Pressemitteilung Nr. 65/2025 vom 12.09.2025
Genehmigung einer Schweinemast- und Biogasanlage rechtswidrig
Werden die für eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung maßgebenden Tatsachen - hier bezogen auf die Schädlichkeit von anlagebedingten Stickstoffemissionen - aufgrund neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse nach der Genehmigungserteilung anders bewertet, handelt es sich um eine nachträgliche Änderung der Sachlage, die die Rechtmäßigkeit der erteilten immissionsschutzrechtlichen Genehmigung nicht berührt. Dies hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig gestern entschieden.
Der Kläger, eine anerkannte Umweltvereinigung, wendet sich mit seiner Klage gegen eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung einer Schweinemast- und Biosgasanlage mit über 20.000 Tieren im Landkreis Wittenberg. Die Anlage ist zwischenzeitlich errichtet worden und in Betrieb.
Die Vorinstanzen wiesen die auf Aufhebung der Genehmigung gerichtete Klage zunächst als unzulässig ab. Auf die Revision des Klägers hat das Bundesverwaltungsgericht mit Urteil vom 28. September 2016 (BVerwG 7 C 1.15) die vorinstanzlichen Urteile aufgehoben und die Sache an das Verwaltungsgericht zurückverwiesen. Verwaltungsgericht und Oberverwaltungsgericht haben den Genehmigungsbescheid für rechtswidrig und nicht vollziehbar erklärt. Unter Berücksichtigung nach Genehmigungserteilung gewonnener neuer fachlicher Erkenntnisse seien die durchgeführte FFH-Verträglichkeitsprüfung und die ihr zugrundeliegende Immissionsprognose in Bezug auf die Beurteilung der Schädlichkeit der von der Anlage ausgehenden Stickstoffemissionen in mehrfacher Hinsicht fehlerhaft. Auch die Prüfung der Einhaltung der Vorschriften des Biotopschutzes weise Fehler auf. Sämtliche festgestellte Fehler führten nicht zur Aufhebung der Genehmigung, sondern zur Feststellung ihrer Rechtswidrigkeit und Nichtvollziehbarkeit, da diese in einem ergänzenden Verfahren behoben werden könnten.
Die gegen dieses Urteil von der Beigeladenen eingelegte Revision wie auch die Anschlussrevision des Klägers hat das Bundesverwaltungsgericht zurückgewiesen. Die Rechtmäßigkeit einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung beurteilt sich nach der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt ihres Erlasses. Ändert sich die Beurteilung von im Genehmigungszeitpunkt vorhandener Tatsachen aufgrund nach der Genehmigungserteilung entstandener neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse, handelt es sich um eine nachträgliche Änderung der Sachlage, die die Rechtmäßigkeit der erteilten Genehmigung nicht berührt. In diesen Fällen kann die zuständige Behörde nach den Vorschriften des Bundesimmissionsschutzgesetzes nachträgliche Anordnungen oder andere Maßnahmen bis hin zu Widerruf der Genehmigung aussprechen und auf diese Weise den neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen Rechnung tragen.
Soweit die Feststellung weiterer Fehler revisionsrechtlich nicht zu beanstanden ist, führen diese - wie vom Oberverwaltungsgericht zutreffend angenommen - nicht zu einer Aufhebung der Genehmigung, da nicht ausgeschlossen ist, dass sie in einem ergänzenden behördlichen Verfahren geheilt werden können. Die Errichtung und der Betrieb der Anlage stehen der Beurteilung der durch die Stickstoffemissionen hervorgerufenen Umweltauswirkungen der Anlage in einem solchen Verfahren nicht entgegen.
BVerwG 7 C 7.24 - Urteil vom 11. September 2025
Vorinstanzen:
VG Halle, VG 8 A 388/18 HAL - Urteil vom 26. Februar 2019 -
OVG Magdeburg, OVG 2 L 74/19 - Urteil vom 19. Dezember 2023 -