Verfahrensinformation

Entschädigung für Verdienstausfall nach dem Infektionsschutzgesetz


Der Kläger, ein selbstständiger Versicherungsvermittler, befand sich vom 18. Oktober bis 1. November 2021 in einer behördlich angeordneten häuslichen Absonderung (Quarantäne) infolge einer festgestellten Infektion mit dem Coronavirus. Seinen Antrag auf Entschädigung wegen im Absonderungszeitraum erlittenen Verdienstausfalls lehnte das beklagte Land ab. Nach § 56 Abs. 1 Satz 4 des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) erhalte eine Entschädigung nicht, wer durch Inanspruchnahme einer öffentlich empfohlenen Schutzimpfung die Absonderung hätte vermeiden können. In Baden-Württemberg habe seit Mitte September 2021 für alle Erwachsenen eine ausreichende Impfmöglichkeit bestanden. Bei dem Kläger habe zu Beginn der Absonderung kein Impfschutz gegen das Coronavirus vorgelegen.


Das Verwaltungsgericht Karlsruhe hat der dagegen erhobenen Klage stattgegeben und den Beklagten zur Bewilligung der beantragten Entschädigung verpflichtet. Die Berufung des Beklagten vor dem Verwaltungsgerichtshof ist ohne Erfolg geblieben. Die Voraussetzungen für den Entschädigungsanspruch gemäß § 56 IfSG lägen vor. Der Kläger sei absonderungspflichtig gewesen und habe dadurch einen Verdienstausfall erlitten. Die Entschädigung sei nicht nach § 56 Abs. 1 Satz 4 IfSG ausgeschlossen. Der Kläger hätte nicht im Sinne dieser Vorschrift durch eine öffentlich empfohlene Schutzimpfung die Absonderung vermeiden können.


Gegen das Berufungsurteil wendet sich der Beklagte mit der vom Verwaltungsgerichtshof wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassenen Revision.


Pressemitteilung Nr. 77/2025 vom 09.10.2025

Quarantäne wegen Corona-Infektion - keine Verdienstausfall-Entschädigung nach dem Infektionsschutzgesetz bei Vermeidbarkeit der Infektion durch Inanspruchnahme einer öffentlich empfohlenen und für den Betroffenen möglichen Schutzimpfung

Eine erwerbstätige Person, die sich im Oktober 2021 wegen einer Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 in häuslicher Quarantäne befunden und dadurch einen Verdienstausfall erlitten hat, kann vom Staat keine Entschädigung nach dem Infektionsschutzgesetz (IfSG) verlangen, wenn sie die damalige öffentlich empfohlene COVID-19-Schutzimpfung nicht in Anspruch genommen hat, eine Impfung für sie aber möglich gewesen wäre. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden.


Der selbstständig erwerbstätige Kläger wurde im Oktober 2021 positiv auf das Coronavirus SARS-CoV-2 getestet und musste sich aufgrund behördlicher Anordnung für 14 Tage in häusliche Absonderung begeben. Anschließend beantragte er beim beklagten Land eine Entschädigung für durch die Absonderung erlittenen Verdienstausfall. Der Beklagte lehnte den Antrag ab. Nach § 56 Abs. 1 Satz 4 IfSG sei ein Entschädigungsanspruch ausgeschlossen, wenn der Antragsteller die Absonderung durch Inanspruchnahme einer öffentlich empfohlenen Schutzimpfung hätte vermeiden können. Zum Zeitpunkt der Absonderung habe beim Kläger kein Impfschutz gegen das Coronavirus bestanden. Eine Impfung sei ihm möglich gewesen. Das Verwaltungsgericht hat den Beklagten zur Bewilligung der beantragten Entschädigung verpflichtet. Der Verwaltungsgerichtshof hat die Berufung des Beklagten zurückgewiesen. Der Kläger habe die Absonderung nicht durch Inanspruchnahme einer Schutzimpfung im Sinne des § 56 Abs. 1 Satz 4 IfSG vermeiden können. Erforderlich sei, dass durch die Impfung mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Infektion und damit die Absonderung hätte vermieden werden können. Das verlange eine Wirksamkeit der Impfung gegen Infektionen von mindestens 90 Prozent oder jedenfalls nicht deutlich darunter. Diesen Wirksamkeitsgrad habe die COVID-19-Impfung im Oktober 2021 nicht erreicht.


Das Bundesverwaltungsgericht hat auf die Revision des Beklagten die vorinstanzlichen Urteile geändert und die Klage abgewiesen. Gemäß § 56 Abs. 1 Satz 4 IfSG erhält eine Entschädigung unter anderem nicht, wer durch Inanspruchnahme einer Schutzimpfung, die im Bereich des gewöhnlichen Aufenthaltsorts des Betroffenen öffentlich empfohlen wurde, eine Absonderung hätte vermeiden können. Die Annahme des Verwaltungsgerichtshofs, dies sei nicht der Fall, weil die Absonderung durch Inanspruchnahme der öffentlich empfohlenen COVID-19-Impfung nicht mit hoher Wahrscheinlichkeit hätte vermieden werden können, ist nicht mit Bundesrecht vereinbar. Der Betroffene hätte eine Infektion und damit eine Absonderung im Sinne der Vorschrift vermeiden können, wenn er eine öffentlich empfohlene Schutzimpfung hätte in Anspruch nehmen können, die (auch) eine Wirksamkeit gegen Infektionen mit dem betreffenden Krankheitserreger hat. Ausreichend für die Vermeidbarkeit ist die Möglichkeit, dass die Impfung eine Infektion verhindert. Diese Voraussetzung ist bei der COVID-19-Impfung nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs zur Wirksamkeit der Impfung im Oktober 2021 erfüllt gewesen. Die Inanspruchnahme der Impfung war für den Kläger auch möglich.


BVerwG 3 C 5.24 - Urteil vom 09. Oktober 2025

Vorinstanzen:

VG Karlsruhe, VG 4 K 4354/21 - Urteil vom 09. März 2023 -

VGH Mannheim, VGH 1 S 678/23 - Urteil vom 20. Februar 2024 -