Verfahrensinformation

Ausübung eines Vorkaufsrechts bei wirtschaftlicher Identität von Verkäuferin und Käufer


Die Klägerinnen beider Verfahren wenden sich gegen Bescheide der Beklagten über die Ausübung eines Vorkaufrechts nach § 25 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BauGB, in einem Fall zugunsten eines Dritten (§ 27a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB).


Die betroffenen Grundstücke liegen im Geltungsbereich von Verordnungen über die Begründung von Vorkaufsrechten, die die Beklagte in den Jahren 2008 für das Gebiet "Mitte Altona" bzw. 2019 für den Bereich Billebogen (mit verschiedenen Stadträumen) erlassen hat. Mit notariellem Vertrag von Mai 2021 verkaufte die Klägerin im Verfahren BVerwG 4 C 3.24, eine GmbH & Co. KG, ein Grundstück an eine unter derselben Geschäftsadresse ansässige GmbH & Co. KG. Der Kommanditist der Käuferin ist zugleich alleiniger Kommanditist der Verkäuferin sowie Geschäftsführer und Gesellschafter der jeweiligen Komplementärgesellschaften. Im Verfahren BVerwG 4 C 4.24 verkaufte die Klägerin zu 1, eine GmbH & Co. KG, mit notariellem Vertrag von Mai 2021 ein Grundstück an die unter derselben Geschäftsadresse ansässige Klägerin zu 2, eine GmbH & Co. KG., die dieselben Gesellschafter hat wie die Klägerin zu 1.


Mit Bescheiden von Juli 2021 übte die Beklagte in beiden Fällen ein Vorkaufsrecht nach § 25 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BauGB aus. Das Verwaltungsgericht gab den nach erfolglosen Widerspruchsverfahren erhobenen Klagen statt. Die Voraussetzungen für die Ausübung eines Vorkaufsrechts seien nicht erfüllt, weil kein Kaufvertrag mit einem Dritten im Sinne von § 28 Abs. 2 Satz 2 BauGB i. V. m. § 463 BGB vorliege. Das Oberverwaltungsgericht hat sich dieser Auffassung angeschlossen und die Berufungen der Beklagten zurückgewiesen. Der Begriff des Dritten sei einschränkend auszulegen. Bei wirtschaftlicher Betrachtung stelle sich der Grundstücksverkauf nur als Vermögensverschiebung innerhalb der Vermögenssphäre ein und derselben natürlichen Person als wirtschaftlichem Inhaber dar, so dass es an einem Verkehrsgeschäft mit einem Dritten fehle.


Hiergegen richten sich die vom Bundesverwaltungsgericht zugelassenen Revisionen der Beklagten.


Pressemitteilung Nr. 46/2025 vom 17.06.2025

Vorkaufsrecht nach dem Baugesetzbuch - Begriff des "Dritten"

Verkauft eine Kommanditgesellschaft ein Grundstück an eine andere Kommanditgesellschaft ist dies auch dann ein Kaufvertrag mit einem Dritten im Sinne von § 28 Abs. 2 Satz 2 BauGB in Verbindung mit § 463 BGB, wenn es sich auf Verkäufer- und Käuferseite jeweils um Einpersonen-GmbH & Co. KGs mit demselben alleinigen Anteilsinhaber handelt. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute in zwei Parallelverfahren entschieden.


Die Klägerinnen, verschiedene GmbH & Co. KGs, wenden sich gegen die Ausübung von Vorkaufsrechten nach § 25 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BauGB. Mit notariellen Kaufverträgen von Mai 2021 veräußerten sie Grundstücke an zuvor neu gegründete GmbH & Co. KGs, hinter denen jeweils dieselbe natürliche Person steht wie auf Verkäuferseite. Mit Bescheiden von Juli 2021 übte die Beklagte das Vorkaufsrecht aus, in einem Fall zugunsten der beigeladenen stadteigenen Entwicklungsgesellschaft. Im anderen Verfahren gab die Erstkäuferin (Klägerin zu 2) eine Abwendungserklärung ab. Die Klagen waren erfolgreich. Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufungen zurückgewiesen. Das Verwaltungsgericht habe zu Recht angenommen, dass es an dem für ein Vorkaufsrecht erforderlichen Kaufvertrag mit einem Dritten im Sinne von § 463 BGB fehle. Der Begriff des Dritten müsse einschränkend ausgelegt werden. Bei wirtschaftlicher Betrachtung sei hier nur eine Vermögensverschiebung innerhalb der Vermögenssphäre derselben natürlichen Personen erfolgt.


Das Bundesverwaltungsgericht hat die angefochtenen Urteile aufgehoben und die Sachen zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Oberverwaltungsgericht zurückverwiesen. Die Grundstückskaufverträge sind Verträge mit einem Dritten. Gesellschaftsrechtlich sind die Kommanditgesellschaften auf Verkäufer- und Käuferseite trotz des Umstands, dass hinter ihnen jeweils dieselbe natürliche Person steht, selbständige Rechtsträger. Eine wirtschaftliche Betrachtung auf Gesellschafterebene ist weder nach Sinn und Zweck des gesetzlichen Vorkaufsrechts noch verfassungsrechtlich geboten. Die Klägerinnen haben sich aus eigenem Entschluss für diese Form der Grundstücksübertragung entschieden. Der Senat kann mangels ausreichender Tatsachenfeststellungen nicht abschließend entscheiden, ob die Vorkaufsrechte im Übrigen rechtmäßig ausgeübt wurden. Das erfordert die Zurückverweisung an die Vorinstanz.


BVerwG 4 C 4.24 - Urteil vom 17. Juni 2025

Vorinstanzen:

VG Hamburg, VG 7 K 2837/22 - Urteil vom 21. Dezember 2022 -

OVG Hamburg, OVG 2 Bf 61/23 - Urteil vom 21. März 2024 -

BVerwG 4 C 3.24 - Urteil vom 17. Juni 2025

Vorinstanzen:

VG Hamburg, VG 7 K 4429/21 - Urteil vom 05. Oktober 2022 -

OVG Hamburg, OVG 2 Bf 62/23 - Urteil vom 21. März 2024 -


Beschluss vom 26.09.2024 -
BVerwG 4 B 14.24ECLI:DE:BVerwG:2024:260924B4B14.24.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 26.09.2024 - 4 B 14.24 - [ECLI:DE:BVerwG:2024:260924B4B14.24.0]

Beschluss

BVerwG 4 B 14.24

  • VG Hamburg - 05.10.2022 - AZ: 7 K 4429/21
  • OVG Hamburg - 21.03.2024 - AZ: 2 Bf 62/23

In der Verwaltungsstreitsache hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 26. September 2024
durch die Vorsitzende Richterin am Bundesverwaltungsgericht Schipper,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Decker und
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Stamm
beschlossen:

  1. Die Entscheidung über die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Hamburgischen Oberverwaltungsgerichts vom 21. März 2024 wird aufgehoben. Die Revision wird zugelassen.
  2. Die Kostenentscheidung bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Revisionsverfahren vorläufig auf 95 787 € festgesetzt.

Gründe

1 Die Beschwerde der Beklagten ist zulässig und begründet. Die Revision ist wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuzulassen.

2 Das Revisionsverfahren kann voraussichtlich zur Klärung der Frage beitragen, ob ein Kaufvertrag mit einem Dritten (§ 28 Abs. 2 Satz 2 BauGB i. V. m. § 463 BGB) − und damit ein Vorkaufsfall − auch dann vorliegt, wenn es sich bei den Vertragsparteien des Kaufvertrags zwar um unterschiedliche Rechtsträger handelt, hinter denen aber bei wirtschaftlicher Betrachtung dieselbe Person steht.

3 Die vorläufige Streitwertfestsetzung für das Revisionsverfahren beruht auf § 47 Abs. 1, § 52 Abs. 1 und § 63 Abs. 1 Satz 1 GKG.

Rechtsbehelfsbelehrung


Das Beschwerdeverfahren wird als Revisionsverfahren unter dem Aktenzeichen BVerwG 4 C 3.24 fortgesetzt. Der Einlegung einer Revision durch den Beschwerdeführer bedarf es nicht.
Die Revision ist innerhalb eines Monats nach Zustellung dieses Beschlusses zu begründen. Die Begründung ist bei dem Bundesverwaltungsgericht in Leipzig einzureichen.
Für die Beteiligten besteht Vertretungszwang; dies gilt auch für die Begründung der Revision. Die Beteiligten müssen sich durch Bevollmächtigte im Sinne von § 67 Abs. 4 Satz 3 bis 6 VwGO, § 5 Nr. 6 Alt. 2 RDGEG vertreten lassen.

Beschluss vom 26.09.2024 -
BVerwG 4 B 15.24ECLI:DE:BVerwG:2024:260924B4B15.24.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 26.09.2024 - 4 B 15.24 - [ECLI:DE:BVerwG:2024:260924B4B15.24.0]

Beschluss

BVerwG 4 B 15.24

  • VG Hamburg - 21.12.2022 - AZ: 7 K 2837/22
  • OVG Hamburg - 21.03.2024 - AZ: 2 Bf 61.23

In der Verwaltungsstreitsache hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 26. September 2024
durch die Vorsitzende Richterin am Bundesverwaltungsgericht Schipper und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Brandt und Dr. Seidel
beschlossen:

  1. Die Entscheidung über die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Hamburgischen Oberverwaltungsgerichts vom 21. März 2024 wird aufgehoben. Die Revision wird zugelassen.
  2. Die Kostenentscheidung bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Revisionsverfahren vorläufig auf 750 000 € festgesetzt.

Gründe

1 Die Beschwerde der Beklagten ist zulässig und begründet. Die Revision ist wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuzulassen.

2 Das Revisionsverfahren kann voraussichtlich zur Klärung der Frage beitragen, ob ein Kaufvertrag mit einem Dritten (§ 28 Abs. 2 Satz 2 BauGB i. V. m. § 463 BGB) – und damit ein Vorkaufsfall - auch dann vorliegt, wenn es sich bei den Vertragsparteien des Kaufvertrags zwar um unterschiedliche Rechtsträger handelt, hinter denen aber bei wirtschaftlicher Betrachtung dieselbe Person steht.

3 Die vorläufige Streitwertfestsetzung für das Revisionsverfahren beruht auf § 47 Abs. 1, § 52 Abs. 1 und § 63 Abs. 1 Satz 1 GKG (Orientierung an dreifacher Jahresmiete, Rechtsgedanke § 52 Abs. 3 Satz 2 GKG).

Rechtsbehelfsbelehrung


Das Beschwerdeverfahren wird als Revisionsverfahren unter dem Aktenzeichen BVerwG 4 C 4.24 fortgesetzt. Der Einlegung einer Revision durch den Beschwerdeführer bedarf es nicht.
Die Revision ist innerhalb eines Monats nach Zustellung dieses Beschlusses zu begründen. Die Begründung ist bei dem Bundesverwaltungsgericht in Leipzig einzureichen.
Für die Beteiligten besteht Vertretungszwang; dies gilt auch für die Begründung der Revision. Die Beteiligten müssen sich durch Bevollmächtigte im Sinne von § 67 Abs. 4 Satz 3 bis 6 VwGO, § 5 Nr. 6 Alt. 2 RDGEG vertreten lassen.