Verfahrensinformation

Restitutionsausschluss bei Abriss und Neubau von Nebengebäuden der Staatsoper?


Im März wird das Bundesverwaltungsgericht zu prüfen haben, ob die Bruchteilsrestitution eines mit Nebengebäuden der Staatsoper in Berlin bebauten Grundstücks ausgeschlossen ist. Dieses Grundstück steht im Eigentum der beigeladenen Stiftung Staatsoper in Berlin.


Die Klägerinnen waren jüdische Unternehmen im Sinne der NS-Rassegesetze und hielten Anteile an der Bank des Berliner Kassen-Vereins. Diese war Eigentümerin des verfahrensgegenständlichen Grundstücks und eines Nachbargrundstücks. Im Jahr 1942 wurde ihr Vermögen durch Anordnung des Reichswirtschaftsministers auf die Deutsche Reichsbank übertragen. Nach Zerstörungen im Zweiten Weltkrieg wurden auf beiden Grundstücken von 1952 bis 1955 Verwaltungs- und Magazingebäude der Staatsoper errichtet und - über das Jahr 1990 hinaus - für den Opernbetrieb genutzt. Seit 2011 wurden die Nebengebäude umfassend saniert. Dabei wurde der auf dem ersten Grundstück aufstehende Nordteil des Magazingebäudes niedergelegt und unter Wiederverwendung ehemaliger Fassadenelemente als Probenzentrum neu errichtet. Die Fassade des auf dem zweiten Grundstück aufstehenden Südteils des Magazingebäudes wurde erhalten; dort befindet sich seit dem Umbau die Barenboim-Said-Akademie.


Das Bundesamt für zentrale Dienste und offene Vermögensfragen stellte die vermögensrechtliche Berechtigung der Klägerinnen an beiden Grundstücken im Umfang ihrer jeweiligen Beteiligung an der Bank des Berliner Kassenvereins fest. Es lehnte jedoch die Anträge auf Bruchteilsrestitution der Grundstücke ab. Den hiergegen erhobenen Klagen hat das Verwaltungsgericht hinsichtlich des ersten Grundstücks stattgegeben und sie im Übrigen - hinsichtlich des zweiten - abgewiesen. Dessen Restitution sei nach § 5 Abs. 1 Buchst. a und Abs. 2 des Vermögensgesetzes (VermG) ausgeschlossen, weil die Bausubstanz der darauf in den 1950er Jahren errichteten Opernbauten bei der Sanierung erhalten worden sei. Bei dem ersten Grundstück liege wegen der Niederlegung und Neuerrichtung des nördlichen Teils des Magazingebäudes kein Ausschlussgrund vor. Die Beklagte und die beigeladene Stiftung machen mit ihren Revisionen betreffend dieses Grundstücks geltend, der Restitutionsausschluss setze nicht voraus, dass die Neubebauung der 1950er Jahre noch im Zeitpunkt der Restitutionsentscheidung in ihrer Bausubstanz fortbestehe.


Pressemitteilung Nr. 26/2023 vom 29.03.2023

Keine anteilige Rückübertragung eines Grundstücks der Staatsoper Berlin

Nach dem Vermögensgesetz (VermG) besteht kein Anspruch auf Einräumung von Bruchteilseigentum an einem mit dem Probenzentrum der Staatsoper Berlin bebauten Grundstück. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden.


Die Klägerinnen waren jüdische Unternehmen im Sinne der NS-Rassegesetze und hielten Anteile an der Bank des Berliner Kassenvereins. Diese war Eigentümerin des verfahrensgegenständlichen Grundstücks und eines Nachbargrundstücks, auf denen sich ihr Geschäftsgebäude befand. Nach Zerstörungen im Zweiten Weltkrieg wurden auf beiden Grundstücken von 1952 bis 1955 Nebengebäude der Staatsoper errichtet und - über das Jahr 1990 hinaus - für den Opernbetrieb genutzt. Seit 2011 wurden die Nebengebäude umfassend saniert und teilweise durch Neubauten ersetzt. Der auf dem verfahrensgegenständlichen Grundstück stehende Nordteil des Magazingebäudes wurde dabei vollständig abgerissen. An seiner Stelle wurde ein dem Opernbetrieb dienendes Probenzentrum errichtet. Die auf dem Nachbargrundstück erhalten gebliebene Südfassade des Magazingebäudes wurde in den Neubau der Barenboim-Said-Akademie integriert.


Das Bundesamt für zentrale Dienste und offene Vermögensfragen stellte die vermögensrechtliche Berechtigung der Klägerinnen an beiden Grundstücken im Umfang ihrer jeweiligen Beteiligung an der Bank des Berliner Kassenvereins fest. Es lehnte jedoch eine anteilige Rückgabe der Grundstücke ab und verwies die Klägerinnen auf Entschädigungsansprüche. Den hiergegen erhobenen Klagen hat das Verwaltungsgericht hinsichtlich des verfahrensgegenständlichen Grundstücks stattgegeben. Insoweit sei der Grund für den Ausschluss der Rückübertragung nach § 5 Abs. 1 Buchst. a VermG mit dem vollständigen Abriss des nördlichen Teils des Magazingebäudes entfallen. Hinsichtlich des Nachbargrundstücks hat es die Klagen abgewiesen, weil dessen Rückgabe wegen der Erhaltung der Südfassade ausgeschlossen sei.


Die Revisionen der Bundesrepublik Deutschland sowie der beigeladenen Stiftung Oper in Berlin hatten Erfolg. Die Rückübertragung des verfahrensgegenständlichen Grundstücks ist ausgeschlossen, weil es in den 1950er Jahren durch die Errichtung der Nebengebäude der Staatsoper mit erheblichem baulichen Aufwand in seiner Nutzungsart verändert wurde und ein öffentliches Interesse an seiner Nutzung für den Opernbetrieb besteht. Dieser Grund für den Ausschluss der Rückübertragung ist nicht etwa entfallen, weil der Nordteil des Magazingebäudes abgerissen und durch das neue Probenzentrum ersetzt wurde. § 5 Abs. 1 Buchst. a VermG verlangt nicht, dass der erhebliche bauliche Aufwand, mit dem das Grundstück in seiner Nutzung verändert wurde, in seiner Substanz erhalten bleibt. Vielmehr genügt es, wenn die mit diesem Aufwand herbeigeführte, im öffentlichen Interesse liegende geänderte Nutzung fortbesteht. Hier dient das neu errichtete Probenzentrum ebenso wie zuvor das Magazingebäude dem im öffentlichen Interesse liegenden Opernbetrieb.


Fußnote:

§ 5 Vermögensgesetz (Auszug):


(1)    Eine Rückübertragung von Eigentumsrechten an Grundstücken und Gebäuden ist … insbesondere auch dann ausgeschlossen, wenn Grundstücke und Gebäude


a)     mit erheblichem baulichen Aufwand in ihrer Nutzungsart oder Zweckbestimmung verändert wurden und ein öffentliches Interesse an dieser Nutzung besteht,


b)      …


c)       …


d)      …


BVerwG 8 C 1.22 - Urteil vom 29. März 2023

Vorinstanz:

VG Berlin, VG 29 K 130.16 - Urteil vom 25. Juni 2021 -

BVerwG 8 C 2.22 - Urteil vom 29. März 2023

Vorinstanz:

VG Berlin, VG 29 K 131.16 - Urteil vom 25. Juni 2021 -


Beschluss vom 07.03.2022 -
BVerwG 8 B 50.21ECLI:DE:BVerwG:2022:070322B8B50.21.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 07.03.2022 - 8 B 50.21 - [ECLI:DE:BVerwG:2022:070322B8B50.21.0]

Beschluss

BVerwG 8 B 50.21

  • VG Berlin - 25.06.2021 - AZ: VG 29 K 130.16

In der Verwaltungsstreitsache hat der 8. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 7. März 2022
durch die Vorsitzende Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Held-Daab, den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Keller und
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Rublack
beschlossen:

  1. Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Berlin über die Nichtzulassung der Revision gegen sein Urteil vom 25. Juni 2021 wird aufgehoben, soweit sie die Entscheidung über das Klagebegehren bezüglich des Flurstücks 437 der Flur 820 der Gemarkung Mitte betrifft.
  2. Insoweit wird die Revision zugelassen.
  3. Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens folgt der Kostenentscheidung in der Hauptsache.
  4. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren und für das Revisionsverfahren - insoweit vorläufig - auf 42 000 € festgesetzt.

Gründe

1 Die Beschwerden der Beklagten und der Beigeladenen zu 1 haben bei sachgerechter Antragsauslegung unter Berücksichtigung der das jeweilige Rechtsschutzziel präzisierenden Beschwerdebegründungen gemäß § 88 VwGO ausschließlich die stattgebende Entscheidung des Verwaltungsgerichts zum Bruchteilsrestitutionsbegehren betreffend das Flurstück 437 der Flur 820 der Gemarkung Mitte zum Gegenstand. Die darauf beschränkten Nichtzulassungsbeschwerden sind zulässig und begründet, weil der insoweit von beiden Beschwerdeführerinnen geltend gemachte Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) vorliegt. Das Revisionsverfahren kann Gelegenheit zur Klärung der Frage geben, ob der Ausschluss der Rückübertragung nach § 5 Abs. 1 Buchst. a VermG voraussetzt, dass der erhebliche bauliche Aufwand über den 29. September 1990 hinaus fortbesteht.

2 Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 und § 63 Abs. 1 Satz 1 GKG.

Rechtsbehelfsbelehrung


Das Beschwerdeverfahren wird als Revisionsverfahren unter dem Aktenzeichen BVerwG 8 C 1.22 fortgesetzt. Der Einlegung einer Revision durch den Beschwerdeführer bedarf es nicht.
Die Revision ist innerhalb eines Monats nach Zustellung dieses Beschlusses zu begründen. Die Begründung ist bei dem Bundesverwaltungsgericht, Simsonplatz 1, 04107 Leipzig, schriftlich bzw. in elektronischer Form (§ 55a Abs. 1 bis 6, § 55d VwGO sowie Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach vom 24. November 2017, BGBl. I S. 3803) einzureichen.
Für die Beteiligten besteht Vertretungszwang; dies gilt auch für die Begründung der Revision. Die Beteiligten müssen sich durch Bevollmächtigte im Sinne von § 67 Abs. 4 Satz 3 bis 6 VwGO, § 5 Nr. 6 Alt. 2 RDGEG vertreten lassen.

Beschluss vom 07.03.2022 -
BVerwG 8 B 51.21ECLI:DE:BVerwG:2022:070322B8B51.21.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 07.03.2022 - 8 B 51.21 - [ECLI:DE:BVerwG:2022:070322B8B51.21.0]

Beschluss

BVerwG 8 B 51.21

  • VG Berlin - 25.06.2021 - AZ: VG 29 K 131.16

In der Verwaltungsstreitsache hat der 8. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 7. März 2022
durch die Vorsitzende Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Held-Daab, den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Keller und
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Rublack
beschlossen:

  1. Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Berlin über die Nichtzulassung der Revision gegen sein Urteil vom 25. Juni 2021 wird aufgehoben, soweit sie die Entscheidung über das Klagebegehren bezüglich des Flurstücks ... der Flur ... der Gemarkung M. betrifft.
  2. Insoweit wird die Revision zugelassen.
  3. Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens folgt der Kostenentscheidung in der Hauptsache.
  4. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren und für das Revisionsverfahren - insoweit vorläufig - auf 47 500 € festgesetzt.

Gründe

1 Die Beschwerden der Beklagten und der Beigeladenen zu 1 haben bei sachgerechter Antragsauslegung unter Berücksichtigung der das jeweilige Rechtsschutzziel präzisierenden Beschwerdebegründungen gemäß § 88 VwGO ausschließlich die stattgebende Entscheidung des Verwaltungsgerichts zum Bruchteilsrestitutionsbegehren betreffend das Flurstück ... der Flur ... der Gemarkung M. zum Gegenstand. Die darauf beschränkten Nichtzulassungsbeschwerden sind zulässig und begründet, weil der insoweit von beiden Beschwerdeführerinnen geltend gemachte Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) vorliegt. Das Revisionsverfahren kann Gelegenheit zur Klärung der Frage geben, ob der Ausschluss der Rückübertragung nach § 5 Abs. 1 Buchst. a VermG voraussetzt, dass der erhebliche bauliche Aufwand über den 29. September 1990 hinaus fortbesteht.

2 Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 und § 63 Abs. 1 Satz 1 GKG.

Rechtsbehelfsbelehrung


Das Beschwerdeverfahren wird als Revisionsverfahren unter dem Aktenzeichen BVerwG 8 C 2.22 fortgesetzt. Der Einlegung einer Revision durch den Beschwerdeführer bedarf es nicht.
Die Revision ist innerhalb eines Monats nach Zustellung dieses Beschlusses zu begründen. Die Begründung ist bei dem Bundesverwaltungsgericht, Simsonplatz 1, 04107 Leipzig, schriftlich bzw. in elektronischer Form (§ 55a Abs. 1 bis 6, § 55d VwGO sowie Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach vom 24. November 2017, BGBl. I S. 3803) einzureichen.
Für die Beteiligten besteht Vertretungszwang; dies gilt auch für die Begründung der Revision. Die Beteiligten müssen sich durch Bevollmächtigte im Sinne von § 67 Abs. 4 Satz 3 bis 6 VwGO, § 5 Nr. 6 Alt. 2 RDGEG vertreten lassen.