Verfahrensinformation

Bruchteilsrestitutionsberechtigung bei Anteilsverlust im Zuge einer Unternehmensschädigung


Die Klägerin begehrt die anteilige Restitution eines in Berlin-Mitte gelegenen Grundstücks.


Im Februar 1938 musste sie, weil sie nach den NS-Gesetzen als jüdisches Unternehmen galt, ihr selbständiges Berliner Bankgeschäft veräußern. Damit verlor sie unter anderem die zum Betriebsvermögen gehörenden Anteile an der A.-Aktiengesellschaft, die Eigentümerin des verfahrensgegenständlichen Grundstücks war. Dieses wurde 1949 in Volkseigentum überführt und im Dezember 1992 an einen privaten Investor veräußert. Im Januar 2023 lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin auf Einräumung von Bruchteilseigentum oder anteilige Erlösauskehr für das Grundstück ab.


Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Klägerin könne die Auskehr des anteiligen Verkaufserlöses nicht beanspruchen. Nach § 3 Abs. 1 Satz 5 Vermögensgesetz stehe der Anspruch den Gesellschaftern und nicht dem Unternehmen zu. Sie könne daher nur berechtigt sein, wenn sie einzelne Beteiligungen verfolgungsbedingt veräußert habe, nicht aber, wenn diese ihr - wie hier - mit ihrem Unternehmen entzogen worden seien. In diesem Fall könne der Anspruch nur ihren Gesellschaftern zustehen.


Hiergegen richtet sich die vom Verwaltungsgericht zugelassene Revision, mit der die Klägerin ihr Begehren weiterverfolgt.


Pressemitteilung Nr. 79/2025 vom 15.10.2025

Bruchteilsrestitutionsberechtigung bei Anteilsverlust im Zuge einer Unternehmensschädigung

Werden im Zuge einer Unternehmensschädigung mit einem Mutterunternehmen Anteile an einem Tochterunternehmen entzogen, steht dem Träger des Mutterunternehmens kein Anspruch auf Einräumung von Bruchteilseigentum an ehemaligen Vermögensgegenständen des Tochterunternehmens oder auf anteilige Erlösauskehr zu. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden.


Die Klägerin begehrt die anteilige Restitution eines in Ostberlin belegenen Grundstücks. Im Februar 1938 musste sie ihr Berliner Bankgeschäft veräußern, weil sie nach den NS-Gesetzen als jüdisches Unternehmen galt. Damit verlor sie unter anderem ihre zum Betriebsvermögen gehörende Beteiligung an der X.-Aktiengesellschaft, die Eigentümerin des verfahrensgegenständlichen Grundstücks war. Dieses wurde 1949 in Volkseigentum überführt und 1992 an einen privaten Investor veräußert. Die Beklagte lehnte den Antrag der Klägerin auf Einräumung von Bruchteilseigentum an dem Grundstück oder anteilige Auskehr des Veräußerungserlöses ab. Das Verwaltungsgericht hat die hiergegen gerichtete Klage abgewiesen.


Die Revision der Klägerin hatte keinen Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat im Ergebnis zutreffend entschieden, dass die Klägerin weder die Bruchteilsrestitution des verfahrensgegenständlichen Grundstücks noch die Auskehr des anteiligen Erlöses aus dessen investiver Veräußerung verlangen kann. Der geltend gemachte Anspruch ergibt sich nicht aus § 3 Abs. 1 Satz 4 Teilsatz 1 Vermögensgesetz (VermG), weil mit dem Unternehmen der Klägerin zwar deren Beteiligung an der X.-Aktiengesellschaft, nicht aber das verfahrensgegenständliche Grundstück entzogen wurde. Auf § 3 Abs. 1 Satz 4 Teilsatz 2 VermG kann die Klägerin ihren Anspruch ebenfalls nicht stützen. Diese Vorschrift setzt voraus, dass Gegenstand der schädigenden Maßnahme nach § 1 Abs. 6 VermG ausschließlich die Beteiligung an einem Unternehmen und nicht das Unternehmen selbst war. Unabhängig davon können Bruchteilsrestitutionsansprüche wegen einer Unternehmensschädigung nach § 3 Abs. 1 Satz 4 Teilsatz 1 und Satz 5 VermG nicht dem geschädigten Unternehmensträger, sondern nur dessen Gesellschaftern zustehen. Das gilt nach der Entstehungsgeschichte, dem systematischen Zusammenhang und dem Regelungszweck dieser Vorschriften auch, wenn zum entzogenen Unternehmen Anteile an Tochterunternehmen gehörten.


Fußnote:

Auszug aus dem Vermögensgesetz:


§ 1 Geltungsbereich


[…]


(6) 1 Dieses Gesetz ist entsprechend auf vermögensrechtliche Ansprüche von Bürgern und Vereinigungen anzuwenden, die in der Zeit vom 30. Januar 1933 bis zum 8. Mai 1945 aus rassischen, politischen, religiösen oder weltanschaulichen Gründen verfolgt wurden und deshalb ihr Vermögen infolge von Zwangsverkäufen, Enteignungen oder auf andere Weise verloren haben. (…)


§ 3 Grundsatz


(1) 1 Vermögenswerte, die den Maßnahmen im Sinne des § 1 unterlagen und in Volkseigentum überführt oder an Dritte veräußert wurden, sind auf Antrag auf die Berechtigten zurückzuübertragen, soweit dies nicht nach diesem Gesetz ausgeschlossen ist.


(…)


4 Gehören Vermögensgegenstände, die mit einem nach § 1 Abs. 6 in Verbindung § 6 zurückzugebenden oder nach einem nach diesem oder einem anderen nach dem 8. Mai 1945 ergangenen Gesetz bereits zurückgegebenen Unternehmen entzogen oder von ihm später angeschafft worden sind, aus irgendwelchen Gründen nicht mehr zum Vermögen des Unternehmens, so kann der Berechtigte verlangen, dass ihm an diesen Gegenständen im Wege der Einzelrestitution in Höhe der ihm entzogenen Beteiligung Bruchteilseigentum eingeräumt wird; dieser Anspruch besteht auch, wenn eine unmittelbare oder mittelbare Beteiligung an einem Unternehmen Gegenstand der Schädigung nach § 1 Abs. 6 ist und das Unternehmen zum Zeitpunkt der Schädigung nicht von Maßnahmen nach § 1 betroffen war; (…)


5 Berechtigter im Sinne des Satzes 4 ist der geschädigte Gesellschafter und nicht das in § 6 Abs. 1 a bezeichnete Unternehmen. (…)


§ 6 Rückübertragung von Unternehmen


(1) […]


(1 a) 1 Berechtigter bei der Rückgabe oder Rückführung eines Unternehmens nach den §§ 6 und 12 ist derjenige, dessen Vermögenswerte von Maßnahmen nach § 1 betroffen sind. (…)


[…]


BVerwG 8 C 5.24 - Urteil vom 15. Oktober 2025

Vorinstanz:

VG Berlin, VG 29 K 31/23 - Urteil vom 09. Juli 2024 -