Verfahrensinformation
Zumutbarkeit der Passbeschaffung bei subsidiär schutzberechtigtem Ausländer
Der 1985 geborene Kläger begehrt die Ausstellung eines Reiseausweises für Ausländer. Er ist eritreischer Staatsangehöriger, erhielt vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge subsidiären Schutz und ist seit Oktober 2015 im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 2 AufenthG. Seinen Antrag auf Ausstellung eines Reiseausweises für Ausländer lehnte die zuständige Ausländerbehörde im April 2019 ab, weil es dem Kläger zuzumuten sei, bei der Botschaft Eritreas einen Passantrag zu stellen.
Die darauf erhobene Verpflichtungsklage hatte in erster Instanz Erfolg. Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberverwaltungsgericht das Urteil des Verwaltungsgerichts geändert und die Klage abgewiesen. Das Oberverwaltungsgericht hat ausgeführt, die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Reiseausweises seien nicht erfüllt. Anders als Flüchtlingen sei es subsidiär Schutzberechtigten grundsätzlich zumutbar, sich bei der Auslandsvertretung ihres Herkunftsstaates um die Ausstellung eines Nationalpasses zu bemühen. Eine Unzumutbarkeit i.S.d. § 5 Abs. 1 Aufenthaltsverordnung (AufenthV) bestehe daher auch dann, wenn der drohende ernsthafte Schaden von staatlichen Behörden ausgehe, nur bei Hinzutreten weiterer, hier nicht vorliegender Umstände, wie etwa der begründeten Furcht vor einer Gefährdung der im Heimatland lebenden Verwandten. Bemühungen um die Ausstellung eines eritreischen Nationalpasses seien dem Kläger hier nicht deshalb unzumutbar, weil in diesem Zusammenhang eine "Aufbau-" bzw. "Diasporasteuer" von 2% zu entrichten sei. Zumutbar sei auch die vom eritreischen Konsulat verlangte Abgabe einer "Reueerklärung", in der der Erklärende bedauere, seiner "nationalen Pflicht" nicht nachgekommen zu sein, und erkläre, eine eventuell dafür verhängte Strafe zu akzeptieren. Die Abgabe der Reueerklärung und Entgegennahme eines eritreischen Passes hätten schließlich auch nicht den Widerruf des subsidiären Schutzstatus zur Folge.
Gegen das Urteil wendet sich der Kläger mit der Revision, die das Berufungsgericht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Frage zugelassen hat, inwieweit die zur Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus führenden Umstände bei der Bewertung der Zumutbarkeit i.S.d. § 5 Abs. 1 und 2 AufenthV zu berücksichtigen sind.
Verfahrensinformation
Zumutbarkeit der Passbeschaffung bei subsidiär schutzberechtigtem Ausländer
Der 1985 geborene Kläger begehrt die Ausstellung eines Reiseausweises für Ausländer. Er ist eritreischer Staatsangehöriger, erhielt vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge subsidiären Schutz und ist seit Oktober 2015 im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 2 AufenthG. Seinen Antrag auf Ausstellung eines Reiseausweises für Ausländer lehnte die zuständige Ausländerbehörde im April 2019 ab, weil es dem Kläger zuzumuten sei, bei der Botschaft Eritreas einen Passantrag zu stellen.
Die darauf erhobene Verpflichtungsklage hatte in erster Instanz Erfolg. Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberverwaltungsgericht das Urteil des Verwaltungsgerichts geändert und die Klage abgewiesen. Das Oberverwaltungsgericht hat ausgeführt, die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Reiseausweises seien nicht erfüllt. Anders als Flüchtlingen sei es subsidiär Schutzberechtigten grundsätzlich zumutbar, sich bei der Auslandsvertretung ihres Herkunftsstaates um die Ausstellung eines Nationalpasses zu bemühen. Eine Unzumutbarkeit i.S.d. § 5 Abs. 1 Aufenthaltsverordnung (AufenthV) bestehe daher auch dann, wenn der drohende ernsthafte Schaden von staatlichen Behörden ausgehe, nur bei Hinzutreten weiterer, hier nicht vorliegender Umstände, wie etwa der begründeten Furcht vor einer Gefährdung der im Heimatland lebenden Verwandten. Bemühungen um die Ausstellung eines eritreischen Nationalpasses seien dem Kläger hier nicht deshalb unzumutbar, weil in diesem Zusammenhang eine "Aufbau-" bzw. "Diasporasteuer" von 2 % zu entrichten sei. Zumutbar sei auch die vom eritreischen Konsulat verlangte Abgabe einer "Reueerklärung", in der der Erklärende bedauere, seiner "nationalen Pflicht" nicht nachgekommen zu sein, und erkläre, eine eventuell dafür verhängte Strafe zu akzeptieren. Die Abgabe der Reueerklärung und Entgegennahme eines eritreischen Passes hätten schließlich auch nicht den Widerruf des subsidiären Schutzstatus zur Folge.
Gegen das Urteil wendet sich der Kläger mit der Revision, die das Berufungsgericht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Frage zugelassen hat, inwieweit die zur Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus führenden Umstände bei der Bewertung der Zumutbarkeit i.S.d. § 5 Abs. 1 und 2 AufenthV zu berücksichtigen sind.
Pressemitteilung Nr. 62/2022 vom 11.10.2022
Unzumutbarkeit der Passbeschaffung bei Erfordernis einer "Reueerklärung"
Einem subsidiär schutzberechtigten Ausländer darf die Ausstellung eines Reiseausweises für Ausländer nicht mit der Begründung verweigert werden, er könne einen Pass seines Herkunftsstaates auf zumutbare Weise erlangen, wenn der Herkunftsstaat die Ausstellung eines Passes an die Unterzeichnung einer "Reueerklärung" knüpft, die mit der Selbstbezichtigung einer Straftat verbunden ist, und der Ausländer plausibel darlegt, dass er die Erklärung nicht abgeben will. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden.
Der Kläger ist eritreischer Staatsangehöriger. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge gewährte ihm subsidiären Schutz, weil ihm aufgrund seiner illegalen Ausreise aus Eritrea bei einer Rückkehr eine Inhaftierung drohe, die mit Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung verbunden sei. Die Ausländerbehörde lehnte seinen Antrag auf Ausstellung eines Reiseausweises für Ausländer ab, weil es dem Kläger zuzumuten sei, bei der Botschaft Eritreas einen Passantrag zu stellen. Die darauf erhobene Verpflichtungsklage hatte in erster Instanz Erfolg. Auf die Berufung des Beklagten hat das Oberverwaltungsgericht die Klage abgewiesen. Die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Reiseausweises seien nicht erfüllt. Anders als Flüchtlingen sei es subsidiär Schutzberechtigten grundsätzlich zumutbar, sich bei der Auslandsvertretung ihres Herkunftsstaates um die Ausstellung eines Nationalpasses zu bemühen. Eine Unzumutbarkeit im Sinne des § 5 Abs. 1 der Aufenthaltsverordnung bestehe daher auch dann, wenn dem Betroffenen ernsthafter Schaden durch staatliche Behörden drohe, nur bei Hinzutreten weiterer, hier nicht vorliegender Umstände, wie etwa der begründeten Furcht vor einer Gefährdung der im Heimatland lebenden Verwandten. Bemühungen um die Ausstellung eines eritreischen Nationalpasses seien dem Kläger nicht deshalb unzumutbar, weil in diesem Zusammenhang eine "Aufbau-" oder "Diasporasteuer" von 2% seines Einkommens zu entrichten sei. Zumutbar sei auch die vom eritreischen Konsulat verlangte Abgabe einer "Reueerklärung", in der der Erklärende bedauere, seiner "nationalen Pflicht" nicht nachgekommen zu sein, und erkläre, auch eine eventuell dafür verhängte Strafe zu akzeptieren.
Der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts hat die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts geändert und das erstinstanzliche Urteil wiederhergestellt. Der Kläger kann die Ausstellung eines Reiseausweises beanspruchen, weil er einen eritreischen Pass nicht zumutbar erlangen kann und auch die sonstigen Voraussetzungen vorliegen. Zwar ist es einem subsidiär Schutzberechtigten anders als einem Flüchtling grundsätzlich zumutbar, einen Passantrag bei den Behörden des Herkunftsstaates zu stellen. Ob etwas Anderes schon dann gilt, wenn der subsidiäre Schutz dem Ausländer wegen eines von staatlichen Stellen gezielt drohenden ernsthaften Schadens zuerkannt worden ist, bedurfte keiner Entscheidung. Denn jedenfalls ist dem Kläger nicht zuzumuten, die beschriebene Reueerklärung abzugeben. Die insoweit vorzunehmende Abwägung zwischen seinen Grundrechten und den staatlichen Interessen, die auf die Personalhoheit des Herkunftsstaates Rücksicht zu nehmen haben, geht hier zu seinen Gunsten aus. Die in der Reueerklärung enthaltene Selbstbezichtigung einer Straftat darf ihm gegen seinen plausibel bekundeten Willen auch dann nicht abverlangt werden, wenn sich – wie vom Berufungsgericht festgestellt – die Wahrscheinlichkeit einer Bestrafung dadurch nicht erhöht und das Strafmaß gegebenenfalls sogar verringert.
BVerwG 1 C 9.21 - Urteil vom 11. Oktober 2022
Vorinstanzen:
OVG Lüneburg, OVG 8 LB 97/20 - Urteil vom 18. März 2021 -
VG Hannover, VG 12 A 2452/19 - Urteil vom 20. Mai 2020 -
Urteil vom 11.10.2022 -
BVerwG 1 C 9.21ECLI:DE:BVerwG:2022:111022U1C9.21.0
Unzumutbarkeit der Passbeschaffung bei Erfordernis einer "Reueerklärung"
Leitsatz:
Einem subsidiär schutzberechtigten Ausländer darf die Ausstellung eines Reiseausweises für Ausländer nicht mit der Begründung verweigert werden, er könne einen Pass seines Herkunftsstaates auf zumutbare Weise erlangen, wenn der Herkunftsstaat für die Ausstellung eines Passes an die Unterzeichnung einer "Reueerklärung" knüpft, die mit der Selbstbezichtigung einer Straftat verbunden ist, und der Ausländer plausibel darlegt, dass er die Erklärung nicht abgeben will.
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Rechtsquellen
AufenthV §§ 5, 6, 9 AufenthG § 48 Abs. 3 und 4, § 95 Abs. 1 Nr. 1 AsylG §§ 4, 72 Abs. 1 Nr. 1, § 73b RL 2011/95/EU Art. 3, 25 Abs. 1 und 2 GG Art. 2 Abs. 1 EMRK Art. 3 Zusatzprotokoll Nr. 4 zur EMRK Art. 2 GFK Art. 28 -
Instanzenzug
VG Hannover - 20.05.2020 - AZ: 12 A 2452/19
OVG Lüneburg - 18.03.2021 - AZ: 8 LB 97/20
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Zitiervorschlag
BVerwG, Urteil vom 11.10.2022 - 1 C 9.21 - [ECLI:DE:BVerwG:2022:111022U1C9.21.0]
Urteil
BVerwG 1 C 9.21
- VG Hannover - 20.05.2020 - AZ: 12 A 2452/19
- OVG Lüneburg - 18.03.2021 - AZ: 8 LB 97/20
In der Verwaltungsstreitsache hat der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
auf die mündliche Verhandlung vom 11. Oktober 2022
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Keller,
die Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Fleuß, Dollinger und
Böhmann sowie die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Wittkopp
für Recht erkannt:
- Das Urteil des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 18. März 2021 wird geändert. Die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Hannover vom 20. Mai 2020 wird zurückgewiesen.
- Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungs- und des Revisionsverfahrens.
Gründe
I
1 Der 1985 geborene Kläger ist eritreischer Staatsangehöriger und begehrt die Ausstellung eines Reiseausweises für Ausländer. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) hatte ihm im September 2015 den subsidiären Schutzstatus zuerkannt und den weitergehenden Asylantrag abgelehnt. Der Schutzgewährung lag die Annahme zugrunde, dass dem Kläger wegen seiner illegalen Ausreise bei einer Rückkehr nach Eritrea ein ernsthafter Schaden drohe, insbesondere eine Inhaftierung auf unbestimmte Zeit unter unmenschlichen oder erniedrigenden Bedingungen.
2 Die beklagte Ausländerbehörde lehnte es mit Bescheid vom 9. April 2019 ab, dem Kläger auf seinen Antrag einen Reiseausweis für Ausländer auszustellen, weil es ihm zuzumuten sei, bei der eritreischen Botschaft einen Passantrag zu stellen.
3 Das Verwaltungsgericht hat den Beklagten verpflichtet, dem Kläger einen Reiseausweis für Ausländer auszustellen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass es dem Kläger jedenfalls unzumutbar sei, die vom eritreischen Staat an die Passausstellung geknüpfte Bedingung der Unterzeichnung einer Reueerklärung zu erfüllen. Er habe glaubhaft und nachvollziehbar dargelegt, dass er sich hierzu nicht imstande sehe, weil er dieses Konstrukt zur Bereinigung seines Verhältnisses zum eritreischen Staat und zur Wiedererlangung seiner staatsbürgerlichen Rechte ablehne.
4 Das Oberverwaltungsgericht hat die erstinstanzliche Entscheidung geändert und die Klage abgewiesen. Die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Reiseausweises seien nicht erfüllt, weil der Kläger einen eritreischen Pass auf zumutbare Weise erlangen könne. Subsidiär Schutzberechtigten sei es grundsätzlich zumutbar, sich bei den Auslandsvertretungen des Herkunftsstaates um die Ausstellung eines Nationalpasses zu bemühen. Während Flüchtlinge einen Reiseausweis für Flüchtlinge beanspruchen könnten, stellten die Mitgliedstaaten nach Art. 25 Abs. 2 RL 2011/95/EU subsidiär Schutzberechtigten Reisedokumente nur dann aus, wenn diese keinen nationalen Pass erlangen könnten. Schutzgrund des Flüchtlingsstatus sei der Ausschluss aus der staatlichen Friedensordnung aufgrund eines bestimmten Merkmals. Dem sei die Gefahr eines ernsthaften Schadens selbst dann nicht vergleichbar, wenn sie vom Staat ausgehe. Aus der in § 72 Abs. 1 Nr. 1 AsylG enthaltenen Wertung folge hier keine Unzumutbarkeit der Passbeantragung. Diese Regelung über das Erlöschen der Flüchtlingseigenschaft für den Fall, dass der Ausländer sich freiwillig unter anderem durch Annahme oder Erneuerung eines Nationalpasses erneut dem Schutz seines Herkunftsstaates unterstellt, sei auf den subsidiären Schutz weder unmittelbar noch analog anwendbar. Eine Unzumutbarkeit im Sinne des § 5 Abs. 1 AufenthV bestehe daher auch dann, wenn der drohende ernsthafte Schaden von staatlichen Behörden ausgehe, nur bei Hinzutreten weiterer Umstände, wie etwa der begründeten Furcht vor einer Gefährdung der im Heimatland lebenden Verwandten. Diese Befürchtung des Klägers sei indes nach der aktuellen Erkenntnislage unbegründet. Bemühungen um die Ausstellung eines eritreischen Nationalpasses seien dem Kläger auch nicht deshalb unzumutbar, weil in diesem Zusammenhang eine "Aufbau-" oder "Diasporasteuer" von 2 % zu entrichten sei. Der Umstand, dass der Kläger gegenüber dem Konsulat eine sogenannte Reueerklärung abzugeben hätte, führe ebenfalls nicht zur Unzumutbarkeit der Erlangung eines Nationalpasses. Zwar stehe fest, dass alle illegal ausgereisten eritreischen Staatsangehörigen im dienstfähigen Alter konsularische Dienstleistungen wie die Ausstellung eines Reisepasses nur gegen Abgabe einer Reueerklärung in Anspruch nehmen könnten. Diese sei indes zumutbar. Der entgegenstehende Wille sei auch unter Beachtung des grundrechtlich geschützten Persönlichkeitsrechts unbeachtlich. Abgabe und Entgegennahme der Erklärung gingen nach den Umständen mit einer geringen Ernsthaftigkeitserwartung einher. Die Erklärung sei nur eine Formalie im Passantragsverfahren, mit der der Unterzeichnende zu erkennen geben solle, dass er den eritreischen Staat akzeptiere. Bei der Erklärung handele es sich auch nicht um eine Selbstbezichtigung im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. Eine imperative Pflicht zur Unterzeichnung der Reueerklärung bestehe gerade nicht. Mit dem Eingeständnis, den nationalen Pflichten nicht nachgekommen zu sein, gebe der Kläger zudem weder eine unwahre Erklärung ab, noch schaffe er die Grundlage für eine Bestrafung. Die strafbarkeitsbegründende illegale Ausreise des Klägers sei dem eritreischen Staat ohnehin bekannt. Die Reueerklärung erhöhe deshalb das bestehende Risiko einer Strafverfolgung nicht. Sie ermögliche unter Umständen die Erlangung des Diaspora-Status und damit sogar eine Verbesserung der Rechtsposition. Die Abgabe der Reueerklärung und eine anschließende Erlangung eines eritreischen Passes hätten schließlich nicht den Widerruf des dem Kläger zuerkannten Schutzstatus zur Folge.
5 Mit der Revision rügt der Kläger sinngemäß eine Verletzung von § 5 Abs. 1 und 2 AufenthV. Die für die Erlangung eines Nationalpasses erforderliche Abgabe einer Reueerklärung sei ihm nicht zuzumuten. Es sei nicht absehbar, welcher Bestrafung er sich damit aussetze. Da der Widerruf des Schutzstatus und damit eine mögliche Abschiebung nach Eritrea drohe, sei die Gefahr persönlicher Konsequenzen durchaus real. Auch im Falle einer Auslandsreise in ein Drittland könne es zu einer Abschiebung nach Eritrea kommen. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers werde verletzt, wenn ihm die Abgabe der - unwahren - Reueerklärung angesonnen würde. Denn er bereue seine Flucht aus Eritrea und die damit verbundenen Gesetzesbrüche gerade nicht. Ihm würde ein Schuldeingeständnis abverlangt, das auf einer gesetzlichen Drucksituation beruhe.
6 Der Beklagte und die Vertreterin des Bundesinteresses verteidigen das angegriffene Urteil.
II
7 Die zulässige Revision des Klägers ist begründet. Die Rechtsauffassung des Oberverwaltungsgerichts, der Kläger könne einen eritreischen Nationalpass auf zumutbare Weise erlangen, verletzt § 5 AufenthV (§ 137 Abs. 1 VwGO). Dem Kläger ist es entgegen der Auffassung des Oberverwaltungsgerichts jedenfalls nicht zuzumuten, die für die Erlangung eines Nationalpasses erforderliche Reueerklärung abzugeben (1.). Der Senat kann den Rechtsstreit auf der Grundlage der vorhandenen tatrichterlichen Feststellungen gemäß § 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 VwGO abschließend zugunsten des Klägers entscheiden. Die weiteren Voraussetzungen für die Ausstellung eines Reiseausweises für Ausländer sind ebenfalls erfüllt; Ausschlussgründe liegen nicht vor. Das damit nach § 5 Abs. 1 AufenthV eröffnete Ermessen ist infolge vorrangigen Unionsrechts auf Null reduziert (2.).
8 1. Nach § 5 Abs. 1 der Aufenthaltsverordnung (AufenthV) in der Fassung der Vierten Verordnung zur Änderung der Aufenthaltsverordnung vom 15. Juni 2009 (BGBl. I S. 1287) kann einem Ausländer, der nachweislich keinen Pass oder Passersatz besitzt und ihn nicht auf zumutbare Weise erlangen kann, nach Maßgabe der nachfolgenden Bestimmungen ein Reiseausweis für Ausländer ausgestellt werden. Im Inland darf ein Reiseausweis für Ausländer nach Maßgabe des § 5 AufenthV unter anderem dann ausgestellt werden, wenn der Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis besitzt (§ 6 Satz 1 Nr. 1 AufenthV). Diese Voraussetzungen liegen in der Person des Klägers im maßgeblichen Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung des Tatsachengerichts vor. Nach den für das Revisionsgericht bindenden tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts besitzt er weder einen Pass noch einen Passersatz und ist er im Besitz einer derzeit bis zum 8. November 2022 gültigen Aufenthaltserlaubnis. Der Kläger kann einen Pass oder (nichtdeutschen) Passersatz auch nicht auf zumutbare Weise erlangen; die gegenteilige Rechtsauffassung des Berufungsgerichts ist mit Bundesrecht nicht vereinbar.
9 Nach § 5 Abs. 2 Nr. 2 AufenthV gilt es insbesondere als zumutbar, in der den Bestimmungen des deutschen Passrechts, insbesondere den §§ 6 und 15 des Passgesetzes in der jeweils geltenden Fassung, entsprechenden Weise an der Ausstellung oder Verlängerung mitzuwirken und die Behandlung eines Antrages durch die Behörden des Herkunftsstaates zu dulden, sofern dies nicht zu einer unzumutbaren Härte führt. Zumutbar ist außerdem die Erfüllung zumutbarer staatsbürgerlicher Pflichten (§ 5 Abs. 2 Nr. 3 AufenthV).
10 Die Entscheidung über die Zumutbarkeit erfordert eine Abwägung der Interessen des Ausländers unter Beachtung seiner Grundrechte und der Werteordnung des Grundgesetzes einerseits mit den staatlichen Interessen, insbesondere der dadurch geforderten Rücksichtnahme auf die Personalhoheit des Herkunftsstaates, andererseits. Dabei muss auch auf den Nachdruck, mit dem der andere Staat seine Personalhoheit geltend macht, sowie auf die zu diesem Staat bestehenden Beziehungen Bedacht genommen werden (vgl. BVerwG, Beschluss vom 29. September 1988 - 1 B 106.88 - Buchholz 402.24 § 4 AuslG 1965 Nr. 4 S. 2). Aufseiten des Ausländers ist die von Art. 2 Abs. 1 GG (BVerfG, Urteil vom 16. Januar 1957 - 1 BvR 253/56 - BVerfGE 6, 32 <34>), sowie von Art. 2 Nr. 2 des Protokolls Nr. 4 zur Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 16. September 1963 (Zusatzprotokoll Nr. 4 zur EMRK), durch das gewisse Rechte und Freiheiten gewährleistet werden, die nicht bereits in der Konvention oder im ersten Zusatzprotokoll enthalten sind, geschützte Ausreisefreiheit zu berücksichtigen. Nach Art. 2 Nr. 2 Zusatzprotokoll Nr. 4 zur EMRK steht es jeder Person frei, jedes Land, einschließlich des eigenen, zu verlassen. Die Ausübung dieses Rechts darf gemäß Art. 2 Nr. 3 des genannten Protokolls nur Einschränkungen unterworfen werden, die gesetzlich vorgesehen und in einer demokratischen Gesellschaft notwendig sind für die nationale oder öffentliche Sicherheit, zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung, zur Verhütung von Straftaten, zum Schutz der Gesundheit oder der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer. Die Weigerung eines Aufnahmestaates, einem subsidiär schutzberechtigten Ausländer ein Reisedokument auszustellen, weil dieser bei den Behörden seines Herkunftsstaates einen Pass beantragen könne, stellt einen Eingriff in die so geschützte Ausreisefreiheit dar (EGMR, Urteil vom 14. Juni 2022 - Nr. 38121/20 [ECLI:CE:ECHR:2022:0614JUD003812120], L.B. v. Lithuania - Rn. 81). Dieser ist gerechtfertigt, wenn die Ablehnung der Ausstellung eines Reisedokuments in einer demokratischen Gesellschaft zur Erreichung eines der abschließend aufgeführten legitimen Ziele, hier etwa der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung, notwendig und verhältnismäßig ist.
11 Im Hinblick auf den mit der Ausstellung eines Reiseausweises verbundenen Eingriff in die Personalhoheit eines anderen Staates und die zu berücksichtigenden zwischenstaatlichen Belange, die als Bestandteil der öffentlichen Ordnung in dem vorgenannten Sinne anzusehen sind, ist der Ausländer grundsätzlich gehalten, sich bei den Behörden seines Herkunftsstaates um die Ausstellung eines Nationalpasses zu bemühen. Die Erteilung eines Reiseausweises für Ausländer kommt nur in Betracht, wenn solche Bemühungen nachweislich ohne Erfolg geblieben sind. Erfolglose Bemühungen um die Ausstellung eines Nationalpasses sind nur im Ausnahmefall entbehrlich, wobei der Ausländer die einen Ausnahmefall begründenden Umstände darzulegen hat.
12 1.1 Das Berufungsgericht ist zunächst zutreffend davon ausgegangen, dass ein Ausnahmefall nicht allein deshalb vorliegt, weil es sich bei dem Antragsteller um einen subsidiär Schutzberechtigten handelt. Auch subsidiär Schutzberechtigten ist es nicht schon allein wegen des ihnen zuerkannten Schutzstatus unzumutbar, bei der Auslandsvertretung ihres Herkunftsstaates einen nationalen Pass zu beantragen. Dies ergibt sich aus den Unterschieden der Rechtsstellung anerkannter Flüchtlinge und subsidiär Schutzberechtigter nach den einschlägigen Rechtsvorschriften vor allem des Unionsrechts.
13 Anerkannte Flüchtlinge haben nach Art. 25 Abs. 1 der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (ABl. L 337 S. 9, ber. ABl. 2017 L 167 S. 58) (RL 2011/95/EU) i. V. m. Art. 28 Abs. 1 Satz 1 GFK einen Anspruch auf Ausstellung eines Reiseausweises für Flüchtlinge für Reisen außerhalb ihres Gebiets, soweit nicht zwingende Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung dem entgegenstehen. Demgegenüber müssen die Mitgliedstaaten Personen, denen der subsidiäre Schutzstatus zuerkannt wurde, ein entsprechendes Reisedokument nur bei Vorliegen der einschränkenden zusätzlichen Voraussetzung ausstellen, dass sie keinen nationalen Pass erhalten können (so ausdrücklich Art. 25 Abs. 2 RL 2011/95/EU). Das im 39. Erwägungsgrund der Richtlinie 2011/95/EU erwähnte Ziel, subsidiär Schutzberechtigten dieselben Rechte und Leistungen zu denselben Bedingungen zu gewähren wie Flüchtlingen, ist damit in Bezug auf Reisedokumente nicht vollständig verwirklicht; insoweit hat der Unionsgesetzgeber mit der Differenzierung in Art. 25 Abs. 1 und 2 RL 2011/95/EU zu erkennen gegeben, dass er hier eine Ausnahme für - im Sinne des 39. Erwägungsgrundes - notwendig und sachlich gerechtfertigt hält.
14 Die Entstehungsgeschichte der Regelung bestätigt dies: Vor Einführung der Vorgängerregelung (Art. 25 Abs. 2 RL 2004/83/EG) hatte das Europäische Parlament der Kommission vorgeschlagen, die beabsichtigte Regelung in Art. 25 Abs. 2 (dem damaligen Art. 23 Abs. 2 des Entwurfs der Kommission) dahin zu ändern, dass die Mitgliedstaaten Personen mit subsidiärem Schutzstatus Reisedokumente "unter den gleichen wie den in Absatz 1 erwähnten Bedingungen" ausstellen (Bericht des Ausschusses für die Freiheiten und Rechte der Bürger, Justiz und innere Angelegenheiten vom 8. Oktober 2002, KOM<2001> 510 - C5-0573/2001 - 2001/0207 <CNS>, Änderungsantrag 67, S. 40). Der Änderungsantrag des Parlaments wurde durch die Kommission indes abgelehnt und nicht in die Regelung des Art. 25 Abs. 2 RL 2004/83/EU aufgenommen. Die erwähnte Einschränkung ist auch im derzeit geltenden Art. 25 Abs. 2 RL 2011/95/EU weiterhin enthalten. Lediglich die in der Vorgängernorm noch enthaltene weitere Einschränkung, wonach subsidiär Schutzberechtigten, die keinen Nationalpass erhalten konnten, nur "zumindest" dann Reisedokumente durch die Mitgliedstaaten ausgestellt werden sollten, wenn schwerwiegende humanitäre Gründe die Anwesenheit des Betroffenen in einem anderen Staat erforderten, ist weggefallen. Damit ist zwar eine gewisse Angleichung an die für die Flüchtlinge geltende Regelung dahingehend erfolgt, dass die Ausstellung eines Reiseausweises für Ausländer bei subsidiär Schutzberechtigten nicht mehr an einen konkreten Reiseanlass geknüpft werden darf. Am Fortbestehen der - im Vergleich zu Art. 25 Abs. 1 RL 2011/95/EU - zusätzlichen Voraussetzung der Unmöglichkeit der Erlangung eines Nationalpasses hat sich hingegen nichts geändert. Hieran wird auch in Art. 25 des Kommissionsvorschlags für eine Anerkennungsverordnung vom 13. Juli 2016 (KOM<2016> 466 endg.) festgehalten.
15 Es spricht im Übrigen viel dafür, dass es sich bei Art. 25 Abs. 2 RL 2011/95/EU nicht lediglich um eine Mindestregelung dergestalt handelt, dass es den Mitgliedstaaten unbenommen wäre, subsidiär Schutzberechtigten einen Anspruch auf Reisedokumente unter denselben Voraussetzungen zu gewähren wie Flüchtlingen (vgl. Art. 3 RL 2011/95/EU). Denn ausweislich der Entwurfsbegründung der Richtlinie 2004/83/EG sollte mit der einschränkenden Formulierung "sichergestellt werden, dass den Begünstigten des subsidiären Schutzstatus nur dann Reisedokumente ausgestellt werden, wenn sie keinen Nationalpass erhalten können, weil es beispielsweise keine funktionierenden Konsularbehörden mehr gibt" (KOM<2001> 510 endg.; Ratsdok. 13620/01, BR-Drs. 1017/01 S. 34).
16 1.2 Der Senat kann offenlassen, ob es einem subsidiär Schutzberechtigten generell schon dann unzumutbar ist, sich bei der Auslandsvertretung seines Herkunftsstaates um die Erteilung eines nationalen Passes zu bemühen, wenn ihm der subsidiäre Schutzstatus aufgrund einer gezielten Bedrohung durch staatliche Behörden (im Unterschied zu drohender willkürlicher Gewalt im Rahmen eines bewaffneten Konflikts oder einer Bedrohung durch private Akteure, gegen die der Staat keinen wirksamen Schutz gewährt) zuerkannt worden ist (vgl. etwa Marx, AsylG, 11. Aufl. 2022, § 4 AsylG Rn. 90; ders., Handbuch zum Flüchtlingsschutz: Erläuterungen zur Qualifikationsrichtlinie, 2. Aufl. 2012, § 57 Rn. 12; VG Aachen, Urteil vom 10. Juni 2020 - 4 K 2580/18 [ECLI:DE:VGAC:2020:0610.4K2580.18.00] - juris Rn. 40; in anderem Zusammenhang auch BT-Drs. 19/10047 S. 38) oder ob auch in dieser Fallgruppe für eine Unzumutbarkeit weitere Umstände hinzutreten müssen (so etwa Berufungsgericht UA S. 9 f.; OVG Münster, Beschluss vom 25. November 2021 - 18 E 660/21 [ECLI:DE:OVGNRW:2021:1125.18E660.21.00] - juris Rn. 14 ff.; wohl auch VGH München, Urteil vom 25. November 2021 - 19 B 21.17 89 - juris Rn. 67 ff.). Denn dem Kläger ist die Passbeschaffung jedenfalls deshalb nicht zuzumuten, weil sein Herkunftsstaat die Ausstellung an eine Bedingung knüpfen wird, deren Erfüllung ihm nicht abverlangt werden kann (siehe unter 1.3).
17 1.3 Es ist dem Kläger nicht zumutbar, die sogenannte Reueerklärung abzugeben, von deren Unterzeichnung die eritreische Auslandsvertretung die Ausstellung eines Passes abhängig machen würde. Dabei handelt es sich nach den für den Senat bindenden tatrichterlichen Feststellungen (§ 137 Abs. 2 VwGO) um einen aus zwei Sätzen bestehenden, zu unterschreibenden Passus am Ende des Formulars "4/4.2" mit dem Titel "Immigration and Citizenship Services Request Form", in dem der Erklärende bedauert, seiner nationalen Pflicht nicht nachgekommen zu sein und erklärt, eine eventuell dafür verhängte Strafe zu akzeptieren (UA S. 14 f.). Das Berufungsgericht hat ebenso bindend festgestellt, dass der Kläger als eritreischer Staatsangehöriger im dienstfähigen Alter, der illegal ausgereist ist, ohne den Nationaldienst (vollständig) erfüllt zu haben, konsularische Dienstleistungen wie die Ausstellung eines Reisepasses nur gegen Unterzeichnung einer solchen Reueerklärung wird in Anspruch nehmen können. Nachvollziehbar und ohne Verstoß gegen allgemein anerkannte Auslegungsregeln hat das Berufungsgericht in dieser Erklärung neben einem Ausdruck des Bedauerns oder Bereuens als solchem auch die Selbstbezichtigung einer Straftat - nämlich der nach eritreischem Recht strafbaren illegalen Ausreise - gesehen.
18 Jedenfalls im Hinblick auf diese Selbstbezichtigung ist dem Kläger die Abgabe der Erklärung gegen seinen ausdrücklich und plausibel bekundeten Willen entgegen der Auffassung der Vorinstanz nicht zumutbar.
19 a) Bei der erforderlichen Interessenabwägung zwischen dem staatlichen Interesse einerseits, das auf die Pass- und Personalhoheit des Herkunftsstaates Rücksicht zu nehmen hat, und den Grundrechten des Ausländers andererseits ist neben dessen Ausreisefreiheit hier auch dessen allgemeines Persönlichkeitsrecht zu berücksichtigen. Das durch Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG geschützte allgemeine Persönlichkeitsrecht umfasst nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts den Schutz vor einem Zwang zur Selbstbezichtigung. Es schützt davor, dass in einem deutschen Strafverfahren Aussagen verwendet werden, die aufgrund eines Zwangs zur Selbstbezichtigung getätigt worden sind. Der Einzelne soll vom Staat grundsätzlich nicht in eine Konfliktlage gebracht werden, in der er sich selbst strafbarer Handlungen oder ähnlicher Verfehlungen bezichtigen muss (vgl. BVerfG, Beschluss vom 26. Februar 1997 - 1 BvR 2172/96 - BVerfGE 95, 220 <241>).
20 Der vom Bundesverfassungsgericht so umschriebene Schutz ist auf das Strafverfahren ausgerichtet und bezeichnet ergebnishaft diejenigen Fälle, in denen das allgemeine Persönlichkeitsrecht verletzt ist, also ein verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigter Eingriff in dessen Schutzbereich vorliegt. Der Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts ist indessen nach Auffassung des Senats weiter gefasst. Er ist auch dann eröffnet, wenn zwar kein mit Beugemitteln durchsetzbarer oder strafrechtlich sanktionierter Zwang zur Selbstbelastung vorliegt, aber der Einzelne zur Erlangung einer staatlichen Leistung, auf die er grundsätzlich einen Anspruch hat, auf die Abgabe einer Selbstbezichtigung verwiesen wird.
21 So liegt der Fall hier: Zwar dürfte das Berufungsgericht zutreffend festgestellt haben, dass eine imperative Verpflichtung zur Unterzeichnung der Reueerklärung nicht existiert. Denn der Kläger macht sich durch den Nichtbesitz eines Passes und Passersatzes nach aktueller strafgerichtlicher Rechtsprechung nicht wegen Verstoßes gegen die Ausweispflicht nach § 95 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG strafbar (vgl. BayObLG, Urteil vom 12. Juli 2021 - 203 StRR 171/21 [ECLI:DE:BAYOBLG:2021:0712.203STRR171.21.00] - juris). Er kann zur Abgabe der Reueerklärung allein auf der Grundlage der gesetzlichen Mitwirkungspflicht an Passbeschaffungsbemühungen der Behörde (§ 48 Abs. 4 Satz 2 i. V. m. Abs. 3 AufenthG) auch nicht mit Beugemitteln gezwungen werden (zur mangelnden Durchsetzbarkeit der sogenannten Freiwilligkeitserklärung vgl. BVerwG, Urteil vom 10. November 2009 - 1 C 19.08 - BVerwGE 135, 219 Rn. 17 f.). Aus dem Umstand, dass der Kläger daher selbst über die Abgabe der Reueerklärung entscheidet und diese auch unterlassen kann, folgt aber noch nicht, dass die Versagung des Reiseausweises durch den Beklagten mit den Grundrechten des Klägers von vornherein nicht in Konflikt geraten kann. Denn dann müsste er auf die Erlangung eines zur Durchführung von Auslandsreisen berechtigenden Dokuments insgesamt verzichten. Einen solchen Verzicht mutet ihm Art. 25 Abs. 2 RL 2011/95/EU gerade nicht zu. Diese Regelung gewährt subsidiär Schutzberechtigten ein nicht (mehr) auf dringliche humanitäre Anlässe beschränktes Recht zur Durchführung von Auslandsreisen. Damit trägt sie auch dem Recht auf Freizügigkeit nach Art. 2 Nr. 2 Zusatzprotokoll Nr. 4 zur EMRK Rechnung (vgl. dazu EGMR, Urteil vom 14. Juni 2022 - Nr. 38121/20 - Rn. 81). Vorbehaltlich entgegenstehender Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung soll jeder subsidiär Schutzberechtigte entweder mit einem nationalen Pass, oder, wenn er einen solchen (auf zumutbare Weise) nicht erhalten kann, mit einem mitgliedstaatlichen Reisedokument Auslandsreisen unternehmen können.
22 Der Begriff der Zumutbarkeit muss deshalb zum einen so ausgelegt und angewendet werden, dass die grundrechtlich geschützte Ausreisefreiheit keinen unverhältnismäßigen, in einem demokratischen Staat nicht notwendigen Einschränkungen unterworfen wird. Zum anderen liegt in dem positiven Verweis auf die die Abgabe einer Selbstbezichtigung erfordernde Beschaffung eines Nationalpasses und der damit einhergehenden Versagung eines Reiseausweises für Ausländer durch die Ausländerbehörde auch ein mittelbarer Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht (ebenso VG Hannover, Urteil vom 20. Mai 2020 - 12 A 5005/18 [ECLI:DE:VGHANNO:2020:0520.12A5005.18.00] - juris Rn. 40; VG Schleswig, Urteil vom 25. Juni 2021 - 11 A 270/20 [ECLI:DE:VGSH:2021:0625.11A270.20.00] - juris Rn. 42 f.; Ujkašević, ZAR 2022, 263 <269>). Das gilt jedenfalls dann, wenn der Betroffene plausibel darlegt, dass er zu der Selbstbezichtigung freiwillig nicht bereit ist. Die Grundrechte verpflichten den Staat nach Maßgabe des faktisch und rechtlich Möglichen auch dazu, den Einzelnen vor Verletzungen der Menschenwürde oder elementarer rechtsstaatlicher Grundsätze von Seiten ausländischer Staatsgewalt zu schützen (vgl. BVerfG, Urteil vom 20. April 2016 - 1 BvR 966/09, 1 BvR 1140/09 [ECLI:DE:BVerfG:2016:rs20160420.1bvr096609] - BVerfGE 141, 220 Rn. 326 - 328; Kunig/Kotzur, in: von Münch/Kunig, Grundgesetz-Kommentar, 7. Aufl. 2021, Art. 1 Rn. 49).
23 b) Die hiernach vorzunehmende Abwägung zwischen der grundrechtlich geschützten Ausreisefreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG sowie Art. 2 Nr. 2 Zusatzprotokoll Nr. 4 zur EMRK) und dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG) des Klägers einerseits und den staatlichen Interessen, namentlich dem Interesse an gebührender Rücksichtnahme auf die Pass- und Personalhoheit Eritreas, andererseits, geht vorliegend zugunsten des Klägers aus.
24 aa) Die für die Passerteilung geforderte Erklärung, unter Verletzung der nationalen Pflichten illegal ausgereist zu sein und eine eventuell dafür verhängte Strafe zu akzeptieren, ist unter Berücksichtigung der widerstreitenden Belange für einen eritreischen Staatsangehörigen, der plausibel bekundet, die Erklärung nicht abgeben zu wollen, weder eine nach § 5 Abs. 2 Nr. 2 AufenthV zumutbare Mitwirkungshandlung noch eine "zumutbare staatsbürgerliche Pflicht" im Sinne von § 5 Abs. 2 Nr. 3 AufenthV.
25 Unter zumutbaren staatsbürgerlichen Pflichten versteht der Verordnungsgeber insbesondere "jeweils auch im Einzelfall zumutbare Anforderungen der Registrierung bei Auslandsvertretungen auswärtiger Staaten einschließlich der Erteilung zumutbarer Auskünfte, der Beantragung einer Befreiung von Präsenzpflichten im Herkunftsstaat, der Zahlung von Steuern und Abgaben, der Erfüllung von Zivilschutzaufgaben nach dem Recht des Herkunftsstaates oder zur Ableistung eines Zivildienstes" (vgl. BR-Drs. 731/04 S. 152 f.).
26 Vom Herkunftsstaat geforderte Mitwirkungshandlungen, die in den Bestimmungen des deutschen Passrechts keine Entsprechung haben, sind dem Ausländer unter Berücksichtigung dieser Vorgaben gegen seinen Willen nur zuzumuten, soweit sie mit grundlegenden rechtsstaatlichen Anforderungen vereinbar sind. Das ist bei der Reueerklärung nicht der Fall. Die Verknüpfung einer Selbstbezichtigung mit der Ausstellung eines Reisepasses entfernt sich so weit von einer rechtsstaatlichen Verfahrensgestaltung, dass der Ausländer sich darauf gegen seinen Willen von der Ausländerbehörde nicht verweisen lassen muss. Dabei fällt ins Gewicht, dass es sich nicht um eine - grundsätzlich zumutbare - Auskunftspflicht handelt, der ein legitimes Interesse staatlicher Aufgabenerfüllung zugrunde liegt. Ein legitimes Auskunftsinteresse des eritreischen Staates ist vielmehr auch und gerade auf der Grundlage der Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts nicht erkennbar. Zudem ist nach den tatrichterlichen Feststellungen nichts dafür ersichtlich, dass diese von den eritreischen Auslandsvertretungen praktizierte Voraussetzung im "Recht des Herkunftsstaates" (vgl. § 5 Abs. 2 Nr. 2 AufenthV) irgendeine formelle Grundlage hätte.
27 Mit der Erklärung, die bei illegal ausgereisten Eritreern der Legalisierung des "Status gegenüber ihrem Herkunftsstaat" (UA S. 18) dient, soll der Unterzeichner nach der Auslegung des Berufungsgerichts zu erkennen geben, "dass er den eritreischen Staat akzeptiert" (UA S. 21). Damit verbunden ist nicht nur eine "Anerkennung der staatlichen Souveränität und Vorherrschaft Eritreas" (UA S. 21), sondern dem Wortlaut nach auch eine rechtsstaatliche Grenzen nicht einfordernde Unterwerfung unter die eritreische Strafgewalt. Im Unterschied zu der "Freiwilligkeitserklärung", an die der iranische Staat die Passausstellung an ausreisepflichtige Staatsbürger knüpft und die der Senat für zumutbar erachtet hat (vgl. BVerwG, Urteil vom 10. November 2009 - 1 C 19.08 - BVerwGE 135, 219 Rn. 15), wird eritreischen Staatsangehörigen mit der Reueerklärung somit auch ein Loyalitätsbekenntnis zu ihrem Herkunftsstaat abgefordert. Eine solche Selbstbezichtigung ist dem Kläger gegen seinen ausdrücklichen Willen nicht zuzumuten. Dies gilt umso mehr, als es in Eritrea nach den Feststellungen des Berufungsgerichts kein rechtsstaatliches Verfahren gibt (UA S. 18) und dem Kläger gerade deshalb subsidiärer Schutz gewährt worden ist, weil ihm wegen der Straftat, die er mit der Reueerklärung schriftlich eingestehen soll, in Eritrea ein mit Folter oder unmenschlicher und erniedrigender Behandlung verbundenes Strafverfahren oder eine ebensolche Bestrafung droht (so auch VG Sigmaringen, Urteil vom 16. Februar 2022 - 5 K 4651/20 [ECLI:DE:VGSIGMA:2022:0216.5K4651.20.00] - juris Rn. 45).
28 Angesichts der gravierenden Menschenrechtsverletzungen und der willkürlichen Strafverfolgungspraxis, die das Berufungsgericht selbst dem eritreischen Staat attestiert hat (UA S. 20, 22, 24), kann ein Eritreer gegen seinen Willen auf die Unterzeichnung einer derartigen Selbstbezichtigung mit bedingungsloser Akzeptanz einer wie auch immer gearteten Strafmaßnahme auch dann nicht zumutbar verwiesen werden, wenn die Abgabe der Erklärung - wie das Berufungsgericht für den Senat gemäß § 137 Abs. 2 VwGO bindend festgestellt hat - die Wahrscheinlichkeit einer Strafverfolgung und einer Bestrafung wegen der illegalen Ausreise nicht erhöht, sondern unter Umständen sogar verringert. Vielmehr muss der Ausländer unter den beschriebenen Umständen kein auch noch so geringes Restrisiko eingehen und ist allein der - nachvollziehbar bekundete - Unwille, die Erklärung zu unterzeichnen, schutzwürdig. Die willkürliche und menschenrechtswidrige Strafverfolgungspraxis mindert auf der anderen Seite zugleich die Schutzwürdigkeit der Personalhoheit des eritreischen Staates, die in der Abwägung hier zurücktreten muss.
29 Aus diesen Gründen kommt es auch nicht darauf an, dass der Kläger infolge des ihm zuerkannten subsidiären Schutzes derzeit nicht nach Eritrea zurückkehren muss. Deshalb bedarf die asylrechtliche Frage, ob die durch Abgabe der Reueerklärung und Zahlung der sogenannten Aufbausteuer (unter Umständen) bewirkte Erlangung des "Diaspora-Status" hier zu einem Widerruf des subsidiären Schutzes gemäß § 73b Abs. 1 Satz 1 AsylG führen kann, keiner Vertiefung.
30 Zu keiner anderen Entscheidung führt die Feststellung des Berufungsgerichts, dass sich eritreische Staatsangehörige nach Abwägung der Vor- und Nachteile nicht selten freiwillig zu einer Unterzeichnung der Reueerklärung bereitfinden. Dies ändert nichts daran, dass einem Eritreer, der die Erklärung gerade nicht abgeben will und dafür konsequenterweise die Unmöglichkeit von Reisen in sein Herkunftsland in Kauf nimmt (vgl. § 9 Abs. 1 Satz 2 AufenthV), die Unterzeichnung individuell nicht zuzumuten ist.
31 bb) Der Kläger erfüllt die subjektive Voraussetzung für eine Unzumutbarkeit der Reueerklärung. Er hat plausibel bekundet, die Erklärung nicht abgeben zu wollen. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts ergibt sich aus seinem Vortrag, dass die Abgabe der Reueerklärung im Widerspruch zu seiner inneren Einstellung steht und dass sie seiner Auffassung von guter politischer Ordnung und sozialer Gerechtigkeit zuwiderliefe; er lehne den eritreischen Staat und die Möglichkeit einer "Bereinigung der Verhältnisse" durch die Beantragung des Diaspora-Status ab (UA S. 19 f.). Weitergehende Anforderungen sind an die Plausibilisierung der Weigerung nicht zu stellen; insbesondere bedarf es nicht der Glaubhaftmachung einer Gewissensentscheidung oder einer unauflöslichen inneren Konfliktlage.
32 1.4 Ob weitere Gründe vorliegen, aus denen dem Kläger die Erlangung eines Nationalpasses unzumutbar ist, ist nicht mehr entscheidungserheblich. Das gilt insbesondere auch für die vom Oberverwaltungsgericht bejahte Frage, ob es sich bei dem Erfordernis der Zahlung einer sogenannten Aufbausteuer in Höhe von 2 % des in Deutschland seit dem Zeitpunkt der Einreise erzielten (Brutto- oder Netto-)Einkommens um eine zumutbare staatsbürgerliche Pflicht handelt.
33 2. Der Senat kann den Rechtsstreit abschließend zugunsten des Klägers entscheiden (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 VwGO).
34 Die weiteren tatbestandlichen Voraussetzungen für die Ausstellung eines Reiseausweises für Ausländer sind erfüllt (s. o.). Tatbestände, die der Ausstellung entgegenstehen, liegen nicht vor. Nach den bindenden Feststellungen der Vorinstanz hat der Kläger weder bereits einen Reiseausweis für Ausländer missbräuchlich verwendet, noch bestehen tatsächliche Anhaltspunkte dafür, dass der Reiseausweis für Ausländer missbräuchlich verwendet werden soll (§ 5 Abs. 4 AufenthV).
35 Sind mithin alle - positiven wie negativen - Voraussetzungen für die Ausstellung eines Reiseausweises für Ausländer gegeben, ist der Beklagte verpflichtet, dem Kläger einen solchen zu erteilen. Nach § 5 Abs. 1 AufenthV steht die Erteilung des Ausweises zwar grundsätzlich im Ermessen der Ausländerbehörde. Bei subsidiär Schutzberechtigten ist dieses Ermessen jedoch in richtlinienkonformer Anwendung des § 5 Abs. 1 AufenthV auf Null reduziert, wenn auch die in Art. 25 Abs. 2 letzter Halbs. RL 2011/95/EU erwähnte Ausnahme nicht eingreift. Denn die Regelung verpflichtet die Mitgliedstaaten, Personen, denen der subsidiäre Schutzstatus zuerkannt worden ist und die keinen nationalen Pass erhalten können, Dokumente für Reisen außerhalb ihres Hoheitsgebiets auszustellen, es sei denn, dass zwingende Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung entgegenstehen (ebenso etwa VG Hannover, Urteil vom 20. Mai 2020 - 12 A 2452/19 [ECLI:DE:VGHANNO:2020:0520.12A2452.19.00] - juris Rn. 48 f.; VG Saarland, Urteil vom 29. September 2021 - 6 K 283/19 [ECLI:DE:VGSL:2021:0929.6K283.19.00] - juris Rn. 63; siehe auch BVwG Österreich, Erkenntnis vom 16. April 2021 - W211 2229796-1/12E [ECLI:AT:BVWG:2021:W211.2229796.1.00] - S. 7). Für das Vorliegen des im letzten Halbsatz dieser Regelung enthaltenen, im nationalen Recht nicht ausdrücklich umgesetzten Ausschlussgrundes ergeben sich aus den Feststellungen des Berufungsgerichts keinerlei Anhaltspunkte.
36 Die inhaltlichen Einzelheiten des dem Kläger auszustellenden Reiseausweises für Ausländer (insbesondere Gültigkeitsdauer und Geltungsbereich) wird der Beklagte unter Berücksichtigung der §§ 8 bis 10 AufenthV festzulegen haben.
37 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.