Beschluss vom 02.12.2022 -
BVerwG 8 B 37.22ECLI:DE:BVerwG:2022:021222B8B37.22.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 02.12.2022 - 8 B 37.22 - [ECLI:DE:BVerwG:2022:021222B8B37.22.0]

Beschluss

BVerwG 8 B 37.22

  • VG Karlsruhe - 11.01.2019 - AZ: 14 K 6015/17
  • VGH Mannheim - 10.02.2022 - AZ: 6 S 1922/20

In der Verwaltungsstreitsache hat der 8. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 2. Dezember 2022
durch die Vorsitzende Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Held-Daab, die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Rublack und
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Meister
beschlossen:

  1. Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 10. Februar 2022 wird verworfen, soweit sie den Hauptantrag der Klage betrifft, und im Übrigen zurückgewiesen.
  2. Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 15 000 € festgesetzt.

Gründe

1 Die Klägerin begehrt die Feststellung, der Betrieb ihrer Spielhalle bedürfe keiner Erlaubnis nach dem Glücksspielstaatsvertrag und dem Landesglücksspielgesetz. Hilfsweise macht sie die Verpflichtung der Beklagten zur Erteilung einer solchen Erlaubnis geltend. Der Verwaltungsgerichtshof hat die Berufung der Klägerin gegen das klageabweisende Urteil des Verwaltungsgerichts zurückgewiesen. Der glücksspielrechtliche Erlaubnisvorbehalt für den Betrieb der Spielhalle unterliege weder verfassungs- noch unionsrechtlichen Bedenken. Der hilfsweise begehrten Verpflichtung zur Erteilung einer glücksspielrechtlichen Erlaubnis stehe das landesrechtliche Erfordernis eines Mindestabstandes von 500 m Luftlinie zu einer bestehenden Einrichtung zum Aufenthalt von Kindern und Jugendlichen entgegen.

2 Die dagegen gerichtete Beschwerde der Klägerin hat keinen Erfolg.

3 1. Die unbeschränkt eingelegte Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision ist zu verwerfen, soweit sie sich auf den vom Verwaltungsgerichtshof abgewiesenen Hauptantrag bezieht. Zulassungsgründe werden von der Klägerin insoweit nicht geltend gemacht.

4 2. Im Übrigen ist die Beschwerde unbegründet. Ihr lässt sich die von der Klägerin allein geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nicht entnehmen.

5 Grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO hat eine Rechtssache, wenn in dem angestrebten Revisionsverfahren die Klärung einer bestimmten, in ihrer Bedeutung über den Einzelfall hinausgehenden, revisionsgerichtlich klärungsbedürftigen und für die Revisionsentscheidung erheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts zu erwarten ist (stRspr, vgl. nur BVerwG, Beschluss vom 1. August 2022 - 8 B 14.22 - juris Rn. 3 m. w. N.). Der Rechtsmittelführer hat darzulegen, dass diese Voraussetzungen vorliegen (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO). Das ist hier nicht geschehen.

6 a) Der von der Klägerin aufgeworfenen Frage,
ob dem Betreiber einer Spielhalle, die erstmals vor dem Inkrafttreten des Landesglücksspielgesetzes Baden-Württemberg am 18. November 2011 in Betrieb genommen wurde, für die der Betreiber aber erst nach diesem Stichtag eine Erlaubnis nach § 33i GewO erhalten hatte, im Lichte des Gleichheitsgrundsatzes aus Art. 3 Abs. 1 GG sowie der unionsrechtlich durch Art. 49 AEUV und Art. 56 AEUV geschützten Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit die Erlaubnis zum Weiterbetrieb der Spielhalle mit der Begründung versagt werden darf, die Spielhalle halte den nach § 42 Abs. 3 LGlüG Baden-Württemberg erforderlichen Mindestabstand von 500 Metern Luftlinie zu einer bestehenden Einrichtung zum Aufenthalt von Kindern und Jugendlichen, gemessen von Eingangstür zu Eingangstür, nicht ein, wenn Spielhallen, deren Erlaubnisse nach § 33i GewO vor dem Inkrafttreten des Landesglücksspielgesetzes Baden-Württemberg am 18. November 2011 erteilt wurden, diesen Mindestabstand gemäß § 51 Abs. 5 Satz 5 LGlüG Baden-Württemberg nicht einhalten müssen,
ist keine klärungsbedürftige revisible Rechtsfrage zu entnehmen.

7 Sie bezweifelt, dass die in § 51 Abs. 5 Satz 5 LGlüG geregelte Ausnahme vom Mindestabstandsgebot (§ 42 Abs. 3 LGlüG) für Spielhallen, deren Betrieb bereits vor Inkrafttreten dieses Gesetzes nach § 33 i GewO erlaubt wurde, mit Art. 3 Abs. 1 GG und Art. 49 und 56 AEUV vereinbar ist. Die Verletzung von revisiblem Recht durch irrevisibles Landesrecht wie die Vorschriften des Landesglücksspielgesetzes kann jedoch die Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO nur rechtfertigen, wenn die - gegenüber dem Landesrecht als korrigierender Maßstab angeführte - revisible Norm ihrerseits einen die Revisionszulassung rechtfertigenden Klärungsbedarf aufweist (vgl. BVerwG, Beschluss vom 28. September 2010 - 8 B 5.10 - juris Rn. 2). Dies legt die Beschwerdebegründung nicht dar. Sie beschränkt sich sowohl im Hinblick auf das Unionsrecht als auch in Bezug auf das Bundesverfassungsrecht darauf, den (angeblichen) Verstoß der landesrechtlichen Regelung gegen diese Maßstäbe darzutun. Sie zeigt indes nicht auf, welche ungeklärten Fragen sich hinsichtlich des jeweiligen Maßstabs selbst ergeben.

8 Die Frage nach der verfassungsrechtlichen Rechtfertigung einer dauerhaften Besserstellung der Spielhallenbetreiber, denen eine Erlaubnis nach § 33i GewO bereits vor Inkrafttreten des Landesglücksspielgesetzes erteilt worden ist, würde sich im Übrigen im angestrebten Revisionsverfahren nicht stellen. Nach der den Senat bindenden vorinstanzlichen Auslegung des nicht revisiblen Landesrechts ergibt sich aus dem Wegfall der Privilegierung von Bestandsspielhallen bei einem Betreiberwechsel oder bei unterbrochener Erlaubnis ohne aktive Duldung, dass § 51 Abs. 5 Satz 5 LGlüG gerade nicht "zeitlich quasi unbegrenzt auf jede Spielhalle Anwendung finden soll, die einst eine Erlaubnis nach § 33i GewO innehatte" (UA S. 48).

9 b) Die weitere Frage,
ob dem Betreiber einer Spielhalle, die erstmals zum 1. Juli 2010 in Betrieb genommen wurde und für die der Betreiber zum 23. Dezember 2011 eine Erlaubnis nach§ 33i GewO erhalten hatte, im Lichte des Gleichheitsgrundsatzes aus Art. 3 Abs. 1 GG sowie der unionsrechtlich durch Art. 49 AEUV und Art. 56 AEUV geschützten Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit die Erlaubnis zum Weiterbetrieb der Spielhalle mit der Begründung versagt werden darf, die Spielhalle halte den nach § 42 Abs. 3 LGlüG Baden-Württemberg erforderlichen Mindestabstand von 500 Metern Luftlinie zu einer bestehenden Einrichtung zum Aufenthalt von Kindern und Jugendlichen, gemessen von Eingangstür zu Eingangstür, nicht ein, wenn in Bezug auf virtuelle im Internet angebotene Automatenspiele zum 1. Juli 2021 in § 4 Abs. 4 GlüStV 2021 eine Neuregelung geschaffen wurde wonach diese Spiele erlaubt werden dürfen, seit Geltung dieser gesetzlichen Neuregelung jedoch erst ein Anbieter virtueller Automatenspiele eine Erlaubnis zum Betrieb virtueller Automatenspiele erhalten hat und im Übrigen virtuelle Automatenspiele weiterhin illegal über das Internet angeboten werden,
wirft ebenfalls keine klärungsbedürftige revisible Rechtsfrage auf.

10 Insoweit beschränkt sich die Beschwerde darauf, nach Art einer Berufungsbegründung einen (angeblichen) Unionsrechts- und Verfassungsverstoß geltend zu machen, ohne aufzuzeigen, dass die ihres Erachtens verletzten Vorschriften selbst revisionsrechtlichen Klärungsbedarf aufweisen. Im Übrigen gehen die Ausführungen der Klägerin zur Verhältnismäßigkeit und Kohärenz des Mindestabstandsgebots zu Einrichtungen für Kinder und Jugendliche von Tatsachen aus, die der Verwaltungsgerichtshof - von ihr ungerügt - nicht festgestellt hat.

11 3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 47 i. V. m. § 52 Abs. 1 GKG.

Beschluss vom 04.04.2023 -
BVerwG 8 B 58.22ECLI:DE:BVerwG:2023:040423B8B58.22.0

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Beschluss

BVerwG 8 B 58.22

  • VG Karlsruhe - 11.01.2019 - AZ: 14 K 6015/17
  • VGH Mannheim - 10.02.2022 - AZ: 6 S 1922/20

In der Verwaltungsstreitsache hat der 8. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 4. April 2023
durch die Vorsitzende Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Held-Daab, den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Meister und
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Naumann
beschlossen:

  1. Die Anhörungsrüge der Klägerin gegen den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 2. Dezember 2022 - 8 B 37.22 - wird zurückgewiesen.
  2. Die Klägerin trägt die Kosten des Rügeverfahrens.

Gründe

1 Die Anhörungsrüge hat keinen Erfolg. Der Beschluss des Senats vom 2. Dezember 2022 verletzt nicht den Anspruch der Klägerin auf rechtliches Gehör (§ 152a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 VwGO).

2 Im gerichtlichen Verfahren gewährleisten Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO den Beteiligten das Recht, sich vor einer Entscheidung zu allen erheblichen tatsächlichen und rechtlichen Fragen zu äußern. Das Gericht muss nach seiner Rechtsauffassung rechtlich erhebliches Vorbringen der Beteiligten zur Kenntnis nehmen und in Erwägung ziehen. Eine Verletzung dieser Pflicht ist allerdings nicht schon anzunehmen, wenn eine Entscheidung, namentlich eine letztinstanzliche, nicht auf jedes Element eines sehr umfangreichen Vortrags eingeht, sondern erst, wenn sich im Einzelfall aus besonderen Umständen ergibt, dass nach der materiell-rechtlichen Rechtsauffassung des Gerichts entscheidungserhebliches Vorbringen übergangen wurde. Davon ist auszugehen, wenn das Gericht auf den wesentlichen Kern des Beteiligtenvorbringens zu einer Frage, die nach seiner eigenen Rechtsauffassung für den Prozessausgang von zentraler Bedeutung ist, in den Entscheidungsgründen nicht eingeht (stRspr, vgl. BVerfG, Urteil vom 8. Juli 1997 - 1 BvR 1621/94 - BVerfGE 96, 205 <216 f.>; BVerwG, Urteil vom 31. Juli 2002 - 8 C 37.01 - Buchholz 428 § 1 Abs. 3 VermG Nr. 35 S. 109 m. w. N.). Solches ist der Begründung der Anhörungsrüge nicht zu entnehmen.

3 Der Senat hat den Vortrag der Klägerin zur (angeblichen) Verfassungs- und Unionsrechtswidrigkeit der unterschiedlichen Behandlung von Spielhallen, die zum 18. November 2011 noch keine Erlaubnis hatten, zu solchen Spielhallen, die zum genannten Stichtag über eine Erlaubnis verfügten, zur Kenntnis genommen (vgl. Randnummer 7 des Beschlusses vom 2. Dezember 2022). Dass der Senat dabei der Rechtsauffassung der Klägerin zur grundsätzlichen Bedeutung der von ihr aufgeworfenen Frage nicht gefolgt ist, begründet keinen Gehörsverstoß. Ebenso wenig kann in zulässiger Weise mit der Anhörungsrüge geltend gemacht werden, dass der Senat einen falschen Maßstab für die Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung angewandt habe.

4 Der Einwand, unter Randnummer 8 des Beschlusses vom 2. Dezember 2022 habe der Senat den Vortrag der Klägerin fehlinterpretiert, verhilft der Anhörungsrüge nicht zum Erfolg. Art. 103 Abs. 1 GG schützt nicht davor, dass das Gericht dem Vortrag der Beteiligten in materiell-rechtlicher Hinsicht nicht die aus ihrer Sicht richtige Bedeutung beimisst (BVerfG, Beschluss vom 25. April 2018 - 2 BvR 2435/17 - juris Rn. 16 m. w. N.). Im Übrigen hat der Senat der Klägerin nicht unterstellt, in ihrer Beschwerdebegründung vorgetragen zu haben, dass § 51 Abs. 5 Satz 5 LGlüG zeitlich quasi unbegrenzt auf jede Spielhalle Anwendung finde, die einst eine Erlaubnis nach § 33i GewO innehatte. Bei der fraglichen Passage handelt es sich vielmehr um ein als solches ausgewiesenes wörtliches Zitat aus der mit der Nichtzulassungsbeschwerde angegriffenen Entscheidung.

5 Schließlich ergibt sich auch keine Verletzung des rechtlichen Gehörs daraus, dass sich der Senat nicht ausdrücklich mit dem Vorbringen der Klägerin zur angeblich willkürlichen Festsetzung des Mindestabstands von Spielhallen zu Einrichtungen zum Aufenthalt von Kindern und Jugendlichen befasst hat. Diesem Gesichtspunkt kam nach der Rechtsauffassung des Senats schon deshalb keine Bedeutung zu, weil danach eine Frage von grundsätzlicher Bedeutung nicht allein durch die Darlegung der (angeblichen) Verfassungs- oder Unionsrechtswidrigkeit des nicht revisiblen Landesrechts begründet werden kann. Erforderlich ist vielmehr, einen Klärungsbedarf in Bezug auf das revisible Recht aufzuzeigen.

6 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.