Verfahrensinformation

Genehmigung zum Betrieb einer Schweinemast- und Biogasanlage


Der Kläger, eine anerkannte Umweltvereinigung, wendet sich mit seiner Klage gegen eine von dem Beklagten mit Bescheid vom 10. August 2009 der Rechtsvorgängerin der Beigeladenen erteilte immissionsschutzrechtliche Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb einer Schweinemast- und Biogasanlage.


Die Vorinstanzen hatten die auf Aufhebung der Genehmigung gerichtete Klage zunächst mangels Klagebefugnis als unzulässig abgewiesen. Auf die Revision des Klägers hat das Bundesverwaltungsgericht mit Urteil vom 28. September 2016 (BVerwG 7 C 1.15) die vorinstanzlichen Urteile aufgehoben und die Sache an das Verwaltungsgericht zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen. Mit Urteil vom 26. Februar 2019 hat das Verwaltungsgericht sodann den Genehmigungsbescheid für rechtswidrig und nicht vollziehbar erklärt. Die anschließende Berufung der Beigeladenen und die Anschlussberufung des Klägers hat das Oberverwaltungsgericht mit Urteil vom 19. Dezember 2023 zurückgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Genehmigung verstoße gegen die habitatschutzrechtlichen Vorschriften. Die durchgeführte FFH-Verträglichkeitsprüfung und die ihr zugrundeliegende Immissionsprognose genüge nicht den gesetzlichen Anforderungen. Maßgebend seien für die Beurteilung der anlagebedingten Stickstoffemissionen das Konzept der Critial Loads und die Anwendung eines vorhabenbezogenen Abschneidekriteriums von 0,3 kg N/ha/a. Hierbei handele es sich um spätere Erkenntnisse hinsichtlich der ursprünglichen Sachlage, die der gerichtlichen Entscheidungsfindung zugrunde zu legen seien. Zudem habe das Verwaltungsgericht zu Recht die Verletzung der Vorschriften des Biotopschutzes beanstandet. Sämtliche Fehler führten nicht zur Aufhebung der Genehmigung, sondern zur Feststellung ihrer Rechtswidrigkeit und Nichtvollziehbarkeit, da die Fehler in einem ergänzenden Verfahren behoben werden könnten.


Gegen dieses Urteil hat das Bundesverwaltungsgericht mit Beschluss vom 1. November 2024 (BVerwG 7 B 10.24) die Revision zugelassen, weil das Revisionsverfahren voraussichtlich zur Klärung der Frage beitragen kann, ob nach der Erteilung einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung gewonnene Erkenntnisse hinsichtlich der ursprünglichen Sachlage noch von einem Gericht in einem die Erteilung der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung betreffenden Gerichtsverfahren zu Lasten des Anlagenbetreibers berücksichtigt werden können.


Die Beigeladene begehrt mit der Revision die Abweisung der Klage, während der Kläger mit seiner Anschlussrevision die Aufhebung der Genehmigung weiterverfolgt.


Pressemitteilung Nr. 65/2025 vom 12.09.2025

Genehmigung einer Schweinemast- und Biogasanlage rechtswidrig

Werden die für eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung maßgebenden Tatsachen - hier bezogen auf die Schädlichkeit von anlagebedingten Stickstoffemissionen - aufgrund neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse nach der Genehmigungserteilung anders bewertet, handelt es sich um eine nachträgliche Änderung der Sachlage, die die Rechtmäßigkeit der erteilten immissionsschutzrechtlichen Genehmigung nicht berührt. Dies hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig gestern entschieden.


Der Kläger, eine anerkannte Umweltvereinigung, wendet sich mit seiner Klage gegen eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung einer Schweinemast- und Biosgasanlage mit über 20.000 Tieren im Landkreis Wittenberg. Die Anlage ist zwischenzeitlich errichtet worden und in Betrieb.


Die Vorinstanzen wiesen die auf Aufhebung der Genehmigung gerichtete Klage zunächst als unzulässig ab. Auf die Revision des Klägers hat das Bundesverwaltungsgericht mit Urteil vom 28. September 2016 (BVerwG 7 C 1.15) die vorinstanzlichen Urteile aufgehoben und die Sache an das Verwaltungsgericht zurückverwiesen. Verwaltungsgericht und Oberverwaltungsgericht haben den Genehmigungsbescheid für rechtswidrig und nicht vollziehbar erklärt. Unter Berücksichtigung nach Genehmigungserteilung gewonnener neuer fachlicher Erkenntnisse seien die durchgeführte FFH-Verträglichkeitsprüfung und die ihr zugrundeliegende Immissionsprognose in Bezug auf die Beurteilung der Schädlichkeit der von der Anlage ausgehenden Stickstoffemissionen in mehrfacher Hinsicht fehlerhaft. Auch die Prüfung der Einhaltung der Vorschriften des Biotopschutzes weise Fehler auf. Sämtliche festgestellte Fehler führten nicht zur Aufhebung der Genehmigung, sondern zur Feststellung ihrer Rechtswidrigkeit und Nichtvollziehbarkeit, da diese in einem ergänzenden Verfahren behoben werden könnten.


Die gegen dieses Urteil von der Beigeladenen eingelegte Revision wie auch die Anschlussrevision des Klägers hat das Bundesverwaltungsgericht zurückgewiesen. Die Rechtmäßigkeit einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung beurteilt sich nach der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt ihres Erlasses. Ändert sich die Beurteilung von im Genehmigungszeitpunkt vorhandener Tatsachen aufgrund nach der Genehmigungserteilung entstandener neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse, handelt es sich um eine nachträgliche Änderung der Sachlage, die die Rechtmäßigkeit der erteilten Genehmigung nicht berührt. In diesen Fällen kann die zuständige Behörde nach den Vorschriften des Bundesimmissionsschutzgesetzes nachträgliche Anordnungen oder andere Maßnahmen bis hin zu Widerruf der Genehmigung aussprechen und auf diese Weise den neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen Rechnung tragen.


Soweit die Feststellung weiterer Fehler revisionsrechtlich nicht zu beanstanden ist, führen diese - wie vom Oberverwaltungsgericht zutreffend angenommen - nicht zu einer Aufhebung der Genehmigung, da nicht ausgeschlossen ist, dass sie in einem ergänzenden behördlichen Verfahren geheilt werden können. Die Errichtung und der Betrieb der Anlage stehen der Beurteilung der durch die Stickstoffemissionen hervorgerufenen Umweltauswirkungen der Anlage in einem solchen Verfahren nicht entgegen.


BVerwG 7 C 7.24 - Urteil vom 11. September 2025

Vorinstanzen:

VG Halle, VG 8 A 388/18 HAL - Urteil vom 26. Februar 2019 -

OVG Magdeburg, OVG 2 L 74/19 - Urteil vom 19. Dezember 2023 -


Beschluss vom 01.11.2024 -
BVerwG 7 B 10.24ECLI:DE:BVerwG:2024:011124B7B10.24.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 01.11.2024 - 7 B 10.24 - [ECLI:DE:BVerwG:2024:011124B7B10.24.0]

Beschluss

BVerwG 7 B 10.24

  • VG Halle - 26.02.2019 - AZ: 8 A 388/18 HAL
  • OVG Magdeburg - 19.12.2023 - AZ: 2 L 74/19

In der Verwaltungsstreitsache hat der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts am 1. November 2024 durch den Präsidenten des Bundesverwaltungsgerichts Prof. Dr. Korbmacher sowie die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Günther und Dr. Tegethoff beschlossen:

  1. Die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts des Landes Sachsen-Anhalt über die Nichtzulassung der Revision in seinem Urteil vom 19. Dezember 2023 wird aufgehoben.
  2. Die Revision wird zugelassen.
  3. Die Kostenentscheidung bleibt der Endentscheidung vorbehalten.
  4. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Revisionsverfahren vorläufig auf 30 000 € festgesetzt.

Gründe

1 Die Revision ist auf die Beschwerde der Beigeladenen wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) zuzulassen. Das Revisionsverfahren kann voraussichtlich zur Klärung der Frage beitragen, ob nach der Erteilung einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung gewonnene Erkenntnisse hinsichtlich der ursprünglichen Sachlage noch von einem Gericht in einem die Erteilung der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung betreffenden Gerichtsverfahren zu Lasten des Anlagenbetreibers berücksichtigt werden können.

2 Die vorläufige Festsetzung des Streitwertes beruht auf § 47 Abs. 1 und 2, § 52 Abs. 1 i. V. m. Ziff. 1.2 des Streitwertkatalogs 2013 für die Verwaltungsgerichtsbarkeit und § 63 Abs. 1 GKG.

Rechtsbehelfsbelehrung


Das Beschwerdeverfahren wird als Revisionsverfahren unter dem Aktenzeichen BVerwG 7 C 7.24 fortgesetzt. Der Einlegung einer Revision durch den Beschwerdeführer bedarf es nicht.
Die Revision ist innerhalb eines Monats nach Zustellung dieses Beschlusses zu begründen. Die Begründung ist bei dem Bundesverwaltungsgericht in Leipzig einzureichen.
Für die Beteiligten besteht Vertretungszwang; dies gilt auch für die Begründung der Revision. Die Beteiligten müssen sich durch Bevollmächtigte im Sinne von § 67 Abs. 4 Satz 3 bis 6 VwGO, § 5 Nr. 6 Alt. 2 RDGEG vertreten lassen.