Urteil vom 04.05.2011 -
BVerwG 2 WD 2.10ECLI:DE:BVerwG:2011:040511U2WD2.10.0

Leitsatz:

Unerlaubtes Fernbleiben eines Soldaten von einer Ausbildung im Rahmen der - während der Dienstzeit erfolgenden - „Zivilberuflichen Aus- und Weiterbildung“ (ZAW) ist disziplinarbemessungsrechtlich im Regelfall mit einem unerlaubten Fernbleiben eines „aktiven Soldaten“ vom rein militärischen Dienst vergleichbar (im Anschluss an Beschluss vom 19. August 2009 - BVerwG 2 WD 31.08 - Buchholz 450.2 § 121 WDO 2002 Nr. 1).

  • Rechtsquellen
    SG § 7, § 10 Abs. 1, § 13 Abs. 1, § 17 Abs. 2 Satz 1, § 23 Abs. 1
    WDO § 1 Abs. 3, § 38 Abs. 1, § 58 Abs. 2, § 62 Abs. 1, § 124
    StGB § 277
    WStG § 15 Abs. 1

  • Truppendienstgericht Süd 5. Kammer - 17.11.2009 - AZ: TDG S 5 VL 2/09

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Urteil vom 04.05.2011 - 2 WD 2.10 - [ECLI:DE:BVerwG:2011:040511U2WD2.10.0]

Urteil

BVerwG 2 WD 2.10

  • Truppendienstgericht Süd 5. Kammer - 17.11.2009 - AZ: TDG S 5 VL 2/09

In dem gerichtlichen Disziplinarverfahren hat der 2. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts in der nichtöffentlichen Hauptverhandlung am 4. Mai 2011, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesverwaltungsgericht Golze,
Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Müller,
Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Burmeister,
ehrenamtlicher Richter Oberstleutnant Löffler und
ehrenamtlicher Richter Stabsunteroffizier Sauer,
Leitender Regierungsdirektor …
als Vertreter des Bundeswehrdisziplinaranwalts,
Geschäftsstellenverwalterin …
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
für Recht erkannt:

  1. Die Berufung des früheren Soldaten gegen das Urteil der 5. Kammer des Truppendienstgerichts Süd vom 17. November 2009 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der frühere Soldat in den Dienstgrad eines Unteroffiziers der Reserve herabgesetzt wird und dass die anlässlich der Hauptverhandlung am 27. November 2007 vor der 7. Kammer des Truppendienstgerichts Süd und die im Berufungsverfahren BVerwG 2 WD 8.08 entstandenen Kosten sowie die dem früheren Soldaten insoweit entstandenen notwendigen Auslagen dem Bund auferlegt werden.
  2. Die Kosten des zweiten Berufungsverfahrens hat der frühere Soldat zu tragen.

Gründe

I

1 Der jetzt 28 Jahre alte frühere Soldat war nach dem erfolgreichen Besuch der Sekundarstufe I eines Gymnasiums zunächst zehn Monate als Verkäufer beschäftigt, bevor er zum 5. November 2001 zur Ableistung des Grundwehrdienstes sowie eines freiwilligen zusätzlichen Wehrdienstes zur Bundeswehr eingezogen wurde. Mit Wirkung vom 1. Oktober 2003 wurde er in das Dienstverhältnis eines Soldaten auf Zeit berufen. Seine wiederholt verlängerte Dienstzeit betrug insgesamt neun Jahre; sie endete mit Ablauf des 31. Oktober 2010. Der frühere Soldat wurde regelmäßig befördert, zuletzt am 12. September 2005 zum Stabsunteroffizier.

2 Nach mehreren Vorverwendungen und erfolgreichen Lehrgangsbesuchen wurde der frühere Soldat ab 1. Mai 2003 von der .../Instandsetzungsbataillon … in I. als Stabsdienstsoldat zur .../Logistikbataillon … in R. versetzt. Von dort war er für die Zeit vom 5. Oktober 2004 bis zum 30. Juni 2006 zur Fachausbildungskompanie R. zur Teilnahme an der Zivilberuflichen Aus- und Weiterbildungs-Maßnahme (ZAW-Maßnahme) Elektroniker Betriebstechnik kommandiert. Aufgrund der Auflösung seiner Kompanie erfolgte zum 1. September 2006 seine Versetzung zur .../Panzeraufklärungsbataillon … in G., wo er als Elektronikmechanikerunteroffizier LUNA eingesetzt wurde; in dieser Funktion war er auch nach seiner Versetzung zur neu aufgestellten .../Aufklärungsbataillon … in G. zum 1. Juli 2007 tätig. Von März bis September 2009 befand er sich im Auslandseinsatz in A. .

3 Der frühere Soldat ist nicht planmäßig beurteilt worden.

4 Oberleutnant H., damals Kompaniechef der .../Aufklärungsbataillon … und seit dem 22. Oktober 2007 Disziplinarvorgesetzter des damals aktiven Soldaten, hatte als Leumundszeuge am 27. November 2007 vor dem Truppendienstgericht u.a. ausgesagt, der Soldat habe seine Aufgabe, einen „Feldwebeljob“, gut und vorbildlich gemacht. Er, der Zeuge, würde ihn im Mittelfeld sehen, aber in Bezug auf seine Fachkompetenz im ersten Drittel.
In seiner Sonderbeurteilung gemäß ZDv 20/6, Nr. 407 b vom 20. März 2008 bewertete Hauptmann H. die Aufgabenerfüllung des damals aktiven Soldaten auf dem Dienstposten im Durchschnitt mit „5,60“ („die Leistungserwartungen wurden erfüllt, überwiegend übertroffen“, mögliche Bestnote „9“). Unter „Besondere Kennzeichen der Gesamtpersönlichkeit einschließlich der wesentlichen Charaktermerkmale“ wird unter anderem ausgeführt, der Soldat identifiziere sich voll mit seinem Beruf und sei durch sein Leistungsprofil zu einem wertvollen Mitarbeiter im Instandsetzungstrupp geworden. Er zeige eine gute Leistung. Insgesamt platziere er sich im oberen Mittelfeld seiner Vergleichsgruppe.

5 In der Hauptverhandlung vor dem Truppendienstgericht am 17. November 2009 hat Hauptmann H. ergänzend ausgeführt, aufgrund seiner Leistungen habe er, der Zeuge, den Soldaten mit in den Auslandseinsatz genommen. Antragsgemäß habe dies dann auch zur Verlängerung seiner Dienstzeit geführt. Er, der Zeuge, habe den Soldaten im Zeitpunkt der letzten Beurteilung noch für „feldwebel-tauglich“ gehalten. Im Einsatz habe sich der Soldat jedoch etwas „zurückgenommen“; er würde ihn deshalb jetzt „nicht zum Feldwebel machen“.

6 In der Sonderbeurteilung vom 26. März 2010 bewertete Hauptmann K., letzter Disziplinarvorgesetzter des früheren Soldaten, dessen Aufgabenerfüllung auf dem Dienstposten im Durchschnitt mit „5,30“. Er zeige gute Leistungen und bringe seine Erfahrungen in die tägliche Arbeit ein. Im Kameradenkreis sei er durch seine unkomplizierte Art anerkannt. Er sei psychisch belastbar, habe jedoch Defizite in der körperlichen Leistungsfähigkeit. Hauptmann K., der aus dienstlichen Gründen gebeten hatte, von einer Anhörung als Leumundszeuge in der Berufungshauptverhandlung abzusehen, hat auf Anforderung des Senats am 11. März 2011 ergänzend eine schriftliche Auskunft zum Persönlichkeits- und Leistungsbild des früheren Soldaten, zu den Folgen und Auswirkungen seines Dienstvergehens für ihn selbst und die Truppe sowie zur Zukunft des früheren Soldaten in dienstlicher Hinsicht abgegeben.

7 Der frühere Soldat ist straf- und disziplinarrechtlich bisher wie folgt in Erscheinung getreten:
In dem mit dem vorliegenden Disziplinarverfahren sachgleichen (Wehr-)Strafverfahren ist der frühere Soldat durch rechtskräftiges Urteil des Amtsgerichts R. vom 24. Januar 2007 wegen zweier eigenmächtiger Abwesenheiten (§ 15 Abs. 1 WStG) - Anschuldigungspunkte 1 und 2 - zu einem Gesamtstrafarrest von drei Monaten (für 2 Jahre auf Bewährung) und wegen Fälschung von Gesundheitszeugnissen (§ 277 StGB) - Anschuldigungspunkt 3 - zu einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen zu je 40 € verurteilt worden.

8 Im Auszug aus dem Disziplinarbuch vom 18. Februar 2010 ist neben dem genannten Strafurteil eine am 4. November 2008 gegen den früheren Soldaten verhängte Disziplinarbuße von 400 € wegen „unerlaubten Entfernens vom Dienst“ erwähnt. Der frühere Soldat hat dazu vor dem Truppendienstgericht am 17. November 2009 erläuternd ausgeführt, er habe damals telefonisch vom Autounfall seines Onkels erfahren. Ohne jemandem Bescheid zu sagen, sei er „kurzschlussartig“ - 2 ½ Stunden vor Dienstschluss - nach Hause gefahren. Wenn er etwas gesagt hätte, hätte er sicher freibekommen.

9 Der ledige und kinderlose frühere Soldat, der nach der Besoldungsgruppe A 6 BBesG besoldet wurde, erhält seit seinem Ausscheiden aus der Bundeswehr Übergangsgebührnisse bis zum 31. Juli 2012 in Höhe von monatlich 1510,35 € brutto; netto erhält er derzeit lediglich 630,58 € ausbezahlt, da neben den gesetzlichen Abzügen monatlich weitere 750 € deshalb einbehalten werden, weil ihm bei der Entlassung versehentlich die Übergangsbeihilfe in Höhe von 12.069,84 € ausbezahlt worden war. Er bedient einen noch in Höhe von 9 000 € offenen Kredit (Stand: 17. November 2009) monatlich mit 294 €; den Kredit hatte er für einen PKW-Kauf und für die Bezahlung der Geldstrafe im sachgleichen Strafverfahren aufgenommen.

10 Zu seinen weiteren Berufsplänen hat der frühere Soldat vor dem Truppendienstgericht erklärt, ursprünglich habe er die Absicht gehabt, sich beim Zoll, der Polizei oder beim Justizvollzug zu bewerben. Wegen der gegen ihn verhängten Straf- und Disziplinarmaßnahme sei es nun jedoch sehr unwahrscheinlich, in den öffentlichen Dienst übernommen zu werden. Er werde deshalb versuchen, als Elektroniker/Betriebstechniker Fuß zu fassen. Der frühere Soldat hatte im Rahmen der ZAW-Maßnahme im Ausbildungsberuf „Elektroniker für Betriebstechnik“ die Abschlussprüfung im Juni 2006 mit dem Gesamtergebnis ausreichend bestanden.

II

11 1. In dem durch Verfügung des Kommandeurs der ... Panzergrenadierdivision vom 23. Mai 2007, dem früheren Soldaten ausgehändigt am 31. Mai 2007, ordnungsgemäß eingeleiteten gerichtlichen Disziplinarverfahren hat die zuständige Wehrdisziplinaranwaltschaft mit Anschuldigungsschrift vom 18. September 2007 dem früheren Soldaten folgende schuldhafte Dienstpflichtverletzungen zur Last gelegt:
„1. Vom 04.10.2004 - 30.06 .2006 war der Soldat mit Kommandierungsverfügung des Kommandeurs des Logistikbataillons … vom 17.09.2004 von der .../LogBtl … zur ZAW-Betreuungsstelle in … R. kommandiert, um im Rahmen einer ZAW-Maßnahme am Lehrgang „Elektroniker Betriebstechnik“ teilzunehmen. Im Verlauf dieser ZAW-Maßnahme wurde der Soldat durch einen schriftlichen Befehl des Betreuungsoffiziers der ZAW-Betreuungsstelle R. vom 29.09.2005 für den Zeitraum vom 04.10.2005 - 23.12 .2005 zu einem Zwischenpraktikum an die Universitätsklinik R. befohlen. Vom 24.10.2005 - 28.11 .2005 blieb er diesem Praktikum wissentlich und willentlich ohne Genehmigung fern, um auf seiner Stube das Selbststudium zu betreiben, obwohl er wusste, dass er ohne Genehmigung des für ihn zuständigen Praktikumsbetreuers, Herrn A., den Ort des Praktikums nicht hätte verlassen dürfen und dass laut Befehl seines Betreuungsoffiziers, Oberleutnant L., für das „Zwischenpraktikum Elektroniker für Betriebstechnik I/04“ vom 29.09.2005 für die wöchentliche Ausbildungsdauer die betrieblichen Arbeitszeiten bestimmt waren.
2. Nachdem der Soldat vom 28.11.2005 - 02.12 .2005 „krank zu Hause“ geschrieben war, erschien er im Anschluss hieran vom 05.12.2005 - bis 23.12.2005 entgegen der Befehlslage wissentlich und willentlich erneut nicht zum Praktikum in der Universitätsklinik R. .
3. Zu einem nicht näher bestimmbaren Zeitpunkt im Februar 2006 veränderte der Soldat in der …-Kaserne, …, in … R. auf seiner Stube im Gebäude … die Zweitschrift eines von der Stabsärztin Dr. B. im Standortsanitätszentrum R. ausgestellten Krankenscheins dahingehend, dass er das Datum des Beginns seiner Krankschreibung von „28.11.2005“ auf den „28.10.2005“ abänderte und eine nachgeahmte Unterschrift der Stabsärztin Dr. B. daneben setzte. Diesen Krankenschein gab er dann seinem vorgesetzten Betreuungsfeldwebel, um eine Krankschreibung bereits ab dem 28.10.2005 vorzutäuschen.“

12 Am 14. März 2006 - etwa einen Monat nach Vorlage des verfälschten Krankenmeldescheins (Anschuldigungspunkt 3) - hat der frühere Soldat nach ausdrücklicher Belehrung über seine Wahrheitspflicht folgende schriftliche „Dienstliche Erklärung“ abgegeben:
„Ich erkläre in Gegenwart meines Disziplinarvorgesetzten, dass ich … im Zeitraum vom 28.10.05 bis zum 09.01.06 aus gesundheitlichen Gründen nicht am Praktikum teilnehmen konnte. Anbei liegen ärztliche Mitteilungen, Atteste, die alles beweisen können. Ebenso liegt ein Praktikumsbericht von mir bei.
Im Praktikumsbetrieb habe ich mich abgemeldet und mit meinem verantwortlichen Ausbilder ausgemacht, dass ich nur kommen soll, wenn ich zu 100 % einsatzbereit bin. Außerdem waren meine Aufgaben in diesem zweiten Praktikum wieder nur zuschauen, wie eine Fachkraft Lampen wechselt. Also weit am Ziel vorbei.“
(Unterschriften des früheren Soldaten und des Disziplinarvorgesetzten)

13 Nach Belehrung über sein Schweigerecht hat der frühere Soldat dann auch bei seinen Vernehmungen am 25. April 2006 und 8. Mai 2006 die ihm gegenüber erhobenen Vorwürfe weiter bestritten, insbesondere die Fälschung des Krankenmeldescheines.

14 2. Die 7. Kammer des Truppendienstgerichts Süd hatte daraufhin den damals noch aktiven Soldaten durch Urteil vom 27. November 2007 zum Unteroffizier degradiert und ihm die Verfahrenskosten auferlegt.

15 3. Auf die dagegen vom früheren Soldaten eingelegte und auf die Disziplinarmaßnahme beschränkte Berufung hob der Senat mit Urteil vom 10. Dezember 2008 - BVerwG 2 WD 8.08 (Buchholz 450.2 § 91 WDO 2002 Nr. 3 = NZWehrr 2009, 212) das erstinstanzliche Urteil auf und verwies die Sache zur nochmaligen Verhandlung und Entscheidung an eine andere Kammer des Truppendienstgerichts Süd zurück.

16 4. Die nunmehr zuständige 5. Kammer des Truppendienstgerichts Süd hat mit Urteil vom 17. November 2009 (ebenfalls) entschieden, dass der damals noch aktive Soldat in den Dienstgrad eines Unteroffiziers herabgesetzt werde; er habe auch die Verfahrenskosten zu tragen. Das Gericht hat folgenden Sachverhalt festgestellt:
„Wegen eigenmächtiger Abwesenheit wurde der Soldat aufgrund der Hauptverhandlung des Amtsgerichts R., Az 21 Ds 103 Js 17885/06 Kr, am 24.01.2007, rechtskräftig seit demselben Tage, wegen zweier eigenmächtiger Abwesenheiten zu einem Gesamtstrafarrest von drei Monaten sowie einer Fälschung von Gesundheitszeugnissen zu einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen zu je 40,-- Euro verurteilt. Die Vollstreckung des Strafarrestes wurde zur Bewährung ausgesetzt. Dem Soldaten wurden die Kosten des Verfahrens auferlegt.
In den gemäß § 267 Abs. 4 StPO abgekürzten Gründen wurde dem Soldaten der nachfolgende Sachverhalt, der die Kammer gemäß § 84 Abs. 1 WDO bindet, festgestellt:
‚Der Angeklagte ist Soldat auf Zeit (vom 01.11.2001 bis zum 31.10.2009) und in der …-Kaserne in G. stationiert.
Vom 04.10.2004 bis 30.06 .2006 war er zur Fachausbildungs-Kompanie R. zur Teilnahme an der ZAW-Maßnahme „Elektroniker Betriebstechnik“ kommandiert.
Im Rahmen der ZAW war er vom 04.10.2005 bis 23.12 .2005 zu einem Praktikum an die Uniklinik R. befohlen.
Vom 24.10.2005 bis 28.11 .2005 blieb er diesem Praktikum bewusst fern. Nachdem er vom 28.11.2005 bis 02.12 .2005 krankgeschrieben war, erschien er erneut bewusst nicht zum Praktikum bis 23.12.2005.
Zu einem unbekannten Zeitpunkt im Februar 2006 veränderte er auf seiner Stube …, Gebäude …, … in R. in der …-Kaserne eine Zweitschrift eines vom Standortsanitätszentrum in R. ausgestellten Krankenscheins. Dieser Krankenschein war ursprünglich am 28.11.2005 von der Ärztin Dr. B. ausgestellt worden.
Der Angeklagte änderte das Datum 28.11.2005 ohne Erlaubnis auf 28.10.2005 und setzte daneben eine nachgeahmte Unterschrift der Ärztin Dr. B. .
Diesen Krankenschein gab er dann seinem vorgesetzten Betreuungsfeldwebel, um eine Krankschreibung ab 28.10.2005 vorzutäuschen.’
Die Kammer hat keinen Anlass gesehen, sich von den gemäß § 84 Abs. 1 WDO bindenden tatsächlichen Feststellungen im sachgleichen Strafurteil zu lösen. Ergänzend hat die Kammer folgendes festgestellt:
In dem Praktikum, das der Soldat im Rahmen der ZAW-Maßnahme zu absolvieren hatte, überwog der theoretische Unterricht gegenüber der praktischen Ausbildung. Innerhalb der 21-monatigen ZAW-Ausbildung sollten zwei bis drei Praktika von je 4 bis 6 Wochen besucht werden. Der Soldat wurde zur Universitätsklinik R. eingeteilt. Dabei sollten die Kenntnisse, die schulisch erworben worden waren, in die Praxis umgesetzt werden. Nach Angaben des Soldaten bestand seine Aufgabe aber darin, hinter dem Hausmeister herzulaufen und Glühbirnen auszuwechseln. Nach einer Woche meldete er sich bei dem Praktikumsleiter der Betreuungsstelle und bat ihn um Abhilfe. Dieser setzte sich mit dem zuständigen Betreuer, Herrn A., in Verbindung und versuchte, den Soldaten umzusetzen, was aber nicht geschah. Der Soldat fühlte sich unterfordert und blieb dem Praktikum in den angeschuldigten Zeiträumen fern, indem er sich auf seiner Stube in der militärischen Unterkunft mit dem Lehrgangsstoff befasste.
In der Hauptverhandlung gab der Soldat an, von einem Befehl über das Zwischenpraktikum Elektroniker für Betriebstechnik nichts gewusst zu haben. Dieser regelt die Teilnahmezeiten am Praktikum und erklärt die vom Betrieb aufgestellten Zeitpläne für bindend. Der Soldat machte geltend, dass es nirgendwo eine Unterschrift von ihm gebe, dass er den entsprechenden Befehl erhalten habe. Wahrscheinlich habe er durch Herrn J., einen vom Berufsfortbildungswerk eingestellten zivilen Mitarbeiter, der für die Durchführung der Praktika zuständig gewesen sei, von dem Praktikum in der Klinik erfahren.
Bei der ZAW-Betreuungsstelle sei nur ein winziger Bruchteil militärisch organisiert gewesen. Den Rest hätten die Dozenten und Mitarbeiter des Berufsförderungswerkes gemacht. Der militärische Leiter, Oberleutnant L., hätte mit dem zivilen Personal nichts zu tun gehabt. Er sei nur für die militärische Organisation, wie Unterkunft und Verpflegung, zuständig gewesen. Herr J. hätte die Praktikabetriebe herausgesucht und diese zwar dem OLt L. vorgeschlagen, ansonsten hätte OLt L. mit der Ausbildung selbst nichts zu tun. Bei Beginn der ZAW-Maßnahme seien dem Soldaten die Vertreter des zivilen Bildungsträgers vorgestellt und ihm sei mitgeteilt worden, wer ihm gegenüber weisungsbefugt gewesen sei. Dies seien Herr J. und noch zwei bis drei andere zivile Beschäftigte gewesen. Von den notwendigen Praktika habe er jedoch erst später erfahren.
Er sei dem Praktikum ferngeblieben, weil er seinen Nutzen in keiner Weise eingesehen habe. Er habe gewusst, dass er selbst in bestimmten Bereichen der theoretischen Ausbildung Schwächen gehabt hätte und habe daher eigenständig entschieden, dem Praktikum fernzubleiben. Er habe versucht, seine Schwächen im Selbststudium in den Griff zu bekommen, wozu er sich am Dienstort und auf seiner Stube aufgehalten hätte. Er habe natürlich gewusst, dass er im Rahmen der Ausbildung an dem Praktikum teilnehmen musste, den Befehl dazu habe er aber nicht gesehen. Er habe auch nicht an der Infotafel in der Unterkunft der …-Kaserne ausgehangen, sondern an der Infotafel in der …-Kaserne. Dort habe er das Gebäude nicht betreten. Das Antreten habe vor dem Gebäude stattgefunden. Die Tafel und den Befehl habe er nie gesehen. Erst später, im Rahmen der Ermittlungen, habe ihn der Kompaniefeldwebel darauf aufmerksam gemacht.
Hinsichtlich Punkt 3 der Anschuldigung, der Verfälschung der Krankschreibung, räumte der Soldat den angeschuldigten Vorwurf in vollem Umfang ein. Sein Ziel sei es gewesen, das Fernbleiben vom Praktikum zu erklären. Sein Fehlen lasse sich dadurch erklären, dass nach seinem Eindruck die Teilnehmer der ZAW-Maßnahme aus militärischer Sicht völlig vernachlässigt seien. Den Betreuungsfeldwebel hätten sie nicht gesehen, außer, wenn sie selbst auf ihn zugegangen seien.
Er sehe jedoch ein, dass er vielleicht etwas an der Situation hätte ändern können, wenn er sich bei den militärischen Vorgesetzten, insbesondere dem OLt L., gemeldet hätte. Dies hätte er tun können. Die Ausbildungen an sich seien hervorragend gewesen, organisatorisch sowie militärisch sei jedoch einiges schief gelaufen.
Insgesamt hat die Kammer eine zweifache eigenmächtige Abwesenheit im vorgeworfenen Umfang festgestellt. Die Kammer ist ferner davon ausgegangen, dass der Soldat nach dem Bekanntwerden seiner Fehlzeiten in seiner Unterkunft in der …-Kaserne in R. im Februar 2006 die von ihm zuvor im Standortsanitätszentrum besorgte Zweitschrift eines durch StArzt Dr. B. erstellten Krankenscheins dahingehend fälschte, dass er unter Hinzufügung von ‚gez. B.’ die Monatsangabe ‚11’ durchstrich und sie durch ‚10’ ersetzte, damit der Eindruck entstehen sollte, er sei nicht ab dem 28.11., sondern bereits ab 28.10.2005 bis 02.12 .2005 krankgeschrieben gewesen. Das so gefälschte Papier händigte er dem Betreuungsfeldwebel aus, der die Fehlerhaftigkeit der Bescheinigung sogleich erkannte.
Diese Feststellungen entsprechen in ihrem Kerngehalt den bindenden Feststellungen des Sachverhalts des sachgleichen Strafurteils des Amtsgerichts R. vom 24.01.2007.“

17 Die Truppendienstkammer hat dann das strafrechtlich als eigenmächtige Abwesenheit bewertete Verhalten des damals aktiven Soldaten als vorsätzliche Verletzung seiner Pflicht zum treuen Dienen (§ 7 SG) gewürdigt. Mit den gefälschten Angaben gegenüber seinen militärischen Vorgesetzten habe er ferner vorsätzlich die Pflicht verletzt, in dienstlichen Angelegenheiten die Wahrheit zu sagen (§ 13 Abs. 1 SG). Zugleich habe er damit gegen die Pflicht verstoßen, sich achtungs- und vertrauensgerecht zu verhalten (§ 17 Abs. 2 Satz 1 SG). Soweit Gehorsamspflichtverletzungen (§ 11 SG) angeschuldigt seien, halte die Kammer diese nicht für erwiesen. Die festgestellten Pflichtverletzungen seien als einheitliches Dienstvergehen im Sinne des § 18 Abs. 2 WDO, § 23 Abs. 1 SG zu werten, für das der frühere Soldat gemäß § 10 Abs. 1 SG verschärft hafte.

18 Zur Bemessung der Disziplinarmaßnahme hat das Truppendienstgericht unter anderem ausgeführt, die sachgleiche Verhängung der Kriminalstrafe stehe dem Ausspruch einer „reinigenden“ Disziplinarmaßnahme nicht entgegen. Der damals aktive Soldat habe im Kernbereich seiner Dienstpflichten schwer versagt. Seine Abwesenheit habe sich auf zwei längere Zeiträume erstreckt. Zudem habe er versucht gehabt, sein Fehlverhalten durch die Fälschung des Krankenscheins zu verschleiern. Zugunsten des früheren Soldaten sei neben weiteren mildernden Umständen insbesondere zu berücksichtigen, dass er sich damals auf einer ZAW-Stelle befunden habe. Letztlich sei die Degradierung um einen Dienstgrad ausreichend. Dabei habe auch die lange Verfahrensdauer Berücksichtigung gefunden.

19 5. Gegen das ihm am 4. Januar 2010 zugestellte Urteil hat der damals noch aktive Soldat beim Bundesverwaltungsgericht am 1. Februar 2010 Berufung eingelegt und zur Begründung geltend gemacht:
„Ich bin schon von einem zivilen Gericht in R. zu einer Haftstrafe von drei Monaten auf Bewährung und zu einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen zu je 40 € verurteilt. Ich sehe eine geringe Geldstrafe hier für angemessener als die Herabsetzung meines Dienstgrades, weil ich kurz vor Beendigung meiner Dienstzeit bin und in meinen Augen ich schon genug bestraft wurde durch das Urteil vom Gericht R., das mir meinen weiteren beruflichen Werdegang in einer öffentlichen Behörde nicht mehr zulässt. Des Weiteren habe ich mir in meiner Dienstzeit nichts Größeres mehr geleistet und letztes Jahr einen sechsmonatigen …einsatz im Raum K. mitgemacht. Ich bitte Sie daher, meine Berufung anzunehmen und das Urteil des Truppendienstgerichtes aufzuheben.“

III

20 Die gemäß § 115 Abs. 1 Satz 1, § 116 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 WDO form- und fristgerecht eingelegte Berufung des früheren Soldaten ist nicht begründet. Die Truppendienstkammer hat ihn zu Recht zum Unteroffizier degradiert. Da das Dienstverhältnis des damals aktiven Soldaten auf Zeit inzwischen durch Zeitablauf beendet worden ist (§ 54 Abs. 1 Satz 1 SG) - was die Fortführung des gerichtlichen Disziplinarverfahrens nicht hindert (§ 82 Abs. 1 WDO) -, hat der Senat klargestellt, dass es sich nun um eine Herabsetzung in den Dienstgrad eines Unteroffiziers der Reserve handelt.

21 1. Die Abwesenheit des früheren Soldaten in der Berufungshauptverhandlung stand deren Durchführung sowie der Entscheidung des Senats über die Berufung nicht entgegen. Gemäß § 124 WDO findet - außer in den Fällen des § 104 Abs. 1 WDO - die Berufungshauptverhandlung auch dann ohne den Soldaten statt, wenn dieser ordnungsgemäß geladen und in der Ladung darauf hingewiesen worden ist, dass in seiner Abwesenheit verhandelt werden kann. Diese Vorschrift gilt auch für Verfahren gegen frühere Soldaten (Urteil vom 28. November 2007 - BVerwG 2 WD 28.06 - BVerwGE 130, 65 = Buchholz 450.2 § 124 WDO 2002 Nr. 1 <jeweils Rn. 22 ff.>). Ihre Voraussetzungen sind erfüllt. Der frühere Soldat war am 12. Februar 2011 zum Hauptverhandlungstermin am 4. Mai 2011 gemäß § 123 Satz 3 in Verbindung mit § 103 WDO ordnungsgemäß geladen und im Ladungsschreiben ausdrücklich darauf hingewiesen worden, dass in seiner Abwesenheit verhandelt werden kann.

22 2. Die Berufung ist nach ihrem Inhalt auf die Disziplinarmaßnahme beschränkt eingelegt worden. Die Feststellung des Dienstvergehens wird nicht in Frage gestellt. Der frühere Soldat hält die Verhängung einer milderen Maßnahme („geringere Geldstrafe“) für angemessener als die ausgesprochene Degradierung. Der Senat hat daher gemäß § 91 Abs. 1 Satz 1 WDO in Verbindung mit § 327 StPO die Tat- und Schuldfeststellungen sowie die disziplinarrechtliche Würdigung des Truppendienstgerichts seiner Entscheidung zugrunde zu legen und auf dieser Grundlage unter Berücksichtigung des Verschlechterungsverbotes (§ 91 Abs. 1 Satz 1 WDO in Verbindung mit § 331 StPO) über die angemessene Disziplinarmaßnahme zu befinden.

23 In dem angefochtenen Urteil der Truppendienstkammer sind ausreichende und widerspruchsfreie Tatfeststellungen getroffen worden. Dem Urteil kann mit hinreichender Sicherheit entnommen werden, von welchen schuldhaft begangenen Pflichtverletzungen der Senat aufgrund der erstinstanzlichen Tat- und Schuldfeststellungen auszugehen hat. Das Truppendienstgericht ist zunächst hinsichtlich der Anschuldigungspunkte 1 und 2 zu der Feststellung gelangt, dass der damals aktive Soldat im Rahmen der ZAW-Maßnahme von Montag, den 24. Oktober 2005 bis einschließlich Montag, den 28. November 2005, das heißt fünf Wochen und einen Tag, sowie von Montag, den 5. Dezember 2005 bis einschließlich Freitag, den 23. Dezember 2005, das heißt drei Wochen, „eigenmächtig abwesend“ war. Dieses Verhalten hat die Truppendienstkammer als vorsätzliche Verletzung der Pflichten zum treuen Dienen (§ 7 SG) sowie zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten (§ 17 Abs. 2 Satz 1 SG) gewertet. Hinzu kommt die von der Vorinstanz festgestellte Pflichtverletzung im Anschuldigungspunkt 3 (Vorlage des vom Soldaten verfälschten Krankenmeldescheins im Februar 2006), die als vorsätzlicher Verstoß gegen § 13 Abs. 1 und § 17 Abs. 2 Satz 1 SG qualifiziert wird. Diese Feststellungen, die ein einheitliches Dienstvergehen (§ 18 Abs. 2 WDO, § 23 Abs. 1 SG) darstellen, sind eindeutig und widerspruchsfrei und damit für den Senat bindend.

24 3. Bei der Bemessung der Disziplinarmaßnahme ist von der von Verfassungs wegen allein zulässigen Zwecksetzung des Wehrdisziplinarrechts auszugehen. Diese besteht ausschließlich darin, dazu beizutragen, einen ordnungsgemäßen Dienstbetrieb wiederherzustellen und/oder aufrechtzuerhalten („Wiederherstellung und Sicherung der Integrität, des Ansehens und der Disziplin in der Bundeswehr“, vgl. dazu Urteil vom 11. Juni 2008 - BVerwG 2 WD 11.07 - Buchholz 450.2 § 38 WDO 2002 Nr. 26 m.w.N.). Bei Art und Maß der Disziplinarmaßnahme sind nach § 58 Abs. 7 i.V.m § 38 Abs. 1 WDO Eigenart und Schwere des Dienstvergehens und seine Auswirkungen, das Maß der Schuld, die Persönlichkeit, die bisherige Führung und die Beweggründe des früheren Soldaten zu berücksichtigen.

25 a) Eigenart und Schwere des Dienstvergehens bestimmen sich nach dem Unrechtsgehalt der Verfehlungen, d.h. nach der Bedeutung der verletzten Dienstpflichten. Danach wiegt das Dienstvergehen des früheren Soldaten sehr schwer.

26 Das Gewicht der Verfehlungen liegt in der Verletzung der Pflicht zum treuen Dienen (§ 7 SG). Sie gehört zu den zentralen Pflichten eines Soldaten. Ihre Verletzung ist in der Regel schon deshalb von erheblicher Bedeutung. Der besondere Unrechtsgehalt des Dienstvergehens ergibt sich zunächst daraus, dass der frühere Soldat nicht nur gegen seine soldatische Pflicht zur Dienstleistung, sondern auch gegen seine Pflicht zur Loyalität gegenüber der Rechtsordnung, vor allem der Beachtung der Strafgesetze, in erheblichem Umfang verstoßen und kriminelles Unrecht - vorsätzliche eigenmächtige Abwesenheit gemäß § 15 Abs. 1 WStG und Vorlage eines von ihm gefälschten Gesundheitszeugnisses gemäß § 277 StGB - begangen hat; er ist auch entsprechend rechtskräftig verurteilt worden.

27 Ein Soldat, der der Truppe unerlaubt fernbleibt, versagt - unabhängig davon, ob es strafrechtlich als Fahnenflucht oder eigenmächtige Abwesenheit, wie hier, zu beurteilen ist - im Kernbereich seiner Dienstpflichten. Gerade bei einem aufgrund freiwilliger Verpflichtung berufenen Soldaten gehören Anwesenheit und Dienstleistung zu den zentralen Dienstpflichten. Die Bundeswehr kann die ihr obliegenden Aufgaben nur dann hinreichend erfüllen, wenn nicht nur das innere Gefüge der Streitkräfte so gestaltet ist, dass sie ihren militärischen Aufgaben gewachsen ist, sondern auch ihre Angehörigen im erforderlichen Maße jederzeit präsent und einsatzbereit sind. Der Dienstherr muss sich darauf verlassen können, dass jeder Soldat seinen Pflichten zur Verwirklichung des Verfassungsauftrages der Bundeswehr nachkommt und alles unterlässt, was dessen konkreter Wahrnehmung zuwider läuft. Dazu gehören insbesondere die Pflichten zur Anwesenheit und gewissenhaften Dienstleistung (vgl. z.B. Urteil vom 26. Januar 2006 - BVerwG 2 WD 2.05 - Buchholz 449 § 7 SG Nr. 50).

28 Von erheblichem Gewicht ist auch die Verletzung der Wahrheitspflicht (§ 13 Abs. 1 SG). Ein Soldat, der gegenüber Vorgesetzten und Dienststellen der Bundeswehr in dienstlichen Angelegenheiten unwahre Erklärungen abgibt, büßt hierdurch allgemein seine Glaubwürdigkeit ein. Die Bedeutung der Wahrheitspflicht kommt schon darin zum Ausdruck, dass diese - anders als z.B. bei Bundesbeamten - für Soldaten gesetzlich ausdrücklich geregelt ist. Eine militärische Einheit kann nicht ordnungsgemäß geführt werden, wenn sich die Führung und die Vorgesetzten nicht auf die Richtigkeit abgegebener Meldungen, Erklärungen und Aussagen Untergebener verlassen können. Denn auf ihrer Grundlage müssen im Frieden und erst Recht im Einsatzfall gegebenenfalls Entschlüsse von erheblicher Tragweite gefasst werden. Wer als Soldat aus Anlass angeblicher krankheitsbedingter Dienstabwesenheit gegenüber dem Betreuungsfeldwebel vorsätzlich unrichtige Angaben macht, lässt unmissverständlich erkennen, dass seine Bereitschaft zur Erfüllung der Wahrheitspflicht nicht vorhanden ist. Eine solche Dienstpflichtverletzung und die daraus folgende Beschädigung seiner persönlichen Integrität haben damit erhebliche Bedeutung für die militärische Verwendungsfähigkeit des Soldaten (vgl. dazu z.B. Urteile vom 25. Juni 2009 - BVerwG 2 WD 7.08  - Buchholz 450.2 § 38 WDO 2002 Nr. 29 und vom 4. September 2009 - BVerwG 2 WD 17.08 - <insoweit jeweils nicht veröffentlicht in BVerwGE 134, 379, in Buchholz 450.2 § 13 WDO 2002 Nr. 1 und in NZWehrr 2010, 114> m.w.N.).

29 Aber auch die Verletzung der Pflicht zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten (§ 17 Abs. 2 Satz 1 SG) wiegt schwer. Die Pflicht zur Wahrung von Achtung und Vertrauen ist kein Selbstzweck, sondern hat funktionalen Bezug zur Erfüllung des grundgesetzmäßigen Auftrages der Streitkräfte und zur Gewährleistung des militärischen Dienstbetriebs. Ein Soldat, insbesondere - wie hier - ein Vorgesetzter, bedarf der Achtung seiner Kameraden und Untergebenen sowie des Vertrauens seiner Vorgesetzten, um seine Aufgaben so zu erfüllen, dass der gesamte Ablauf des militärischen Dienstes gewährleistet ist. Dabei kommt es nicht darauf an, ob eine Beeinträchtigung der Achtungs- und Vertrauenswürdigkeit tatsächlich eingetreten ist, sondern nur darauf, ob das festgestellte Verhalten dazu geeignet war (stRspr, z.B. Urteil vom 13. Januar 2011 - BVerwG 2 WD 20.09 - juris, m.w.N.). Das war hier der Fall.

30 Eigenart und Schwere des Dienstvergehens werden hier schließlich auch durch die Tatumstände bestimmt. Es handelt sich nicht um ein einmaliges Fehlverhalten des früheren Soldaten; dieser hat innerhalb von fünf Monaten vielmehr dreimal schwer versagt, wobei der Fernbleibenszeitraum insgesamt über acht Wochen betrug. Gravierend belastet den früheren Soldaten auch das vorsätzliche Fehlverhalten im Anschuldigungspunkt 3. Der frühere Soldat ging hier gezielt vor, indem er sich im Standortsanitätszentrum die Zweitschrift des Krankenmeldescheines besorgte, diese eigenhändig verfälschte und danach seinem Betreuungsfeldwebel zur Verschleierung seiner eigenmächtigen Abwesenheit vorlegte. Ferner wiegt schwer, dass der frühere Soldat aufgrund seines Dienstgrades als Stabsunteroffizier - sechs Wochen vor Beginn seines Fehlverhaltens war er in diesen Dienstgrad befördert worden - in einem Vorgesetztenverhältnis stand (§ 1 Abs. 3 SG in Verbindung mit § 4 Abs. 1 Nr. 3 und Abs. 3 VorgV). Soldaten in Vorgesetztenstellung obliegt eine erhöhte Verantwortung für die Wahrung dienstlicher Interessen. Wegen seiner herausgehobenen Stellung ist ein Vorgesetzter in besonderem Maße für die ordnungsgemäße Erfüllung seiner Dienstpflichten verantwortlich und unterliegt damit im Falle einer Pflichtverletzung einer verschärften Haftung, da Vorgesetzte in ihrer Haltung und Pflichterfüllung ein Beispiel geben sollen (§ 10 Abs. 1 SG). Dabei ist nicht erforderlich, dass es der Soldat bei seinem Fehlverhalten innerhalb eines konkreten Vorgesetztenverhältnisses an Beispielhaftigkeit hat fehlen lassen. Es reicht das Innehaben einer Vorgesetztenstellung aufgrund des Dienstgrades aus (vgl. dazu Urteil vom 13. Januar 2011 a.a.O., m.w.N.).

31 b) Das Dienstvergehen, begangen im Rahmen einer ZAW-Maßnahme, hatte keine unmittelbaren nachteiligen Auswirkungen für den Dienstbetrieb. Trotz der eigenmächtigen Abwesenheit beendete der frühere Soldat die ZAW-Maßnahme erfolgreich innerhalb der Zeitvorgabe. Eine ordnungsgemäße Teilnahme am Praktikum war nicht Voraussetzung für die Zulassung zur Abschlussprüfung. Es gibt auch keine Anhaltspunkte dafür, dass das Dienstvergehen bei den Untergebenen bekannt geworden ist.

32 c) Die Beweggründe des früheren Soldaten sind von eigennützigem Handeln geprägt. Eigennützigkeit ist schon dann gegeben, wenn der Soldat (auch) aus persönlichen Gründen gehandelt hat (vgl. z.B. Urteil vom 10. Februar 2010 - BVerwG 2 WD 9.09 - juris, m.w.N.). Das war hier sowohl hinsichtlich des unerlaubten Fernbleibens vom Dienst als auch hinsichtlich der Vorlage des verfälschten Krankenmeldescheins der Fall.

33 d) Das Maß der Schuld des früheren Soldaten wird vor allem dadurch bestimmt, dass er vorsätzlich gehandelt hat. Hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass er zur Tatzeit im Sinne des § 21 StGB erheblich vermindert schuldfähig gewesen sein könnte, sind nicht ersichtlich und werden auch nicht geltend gemacht; Entsprechendes gilt für mögliche Milderungsgründe in den Umständen der Tat im Tatzeitraum von Oktober 2005 bis Februar 2006.

34 e) Im Hinblick auf die Zumessungskriterien „Persönlichkeit“ und „bisherige Führung“ sprechen für den disziplinar- und strafrechtlich nicht vorbelasteten früheren Soldaten zunächst seine ordentlichen dienstlichen Leistungen, die sich auch im Ergebnis der Sonderbeurteilungen („5,60“ und „5,30“ bei möglicher Bestnote „9“) widerspiegeln. Ferner ist zu seinen Gunsten zu berücksichtigen, dass er während der Dauer der „eigenmächtigen Abwesenheit“ nicht etwa nach Hause fuhr, sondern sich in der Kaserne auf seine Prüfung vorbereitete, die er dann auch bestand.

35 Der …-Einsatz des früheren Soldaten nach Begehung des Dienstvergehens ist zwar anerkennenswert, jedoch nicht geeignet, als „Nachbewährung“ das Dienstvergehen in milderem Licht erscheinen zu lassen. Der letzten Aussage des Leumundszeugen Hauptmann H. zufolge hatte der frühere Soldat in A. den in ihn gesetzten Leistungserwartungen nicht entsprochen.

36 Das Persönlichkeitsbild des früheren Soldaten wird aber dadurch erheblich belastet, dass er erst seit der Vernehmung am 22. August 2006 geständig ist und Einsicht und Reue gezeigt, zuvor jedoch dienstliche Erklärungen abgegeben hat, in denen er das angeschuldigte Verhalten ausdrücklich bestritt.

37 Ferner ist erschwerend zu berücksichtigen, dass der frühere Soldat während des Laufs des ersten Berufungsverfahrens erneut wegen Fernbleibens vom Dienst negativ aufgefallen war und durch eine am 4. November 2008 verhängte Disziplinarbuße über 400 € ermahnt werden musste. Bedenken gegen die Verwertbarkeit dieser einfachen Disziplinarmaßnahme im vorliegenden Verfahren im Rahmen der Persönlichkeitsbeurteilung bestehen nicht (vgl. § 8 Abs. 2 WDO). Es liegt insoweit auch kein Verstoß gegen den Grundsatz der Einheit des Dienstvergehens vor. Denn eine „gleichzeitige Entscheidung“ im Sinne des § 18 Abs. 2 WDO schied aus, da sich das vorliegende Verfahren bereits in der Berufungsinstanz befand. Neue Vorwürfe dürfen gemäß § 99 Abs. 2 WDO nur erstinstanzlich im Wege der Nachtragsanschuldigung in das Verfahren einbezogen werden.

38 f) Bei der Gesamtwürdigung aller vorgenannter be- und entlastender Umstände ist im Hinblick auf die Bemessungskriterien des § 38 Abs. 1 WDO und die Zwecksetzung des Wehrdisziplinarrechts der Ausspruch einer - gemäß § 58 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 in Verbindung mit § 62 Abs. 1 Satz 4 und 3 WDO zulässigen - Degradierung des früheren Soldaten, der wegen des noch bis Juli 2012 bestehenden Anspruchs auf Übergangsgebührnisse gemäß § 1 Abs. 3 WDO disziplinarrechtlich als Soldat im Ruhestand gilt (vgl. dazu auch Urteil vom 27. Januar 2011 - BVerwG 2 WD 39.09  - und Dau, WDO, 5. Aufl. 2009, § 1 Rn. 49 m.w.N.), zum Unteroffizier der Reserve erforderlich und angemessen. Die Verhängung einer milderen Disziplinarmaßnahme, wie mit der Berufung beantragt, kommt nicht in Betracht.

39 Bei der konkreten Bemessung der Disziplinarmaßnahme geht der Senat in seiner gefestigten Rechtsprechung (vgl. z.B. Urteil vom 10. Februar 2010 a.a.O.) von einem zweistufigen Prüfungsschema aus:
aa) Auf der ersten Stufe bestimmt er im Hinblick auf das Gebot der Gleichbehandlung (Art. 3 Abs. 1 GG) vergleichbarer Fälle sowie im Interesse der rechtsstaatlich gebotenen Rechtssicherheit und Voraussehbarkeit der Disziplinarmaßnahme eine Regelmaßnahme für die in Rede stehende Fallgruppe als „Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen“.

40 Vorliegend ist auf dieser ersten Stufe für Fälle des (vorsätzlichen) eigenmächtigen Fernbleibens eines Soldaten von der Truppe aus spezial- und generalpräventiven Gründen bei kürzerer unerlaubter Abwesenheit nach der Rechtsprechung des Senats Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen grundsätzlich eine Dienstgradherabsetzung, gegebenenfalls bis in einen Mannschaftsdienstgrad; bei länger dauernder, wiederholter eigenmächtiger Abwesenheit oder Fahnenflucht ist das Dienstvergehen so schwerwiegend, dass es regelmäßig die Entfernung aus dem Dienstverhältnis oder den Ausspruch der sonst gebotenen Höchstmaßnahme indiziert (vgl. zuletzt Urteil vom 4. September 2009 - BVerwG 2 WD 17.08 - insoweit jeweils nicht veröffentlicht in BVerwGE 134, 379, in Buchholz 450.2 § 13 WDO 2002 Nr. 1 und in NZWehrr 2010, 114, m.w.N.). Für ein unerlaubtes Fernbleiben von einer ZAW-Maßnahme gilt grundsätzlich nichts anderes. Der Umstand, dass sich der frühere Soldat damals auf einer ZAW-Stelle befand, verändert den Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen nicht. Der Senat hat dazu im Beschluss vom 19. August 2009 - BVerwG 2 WD 31.08 - (Buchholz 450.2 § 121 WDO 2002 Nr. 1 Rn. 30 ff.) - ausgeführt:
„(2) Soweit ersichtlich, hat der Senat bisher nicht entschieden, ob das ungenehmigte Fernbleiben von einer Ausbildung im Rahmen der - während der Dienstzeit erfolgenden - ‚Zivilberuflichen Aus- und Weiterbildung’ (ZAW) ebenso wie das Fernbleiben von berufsfördernden Maßnahmen am Dienstzeitende milder zu bewerten ist als ein Fernbleiben vom aktiven militärischen Dienst. Einer solchen Analogie stehen jedoch erhebliche Bedenken entgegen. Zu berücksichtigen sind eine Reihe bedeutsamer Unterschiede zwischen ZAW-Maßnahmen und Maßnahmen im Rahmen der Berufsförderung am Dienstzeitende.
Wie der Senat im Verfahren BVerwG 2 WD 21.08 in der Berufungshauptverhandlung zum Ausdruck gebracht hat (vgl. Protokoll der Hauptverhandlung vom 29. April 2009), ist die Zivilberufliche Aus- und Weiterbildung eine militärfachliche Maßnahme für eine nachfolgende militärische Verwendung, die allerdings für den betreffenden Soldaten zugleich einen zivilberuflichen Vorteil mit sich bringt. Sie unterscheidet sich darin von Berufsförderungsmaßnahmen am Ende der Dienstzeit, die gerade darauf abzielen, einen geordneten Übergang in ein ziviles Berufsleben zu ermöglichen. ZAW-Maßnahmen sind nicht selten „militärisch“ organisiert. Teilnehmer werden häufig zu einer Hörsaal-Gruppe zusammengefasst. Lediglich die fachbezogene Ausbildungsdurchführung obliegt einem beauftragten zivilen Ausbildungsträger, die Durchführung der Ausbildung im Übrigen hingegen dem dafür eingeteilten militärischen Vorgesetzten. Insgesamt liegt damit hinsichtlich der fortbestehenden Eingliederung in den militärischen Dienstbetrieb nur ein relativ geringer Unterschied gegenüber dem militärischen Dienst vor.
Aber auch soweit Teilnehmer an einer ZAW-Maßnahme weniger stark militärisch eingebunden sind, bestehen zwischen dieser und einer BFD-Maßnahme am Dienstzeitende wesentliche Unterschiede, die Veranlassung zu einer differenzierten Betrachtung geben. Teilnehmer an einer ZAW-Maßnahme werden nach Beendigung der Ausbildung stets wieder in die Truppe eingegliedert. Der Ausbildungserfolg des Teilnehmers an der ZAW-Maßnahme ist somit von unmittelbarer dienstlicher Bedeutung, weil nur so die bereits im Vorfeld ausgeplanten Dienstposten bedarfsgerecht besetzt werden können. Während eine Berufsförderungsmaßnahme am Dienstzeitende den betreffenden Soldaten allein auf seine zivile Weiterbeschäftigung vorbereitet, also auf seine ‚Ausgliederung’ aus der Bundeswehr abzielt, werden mit der ZAW-Maßnahme hingegen die ‚kompetente Wiedereingliederung’ des Teilnehmers in ein militärisch geprägtes Umfeld und eine verbesserte Einsatzfähigkeit bezweckt. Vergleichbar mit den an einer Bundeswehruniversität studierenden Soldaten, die ebenfalls nach Beendigung des Studiums wieder in den militärischen Bereich zurückkehren, oder mit Soldaten, die in zivilen Organisationen der Bundeswehr tätig sind, gilt auch für Maßnahmen der ZAW, dass auch der ‚zivilnahe’ Dienst stets auf militärische Erfordernisse ausgerichtet ist. Anders als von den Teilnehmern an einer dienstzeitbeendenden berufsfördernden Maßnahme, wird von den Teilnehmern einer ZAW-Maßnahme eine dienstliche Leistung verlangt, die sie auf ihre weitere militärische Verwendung vorbereiten und hierfür qualifizieren soll, um künftig die ihnen zu übertragenden Aufgaben auf möglichst hohem Niveau erfüllen zu können. Unerlaubtes Fernbleiben von einer ZAW-Maßnahme ist daher im Regelfall mit einem ungenehmigten Fernbleiben eines ‚aktiven Soldaten’ vom rein militärischen Dienst vergleichbar.“

41 Ein solcher Regelfall liegt auch hier vor. Die ZAW-Maßnahme erfolgte etwa in der Mitte der neunjährigen Dienstzeit des früheren Soldaten. Dieser blieb in den militärischen Dienstbetrieb eingegliedert. Seine Ausbildung war dienstförderlich. Nach Beendigung der ZAW-Maßnahme leistete er noch über vier Jahre militärischen Dienst.

42 Nach alledem ist bei dem in den Anschuldigungspunkten 1 und 2 bindend festgestellten vorsätzlich unerlaubten Fernbleiben vom Dienst von insgesamt über acht Wochen - einem nach der Rechtsprechung langen Abwesenheitszeitraum - bereits die Aberkennung des Ruhegehalts gemäß § 58 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 in Verbindung mit § 67 Abs. 4 WDO, jedenfalls aber eine Degradierung bis in einen Mannschaftsdienstgrad indiziert.

43 Im Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen ist zusätzlich aber noch die schwere vorsätzliche Verfehlung im Anschuldigungspunkt 3 zu berücksichtigen. Hinsichtlich des über fünfwöchigen Fernbleibenszeitraums im Anschuldigungspunkt 1 hat der frühere Soldat durch Vorlage des von ihm verfälschten Krankenmeldescheins seinen Vorgesetzten über einen insgesamt erheblichen Zeitraum angeblich nicht bestehender Dienstfähigkeit - zur Verdeckung einer Wehrstraftat und Dienstpflichtverletzung - in strafbarer Weise getäuscht. Wenn auch im Hinblick auf die mögliche disziplinarrelevante Variationsbereite derartiger Pflichtverletzungen generell anwendbare Rechtsprechungsgrundsätze zur Ahndung einer solchen Pflichtwidrigkeit fehlen, ist doch davon auszugehen, dass ihnen erhebliches disziplinarisches Gewicht zukommt. Die Sicherheit des Urkundenverkehrs ist für die öffentliche Verwaltung, hier die Bundeswehr, von besonderer Bedeutung. Sie muss sich bei ihren Entscheidungen nicht selten auf Urkunden stützen und ist dabei auf deren Echtheit angewiesen. Ein Soldat, der sich darüber hinwegsetzt, erleidet ein hohes Maß an Vertrauenseinbuße. Dies gilt auch dann, wenn sich die Bedeutung der Urkunde ausschließlich auf den dienstinternen Bereich zwischen Dienstherrn und Soldaten bezieht, wie hier bei der Vorlage eines Krankenmeldescheins. Im Hinblick auf die sich aus einer solchen Vorlage ergebenden Konsequenzen bezüglich einer möglichen Freistellung von der Grundpflicht zur Dienstleistung kommt derartigen Urkunden, auf deren Echtheit der Vorgesetzte mangels eigener Kontrollmöglichkeit vertrauen muss, eine, auch für den Soldaten erkennbare, erhebliche Bedeutung zu (vgl. zur Vorlage einer gefälschten Dienstunfähigkeitsbescheinigung durch einen Beamten z.B. Urteil vom 15. Oktober 2003 - BVerwG 1 D 9.03 - m.w.N.; nicht veröffentlicht).

44 Jedenfalls ist damit - insgesamt gesehen - im Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen die Aberkennung des Ruhegehalts indiziert.

45 bb) Auf der zweiten Stufe ist dann zu prüfen, ob im konkreten Einzelfall im Hinblick auf die in § 38 Abs. 1 WDO normierten Bemessungskriterien und die Zwecksetzung des Wehrdisziplinarrechts Umstände vorliegen, die die Möglichkeit einer Milderung gegenüber der auf der ersten Stufe in Ansatz gebrachten Regelmaßnahme eröffnen.

46 Der Ausspruch einer Disziplinarmaßnahme unterhalb der Aberkennung des Ruhegehalts ist hier schon wegen der Geltung des Verschlechterungsverbotes vorzunehmen. Da es aber im Rahmen der Gesamtwürdigung an durchgreifenden mildernden oder entlastenden Umständen mangelt, verbleibt es bei der erstinstanzlichen Degradierung des Soldaten zum Unteroffizier, jetzt „der Reserve“. Das ergibt sich aus folgenden Erwägungen:
Der disziplinar- und strafrechtlich nicht vorbelastete frühere Soldat kann sich zu seiner Entlastung neben einem insgesamt positiven Leistungsbild im Wesentlichen nur auf die Tatsache berufen, dass sich die eigenmächtige Abwesenheit im Rahmen der ZAW-Maßnahme nicht nachteilig auf den Dienstbetrieb ausgewirkt und er die Zeit zur Prüfungsvorbereitung genutzt hat. Weitere durchgreifende Milderungsgründe stehen ihm aber nicht zur Seite. Dies kann anstelle der an sich verwirkten disziplinarischen Höchstmaßnahme nicht den Ausspruch einer milderen Disziplinarmaßnahme rechtfertigen. Die Anforderungen, die an entlastende Umstände zu stellen sind, werden durch die Schwere des Dienstvergehens bestimmt. Daran gemessen werden die Anforderungen hier nicht erfüllt. Denn im Grunde kann von jedem Soldaten erwartet werden, dass er sich inner- wie außerdienstlich gesetzestreu verhält und beanstandungsfreie dienstliche Leistungen erbringt (vgl. zum Beamtendisziplinarrecht Urteil vom 8. März 2005 - BVerwG 1 D 15.04 - insoweit nicht veröffentlicht in Buchholz 232 § 77 BBG Nr. 24, m.w.N.). Im Übrigen sind der Charakter eines Menschen und die Wertung seiner Festigkeit und Lauterkeit unteilbar. Ein im Charakter deutlich werdender Persönlichkeitsmangel, der hier vor allem in der Vorlage des verfälschten Krankenmeldescheins zum Ausdruck kommt, kann nicht dadurch relativiert oder sogar kompensiert werden, dass der Soldat sonst im dienstlichen Bereich die erforderliche Disziplin wahrt, sich tadelfrei führt und in seinen dienstlichen Leistungen die Erwartungen des Dienstherrn erfüllt oder sogar übertrifft (Urteil vom 14. Oktober 2009 - BVerwG 2 WD 16.08 - Buchholz 449 § 17 SG Nr. 43).

47 Eine noch mildere Beurteilung des Dienstvergehens mit der Folge, dass lediglich gemäß § 58 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 WDO auf Kürzung des Ruhegehalts - hier Kürzung der Übergangsgebührnisse (§ 67 Abs. 1 WDO) - zu erkennen wäre, ist auch nicht wegen der langen Verfahrensdauer des Disziplinarverfahrens geboten, das grundsätzlich von Art. 6 EMRK erfasst wird (EuGH, Urteil vom 16. Juli 2009 - 8453/04 - NVwZ 2010, 1015 <1016>). Zwar liegt das Dienstvergehen im Zeitpunkt der Berufungshauptverhandlung (Mai 2011) bereits über fünf Jahre zurück. Dies ist hier jedoch nicht geeignet, anstelle der an sich verwirkten Höchstmaßnahme lediglich eine Ruhegehaltskürzung auszusprechen. Zum einen ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Beschluss vom 9. August 2006 - 2 BvR 1003/05 - DVBl 2006, 1372) und des Bundesverwaltungsgerichts (z.B. Urteil vom 19. Juni 2008 - BVerwG 1 D 2.07 - Buchholz 235 § 25 BDO Nr. 5 und Beschluss vom 1. September 2009 - BVerwG 2 B 34.09 - juris; vgl. auch Dau, WDO, 5. Auflage 2009, § 38 Rn. 11, jeweils m.w.N.) eine überlange Verfahrensdauer nur dann mildernd zu berücksichtigen, wenn es (- anders als hier - nicht nur aus Rechtsgründen) um den Ausspruch einer Disziplinarmaßnahme unterhalb der Höchstmaßnahme geht, an deren Verhängung der Senat lediglich durch das Verschlechterungsverbot gehindert ist. Diese Auffassung hat der Gesetzgeber insofern bestätigt, als er in § 17 WDO (Zeitablauf) die Herabsetzung in der Besoldungsgruppe, die Dienstgradherabsetzung, Entfernung aus dem Dienstverhältnis und die Aberkennung des Ruhegehalts vom Verhängungsverbot wegen Zeitablaufs ausgenommen hat. Zum anderen hat die Vorinstanz die lange Verfahrensdauer bereits beim Ausspruch der Degradierung berücksichtigt (Urteilsabdruck S. 13).

48 Im Hinblick auf die Schwere des Dienstvergehens und den Zweck des Wehrdisziplinarrechts, aus spezial- und generalpräventiven Gründen durch die im Gesetz vorgesehene Disziplinarmaßnahme einen ordnungsgemäßen Dienstbetrieb wiederherzustellen und aufrechtzuerhalten, ist es daher erforderlich, die Degradierung zum Unteroffizier (der Reserve) zu bestätigen. Neben spezialpräventiven Erwägungen ist die Dienstgradherabsetzung insbesondere deshalb geboten, weil diese Maßnahme über ihren (engeren) Zweck hinaus bekanntermaßen auch pflichtenmahnende Wirkung auf die Angehörigen der Bundeswehr im Allgemeinen hat (Generalprävention). Der frühere Soldat hat nicht nur als Vorgesetzter Straftaten begangen und seinen Untergebenen wiederholt ein schlechtes Beispiel gegeben, sondern auch etwa in der Mitte seines auf insgesamt neun Jahre angelegten Dienstverhältnisses - alsbald nach seiner Beförderung zum Stabsunteroffizier - schwer versagt.

49 g) Entgegen dem Berufungsvorbringen des früheren Soldaten ist für die Bemessung der Disziplinarmaßnahme unerheblich, dass dieser damals kurz vor dem Ende seiner Dienstzeit stand (Urteil vom 4. März 2009 - BVerwG 2 WD 10.08 - Buchholz 450.2 § 38 WDO 2002 Nr. 27); inzwischen gilt er - wie dargelegt - gemäß § 1 Abs. 3 WDO als Soldat im Ruhestand (aa). Disziplinarbemessungsrechtlich ohne Bedeutung ist auch die sachgleiche strafrechtliche Verurteilung (bb). Die auszusprechende Degradierung zum Unteroffizier der Reserve verstößt auch nicht gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (cc).

50 aa) Die Disziplinarmaßnahmen gemäß § 58 Abs. 2 WDO gegen Soldaten im Ruhestand sowie gegen frühere Soldaten, die als Soldaten im Ruhestand gelten, beruhen neben dem Gedanken der Generalprävention und der Wahrung des Ansehens des Dienstherrn bzw. der Streitkräfte vor allem auf dem Grundsatz der Gleichbehandlung der Soldaten (Art. 3 Abs. 1 GG), soweit es - wie hier - um eine Sanktion wegen eines im aktiven Soldatenverhältnis begangenen Dienstvergehens geht (vgl. Urteil vom 27. Februar 2002 - BVerwG 2 WD 18.01 - Buchholz 236.1 § 7 SG Nr. 46 = NZWehrr 2002, 211). Danach soll ein Soldat, der nach einem Dienstvergehen in den „Ruhestand“ tritt, grundsätzlich nicht besser gestellt werden als ein Soldat, der - bei vergleichbarem Fehlverhalten - im aktiven Dienst verbleibt. Auf diese Weise wird die disziplinarische Erfassung der Verfehlung nicht von dem mehr oder weniger zufälligen oder gesteuerten Ausscheiden aus dem aktiven Dienst abhängig gemacht. Der Gesetzgeber hat aber den Katalog der für „frühere Soldaten“ vorgesehenen Disziplinarmaßnahmen in § 58 Abs. 2 und 3 WDO eingeschränkt.

51 bb) Die Verhängung einer milderen Disziplinarmaßnahme ist auch nicht mit Rücksicht auf die sachgleiche strafrechtliche Verurteilung des früheren Soldaten geboten. Steht im Einzelfall - wie hier - § 16 WDO (Verhältnis der Disziplinarmaßen zu Strafen und Ordnungsmaßnahmen) der Zulässigkeit des Ausspruchs einer Disziplinarmaßnahme nicht entgegen, ist die Art oder Höhe einer Kriminalstrafe oder sonstigen Strafsanktion für die Gewichtung der Schwere des sachgleichen Dienstvergehens regelmäßig nicht von ausschlaggebender Bedeutung. Strafverfahren und Disziplinarverfahren verfolgen unterschiedliche Zwecke. Die Kriminalstrafe unterscheidet sich nach Wesen und Zweck grundlegend von der Disziplinarmaßnahme. Während erstere neben Abschreckung und Besserung der Vergeltung und Sühne für begangenes Unrecht gegen den allgemeinen Rechtsfrieden dient, ist die disziplinarische Ahndung darauf ausgerichtet, unter Beachtung des Gleichbehandlungsgrundsatzes einen geordneten und integren Dienstbetrieb aufrechtzuerhalten oder wiederherzustellen, indem sie denjenigen, der die ihm obliegenden Dienstpflichten schuldhaft verletzt hat, entweder durch eine erzieherische Maßnahme zu künftig pflichtgemäßem Verhalten mahnt oder ihn aus dem Dienstverhältnis entfernt bzw. die sonst gebotene Höchstmaßnahme ausspricht (vgl. zuletzt Urteil vom 13. Januar 2011 - BVerwG 2 WD 20.09 - juris, m.w.N.).

52 cc) Die vom Truppendienstgericht ausgesprochene Degradierung verstößt auch nicht gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Entsprechend dem bereits dargelegten Zweck des Wehrdisziplinarrechts ist es notwendig, die Disziplinarmaßnahme auszusprechen, die dem Gewicht des Dienstvergehens und dem dadurch eingetretenen Vertrauensschaden entspricht. Hat beides, wie im vorliegenden Fall, erhebliches Gewicht, so ist der wirtschaftliche und berufliche Nachteil, der für den früheren Soldaten durch die Degradierung eintritt, nicht unverhältnismäßig. Er liegt als gesetzlich vorgesehene (vgl. § 62 WDO) und daher vorhersehbare Rechtsfolge in seinem persönlichen Verantwortungsbereich und ist seinem schuldhaft pflichtwidrigen Verhalten zuzurechnen. Dies ist hier nicht deshalb anders zu beurteilen, weil der frühere Soldat wegen seines bereits erfolgten Ausscheidens aus dem aktiven Dienst nicht mehr mit einer Beförderung rechnen kann. Auch unter diesem Blickwinkel ist die Dienstgradherabsetzung nicht unverhältnismäßig. Da kein Rechtsanspruch auf Beförderung besteht, geht das Gesetz bei einer gebotenen Degradierung davon aus, dass der Soldat den durch die Disziplinarmaßnahme erlangten Status endgültig beibehält, d.h. sich die Übergangsleistungen gemäß § 62 Abs. 2, § 135 Abs. 4 WDO auf Dauer nach dem niedrigeren Dienstgrad bestimmen (vgl. dazu insgesamt Urteil vom 27. April 1994 - BVerwG 2 WD 38.93 - BVerwGE 103, 104 <109 f.> = NZWehrr 1994, 213 <215 f.> und zum Beamtendisziplinarrecht Urteil vom 24. Juni 1998 - BVerwG 1 D 102.97, juris, jeweils m.w.N.).

53 4. Da die Berufung des früheren Soldaten nach alledem ohne Erfolg bleibt, hat er gemäß § 139 Abs. 2 WDO die Kosten des vorliegenden - zweiten - Berufungsverfahrens zu tragen.

54 Im Hinblick darauf, dass die erste Berufung des früheren Soldaten erfolgreich war, hat der Senat die Kosten des Berufungsverfahrens BVerwG 2 WD 8.08 sowie die Kosten, die durch die Hauptverhandlung am 27. November 2007 vor der 7. Kammer des Truppendienstgerichts Süd entstanden waren, einschließlich der dem früheren Soldaten insoweit erwachsenen notwendigen Auslagen gemäß § 138 Abs. 1 Satz 1 2. Halbsatz, § 139 Abs. 1 Satz 1, § 140 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 4 WDO dem Bund auferlegt.