Verfahrensinformation

Entschädigungsanspruch nach dem Infektionsschutzgesetz bei Bezug von Arbeitslosengeld


Die Klägerin, die Bundesagentur für Arbeit, macht gegenüber dem beklagten Landkreis einen Anspruch auf Entschädigung nach dem Infektionsschutzgesetz (IfSG) geltend.


Die Klägerin zahlte einem ihrer Leistungsempfänger für den Monat Dezember 2020 Arbeitslosengeld nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch. Mit Bescheid vom 16. Dezember 2020 wurde die Absonderung des Leistungsempfängers wegen einer Infektion mit dem Coronavirus Sars-CoV-2 für den Zeitraum vom 8. bis 22. Dezember 2020 angeordnet. Die Klägerin machte bei der zuständigen Behörde einen Entschädigungsanspruch in Höhe des auf den Absonderungszeitraum entfallenden Arbeitslosengelds zuzüglich anteiliger Sozialversicherungsbeiträge (insgesamt knapp 600 Euro) geltend. Die Behörde lehnte einen Anspruch der Klägerin ab; diese hat daraufhin Klage zum Verwaltungsgericht erhoben und vorgetragen, sie habe einen Entschädigungsanspruch nach § 56 Abs. 9 IfSG aus übergegangenem Recht. Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen. Ein Anspruch des Leistungsempfängers auf Entschädigung könne auf die Bundesagentur für Arbeit nur übergehen, wenn der Anspruch entstanden sei. Der hierfür erforderliche Verdienstausfall aufgrund der Absonderung setze eine Beschäftigung voraus und könne daher beim Bezug von Arbeitslosengeld nicht eintreten.


Mit ihrer vom Verwaltungsgericht zugelassenen Sprungrevision verfolgt die Klägerin den geltend gemachten Anspruch weiter. Sie ist der Auffassung, dass der Anspruch aus § 56 Abs. 9 IfSG keinen Verdienstausfall im Sinne des § 56 Abs. 1 Satz 1 IfSG verlange. Arbeitslosen Personen werde bei einer Absonderung die Möglichkeit genommen, unmittelbar eine Beschäftigung aufzunehmen, und die Klägerin könne sie nicht unmittelbar vermitteln. Es sei deshalb sachgerecht, dass die Kosten einer Absonderung nicht die Versichertengemeinschaft und die Beitragszahler der Arbeitslosenversicherung, sondern die infektionsschutzrechtlich zuständige Stelle trage.


Pressemitteilung Nr. 39/2025 vom 22.05.2025

Corona-Pandemie: Kein Anspruch der Bundesagentur für Arbeit gegen Entschädigungsbehörde auf Erstattung von Arbeitslosengeld für Leistungsempfänger in Quarantäne

Die Bundesagentur für Arbeit hat keinen Erstattungsanspruch nach dem Infektionsschutzgesetz (IfSG) wegen der Zahlung von Arbeitslosengeld an einen Leistungsempfänger, der sich aufgrund behördlicher Anordnung in häuslicher Quarantäne befand. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden.


Die Klägerin, die Bundesagentur für Arbeit, zahlte einem ihrer Leistungsempfänger für den Monat Dezember 2020 Arbeitslosengeld nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch. Für den Zeitraum vom 8. bis 22. Dezember 2020 ordnete das Gesundheitsamt die Absonderung des Leistungsempfängers an, weil er als ansteckungsverdächtig anzusehen sei. Die Klägerin machte daraufhin gegenüber der zuständigen Behörde einen Zahlungsanspruch in Höhe des auf den Absonderungszeitraum entfallenden Arbeitslosengelds zuzüglich anteiliger Sozialversicherungsbeiträge (insgesamt 593,66 Euro) geltend; der Entschädigungsanspruch des Leistungsempfängers sei gemäß § 56 Abs. 9 IfSG auf sie übergegangen. Gegen den ablehnenden Bescheid der Behörde hat sie Klage zum Verwaltungsgericht erhoben. Dieses hat die Klage abgewiesen; es fehle an einem Entschädigungsanspruch des Leistungsempfängers, der auf die Klägerin übergehen könne.


Das Bundesverwaltungsgericht hat die vom Verwaltungsgericht zugelassene Sprungrevision der Klägerin zurückgewiesen. § 56 Abs. 9 i. V. m. § 56 Abs. 1 Satz 1 und 2 IfSG1 bietet keine Grundlage für den geltend gemachten Anspruch. Nach § 56 Abs. 9 IfSG geht der Anspruch auf Entschädigung auf die Bundesagentur für Arbeit über, soweit dem Entschädigungsberechtigten Arbeitslosengeld für die gleiche Zeit zu gewähren ist. Erforderlich ist damit, dass der von der Quarantäne Betroffene einen Anspruch auf Entschädigung nach § 56 Abs. 1 IfSG hat. Hierfür muss er durch die Quarantäne einen Verdienstausfall erlitten haben. Der Verdienstausfall bemisst sich gemäß § 56 Abs. 3 Satz 1 IfSG nach dem Netto-Arbeitsentgelt. Ein solcher Verdienstausfall war beim Leistungsempfänger nicht eingetreten; wegen seiner Arbeitslosigkeit hätte er auch ohne die Quarantäne kein Arbeitsentgelt gehabt. Für einen Erstattungsanspruch der Bundesagentur für Arbeit unabhängig vom Eintritt eines Verdienstausfalls bei dem von der infektionsschutzrechtlichen Maßnahme Betroffenen bietet das Gesetz keine Grundlage.


Fußnote:

1 § 56 Abs. 1 Satz 1 und 2 und Abs. 9 IfSG in der hier maßgeblichen Fassung lauten:


§ 56 Entschädigung


(1) Wer auf Grund dieses Gesetzes als Ausscheider, Ansteckungsverdächtiger, Krankheitsverdächtiger oder als sonstiger Träger von Krankheitserregern im Sinne von § 31 Satz 2 Verboten in der Ausübung seiner bisherigen Erwerbstätigkeit unterliegt oder unterworfen wird und dadurch einen Verdienstausfall erleidet, erhält eine Entschädigung in Geld. Das Gleiche gilt für Personen, die als Ausscheider, Ansteckungsverdächtige oder Krankheitsverdächtige abgesondert wurden oder werden, bei Ausscheidern jedoch nur, wenn sie andere Schutzmaßnahmen nicht befolgen können.


[…]


(9) Der Anspruch auf Entschädigung geht insoweit, als dem Entschädigungsberechtigten Arbeitslosengeld oder Kurzarbeitergeld für die gleiche Zeit zu gewähren ist, auf die Bundesagentur für Arbeit über.


BVerwG 3 C 1.24 - Urteil vom 22. Mai 2025

Vorinstanz:

VG Frankfurt/Main, VG 5 K 452/23.F - Urteil vom 01. November 2023 -