 08.10.2020 - AZ: OVG 1 L 72/19

In der Verwaltungsstreitsache hat der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 12. Juli 2021
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Domgörgen,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. von der Weiden
und die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Hampel
beschlossen:

  1. Die Entscheidung über die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts des Landes Sachsen-Anhalt vom 8. Oktober 2020 wird aufgehoben.
  2. Die Revision wird zugelassen.
  3. Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens folgt der Entscheidung der Hauptsache.
  4. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren und - insoweit vorläufig - für das Revisionsverfahren auf 65 000 € festgesetzt.

Gründe

1 Die Beschwerde der Beklagten ist begründet. Die Revision ist wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Das Revisionsverfahren kann dem Bundesverwaltungsgericht Gelegenheit geben zur rechtsgrundsätzlichen Klärung, ob ein beamtenrechtlicher Schadensersatzanspruch gegen den Dienstherrn wegen § 839 Abs. 3 BGB ausgeschlossen sein kann, wenn der Beamte gegen den Dienstherrn - als juristische Person des öffentlichen Rechts - im Primärrechtsschutz obsiegt, aber sodann von Vollstreckungsmaßnahmen absieht. In diesem Zusammenhang kann ggf. auch geklärt werden, ob die Monatsfrist nach § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 929 Abs. 2 ZPO auch dann mit der Zustellung der erstinstanzlichen Entscheidung beginnt, wenn der Beamte als Vollstreckungsgläubiger lediglich mit dem Hilfsantrag erfolgreich gewesen ist, sein Hauptantrag hingegen abgelehnt wurde und er dagegen mit Rechtsmitteln vorgeht und die Beschwerdeentscheidung abwartet.

2 Die Festsetzung des Werts des Streitgegenstandes für das Beschwerdeverfahren beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1, § 52 Abs. 1 GKG.

Rechtsbehelfsbelehrung


Das Beschwerdeverfahren wird als Revisionsverfahren unter dem Aktenzeichen BVerwG 2 C 6.21 fortgesetzt. Der Einlegung einer Revision durch den Beschwerdeführer bedarf es nicht.
Die Revision ist innerhalb eines Monats nach Zustellung dieses Beschlusses zu begründen. Die Begründung ist bei dem Bundesverwaltungsgericht, Simsonplatz 1, 04107 Leipzig, schriftlich oder in elektronischer Form (§ 55a Abs. 1 bis 6 VwGO sowie Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach vom 24. November 2017, BGBl. I S. 3803) einzureichen.
Für die Beteiligten besteht Vertretungszwang; dies gilt auch für die Begründung der Revision. Die Beteiligten müssen sich durch Bevollmächtigte im Sinne von § 67 Abs. 4 Satz 3 bis 6 VwGO, § 5 Nr. 6 Alt. 2 RDGEG vertreten lassen.