Beschluss vom 01.12.2022 -
BVerwG 1 W-VR 26.22ECLI:DE:BVerwG:2022:011222B1WVR26.22.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 01.12.2022 - 1 W-VR 26.22 - [ECLI:DE:BVerwG:2022:011222B1WVR26.22.0]

Beschluss

BVerwG 1 W-VR 26.22

In dem Wehrbeschwerdeverfahren hat der 1. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts durch
den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Häußler,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Burmeister und
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Eppelt
am 1. Dezember 2022 beschlossen:

  1. Der Rechtsweg zu den Wehrdienstgerichten ist unzulässig.
  2. Der Rechtsstreit wird an das Verwaltungsgericht Aachen verwiesen.
  3. Die Kostenentscheidung bleibt der Schlussentscheidung des Verwaltungsgerichts vorbehalten.

Gründe

I

1 Der Antragsteller begehrt, das Bundesministerium der Verteidigung im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ein gegen ihn bestehendes Förderungsverbot vorläufig aufzuheben und erneut über seine Beförderung ohne Berücksichtigung eines gerichtlichen Disziplinarverfahrens und eines Strafurteils zu beraten.

2 Der ... geborene Antragsteller ist Berufssoldat. Er ist - nach eigenen Angaben rechtskräftig - wegen Missbrauchs der Dienststellung als Offizier mit höherem Dienstgrad zu unzulässigen Zwecken in Tateinheit mit dem Anmaßen von Befehlsbefugnissen zu einer Geldstrafe verurteilt worden. Wegen des dem Strafurteil zugrunde liegenden Sachverhaltes ist nach Angaben des Antragstellers beim Truppendienstgericht Süd ein gerichtliches Disziplinarverfahren (Az. S 6 VL 34/20) anhängig.

3 Mit Verfügung vom 18. November 2022 sind die Beteiligten darauf hingewiesen worden, dass eine Verweisung an das Verwaltungsgericht Aachen in Betracht kommt. Das Bundesministerium der Verteidigung hat der von ihm bereits zuvor beantragten Verweisung zugestimmt, während der Antragsteller ihr entgegentritt.

4 Wegen der Einzelheiten des Sachverhaltes wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen.

II

5 Für das Rechtsschutzbegehren des Antragstellers ist der Rechtsweg nicht zu den Wehrdienstgerichten, sondern zu den allgemeinen Verwaltungsgerichten eröffnet. Die Sache ist deshalb gemäß § 21 Abs. 2 Satz 1 i. V. m. § 18 Abs. 3 Satz 1 WBO an das zuständige Verwaltungsgericht Aachen zu verweisen. Über die Verweisung entscheidet der Senat in der Besetzung ohne ehrenamtliche Richter (vgl. BVerwG, Beschluss vom 17. März 2009 - 1 WB 77.08 - Buchholz 449 § 82 SG Nr. 4 Rn. 26 m. w. N.).

6 1. Gemäß § 82 Abs. 1 SG ist für Klagen der Soldaten aus dem Wehrdienstverhältnis der Verwaltungsrechtsweg gegeben, soweit nicht ein anderer Rechtsweg gesetzlich vorgeschrieben ist. Der Rechtsweg zu den Wehrdienstgerichten ist gemäß § 17 Abs. 1 Satz 1 WBO (hier i. V. m. § 21 Abs. 2 Satz 1 WBO) für die Fälle vorgesehen, in denen Gegenstand der Beschwerde des Soldaten eine Verletzung seiner Rechte oder eine Verletzung von Pflichten eines Vorgesetzten ihm gegenüber ist, die im Zweiten Unterabschnitt des Ersten Abschnitts des Soldatengesetzes mit Ausnahme der §§ 24, 25, 30 und 31 geregelt sind.

7 Statusrechtliche Angelegenheiten, insbesondere Ernennungen wie die hier gegenständliche (künftige) Beförderung des Antragstellers (§ 42 SG), sind nicht im Zweiten Unterabschnitt des Ersten Abschnitts, sondern im Zweiten Abschnitt des Soldatengesetzes (§§ 37 bis 57 SG) geregelt und gehören deshalb nach ständiger Rechtsprechung des Senats nicht zu den gemäß § 17 Abs. 1 Satz 1 WBO den Wehrdienstgerichten zugewiesenen Angelegenheiten. Für sie verbleibt es gemäß § 82 Abs. 1 SG bei der Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 21. November 2019 - 1 WB 28.18 (1 WB 74.19 ) - juris Rn. 6 m. w. N. und vom 23. Januar 2020 - 1 WB 71.19 , 1 WB 2.20 - juris Rn. 6 ff.)

8 Um eine derartige statusrechtliche Angelegenheit geht es vorliegend, weil der Antragsteller eine erneute Entscheidung über seine Beförderung und die vorbeugende Ausräumung eines Beförderungshindernisses erreichen will. Da der Antragsteller bereits auf einem mit A 13 bis A 14 gebündelt bewerteten Dienstposten verwendet wird, steht hier nicht eine in die Zuständigkeit der Wehrdienstgerichte fallende Verwendung auf einem höherwertigen Dienstposten als notwendige Voraussetzung seiner künftigen Beförderung in Streit. Ob einer Beförderung des Antragstellers das Förderungsverbot nach Nr. 246 der bis zum 9. September 2022 geltenden Zentralen Dienstvorschrift A-1340/49 bzw. Nr. 2036 Satz 2 Spiegelstrich 3 der ab dem 9. September 2022 geltenden Allgemeinen Regelungen A-1340/49 entgegensteht, ist hiernach durch die für die statusrechtlichen Entscheidungen zuständige Verwaltungsgerichtsbarkeit und nicht durch die für Verwendungsentscheidungen zuständige Wehrdienstgerichtsbarkeit inzident zu prüfen. Eine isolierte Vorabprüfung einzelner Beförderungshindernisse sieht die Wehrbeschwerdeordnung nicht vor. Den auf vorbeugenden Rechtsschutz durch Erlass einer einstweiligen Anordnung wegen truppendienstlicher Maßnahmen in der Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts gerichteten Antrag hat der Senat bereits mit Beschluss vom 14. November 2022 abgelehnt (BVerwG 1 W-VR 24.22 ). Ob in statusrechtlichen Angelegenheiten der vom Antragsteller begehrte vorbeugende Rechtsschutz zu gewähren ist, ist durch die Verwaltungsgerichtsbarkeit zu entscheiden.

9 2. Ist für die beantragte einstweilige Anordnung der Rechtsweg zu den Wehrdienstgerichten nicht eröffnet, ist das Verfahren nach Anhörung der Beteiligten (§ 23a Abs. 2 WBO i. V. m. § 17a Abs. 2 Satz 1 GVG) gemäß § 21 Abs. 2 Satz 1 i. V. m. § 18 Abs. 3 Satz 1 WBO an das zuständige Verwaltungsgericht zu verweisen.

10 Nach §§ 45 und 52 Nr. 4 Satz 1 VwGO ist für alle Klagen aus einem gegenwärtigen Wehrdienstverhältnis das Verwaltungsgericht sachlich und örtlich zuständig, in dessen Bezirk der Kläger oder Beklagte seinen dienstlichen Wohnsitz oder in Ermangelung dessen seinen Wohnsitz hat. Dienstlicher Wohnsitz eines Soldaten ist gemäß § 15 Abs. 1 Satz 2 BBesG sein Standort; die Legaldefinition des dienstlichen Wohnsitzes in § 15 BBesG ist auch im Rahmen des § 52 Nr. 4 VwGO maßgeblich (stRspr, vgl. z. B. BVerwG, Beschluss vom 25. Februar 2020 - 1 WB 64.19 , 1 WB 5.20 - juris Rn. 6 m. w. N.). Örtlich zuständig ist damit gemäß § 17 Nr. 1 des Gesetzes über die Justiz im Land Nordrhein-Westfalen vom 26. Januar 2010 (GV. NRW. 2010 S. 30) das Verwaltungsgericht Aachen. Denn der Antragsteller wird aktuell beim ... verwendet und hat daher dort seinen dienstlichen Wohnsitz.