Urteil vom 01.03.2007 -
BVerwG 2 WD 4.06ECLI:DE:BVerwG:2007:010307U2WD4.06.0
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Zitiervorschlag
BVerwG, Urteil vom 01.03.2007 - 2 WD 4.06 - [ECLI:DE:BVerwG:2007:010307U2WD4.06.0]
Urteil
BVerwG 2 WD 4.06
- TDG Nord 6. Kammer - 11.10.2005 - AZ: N 6 VL 12/05
In dem gerichtlichen Disziplinarverfahren hat der 2. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts in der nichtöffentlichen Hauptverhandlung am 1. März 2007, an der teilgenommen haben:
Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Widmaier als Vorsitzender,
Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Frentz,
Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Deiseroth,
sowie
Major Jahnke,
Oberfeldwebel Mühlhan
als ehrenamtliche Richter,
Rechtsanwalt ..., ...,
als Verteidiger,
Leitender Regierungsdirektor ...
als Vertreter des Bundeswehrdisziplinaranwalts,
Geschäftsstellenverwalterin ...
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
- Auf die Berufung des Soldaten wird das Urteil der 6. Kammer des Truppendienstgerichts Nord vom 11. Oktober 2005 aufgehoben.
- Gegen den Soldaten wird wegen eines Dienstvergehens ein Beförderungsverbot von zwei Jahren in Verbindung mit einer Kürzung seiner Dienstbezüge um ein Zehntel für die Dauer von einem Jahr verhängt.
- Die Kosten des ersten Rechtszuges hat der Soldat zu tragen. Die Kosten des Berufungsverfahrens werden zu drei Vierteln dem Soldaten und zu einem Viertel dem Bund auferlegt, der auch ein Viertel der dem Soldaten darin erwachsenen notwendigen Auslagen zu tragen hat.
Gründe
I
1 Der 27 Jahre alte Soldat erlangte im Juli 1997 an der Haupt- und Realschule M. den Realschulabschluss und war bis zu seiner Einberufung arbeitslos.
2 Zum 3. November 1997 wurde er zur Ableistung des Grundwehrdienstes zur 1./P...bataillon ... in C. einberufen. Aufgrund seiner Bewerbung für den freiwilligen Dienst in der Bundeswehr vom 29. Juli 1998 sowie seiner Verpflichtung, zunächst vier Jahre Wehrdienst zu leisten, wurde er mit Wirkung vom 1. August 1998 in das Dienstverhältnis eines Soldaten auf Zeit berufen. Seine Dienstzeit wurde stufenweise entsprechend seiner abgegebenen Verpflichtungserklärungen zuletzt auf zwölf Jahre festgesetzt; demnach endet sie voraussichtlich mit Ablauf des 31. Oktober 2009.
3 Der Soldat wurde regelmäßig befördert und zuletzt mit Wirkung vom 1. März 2003 zum Oberfeldwebel ernannt.
4 Nach Ableistung der allgemeinen Grundausbildung wurde er als Kraftfahrer B und C eingesetzt. Im Zeitraum vom 27. Oktober 1998 bis zum 29. Januar 1999 absolvierte er bei der II./H... in M. den Unteroffizierlehrgang Teil 1 sowie im Zeitraum vom 12. April bis zum 9. Juli 1999 bei der 7./P...bataillon ... in B. den Unteroffizierlehrgang Teil 2, Ausbildungsklasse: Kampfpanzer Leopard 2, die er jeweils mit der Abschlussnote „befriedigend“ bestand. Bei der V./P...s... in M. absolvierte er im Zeitraum vom 13. März bis zum 8. Juni 2001 den Feldwebellehrgang Panzer, Ausbildungsklasse: Kampfpanzer Leopard 2, ebenfalls mit der Abschlussnote „befriedigend“. Zuvor war er mit Wirkung vom 1. Mai 2001 zur 2./P...bataillon ... in C. in der Verwendung eines Panzerfeldwebels Leopard 2 und Kommandant Kampfpanzer versetzt worden.
5 Wegen des dem Anschuldigungspunkt 1 zugrunde liegenden Sachverhalts wurde er ab dem 10. Mai 2004 bis zum 31. März 2007 fortlaufend zur Stabskompanie P...b... in M. zur Dienstleistung als S 1-Feldwebel im Lagezentrum kommandiert. Zwischendurch wurde er zum 1. Juli 2006 zur 3./P...bataillon ... in N. als Panzerfeldwebel versetzt.
6 Der Soldat wurde in seiner Dienstzeit insgesamt dreimal planmäßig beurteilt. In der letzten Beurteilung vom 25. März 2004 erhielt er bei den Einzelmerkmalen dreimal die Wertung „7“, zehnmal die Wertung „6“ sowie dreimal die Wertung „5“. Bei „Eignung und Befähigung“ wurde ihm für „Verantwortungsbewusstsein“ die Wertung „E“ sowie für „Geistige Befähigung“, „Eignung zur Menschenführung/Teambefähigung“ sowie „Befähigung zur Einsatz- und Betriebsführung“ jeweils die Wertung „D“ zuerkannt. Unter „Herausragende charakterliche Merkmale, Kameradschaft, berufliches Selbstverständnis, Bewährung im Einsatz und ergänzende Aussagen“ wird er u.a. als überzeugter Soldat bezeichnet, der voll für den Auftrag der Bundeswehr einstehe. Mit zunehmender Stehzeit auf seinem Dienstposten werde er reifer und sicherer; sein früher an ihm oft zu findendes Ungestüm, gepaart mit Unzufriedenheit, wenn es dann doch nicht so schnell gehe, sei mittlerweile konstruktiver Mitarbeit gewichen. Sein Gestaltungswille und sein Tatendrang seien ungebrochen; er habe erkannt, dass er über mehr Verantwortung mehr Gestaltungsmöglichkeiten erlange und strebe konsequent nach ihr. Er habe Freude daran, sich um Menschen zu kümmern und Vorhaben zu organisieren; dabei sei er unkompliziert, geradlinig und zielorientiert. Sein angegebenes Ziel, einmal Kompaniefeldwebel zu werden, entspreche diesen Eigenschaften. Seinen derzeitigen Dienstposten habe er „voll im Griff“. Bezüglich Einsatzbereitschaft und Verantwortungsbewusstsein stehe er klar an der Spitze vergleichbarer Dienstposteninhaber der Kompanie. Sein Ideenreichtum und seine praktische Arbeit machten ihn zu einem Gewinn für jede Kampfkompanie. Eine Weiterverpflichtung zum Berufssoldaten werde mit Nachdruck befürwortet.
7 Der stellungnehmende nächsthöhere Vorgesetzte stellte fest, der Soldat habe die Richtigkeit der Prognosen bezüglich seines vorhandenen Leistungspotenzials eindrucksvoll unter Beweis gestellt - er habe sich stetig steigern können und lasse auch für die Zukunft noch einiges erwarten. Er sei durch weit überdurchschnittliches Engagement, Kreativität und eine mitreißende Frische gekennzeichnet, insgesamt ein Portepée mit vorbildlicher soldatischer Einstellung, dem man die Freude am Beruf in jeder Situation anmerke. Fachlich habe er seinen derzeitigen Dienstposten voll im Griff und mache deutlich, dass er nach mehr Verantwortung strebe. Eine besondere Eignung zum Berufssoldaten sei eindeutig gegeben - bei der Fortsetzung der sehr positiven Entwicklung komme man an ihm nicht vorbei. Die Förderungswürdigkeit des Soldaten wurde mit „D“ bewertet.
8
In der Sonderbeurteilung von 8. Mai 2006 werden die Leistungen des Soldaten in den Einzelmerkmalen einmal mit „7“, neunmal mit „6“ und dreimal mit „5“ bewertet. Bei der Beurteilung seiner „Eignung und Befähigung“ wird ihm für „Verantwortungsbewusstsein“ die Wertung „E“ und für „Geistige Befähigung“, „Eignung zur Menschenführung/Teambefähigung“ sowie „Befähigung zur Einsatz- und Betriebsführung“ jeweils die Wertung „D“ zuerkannt. Unter „Herausragende charakterliche Merkmale, Kameradschaft, berufliches Selbstverständnis, Bewährung im Einsatz und ergänzende Aussagen“ wird ausgeführt:
„OFw E. ist ein überaus kameradschaftlicher, stets hilfsbereiter, offener Uffz m.P., der über ein hohes berufliches Selbstverständnis und einen besonders ausgeprägten Gerechtigkeitssinn verfügt.
Physisch und psychisch überdurchschnittlich und dabei ohne jegliche Einschränkungen belastbar, wird er den Anforderungen seines derzeitigen Dienstpostens in vollem Umfang gerecht. Seine hohe Flexibilität, gerade im Bereich von kurzfristigen Lageänderungen, und seine stets vorhandenen Reserven werden auch außerhalb seines originären Aufgabenbereiches dankend angenommen, so dass alle Abteilungen des Brigadestabes hiervon profitieren. Kameradschaft ist für OFw E. keine bloße Floskel, er lebt diese vor und sie ist wesentlicher Bestandteil dieses verlässlichen Dienstgrades, ebenso wie seine uneingeschränkte Loyalität, ohne dabei zum Jasager zu werden.
Über Bewährungen im Einsatz kann an dieser Stelle bezüglich des Beurteilungszeitraumes nichts gesagt werden, allerdings unterstelle ich dem Soldaten bei seinem derzeitigen Leistungsbild eine uneingeschränkte Eignung für sämtliche derzeitige Einsatzszenarien der Bundeswehr.
Die getätigten Aussagen beziehen sich auf den Beurteilungsbeitrag meines Vorgängers im Amt sowie den Beurteilungsbeitrag des KpChefs Stabskompanie P...B..., da mir der Soldat dienstlich nicht bekannt ist. OFw E. ist seit Mai 2004 in die Stabskompanie P...B... kommandiert“.
9
Der nächsthöhere Vorgesetzte nahm hierzu wie folgt Stellung:
„Der Beurteilung des Kompaniechefs stimme ich insgesamt zu.
OFw E. hat die in der letzten Beurteilung getroffenen Wertungen und Erwartungen, auch in seiner Verwendung im Lagezentrum P...B..., im Wesentlichen bestätigen können. Insbesondere die Wertung in den Feldern F.I. 01 - 04 und die freie Beschreibung im Feld G.01 zeigen die Stetigkeit seines stark ausgeprägten Verantwortungsbewusstseins. Ich habe deshalb die Wertung im Feld G.01 von D auf E heraufgesetzt.
Mit den Verwendungshinweisen des KpChefs bin ich nur teilweise einverstanden. Eine Eignung für eine Verwendung mit besonderer Außenwirkung kann ich nicht erkennen. Die Eignung für eine Verwendungsmöglichkeit in der Lehre ist derzeit nicht zu bewerten. Insgesamt sind die Verwendungshinweise im Rahmen der anstehenden planmäßigen Beurteilung neu zu betrachten. Bis dahin stimme ich dem Verwendungsvorschlag zu.“
10 Vor dem Truppendienstgericht hat der Zeuge Hauptmann (jetzt Major) B., ehemaliger Disziplinarvorgesetzter des Soldaten, ausgesagt, er kenne den Soldaten durch Übernahme der Kompanie seit 22. März 2002. Die Leistungen des Soldaten bewerte er mit der Note „6,2“. Durch seine Intelligenz, Aktivität und hohe Leistungsbereitschaft habe der Soldat zur Spitzengruppe seiner Kameraden gezählt. Der Soldat sei ein agiler Stabsarbeiter, könne fachliche Dinge gut umsetzen. Deshalb sei er durch seinen jetzigen Kommandeur für hervorragende Arbeit ausgezeichnet worden. Als Defizit könne man dem Soldaten anlasten, dass er nicht die nötige Distanz zu seinen Untergebenen gewahrt habe. Der Soldat habe jedoch in seinen Leistungen nicht nachgelassen, sodass man von einer Nachbewährung sprechen könne. Bei seinen Kameraden habe der Soldat hohes Ansehen genossen, auch sei er wegen des Vorfalls von seinen Kameraden nicht geschnitten worden. Er, der Zeuge, und der „Spieß“ hätten während des Dienstes nicht beobachten können, dass der Soldat körperliche Kontakte zu seinen Untergebenen ausgeübt habe.
11 Major H., Disziplinarvorgesetzter zur Zeit der Verhandlung vor dem Truppendienstgericht, führte in einer Stellungnahme vom 23. September 2005, die vor dem Truppendienstgericht verlesen wurde, aus, der Soldat sei seit seiner „Versetzung“ vom P...bataillon ... zur Stabskompanie P...b... zum 10. Mai 2004 in der S 1-Abteilung eingesetzt. Im zurückliegenden KFOR-Einsatz der Brigade habe sich der Soldat in herausragender Art und Weise und mit seiner ganzen Person für alle anstehenden Aufträge eingebracht. Auch ohne vorhergehende Ausbildung sei der Soldat bereits nach kürzester Zeit fachlich absolut kompetent und sattelfest gewesen. Persönliche Aus- und Weiterbildung seien für ihn eine Selbstverständlichkeit genauso wie das direkte Wort. Der Soldat habe klare Vorstellungen und sei auch in der Lage, diese eindeutig zu formulieren. Zu keiner Zeit habe man bei dem Soldaten Resignation oder Stagnation vor dem Hintergrund eines noch nicht abgeschlossenen gerichtlichen Disziplinarverfahrens erkennen können. Auf den Soldaten sei zu jeder Zeit Verlass gewesen.
12 Seit dem 22. Oktober 2001 ist der Soldat berechtigt, das Abzeichen für Leistungen im Truppendienst in Gold mit der Zahl „2“ sowie seit dem 5. Juni 2002 die Schützenschnur in Gold mit der Zahl „2“ zu tragen.
13 In Anerkennung herausragender besonderer Leistungen gewährte der Kommandeur P...bataillon ... dem Soldaten am 1. Dezember 2003 eine Leistungsprämie in Höhe von 1 300 € als Einmalzahlung für dessen Engagement um die Patenschaft mit der Schützengesellschaft A.. Eine weitere Leistungsprämie in Höhe von 500 € als Einmalzahlung gewährte der Kommandeur P...b... am 25. Oktober 2004 für die herausragende Leistungsbereitschaft und das kameradschaftliche Verhalten des Soldaten in seiner Funktion bei der Besetzung und Aktualisierung der Stellenbesetzungsliste des 10. Einsatzkontingents KFOR. Eine weitere Leistungsprämie in Höhe von 1 200 € als Einmalzahlung für herausragende Leistungen wurde dem Soldaten am 18. September 2006 zuerkannt.
14 Die Auskunft aus dem Zentralregister weist keinerlei Eintragungen über den Soldaten aus. Der Disziplinarbuchauszug vom 3. Juli 2006 enthält keine Eintragungen über Maßregelungen des Soldaten.
15 Der ledige und kinderlose Soldat erhält Dienstbezüge aus der 3. Stufe der Besoldungsgruppe A 7 mit Amtszulage des Bundesbesoldungsgesetzes. Demnach belaufen sich seine monatlichen Bezüge auf 1 851,91 € brutto und nach seinen Angaben auf ca. 1 650 € netto, die ihm auch ausgezahlt werden. An monatlichen Belastungen hat der Soldat Aufwendungen in Höhe von ca. 500 € bis 700 € für Telefon, Versicherungen usw. Die wirtschaftlichen Verhältnisse des Soldaten sind nach seinen Angaben geordnet.
II
16 Aufgrund einer Abgabe an die Staatsanwaltschaft nach § 33 Abs. 3 WDO kam es zu einem Strafverfahren gegen den Soldaten wegen des Verdachts der sexuellen Nötigung gemäß § 177 StGB. Dieses wurde von der Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht H. - 1401 Js 8424/04 - unter dem 17. Juni 2004 gemäß § 170 Abs. 2 StPO mangels hinreichenden Tatverdachtes eingestellt.
17
In dem mit Verfügung des Kommandeurs 1. Panzerdivision vom 14. Mai 2004 durch Aushändigung an den Soldaten am 25. Mai 2004 ordnungsgemäß eingeleiteten sachgleichen gerichtlichen Disziplinarverfahren wird dem Soldaten in der Anschuldigungsschrift der Wehrdisziplinaranwaltschaft vom 3. Januar 2005, ihm am 25. Januar 2005 übergeben, folgendes Verhalten als schuldhafte Verletzung seiner Dienstpflichten zur Last gelegt:
„1. In der Nacht vom 27. auf den 28.03.2004 zwischen 21.00 und 01.00 Uhr leckte der Soldat in einer Stube der P... in H. dem Hauptgefreiten H., nach dem gemeinsamen Konsum von zwei Flaschen Bier und einer dreiviertel Flasche Wodka, die Brustwarzen, was beim Hauptgefreiten Ekel verursachte. Unmittelbar anschließend öffnete er die Hose des Hauptgefreiten H. und nahm dessen entblößtes Glied in den Mund bis dieser sich ruckartig bewegte, worauf der Soldat von ihm abließ.
Dabei hätte der Soldat zumindest erkennen können und müssen, dass der Hauptgefreite H. mit den Verhaltensweisen des Soldaten nicht einverstanden war.
2. Über seinen Verteidiger ließ er im Rahmen des gerichtlichen Disziplinarverfahrens gegenüber dem Wehrdisziplinaranwalt 1. P... in H. folgendes vortragen (Stellungnahme Rechtsanwalt T. vom 16.09.2004):
‚... Falsch ist jedoch die Behauptung, daß dies gegen den Willen des Herrn H. geschah, sondern geschah alles einvernehmlich. Mein Mandant ist über die jetzigen Einlassungen des Herrn H. doch ganz erheblich entsetzt, da sie im Kern der Sache nichts mit dem zu tun haben, was tatsächlich geschah. Mein Mandant hat bislang es gar nicht recht glauben können, daß ihm hier derartiges unterstellt wird und hat von daher bislang auch ‚den Ball flachgehalten’.
Der hier in Rede stehende ‚Vorfall’ war nicht der erste seiner Art, sondern allein an diesem Abend der dritte. Dies alles geschah in ruhiger freundschaftlicher Atmosphäre und im Einvernehmen mit Herrn H.. Erst beim dritten Mal sagte Herr H., daß ‚sie doch jetzt besser aufhören sollten’, woraufhin die Sache dann auch sofort beiderseits beendet wurde.
Obgleich mein Mandant die Angelegenheit nicht ausweiten wollte, muß er nun doch darauf hinweisen, dass es sich ohnehin nicht um das erste Mal handelt, daß er und Herr H. sich in dieser Weise nähergekommen sind. Ein insofern vierter Vorfall ereignete sich wesentlich früher im Privatbereich. Auch dort lief es entsprechend ab ohne daß von irgendeiner Seite Widerspruch kam und ohne dass die Freundschaft zwischen Herrn H. und meinem Mandanten hierdurch in irgend einer Weise beeinträchtigt wurde. Wenn Herr H. den Vorgang nunmehr quasi als Zwangshandlung darstellt, derer er sich letztlich infolge Erstarrung nicht erwehren konnte, so mag diese Aussage von der Angst geprägt sein als ‚schwul’ abgestempelt zu werden. Mein Mandant kann sich die insofern schlicht und einfach falsche Aussage des Herrn H. nicht anders erklären. Der Umstand, daß Herr H. keinesfalls erstarrt war, ergibt sich auch daraus, daß er, als mein Mandant mit seinem Mund an seinen Brustwarzen war, noch äußerte ‚du bist ja unrasiert’. Als mein Mandant dann im Begriff war, die Hose des Herrn H. zu öffnen, sagte dieser noch ‚ich muß mich entschuldigen, ich bin unrasiert’.’
Dabei war dem Soldaten bewusst, dass diese Sachverhaltsdarstellung nicht zutreffend war und keine einvernehmliche homosexuelle Beziehung zum HptGefr H. bestanden hatte.“
18 Die 6. Kammer des Truppendienstgerichts Nord setzte den Soldaten durch Urteil vom 11. Oktober 2005 wegen eines Dienstvergehens in den Dienstgrad eines Feldwebels herab.
19 Zur rechtlichen Würdigung führte die Truppendienstkammer aus, der Soldat habe, indem er gegen den erkennbaren Willen des Zeugen Stabsgefreiter H. an diesem homosexuelle Handlungen vorgenommen habe, zumindest fahrlässig gegen seine Dienstpflichten verstoßen, für seine Untergebenen zu sorgen (§ 10 Abs. 3 SG), die Würde, die Ehre und die Rechte des Kameraden zu achten (§ 12 Satz 2 SG) sowie der Achtung und dem Vertrauen gerecht zu werden, die sein Dienst als Soldat erfordere (§ 17 Abs. 2 Satz 1 SG). Ferner habe der Soldat zumindest fahrlässig wiederum gegen die Pflicht verstoßen, die Würde, die Ehre und die Rechte des Kameraden zu achten (§ 12 Satz 2 SG) sowie gegen seine Achtungs- und Vertrauenswahrungspflicht im außerdienstlichen Bereich (§ 17 Abs. 2 Satz 2 SG), indem er den Zeugen H. der Wahrheit zuwider der Homosexualität bezichtigt und somit inhaltlich unzutreffende Anschuldigungen diesem gegenüber geäußert habe. Diese Vorgehensweise sei nicht mehr vom erlaubten Verhalten im Rahmen einer Verteidigerhandlung gedeckt gewesen, da nicht lediglich ein vom Zeugen H. bekundeter Sachverhalt bestritten, sondern dem Zeugen eine eigene Dienstpflichtverletzung, nämlich die Verletzung der Wahrheitspflicht, vorgeworfen werde. Insgesamt habe der Soldat ein Dienstvergehen gemäß § 23 Abs. 1 SG begangen.
20 Im Hinblick auf die Ausführungen der Kammer zur Maßnahmebemessung wird auf die Seiten 12 bis 16 des Urteils verwiesen.
21 Gegen dieses dem Soldaten am 29. November 2005 zugestellte Urteil hat sein Verteidiger mit Schriftsatz vom 27. Dezember 2005, bei der 6. Kammer des Truppendienstgerichts Nord eingegangen am selben Tag, Berufung in vollem Umfang eingelegt mit dem Antrag, den Soldaten freizusprechen.
22
Zur Begründung hat der Verteidiger im Wesentlichen vorgetragen:
Die Verurteilung basiere letztlich auf der Aussage des Zeugen H., dem das erstinstanzliche Gericht in vollem Umfang Glauben geschenkt habe. An der Glaubwürdigkeit und Glaubhaftigkeit der Aussage des Zeugen H. bestünden jedoch erhebliche Zweifel, die zumindest so gravierend seien, dass sie eine Verwertung der Aussage als letztlich alleinige Urteilsgrundlage ausschlössen. Die Anforderungen an die Beurteilung der Glaubwürdigkeit des Zeugen H. seien besonders hoch anzusetzen. Der Zeuge H. sei sowohl im Rahmen seiner vorgerichtlichen Aussagen als auch im Rahmen seiner Aussage vor dem Truppendienstgericht in P. bemüht gewesen, jeglichen Hinweis auf eventuell auch nur latent vorhandene homosexuelle Neigungen zu vermeiden. Hinzu komme, dass der Zeuge vor dem Truppendienstgericht weder einen ängstlichen noch zurückhaltenden Eindruck gemacht habe. Dies sei von dem anwesenden Leumundszeugen auch im Nachhinein noch einmal bestätigt worden. Dieser habe den Zeugen H. als - positiv ausgedrückt - zielorientiert und verschlagen beschrieben. Keinesfalls habe er in dem Zeugen H. eine Persönlichkeit erkannt, die durch den angeschuldigten Vorgang derart in Schockstarre versetzt worden sein könnte, wie es der Zeuge H. versucht habe, glaubhaft zu machen. Die Widersprüchlichkeit der Aussagen des Zeugen habe er, der Verteidiger, bereits im Schriftsatz vom 16. September 2004 deutlich herausgestellt. Vor dem Truppendienstgericht habe der Zeuge sich vielfach auf vermeintliche Erinnerungslücken zurückgezogen. Es habe mit Nachdruck nachgebohrt werden müssen, um überhaupt verwertbare Aussagen des Zeugen zu erhalten. Gerade diese vermeintlichen Erinnerungslücken passten jedoch nicht zu der Behauptung des Zeugen, er habe seinerzeit in Schockstarre auf dem Bett gelegen und sei nicht fähig gewesen, sich irgendwie zu regen, geschweige denn sich zu wehren. Wenn die vermeintlichen Vorgänge für den Zeugen H. ein derart einschneidendes, gravierendes und psychisch belastendes Ereignis gewesen wären, müsste er sich auch in Einzelheiten deutlich daran erinnern. Den tatsächlichen Ablauf der Vorgänge habe der Zeuge sehr widersprüchlich geschildert.
23 Angesichts der Widersprüchlichkeiten in seinem Aussageverhalten und seinem Auftreten vor dem Truppendienstgericht, den vermeintlichen Erinnerungslücken und der Schilderung der Persönlichkeit des Zeugen durch den Leumundszeugen könne der Aussage des Zeugen H. nicht geglaubt und sie nicht zur Grundlage seiner Verurteilung gemacht werden. Der Soldat habe den Vorgang von vorneherein eingeräumt, doch liege hierin nicht das Geständnis eines Dienstvergehens. Auch in der Entschuldigung gegenüber dem Zeugen H. und in der Aussage des Soldaten, dass er erforderlichenfalls „für seine Taten einstehen werde“, liege nicht das Eingeständnis eines Dienstvergehens. Der Soldat habe auch von vorneherein gesagt, er habe sofort aufgehört, als er gemerkt habe, dass der Zeuge H. sein Verhalten nicht mehr gewollt habe. In dieser Situation sei es eine menschlich nachvollziehbare und moralisch gebotene Reaktion, sich bei seinem Gegner zu entschuldigen, da man möglicherweise eine Grenze überschritten habe, die jedoch keinesfalls gleichbedeutend sei mit einer strafrechtlichen oder disziplinarrechtlichen Grenze. Natürlich sei dem Soldaten im Nachhinein klar gewesen, dass es dem Zeugen H. - ab einem bestimmten Zeitpunkt - nicht mehr gefallen habe, also habe er sich entschuldigt. Im Übrigen sei der Sachverhalt unstreitig, was den Vorgang vom 27./28. März 2004 angehe. Im Hinblick auf den Anschuldigungspunkt 2 bleibe er, der Verteidiger, bei der Feststellung, dass dieser Anschuldigungspunkt niemals hätte angeschuldigt werden dürfen, da es sich um einfaches Verteidigervorbringen gehandelt habe, welches im Rahmen eines disziplinargerichtlichen Verfahrens erlaubt sein müsse. Der Anschuldigungspunkt 2 sei völlig zu Unrecht zur Hauptverhandlung zugelassen worden. Es handele sich von der Wortwahl her letztlich auch um die Worte des Verteidigers und nicht um diejenigen des Soldaten selbst. Dieser habe dem Verteidiger den Sachverhalt geschildert, den er, der Verteidiger, so, wie dargelegt, aufgefasst habe. Die Freiheit des Verteidigungsvorbringens habe gerade in einem Fall mit äußerst schwieriger und eingeschränkter Beweismöglichkeit aus Verteidigersicht oberste Priorität und dürfe nicht durch Befindlichkeiten einzelner Dritter eingeschränkt werden. Der Soldat sei daher aufgrund unzutreffender Erwägungen zu Anschuldigungspunkt 2 angeschuldigt und infolge fehlerhafter Beweiswürdigung verurteilt worden.
III
24 1. Die Berufung ist zulässig. Sie ist statthaft, ihre Förmlichkeiten sind gewahrt (§ 115 Abs. 1 Satz 1, § 116 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 WDO).
25 2. Der Soldat ist zwar vor Ergehen der Einleitungsverfügung nicht gehört worden (§ 93 Abs. 1 Satz 2 WDO), was sowohl der Vertreter des Bundeswehrdisziplinaranwalts als auch der Soldat und sein Verteidiger in der Berufungshauptverhandlung bestätigt haben. Gleichwohl ist von einer wirksamen Einleitungsverfügung und einem zulässigen gerichtlichen Disziplinarverfahren auszugehen. Denn der Sache nach liegt hier, was auch übereinstimmend von den Verfahrensbeteiligten in der Berufungshauptverhandlung vorgetragen wurde, ein Verzicht des Soldaten auf die nachträgliche Wahrnehmung seines ihm nach § 93 Abs. 1 Satz 2 WDO zustehenden Rechts auf Anhörung durch die Einleitungsbehörde vor (vgl. Urteil vom 16. März 2004 - BVerwG 2 WD 3.04 - BVerwGE 120, 193 = Buchholz 235.01 § 93 WDO 2002 Nr. 1 = NZWehrr 2004, 213; Beschluss vom 22. Juli 2004 - BVerwG 2 WDB 4.03 - Buchholz 235.01 § 93 WDO 2002 Nr. 3 = NZWehrr 2005, 35). Dies ergibt sich aus Folgendem:
26 Mit Schreiben vom 28. Oktober 2004 hatte der Verteidiger des Soldaten dem Wehrdisziplinaranwalt mitgeteilt, er nehme Bezug auf dessen Schreiben vom 20. Oktober 2004, in dem ausdrücklich auf die Einleitungsverfügung (vom 14. Mai 2004) Bezug genommen worden war, und führte wörtlich aus: „Es bleibt bei der bisherigen Einlassung. Weiteres wird erforderlichenfalls vor dem Truppendienstgericht ausgesagt.“ Damit wurde - wie auch der Verteidiger in der Berufungshauptverhandlung bestätigt hat - zum Ausdruck gebracht, dass der Soldat seine Äußerungsmöglichkeiten gegenüber der Einleitungsbehörde als ausreichend und hinreichend genutzt ansah und dass er gegenüber der Einleitungsbehörde keine weiteren Erklärungen abzugeben beabsichtige. Auch eine (nachträgliche) Anhörung zur Einleitungsverfügung wurde nicht mehr gewünscht, zumal er weitere Verfahrensverzögerungen vermieden sehen wollte. Der Einleitungsbehörde wurden die genannten Schriftsätze des Verteidigers vor ihrer Entscheidung nach § 99 Abs. 1 Satz 1 WDO zur Kenntnis gebracht. Die Einleitungsbehörde entschied dann mit Datum vom 21. Dezember 2004 - dokumentiert auf dem Entwurf der Anschuldigungsschrift -, dass keine Einstellung des gerichtlichen Disziplinarverfahrens erfolgt (§ 99 Abs. 1 Satz 1 WDO). Die Einleitungsbehörde traf diese Entscheidung in Kenntnis der vorausgegangenen Akteneinsicht des Verteidigers und insbesondere seiner Schriftsätze vom 16. September 2004, 18. Oktober 2004 und 28. Oktober 2004. Sie hatte die Möglichkeit unter Berücksichtigung des gesamten Vorbringens des Soldaten ihre eigenständige fehlerfreie Ermessensentscheidung zu treffen.
27 3. Da das Rechtsmittel des Soldaten ausdrücklich und nach dem wesentlichen Inhalt seiner Begründung in vollem Umfang eingelegt worden ist, hat der Senat im Rahmen der Anschuldigung (§ 123 Satz 3 i.V.m. § 107 Abs. 1 WDO) eigene Tat- und Schuldfeststellungen zu treffen, diese rechtlich zu würdigen und die sich daraus ergebenden Folgerungen zu ziehen sowie unter Beachtung des Verschlechterungsverbots (§ 91 Abs. 1 Satz 1 WDO i.V.m. § 331 Abs. 1 StPO) über die angemessene Disziplinarmaßnahme zu befinden.
28 4. Die Berufung des Soldaten ist teilweise begründet.
29 a) Aufgrund der Einlassung des Soldaten, soweit ihr gefolgt werden kann, der gemäß § 91 Abs. 1 Satz 1 WDO i.V.m. § 249 Abs. 1 Satz 1 StPO zum Gegenstand der Berufungshauptverhandlung gemachten Urkunden und Schriftstücke sowie der Aussagen der in der Berufungshauptverhandlung vernommenen Zeugen Oberfeldwebel M., Stabsgefreiter der Reserve K., Stabsgefreiter der Reserve H., Major B., Major H. und Oberstleutnant i.G. B. hat der Senat folgenden Sachverhalt festgestellt:
30
Zu Anschuldigungspunkt 1:
Zum Tatzeitpunkt waren aus der Einheit des Soldaten über 30 Kameraden zur Bewachung der US-amerikanischen Kaserne „P...“ in H. kommandiert. Am Abend des 27. März 2004 besuchten der Soldat und der Zeuge H. ein Chinarestaurant. Nach Beendigung des Restaurantbesuches fuhr man in die Kaserne zurück, woraufhin der Soldat den Zeugen auf sein Zimmer einlud, um mit ihm noch etwas zu trinken. Ca. eine halbe Stunde nach Rückkehr in die Kaserne erschien der Zeuge H. auf dem Zimmer des Soldaten. Sie unterhielten sich und tranken dabei Wodka (ca. eine halbe Flasche) sowie u.a. einige Biere. Sie unterhielten sich über die gute dienstliche Beurteilung des Soldaten. Nachdem der Soldat und der Zeuge ihren Wodka ausgetrunken hatten, begannen sie - wie auch schon bei früheren Gelegenheiten - gemeinsam „herumzualbern“ und zu rangeln, worauf ihnen warm wurde und sie sich je ihr Hemd auszogen.
31 Während der Rangelei gelangten beide auf das Bett des Soldaten. Dort kam es zu körperlichen Berührungen. Der Soldat fing an, die Brustwarzen des Zeugen zu lecken. Danach zog er dem Zeugen die Hose bis zur Mitte des Gesäßes herunter und nahm dessen Glied in den Mund. Als der Zeuge sich ruckartig bewegte, bemerkte der Soldat, dass der Zeuge ihm zu verstehen gab, dass er das nicht wolle, woraufhin der Soldat sofort mit seinen Handlungen aufhörte. Nach diesem Vorfall zogen sie sich an, wechselten ein paar Worte, und der Soldat entschuldigte sich bei dem Zeugen mit den Worten: „Entschuldige, dass ich das getan habe.“ Anschließend legte sich der Soldat schlafen und der Zeuge H. ging auf seine Stube.
32 Von dort rief der Zeuge H. seine Freundin sowie einen Freund an und erzählte ihnen davon, was vorgefallen war. Danach ging der Zeuge zum Zimmer des Oberfeldwebels M., um ihm ebenfalls von dem Vorfall zu berichten. Etwa gegen 1.00 Uhr des 28. März 2004 weckte er den Zeugen Oberfeldwebel M.. Dieser forderte den Zeugen H. unter Hinweis auf die Uhrzeit auf, wieder zu gehen und ihn in Ruhe weiterschlafen zu lassen. Kurze Zeit später betrat der Zeuge H. erneut die Stube des Zeugen M.. Er war dabei „völlig aufgelöst“ und schluchzte. Auf die Frage, was passiert sei, erzählte er dem Zeugen M., dass der Soldat ihn „an den Eiern“ geleckt habe. Danach gingen beide in die Stube des Soldaten und konfrontierten ihn mit dem Sachverhalt. Trotz wiederholter Aufforderung zu erklären, ob er schwul sei und warum er „es“ getan habe, antwortete der Soldat nicht. Nach ca. zehn bis 15 Minuten sagte der Zeuge M., dass er jetzt gehen werde; darauf bat der Soldat, dass der Zeuge H. noch bleiben solle. Der Zeuge M. verließ die Stube, blieb aber hinter der Tür stehen, um zu hören und - falls erforderlich - eingreifen zu können. Einzelheiten über das Gespräch konnte der Zeuge M. nicht aufnehmen. Kurze Zeit später kam der Zeuge H. aus der Stube. Er bat den Zeugen M. ausdrücklich, den Vorgang auf keinen Fall weiterzumelden, weil ihn dies psychisch „kaputt“ machen werde und weil er sich schäme.
33 Am nächsten Morgen kam der Soldat auf die Stube des Zeugen H. und wollte mit ihm über den Vorfall sprechen, der dies jedoch ablehnte. Danach entschuldigte sich der Soldat bei dem Zeugen noch einmal für sein Verhalten und erklärte, wenn dieser die Sache melden wolle, solle er es tun, er, der Soldat stehe zu seiner Tat. Am Abend desselben Tages schickte der Soldat dem Zeugen H. eine SMS mit dem sinngemäßen Inhalt, dass es ihm leid tue, was geschehen sei.
34 Kurze Zeit später hatte der Zeuge K. Wachdienst. Der Zeuge H., der ein sehr gutes Verhältnis zu dem Zeugen K. hatte, brachte ihm das Frühstück und fragte ihn, ob er ihn sprechen könnte, worauf beide auf die Stube des Zeugen K. gingen und der Zeuge H. dort in Tränen ausbrach. Er erzählte von den Vorfällen in der Nacht vom 27. auf den 28. März 2004; dabei machte er einen völlig niedergeschlagenen und verstörten Eindruck auf den Zeugen K., den er zwar nicht privat, aber dienstlich aus der Zeit in der Bundeswehr kannte. Der Zeuge K. verbrachte Anfang 2004 ebenfalls einen ähnlichen Abend mit dem Soldaten. Damals unterhielt man sich und trank Alkohol. Ein paar Stunden später begannen beide herumzualbern und sich gegenseitig zu „kabbeln“ und zu raufen. Dabei drückte der Soldat eine Zigarettenkippe auf den Bauch des Zeugen K., wovon eine Narbe zurückgeblieben ist. Als beide mit freiem Oberkörper herumsaßen, fragte der Soldat den Zeugen, ob er ihm den Rücken massieren könne. Der Zeuge verneinte dieses und verließ dann die Stube des Soldaten. Mit dem Soldaten spricht er heute nur das Nötigste; dieser hat auch nie wieder versucht, ihn zu belästigen.
35 Als die Angehörigen der Einheit nach Durchführung des Bewachungsauftrages wieder in ihrer Kaserne in H. zurück waren, gingen sich der Soldat und der Zeuge H. aus dem Weg und sprachen nur noch - soweit unabdingbar notwendig - Dienstliches miteinander. Vermittelt über den Sozialberater K. kam es bei diesem zu einem Gespräch zwischen dem Soldaten und dem Zeugen H., wobei der Zeuge dem Soldaten zu einer Versetzung riet. Daraufhin riet der Soldat dem Zeugen, die Sache zu melden; dafür wäre er ihm nicht böse und käme so „aus der Sache sauber raus“. Der Zeuge H. meldete schließlich den Vorfall dem Zugführer Leutnant R..
36 Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht - was auch zwischen dem Soldaten und dem Zeugen H. unstreitig ist - fest, dass der Soldat sich vor Beginn seiner sexuellen Handlungen gegenüber dem Zeugen H. nicht vergewisserte, dass dieser damit einverstanden war.
37
Zu Anschuldigungspunkt 2:
Insoweit fehlt es an einer wirksamen Anschuldigung, weil der Tatvorwurf nicht hinreichend bestimmt ist (vgl. zu den Anforderungen an die Bestimmtheit: Urteil vom 21. Juni 2005 - BVerwG 2 WD 12.04 - Buchholz 236.1 § 11 SG Nr. 1 = EuGRZ 2005, 636 <641> m.w.N.). Die in diesem Zusammenhang getroffene Feststellung der Wehrdisziplinaranwaltschaft im Ermittlungsergebnis der Anschuldigungsschrift, der Soldat habe den Zeugen H. „wider besseres Wissen einer Falschaussage bezichtigt“, wird nicht in einer der Nachprüfung zugänglichen Weise näher konkretisiert, sondern lediglich behauptet. Beweismittel für die Behauptung werden nicht angeführt. Es ist nicht ersichtlich und damit auch nicht nachprüfbar, wann und unter welchen überprüfbaren Umständen sich die Tathandlung ereignet haben soll. Dieser Sachlage hat der Bundeswehrdisziplinaranwalt in der Berufungshauptverhandlung zu Recht dadurch Rechnung getragen, dass er erklärt hat, der Tatvorwurf zum Anschuldigungspunkt 2 werde nicht mehr aufrechterhalten. Der Soldat war somit von dem Tatvorwurf in Anschuldigungspunkt 2 freizustellen.
38
b) Das Verhalten des Soldaten in Anschuldigungspunkt 1 ist disziplinarrechtlich wie folgt zu würdigen:
Mit seinen sexuellen Handlungen griff der Soldat in schwerwiegender Weise in die Intimsphäre des Zeugen H. unrechtmäßig ein, weil er sich nicht zuvor hinreichend vergewissert hatte, dass dieser mit seinem Vorgehen einverstanden war. Der Soldat, der aufgrund seines Dienstgrades Vorgesetzter gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 2 VorgV war, verstieß damit gegen § 10 Abs. 3, § 12 Satz 2 und § 17 Abs. 2 Satz 1 SG. Denn er missachtete entgegen § 12 Satz 2 SG das Recht des Zeugen H. auf körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG) und dessen Persönlichkeitsrecht nach Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Art. 2 Abs. 1 GG. Das Grundrecht des allgemeinen Persönlichkeitsrechts schützt gerade die Intimsphäre und die engere persönliche Lebenssphäre (BVerfG, Beschlüsse vom 3. Juni 1980 - 1 BvR 185/77 - BVerfGE 54, 148 <153> und vom 13. Mai 1986 - 1 BvR 1542/84 - BVerfGE 72, 155 <170>). Der Soldat verletzte damit ferner seine Fürsorgepflicht als Vorgesetzter (§ 10 Abs. 3 SG), die ihn verpflichtet, Untergebene nach Recht und Gesetz zu behandeln und ihnen auch keine unzumutbaren Nachteile, wozu auch solche immaterieller Art zählen, zuzufügen. Sein Verhalten führte dazu, dass sich der Zeuge durch das rechtswidrige Verhalten des Soldaten sexuell belästigt und „nervlich am Ende“ fühlte.
39 Darüber hinaus liegt auch ein Verstoß gegen § 17 Abs. 2 Satz 1 SG vor. Diese Vorschrift findet im Falle der gleichzeitigen Verletzung anderer Dienstpflichten zwar nur dann Anwendung, wenn das Verhalten nicht nur der anderen Pflichtverletzungen wegen ansehensschädigend wirkt. Dem festgestellten Verhalten muss vielmehr unabhängig von diesem anderweitigen Pflichtenverstoß bereits die Eignung zur Ansehens- oder Vertrauensschädigung innewohnen (vgl. Urteile vom 29. Februar 1972 - BVerwG 2 WD 103.70 - NZWehrr 1972, 152 und vom 16. März 2004 - BVerwG 2 WD 3.04 a.a.O.; Scherer/Alff, SG, 6. Aufl. 1998 und 7. Aufl. 2003, jeweils § 17 Rn. 14). Die Vorschrift stellt allein auf die Eignung ab (stRspr, vgl. u.a. Beschluss vom 12. Oktober 1993 - BVerwG 2 WDB 15.92 - BVerwGE 103, 12 = NZWehrr 1994, 27 m.w.N.). Achtungs- und Vertrauenswürdigkeit eines Soldaten können durch sein Verhalten schon dann Schaden nehmen, wenn dieses Zweifel an seiner Redlichkeit und Zuverlässigkeit weckt oder seine Eignung für die jeweilige Verwendung in Frage stellt (Urteil vom 2. April 1974 - BVerwG 2 WD 5.74 - NZWehrr 1975, 69 <71 f.>). Letzteres ist hier der Fall, weil das rechtswidrige sexuelle Verhalten des Soldaten bereits seiner Art nach nicht der Achtung und dem Vertrauen gerecht wurde, die sein Dienst als Soldat erfordert. Denn er missachtete die - zudem grundrechtlich und strafrechtlich geschützte - körperliche und persönliche Integrität eines anderen, ohne hierzu berechtigt zu sein.
40 Der Soldat handelte schuldhaft. Ein vorsätzliches Handeln ließ sich jedoch nicht mit der erforderlichen Sicherheit nachweisen. Der Soldat wollte zwar den Zeugen H. an den Brustwarzen lecken und dessen entblößtes Glied in den Mund nehmen. Dem Soldaten ist jedoch ein Tatbestandsirrtum zuzubilligen, der wie ein den Vorsatz ausschließender Irrtum über Tatumstände nach § 16 Abs. 1 Satz 1 StGB zu bewerten ist (vgl. u.a. Urteil vom 21. Dezember 2006 - BVerwG 2 WD 19.05 -; BGH, Urteil vom 10. Februar 2000 - 4 StR 558/99 - BGHSt 45, 378 <384>). Im vorliegenden Fall nahm der Soldat an, dass der Zeuge H. in die sexuellen Handlungen eingewilligt habe. Der Soldat hätte in diesem Falle mit Zustimmung des Betroffenen, mithin dann gerechtfertigt gehandelt und insoweit kein Dienstvergehen begangen. Entsprechend § 16 Abs. 1 Satz 2 StGB ist in einem solchen Fall Fahrlässigkeit anzunehmen, weil der Irrtum des Soldaten auf einer Außerachtlassung der gebotenen und ihm zumutbaren Sorgfalt beruhte. Er hätte vor einem solchen schwerwiegenden Eingriff in die grundrechtlich geschützte Rechtssphäre eines Untergebenen (körperliche Unversehrtheit, Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG; Persönlichkeitsrecht, Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Art. 2 Abs. 1 GG) sich zumindest hinreichend vergewissern müssen, ob der Zeuge H. tatsächlich mit den intendierten sexuellen Handlungen einverstanden war, und zwar unabhängig davon, dass die vorausgegangene gemeinsame Rangelei offenbar einen anderen - nicht sexuellen - Charakter aufwies. Zudem hätte der Soldat aufgrund seiner Rechtskenntnisse, die er in der Ausbildung zum Unteroffizier und Feldwebel erhalten hatte, wissen können bzw. müssen, dass ein Soldat grundsätzlich nur angefasst werden darf, wenn dieser damit einverstanden ist.
41 Der Soldat hat somit insgesamt ein Dienstvergehen gemäß § 23 Abs. 1 SG begangen.
42 c) Nach § 58 Abs. 7 i.V.m. § 38 Abs. 1 WDO sind bei Art und Maß der Disziplinarmaßnahme Eigenart und Schwere des Dienstvergehens sowie seine Auswirkungen, das Maß der Schuld, die Persönlichkeit, die bisherige Führung und die Beweggründe des Soldaten zu berücksichtigen.
43
aa) Eigenart und Schwere des Dienstvergehens
Die Eigenart und Schwere eines Dienstvergehens bestimmen sich nach dem Unrechtsgehalt der Verfehlung, mithin also nach der Bedeutung der verletzten Pflichten.
44 Danach hat das Dienstvergehen ganz erhebliches Gewicht.
45 Der Verstoß eines Vorgesetzten gegen seine Fürsorgepflicht wiegt nicht leicht. Die Fürsorgepflicht (§ 10 Abs. 3 SG) gehört nach der ständigen Rechtsprechung des Senats zu den vornehmlichsten Pflichten eines Vorgesetzten gegenüber seinen Untergebenen, die das - berechtigte - Gefühl haben müssen, dass sie von diesem nicht nur als Befehlsempfänger betrachtet werden, sondern dass dieser von den ihm eingeräumten Befehls- und sonstigen Befugnissen nur unter angemessener Berücksichtigung ihrer persönlichen Belange Gebrauch macht, dass er sich bei allen Handlungen und Maßnahmen von Wohlwollen gegenüber dem jeweiligen Untergebenen leiten lässt und dass er stets bemüht ist, ihn vor Schäden und unzumutbaren Nachteilen zu bewahren (stRspr, vgl. u.a. Urteil vom 24. November 2005 - BVerwG 2 WD 32.04 - NZWehrr 2006, 127 m.w.N.). Insbesondere muss er die körperliche Integrität sowie die Rechte und Würde des Untergebenen strikt achten. Diese Verpflichtung hat im militärischen Bereich besondere Bedeutung. Denn im militärischen Über- und Unterordnungsverhältnis sind Untergebene besonders schutzbedürftig.
46 Die Kameradschaftspflicht in den Streitkräften ist nicht minder bedeutsam. Denn der Zusammenhalt der Bundeswehr beruht gemäß § 12 Satz 1 SG wesentlich auf Kameradschaft. Die Erfüllung der dienstlichen Aufgaben erfordert im Frieden und in noch höherem Maße im Einsatzfalle gegenseitiges Vertrauen sowie das Bewusstsein, sich jederzeit aufeinander verlassen zu können. Ein Vorgesetzter, der die Rechte seines Kameraden verletzt, untergräbt den dienstlichen Zusammenhalt, stört den Dienstbetrieb und kann damit letztlich auch die Einsatzbereitschaft der Truppe beeinträchtigen (vgl. Urteile vom 16. März 2004 a.a.O. m.w.N. und vom 24. November 2005 a.a.O.).
47 Auch die in § 17 Abs. 2 Satz 1 SG normierte Pflicht, dem Vertrauen und der Achtung gerecht zu werden, die sein Dienst als Soldat erfordert, stellt keine bloße Nebenpflicht dar, sondern hat wegen ihres funktionalen Bezugs zum militärischen Dienstbetrieb erhebliche Bedeutung (stRspr, vgl. u.a. Urteil vom 18. September 2003 - BVerwG 2 WD 3.03 - BVerwGE 119, 76 = Buchholz 235.01 § 38 WDO 2002 Nr. 11 = NZWehrr 2005, 122 <insoweit nicht veröffentlicht>).
48 Die Eigenart der Verfehlungen des Soldaten ist hier dadurch gekennzeichnet, dass der Soldat in die Intimsphäre und die Rechte eines untergebenen Kameraden eingriff. Dies darf einem Soldaten, zumal in Vorgesetztenstellung, keinesfalls passieren. Denn Eingriffe in die körperliche Integrität und die persönliche Würde eines Untergebenen und Kameraden können und dürfen schon im Hinblick auf § 6 SG sowie die in der Verfassung gewährleisteten Grundrechte der körperlichen Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG) und des Persönlichkeitsrechts (Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Art. 2 Abs. 1 GG) sowie die daraus resultierenden staatlichen Schutzverpflichtungen keinesfalls geduldet werden. Pflichtverletzungen der vorliegenden Art sind zudem einem ordnungsgemäßen militärischen Dienstablauf abträglich. Selbst dann, wenn ein derartiges Fehlverhalten keine Straftat nach § 31 WStG darstellt, erfordert es jedoch eine nachdrückliche Pflichtenmahnung. Ein Soldat, und zwar insbesondere ein Vorgesetzter, bedarf der Achtung seiner Kameraden und Untergebenen sowie des Vertrauens seiner militärischen Vorgesetzten, um seine Aufgabe so zu erfüllen, dass der geordnete Ablauf des militärischen Dienstes gewährleistet ist. Die Stellung des Soldaten als Portepeeunteroffizier im Dienstrang eines Oberfeldwebels hätte erfordert, dass er als Vorgesetzter in Haltung und Pflichterfüllung ein Beispiel gibt (§ 10 Abs. 1 SG). Denn nur wer selbst ein beispielhaftes Verhalten zeigt, kann von seinen Untergebenen erwarten, dass sie sich am Vorbild ihres Vorgesetzten orientieren und ihre Pflichten nach besten Kräften und aus innerer Überzeugung erfüllen. Unter diesem Blickwinkel war sein Fehlverhalten geeignet, seine Zuverlässigkeit und sein persönliches Ansehen gravierend in Frage zu stellen und den Dienstbetrieb zu stören.
49 Andererseits hat der Soldat kein kriminelles Unrecht begangen. Das strafrechtliche Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der sexuellen Nötigung und Beleidigung wurde mangels hinreichenden Tatverdachts gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt. Ferner hat der Soldat dem Zeugen H. weder körperliche Gewalt angetan oder angedroht noch aufgrund seines Dienstgrades den Zeugen zu einem Verhalten gezwungen. Auch hat der Soldat die sexuellen Berührungen sofort beendet, als er merkte, dass der Zeuge H. nicht einverstanden war.
50
bb) Maß der Schuld
Der Soldat handelte lediglich fahrlässig. Ein vorsätzliches Verhalten hat sich nicht mit der erforderlichen Sicherheit feststellen lassen.
51 Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass der Soldat zum Zeitpunkt des Dienstvergehens in seiner Schuldfähigkeit im Sinne des § 21 StGB eingeschränkt oder gar im Sinne des § 20 StGB schuldunfähig war, sind nicht ersichtlich.
52 Milderungsgründe in den Umständen der Tat, die die Schuld des Soldaten mindern würden, liegen nicht vor. Sie sind nach der ständigen Rechtsprechung des Senats (vgl. u.a. Urteile vom 6. Mai 2003 - BVerwG 2 WD 29.02 - BVerwGE 118, 161 = Buchholz 235.01 § 107 WDO 2002 Nr. 1 = NZWehrr 2004, 31 <insoweit nicht veröffentlicht> m.w.N., vom 1. Juli 2003 - BVerwG 2 WD 51.02 - und vom 16. Dezember 2004 - BVerwG 2 WD 15.04 -) nur dann gegeben, wenn die Situation, in der der Soldat versagt hat, von so außergewöhnlichen Besonderheiten gekennzeichnet war, dass ein an normalen Maßstäben orientiertes Verhalten nicht mehr erwartet und daher auch nicht vorausgesetzt werden konnte. Als solche Besonderheiten sind beispielsweise ein Handeln in einer ausweglos erscheinenden, unverschuldeten wirtschaftlichen Notlage, die auf andere Weise nicht zu beheben war, ein Handeln unter schockartig ausgelöstem psychischem Zwang oder unter Umständen anerkannt worden, die es als unbedachte, im Grunde persönlichkeitsfremde Augenblickstat eines ansonsten tadelfreien und im Dienst bewährten Soldaten erscheinen lassen, sowie ein Handeln in einer körperlichen oder seelischen Ausnahmesituation (stRspr, vgl. u.a. Urteile vom 16. Oktober 2002 - BVerwG 2 WD 23.01 , 32.02 - BVerwGE 117, 117 <123> = Buchholz 236.1 § 13 SG Nr. 9, vom 13. März 2003 - BVerwG 1 WD 4.03 - Buchholz 235.01 § 38 WDO 2002 Nr. 2 sowie vom 16. Dezember 2004 - BVerwG 2 WD 15.04 -). Mangels Vorliegens von „außergewöhnlichen Besonderheiten“, die nach der Rechtsprechung des Senats stets Voraussetzung für die Anwendung eines Tatmilderungsgrundes sind, bedarf es keines Eingehens auf einen der Tatmilderungsgründe.
53
cc) Auswirkungen
Das Dienstvergehen hatte für die Personalplanung und -führung nachteilige Auswirkungen. Denn der Soldat musste aus seiner Tätigkeit herausgelöst und zur Dienstleistung zur Stabskompanie P...b... fortlaufend kommandiert werden. Diese dienstliche Folge seines Tuns muss er sich erschwerend zurechnen lassen (stRspr, vgl. Urteile vom 2. April 2003 - BVerwG 2 WD 21.02 - Buchholz 236.1 § 29 SG Nr. 5 <insoweit nicht veröffentlicht> und vom 22. März 2006 - BVerwG 2 WD 7.05 - Buchholz 450.2 § 107 WDO 2002 Nr. 2). Auch ist der Vorfall bei Kameraden seiner Einheit und damit im dienstlichen Bereich bekannt geworden.
54
dd) Beweggründe
Die Beweggründe für das Fehlverhalten lagen offenbar im Interesse des Soldaten, näheren - intimen - Kontakt zu dem betroffenen Zeugen H. zu knüpfen.
55
ee) Bisherige Führung, Persönlichkeit
Im Hinblick auf die Persönlichkeit und die bisherige Führung des Soldaten sind seine guten dienstlichen Leistungen hervorzuheben, die insbesondere in seiner letzten planmäßigen Beurteilung und auch in der Sonderbeurteilung vom 8. Mai 2006 zum Ausdruck kommen. Nach Begehung seiner Verfehlungen hat der Soldat in seinen Leistungen nicht nachgelassen. Der Leumundszeuge Major B. hat ausgesagt, der Soldat gehöre zur Spitzengruppe der Feldwebel; er sei ein agiler Stabsarbeiter und könne fachliche Dinge gut umsetzen. Bei seinen Kameraden habe der Soldat hohes Ansehen genossen, weshalb er auch zur Vertrauensperson gewählt worden sei. Die Leumundszeugen Major H. und Oberstleutnant i.G. B. beschrieben den Soldaten als überaus kompetent, engagiert sowie als verlässlich und als Soldaten mit klaren Vorstellungen, hoher Einsatzbereitschaft und Durchsetzungsvermögen. Zu Gunsten des Soldaten spricht darüber hinaus die jeweils zweifache Verleihung des Abzeichens für Leistungen im Truppendienst in Gold und der Schützenschnur in Gold sowie die Gewährung von drei Leistungsprämien, wobei zwei Leistungsprämien nach Begehung seiner Verfehlung gewährt wurden. Zudem ist er weder disziplinar noch strafrechtlich vorbelastet. Demgegenüber ist kritisch zu bemerken, dass er bis heute keine uneingeschränkte Einsicht in sein Fehlverhalten zeigt. Vor dem Senat hat er sich dahin eingelassen, in seiner Entschuldigung gegenüber dem Zeugen H. liege nicht das „Eingeständnis eines Dienstvergehens“.
56 ff) Bei der gebotenen Gesamtwürdigung des Fehlverhaltens des Soldaten ist vor allem die Schwere des Dienstvergehens zu gewichten.
57 Der Senat hat wiederholt entschieden, dass bei einer - vorsätzlichen - sexuellen Belästigung eine „reinigende Maßnahme“ Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen ist (z.B. Urteile vom 12. November 1998 - BVerwG 2 WD 12.98 - BVerwGE 113, 290 = Buchholz 236.1 § 17 SG Nr. 23 = NZWehrr 1999, 166, vom 15. Februar 2000 - BVerwG 2 WD 30.99 - Buchholz 236.1 § 10 SG Nr. 42 = NZWehrr 2001, 30, vom 24. Januar 2002 - BVerwG 2 WD 33.01 - und vom 16. Mai 2006 - BVerwG 2 WD 3.05 - NZWehrr 2006, 252 <insoweit nicht veröffentlicht>).
58 Da sich ein vorsätzliches Verhalten des Soldaten nicht mit der erforderlichen Sicherheit hat feststellen lassen und das Dienstvergehen im Vergleich zu einer vorsätzlichen sexuellen Belästigung von geringerem Gewicht ist, hat der Senat von einer Dienstgradherabsetzung abgesehen. Unter Beachtung der spezifischen Aufgaben des Wehrdisziplinarrechts - Wiederherstellung und Aufrechterhaltung eines ordnungsgemäßen Dienstbetriebs - sowie insbesondere unter Berücksichtigung generalpräventiver Zwecke hielt der Senat jedoch neben der Verhängung eines Beförderungsverbots im mittleren Bereich (§ 60 Abs. 2 WDO) eine zusätzliche Pflichtenmahnung in Form einer Kürzung der Dienstbezüge (§ 59 WDO) für geboten.
59 5. Die Kosten des ersten Rechtszuges hat der Soldat zu tragen, weil er verurteilt worden ist (§ 138 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 WDO). Es besteht kein Anlass, ihn aus Billigkeitsgründen davon zu entlasten (§ 138 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 WDO). Da die Berufung des Soldaten jedoch teilweise Erfolg hat, sind die Kosten des Berufungsverfahrens zu drei Viertel ihm und zu einem Viertel dem Bund aufzuerlegen (§ 139 Abs. 3 WDO), der gemäß § 140 Abs. 5 i.V.m. § 139 Abs. 3 WDO auch ein Viertel der dem Soldaten darin erwachsenen notwendigen Auslagen zu tragen hat.