Beschluss vom 02.06.2022 -
BVerwG 5 PB 10.21ECLI:DE:BVerwG:2022:020622B5PB10.21.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 02.06.2022 - 5 PB 10.21 - [ECLI:DE:BVerwG:2022:020622B5PB10.21.0]

Beschluss

BVerwG 5 PB 10.21

  • VG Berlin - 21.08.2020 - AZ: VG 62 K 15.19 PVL
  • OVG Berlin-Brandenburg - 30.06.2021 - AZ: OVG 60 PV 13/20

In der Personalvertretungssache hat der 5. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 2. Juni 2022
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Störmer,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Stengelhofen-Weiß und
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Holtbrügge
beschlossen:

Die Beschwerde des Antragstellers gegen die Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde in dem Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 30. Juni 2021 wird verworfen.

Gründe

1 Die Beschwerde des Antragstellers (Gesamtpersonalrat einer Universität) hat keinen Erfolg. Die Rechtsbeschwerde ist nicht wegen der allein geltend gemachten grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zuzulassen, weil die Beschwerdebegründung den Anforderungen an die Darlegung dieses Zulassungsgrundes (§ 91 Abs. 2 PersVG BE i. V. m. § 92a Satz 2 und § 72a Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 ArbGG) nicht genügt.

2 Grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 91 Abs. 2 PersVG BE i. V. m. § 92 Abs. 1 Satz 2 i. V. m. § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG kommt einer Rechtsfrage nur zu, wenn mit ihr eine für die erstrebte Rechtsbeschwerdeentscheidung erhebliche Frage aufgeworfen wird, die im Interesse der Einheit und Fortbildung des Rechts der Klärung bedarf. Die Rechtsfrage muss zudem klärungsfähig sein, was der Fall ist, wenn sie in der Rechtsbeschwerdeinstanz beantwortet werden kann. Nach § 91 Abs. 2 PersVG BE i. V. m. § 92a Satz 2 i. V. m. § 72a Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 ArbGG muss die Begründung der auf den Zulassungsgrund des § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG gestützten Nichtzulassungsbeschwerde die Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung einer Rechtsfrage und deren Entscheidungserheblichkeit enthalten. Dieses Darlegungserfordernis setzt die Formulierung einer bestimmten, höchstrichterlich noch ungeklärten und für die Rechtsbeschwerdeentscheidung erheblichen Rechtsfrage sowie die Angabe voraus, worin die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung besteht. Die Beschwerde muss substantiiert erläutern, dass und inwiefern die Rechtsbeschwerdeentscheidung zur Klärung einer bisher vom Bundesverwaltungsgericht nicht beantworteten, fallübergreifenden und entscheidungserheblichen Rechtsfrage führen kann. Die Begründungspflicht verlangt, dass sich die Beschwerde mit den Erwägungen des angefochtenen Beschlusses, auf die sich die aufgeworfene Frage von angeblich grundsätzlicher Bedeutung bezieht, substantiiert auseinandersetzt. Es bedarf auch der substantiierten Auseinandersetzung mit den Gründen bereits ergangener einschlägiger Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts. Soweit sich die Vorinstanz mit der von der Beschwerde als grundsätzlich angesehenen Frage beschäftigt hat, gehört zu der erforderlichen Durchdringung des Prozessstoffes die Erörterung sämtlicher Gesichtspunkte, die im Einzelfall für die erstrebte Zulassung der Rechtsbeschwerde rechtlich Bedeutung haben können. In der Begründung ist auch substantiiert aufzuzeigen, aus welchen Gründen der Rechtsauffassung, die der aufgeworfenen Frage von angeblich grundsätzlicher Bedeutung zugrunde liegt, zu folgen ist (stRspr, vgl. etwa BVerwG, Beschluss vom 23. Mai 2019 - 5 PB 7.18 - juris Rn. 15 m. w. N.). Daran fehlt es hier.

3 Die Beschwerde misst folgender Frage grundsätzliche Bedeutung zu:
"Ist eine Einigungsstelle nach dem Personalvertretungsgesetz Berlin bei einer Universität als Körperschaft des öffentlichen Rechts des Landes Berlin dann nicht ordnungsgemäß besetzt, wenn nicht gemäß § 104 S. 2 BPersVG aF iVm § 131 BPersVG nF der Vorsitzende der Einigungsstelle und die Beisitzer durch die Leitung der Universität und den Gesamtpersonalrat der Universität bestellt werden, sondern sie vielmehr gemäß § 82 Abs. 2 BlnPersVG durch die Senatsverwaltung für Finanzen des Landes Berlin nach Einigung mit dem Hauptpersonalrat für die Behörden, Gerichte und nichtrechtsfähigen Anstalten des Landes Berlin bestellt werden?"

4 Die grundsätzliche Bedeutung dieser Frage erläutert die Beschwerde nicht, weil sie sich nicht in der gebotenen Weise mit den für das Verhältnis von § 82 Abs. 2 PersVG BE und § 104 Satz 2 BPersVG a. F. maßgeblichen Erwägungen des Oberverwaltungsgerichts auseinandersetzt. Das Oberverwaltungsgericht hat zwar offengelassen, ob die Rahmenvorschrift des § 104 BPersVG a. F. lediglich als allgemeine Empfehlung an den Landesgesetzgeber unterhalb eines allgemeinen Programmsatzes einzustufen sei oder jedenfalls einen Kernbestand echter Mitbestimmungsangelegenheiten im Sinne eines Mindeststandards gewährleiste (BA S. 7). Sodann hat es seiner Entscheidung aber die auch von der Beschwerde geteilte (Beschwerdebegründung S. 12: "Der Bundesgesetzgeber hat mit § 104 S. 2 BPersVG aF nicht lediglich einen Programmsatz aufgestellt, sondern einen Kernbestand der einzurichtenden Unabhängigen Stelle konstituiert.") Auffassung zugrunde gelegt, dass § 104 Satz 2 BPersVG a. F. einen Kernbestand rahmenrechtlicher Anforderungen an die in der Vorschrift genannte "unabhängige Stelle" enthalte. Mit der darauf aufbauenden Erwägung des Oberverwaltungsgerichts, zu diesem Kernbestand gehöre nicht die Bestellung der Mitglieder der Einigungsstellen durch die Beteiligten (BA S. 8), setzt sich die Beschwerdebegründung nicht hinreichend auseinander. Nachdem sie die fragliche Passage in Bezug auf die ihrer Ansicht nach dem angefochtenen Beschluss zugrundeliegende fallübergreifende Rechtsfrage zitiert (Beschwerdebegründung S. 6 und 8), macht sie geltend, es entspreche dem Demokratieprinzip, dass der Beteiligte zu 2 (Einigungsstelle) den Vorsitzenden der Einigungsstelle und die Beisitzer auf Arbeitgeberseite selbst bestellen dürfe, und es entspräche dem Repräsentationsprinzip des Personalvertretungsrechts, dass der Antragsteller den Vorsitzenden der Einigungsstelle mit dem Beteiligten zu 1 (Dienststellenleiter der Universität) bestellen dürfe und die Arbeitnehmerbeisitzer allein (Beschwerdebegründung S. 12). Insoweit geht sie aber nicht - was erforderlich gewesen wäre - in einer den Darlegungsanforderungen genügenden Weise auf die diesbezüglichen Ausführungen des Oberverwaltungsgerichts ein, das im Einzelnen begründet, weshalb die Regelungen zur Bestellung der Mitglieder der Einigungsstelle in § 82 PersVG BE mit der Rahmenvorschrift des § 104 Satz 2 BPersVG a. F. vereinbar seien und sich dabei auch ausführlich mit den Einwänden des Antragstellers auseinandersetzt, die kein anderes Ergebnis rechtfertigten (BA S. 10 f.).

5 Zur ordnungsgemäßen Darlegung genügt es insbesondere nicht, dass die Beschwerde pauschal geltend macht, der Formulierung als Soll-Vorschrift lasse sich keine Einschränkung der Bestellungsbefugnis der (am konkreten Mitbestimmungsverfahren) Beteiligten entnehmen, da keine Ausnahmekonstellation erkennbar sei, in welcher von § 104 Satz 2 BPersVG a. F. ausnahmsweise abgewichen werden solle (Beschwerdebegründung S. 13). Dies setzt gedanklich voraus, dass § 104 Satz 2 BPersVG a. F. für die Länder die Bestellung der Mitglieder der Einigungsstelle durch die Beteiligten ohne Gestaltungsspielraum verbindlich festschreibt, und hätte angesichts des vom Oberverwaltungsgericht bei der Ausfüllung der rahmenrechtlichen Vorschrift angenommenen Gestaltungsspielraums argumentativ vertieft werden müssen.

6 Soweit es um die Beisitzer der Einigungsstelle geht, zeigt die Beschwerde die Klärungsfähigkeit und Klärungsbedürftigkeit der aufgeworfenen Frage deshalb nicht auf, weil sie sich nicht mit der weiteren Erwägung des Oberverwaltungsgerichts auseinandersetzt, dass § 82 Abs. 3 PersVG BE das Bestellungsrecht zwar formal der für Personalvertretungssachen zuständigen Senatsverwaltung zuweise, die aber ohne eigenes materielles Prüfungs- und Auswahlrecht an den Vorschlag der jeweils zuständigen Personalvertretung nach § 82 Abs. 4 Satz 1 PersVG BE gebunden sei, was eine zulässige Ausgestaltung der bundesrechtlichen Rahmenvorschrift darstelle (BA S. 8).

7 Auch auf die spezielleren Ausführungen des Oberverwaltungsgerichts zur Bestellung des Vorsitzenden der Einigungsstelle geht die Beschwerde nicht ein. Davon ausgehend, dass zwar die Besetzung der Einigungsstelle mit einem unabhängigen Vorsitzenden, nicht aber die Bestellung ihrer Mitglieder, namentlich auch des Vorsitzenden, zum durch § 104 Satz 2 BPersVG a. F. erfassten Kernbestand der Mitbestimmung zähle, hat das Oberverwaltungsgericht (BA S. 9) angenommen, dass dieser Vorschrift durch ein Verfahren zur Gewinnung des Vorsitzenden Genüge getan werde, das dessen Unabhängigkeit und Überparteilichkeit in personalvertretungsrechtlichen Angelegenheiten gewährleiste. Außerdem ("Im Übrigen") sei die Institution des (einen) Vorsitzenden und der Modus seiner Bestellung verbliebener Ausdruck der rahmenrechtlich nicht zu beanstandenden Grundentscheidung des Landesgesetzgebers, eine einzige und ständige Einigungsstelle für Personalvertretungssachen einzurichten. Hierzu verhält sich die Beschwerde nicht ansatzweise.

8 Schließlich zeigt die Beschwerde die grundsätzliche Bedeutung der aufgeworfenen Frage auch nicht auf, soweit sie die Verfassungswidrigkeit der Regelung des § 82 Abs. 2 PersVG BE im Hinblick auf die durch Art. 5 Abs. 3 GG gewährleistete universitäre Selbstverwaltung geltend macht. Dieser Aspekt wird von der Frage bereits nicht erfasst. Darüber hinaus erläutert die Beschwerde nicht, dass und weshalb in der hier vorliegenden Fallkonstellation von Initiativanträgen, die sich mit einer IT-bezogenen Zulage für alle Bereiche der Universität und dem Einbau einer brandschutztechnischen Hausalarmanlage in einem bestimmten Dienstgebäude befassen, Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG betroffen ist und der Antragsteller in dieser Konstellation eine etwaige Verletzung der Grundrechtsgewährleistung geltend machen kann. Vielmehr belässt sie es auch insoweit bei einer eher schlagwortartigen Behauptung (Beschwerdebegründung S. 10: "Auch ist ungeklärt, ob eine Bestellung des Vorsitzenden der Einigungsstelle und der Beisitzer der Einigungsstelle durch die SenFin nach Einigung mit dem HPR Land Berlin bei einer Universität unzulässig in die universitäre Selbstverwaltung nach Art. 5 Abs. 3 GG eingreift" und S. 12: "In den maßgeblichen Regelungen der Binnenstruktur der Universität darf die Letztentscheidung nicht der Universität entzogen werden."). Im Übrigen geht die Beschwerde selbst davon aus, dass der Universität das Letztentscheidungsrecht nicht in allen, sondern nur in den "maßgeblichen" Regelungen der Binnenstruktur nicht entzogen werden dürfe. Sie erläutert jedoch nicht, was unter den "maßgeblichen" Regelungen zu verstehen sein soll und zeigt insoweit auch die Entscheidungserheblichkeit der Frage nicht auf. Hierzu hätte die Beschwerde darlegen müssen, dass die den Anlass für dieses personalvertretungsrechtliche Beschlussverfahren bildenden Initiativanträge des Antragstellers zu derartigen maßgeblichen Regelungen zählen.