Pressemitteilung Nr. 62/2025 vom 04.09.2025
Verlust der Beamtenrechte nur bei Verurteilung durch deutsches Strafgericht
Nur die Verurteilung durch ein deutsches Gericht führt unmittelbar zum Verlust der Rechte als Ruhestandsbeamter und damit einhergehend zur Aberkennung des Ruhegehalts. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden.
Der Beklagte stand zuletzt als Verwaltungsamtmann (Besoldungsgruppe A 11 BBesO) im Dienst der Klägerin; seit Januar 2011 befindet er sich wegen dauernder Dienstunfähigkeit im vorzeitigen Ruhestand. Im April 2019 tötete er auf Teneriffa seine von ihm in Trennung lebende Ehefrau sowie einen der gemeinsamen Söhne, dem jüngeren Sohn gelang die Flucht. Im Februar 2022 wurde der Beklagte in Spanien wegen zweifachen Mordes sowie versuchten Mordes zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe und zu Freiheitsstrafen von 23 und 16 Jahren verurteilt. Die Klägerin erhob daraufhin im September 2022 eine auf die Aberkennung des Ruhegehalts gerichtete Disziplinarklage.
Die Klage sowie das anschließende Berufungsverfahren sind ohne Erfolg geblieben. Zur Begründung hat das Berufungsgericht im Wesentlichen ausgeführt, die Disziplinarklage sei zwar zulässig, weil der Beklagte nicht schon aufgrund des spanischen Strafurteils seine Rechte als Ruhestandsbeamter verloren habe; Voraussetzung hierfür sei vielmehr die Verurteilung durch ein deutsches Gericht. Die Disziplinarklage sei aber unbegründet. Nach geltendem Recht unterliege ein Ruhestandsbeamter nur noch eingeschränkten Dienstpflichten, insbesondere dürfe er sich nicht gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung betätigen. Die vom Beklagten aus privaten Motiven begangene Straftat werde hiervon nicht erfasst.
Das Bundesverwaltungsgericht hat die Revision der Klägerin zurückgewiesen. Die Entscheidung über die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis oder die Aberkennung des Ruhegehalts ist nach Bundesrecht dem deutschen Dienstherrn vorbehalten. Diese Beschränkung der aus strafgerichtlichen Verurteilungen folgenden Konsequenzen für das Beamtenverhältnis auf Urteile deutscher Gerichte ist nicht zu beanstanden. Damit wird die Anerkennung des spanischen Urteils nicht geschmälert, denn hierunter fallen nur die Wirkungen, die sich das ausländische Urteil selbst beimisst. Die Aberkennung des Ruhegehalts eines deutschen Beamten gehört aber nicht zu den einem spanischen Strafurteil zukommenden Wirkungen. Der Beklagte hat seinen Anspruch auf Gewährung des Ruhegehalts daher nicht bereits (unmittelbar) aufgrund des spanischen Strafurteils verloren.
Das Berufungsgericht hat auch zutreffend entschieden, dass dem Beklagten aufgrund der Straftat sein Ruhegehalt nicht aberkannt werden kann. Wie im Recht der gesetzlichen Rentenversicherung die Begehung einer Straftat nicht zum Verlust des Anspruchs auf Altersrente führt, lässt auch die vom Beklagten im Ausland begangene Straftat seinen Pensionsanspruch unberührt. Da ein Ruhestandsbeamter keine Dienstaufgaben mehr wahrnimmt, ist auch sein Pflichtenkreis beschränkt. Die vom Gesetzgeber für Ruhestandsbeamte als Dienstvergehen festgelegten Verhaltensweisen nehmen auf die fortwirkende Verfassungstreuepflicht des Beamten Bezug. Eine Betätigung gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes ist damit nicht vereinbar. Die Begehung einer Straftat genügt für sich genommen zur Aberkennung des Ruhegehalts dagegen nicht. Dies gilt auch für die Begehung eines "Femizids", der in der deutschen Rechtsordnung nicht definiert ist. Abgesehen davon, dass das spanische Strafgericht die Begehung der Straftat aus geschlechtsspezifischen Gründen ausdrücklich geprüft und verneint hat, läge hierin keine Betätigung gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung.
Fußnote:
§ 59 Beamtenversorgungsgesetz
Erlöschen der Versorgungsbezüge wegen Verurteilung
(1) Ein Ruhestandsbeamter,
1. gegen den wegen einer vor Beendigung des Beamtenverhältnisses begangenen Tat eine Entscheidung ergangen ist, die nach § 41 Abs. 1 des Bundesbeamtengesetzes zum Verlust der Beamtenrechte geführt hätte, oder
2. der wegen einer nach Beendigung des Beamtenverhältnisses begangenen Tat durch ein deutsches Gericht im Geltungsbereich dieses Gesetzes im ordentlichen Strafverfahren
a) wegen einer vorsätzlichen Tat zu Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren oder
b) wegen einer vorsätzlichen Tat, die nach den Vorschriften über Friedensverrat, Hochverrat, Gefährdung des demokratischen Rechtsstaates, Volksverhetzung oder Landesverrat und Gefährdung der äußeren Sicherheit strafbar ist, zu Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten
verurteilt worden ist,
verliert mit der Rechtskraft der Entscheidung seine Rechte als Ruhestandsbeamter. Entsprechendes gilt, wenn der Ruhestandsbeamte auf Grund einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts gemäß Artikel 18 des Grundgesetzes ein Grundrecht verwirkt hat.
(…)
§ 77 Bundesbeamtengesetz
Nichterfüllung von Pflichten
(…)
(2) Bei Ruhestandsbeamtinnen und Ruhestandsbeamten sowie früheren Beamtinnen mit Versorgungsbezügen und früheren Beamten mit Versorgungsbezügen gilt es als Dienstvergehen, wenn sie
1. sich gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes betätigen,
2. an Bestrebungen teilnehmen, die darauf abzielen, den Bestand oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland zu beeinträchtigen,
3. gegen die Verschwiegenheitspflicht, gegen die Anzeigepflicht oder das Verbot einer Tätigkeit nach Beendigung des Beamtenverhältnisses oder gegen das Verbot der Annahme von Belohnungen, Geschenken und sonstigen Vorteilen verstoßen oder
4. einer Verpflichtung nach § 46 Absatz 1, 2, 4 oder 7 oder § 57 schuldhaft nicht nachkommen.
(…)
(3) Die Verfolgung von Dienstvergehen richtet sich nach dem Bundesdisziplinargesetz.
BVerwG 2 C 13.24 - Urteil vom 04. September 2025
Vorinstanzen:
VG Magdeburg, VG 15A 31/22 MD - Urteil vom 08. Juni 2023 -
OVG Magdeburg, OVG 11 L 1/23 - Urteil vom 23. Januar 2024 -