Verfahrensinformation

Die Beteiligten streiten um die Erstattung von Entschädigungsleistungen nach dem Infektionsschutzgesetz (IfSG). Die Klägerinnen sind Unternehmen, die im Wege von Werkverträgen für Unternehmen der Fleischverarbeitung tätig werden und im hier maßgeblichen Jahr 2020 von diesen u.a. mit Zerlegungsarbeiten beauftragt worden waren. Die Werkleistung wurde durch Arbeitnehmer der Klägerinnen jeweils im Betrieb der Auftraggeber erbracht.


Im Mai und Juni 2020 kam es insbesondere an zwei Standorten, an denen die Arbeitnehmer der Klägerinnen eingesetzt waren, zu einem Covid-19-Ausbruchsgeschehen. Als Reaktion hierauf ergingen gegenüber den Arbeitnehmern der Klägerinnen Anordnungen, sich in häusliche Quarantäne abzusondern. Für die Dauer der mehrwöchigen Absonderungen leisteten die Klägerinnen unter anderem an zwei Arbeitnehmer, deren Absonderungen den vorliegenden Verfahren zugrunde liegen, Zahlungen in Höhe des vereinbarten Arbeitsentgelts und führten Sozialversicherungsbeträge ab. § 56 Abs. 1 Satz 1 und 2 IfSG in der damals maßgeblichen Fassung sah vor, dass unter anderem Personen, die auf Grundlage des Infektionsschutzgesetzes als Ansteckungsverdächtige abgesondert wurden und dadurch einen Verdienstausfall erlitten, eine Entschädigung erhielten. Diese hatte der Arbeitgeber auszuzahlen, dem sie dann von Behördenseite erstattet wurde (§ 56 Abs. 5 IfSG).


Die auf diese Erstattung gerichteten Anträge der Klägerinnen wurden - ebenso wie andere Arbeitnehmer betreffende Anträge - von der zuständigen Behörde abgelehnt. Die hiergegen erhobenen Klagen waren in erster Instanz vor den Verwaltungsgerichten erfolgreich. Auf die Berufung des beklagten Landes hat das Oberverwaltungsgericht die Klagen hingegen abgewiesen. Die Klägerinnen könnten die Erstattung der Beträge, die sie an die beiden hier betroffenen Arbeitnehmer gezahlt hatten, nicht verlangen, weil diese keinen Anspruch auf Entschädigung nach § 56 Abs. 1 IfSG gehabt hätten. Sie hätten durch die Absonderung keinen Verdienstausfall erlitten, der für den Entschädigungsanspruch erforderlich sei. Die Klägerinnen seien vielmehr nach § 616 Satz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) verpflichtet gewesen, ihren Arbeitnehmern für die Zeit der Absonderung die im Arbeitsvertrag vereinbarte Vergütung weiter zu zahlen, weil sei für eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit durch einen in ihrer Person liegenden Grund ohne ihr Verschulden an der Dienstleistung verhindert gewesen seien. Hiergegen wenden die Klägerinnen sich mit ihren Revisionen.


Pressemitteilung Nr. 63/2024 vom 05.12.2024

Quarantäne wegen eines Corona-Ansteckungsverdachts - zu den Voraussetzungen des Entschädigungsanspruchs von Arbeitnehmern und des Erstattungsanspruchs von Arbeitgebern nach dem Infektionsschutzgesetz

Arbeitgeber können vom Staat keine Erstattung von Zahlungen verlangen, die sie an ihre Arbeitnehmer für einen Zeitraum geleistet haben, in dem diese sich wegen des Verdachts der Ansteckung mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 in häuslicher Quarantäne befanden, wenn den Arbeitnehmern ein Anspruch auf Weiterzahlung ihres Arbeitsentgelts zustand. Ein solcher Anspruch konnte sich aus § 616 Satz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) ergeben, wenn der Arbeitnehmer für eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit an der Arbeitsleistung gehindert war; dies war im Frühsommer 2020 bei einer Quarantänedauer von bis zu 14 vollen Tagen der Fall. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden.


Die Klägerinnen sind Unternehmen, die im Rahmen von Werkverträgen für Unternehmen der Fleischverarbeitung tätig wurden und im Jahr 2020 von diesen u.a. mit Zerlegungsarbeiten beauftragt worden waren. Im Mai und Juni 2020 wurde an zwei Standorten, an denen die Arbeitnehmer der Klägerinnen eingesetzt waren, festgestellt, dass eine Vielzahl von Beschäftigten mit dem Coronavirus infiziert war. Als Reaktion hierauf ergingen gegenüber den Arbeitnehmern der Klägerinnen Anordnungen, sich in häusliche Quarantäne abzusondern. Für die Dauer der Absonderungen leisteten die Klägerinnen unter anderem an zwei Arbeitnehmer, deren Absonderungen den vorliegenden Verfahren zugrunde liegen, Zahlungen in Höhe des vereinbarten Arbeitsentgelts und führten Sozialversicherungsbeiträge ab. Anschließend beantragten sie beim beklagten Land die Erstattung der gezahlten Beträge nach § 56 des Infektionsschutzgesetzes (IfSG). § 56 Abs. 1 Satz 1 und 2 IfSG in der damals maßgeblichen Fassung sah vor, dass unter anderem Personen, die auf Grundlage des Infektionsschutzgesetzes als Ansteckungsverdächtige abgesondert wurden und dadurch einen Verdienstausfall erlitten, eine Entschädigung erhielten. Diese hatte der Arbeitgeber auszuzahlen, dem sie dann von Behördenseite erstattet wurde (§ 56 Abs. 5 IfSG).


Die Erstattungsanträge der Klägerinnen wurden von der zuständigen Behörde abgelehnt. Die hiergegen erhobenen Klagen waren in erster Instanz vor den Verwaltungsgerichten erfolgreich. Auf die Berufung des beklagten Landes hat das Oberverwaltungsgericht die Klagen abgewiesen. Die betroffenen Arbeitnehmer hätten durch die Absonderung keinen Verdienstausfall erlitten, der für den Entschädigungsanspruch erforderlich sei. Die Klägerinnen seien nach § 616 Satz 1 BGB verpflichtet gewesen, ihren Arbeitnehmern für die Zeit der Absonderung - im Verfahren 3 C 7.23 fünf Wochen, im anderen Verfahren 14 volle Tage - die im Arbeitsvertrag vereinbarte Vergütung weiter zu zahlen, weil sie für eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit durch einen in ihrer Person liegenden Grund ohne ihr Verschulden an der Dienstleistung verhindert gewesen seien.


Im Fall der fünfwöchigen Quarantäne (3 C 7.23) hat das Bundesverwaltungsgericht auf die Revision der Klägerin das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Oberverwaltungsgericht zurückverwiesen. Die Annahme des Oberverwaltungsgerichts, vorbehaltlich besonderer Umstände des Einzelfalles sei regelmäßig eine bis zu sechs Wochen dauernde Absonderung eines Ansteckungsverdächtigen jedenfalls dann als verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit i. S. v. § 616 Satz 1 BGB zu qualifizieren, wenn der Arbeitnehmer im Zeitpunkt der Absonderung in einem unbefristeten, ungekündigten Arbeitsverhältnis außerhalb der Probezeit steht, ist nicht mit Bundesrecht vereinbar. Welche Zeit der Verhinderung verhältnismäßig nicht erheblich i. S. d. § 616 Satz 1 BGB ist, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls. Hier kommt es insbesondere auf die Eigenart der Verhinderung an. Danach war im Fall einer infektionsschutzrechtlichen Absonderungsverfügung wegen des Verdachts der Ansteckung mit SARS-CoV-2 im Frühsommer 2020 eine an der maximalen Inkubationszeit orientierte Absonderungsdauer von 14 vollen Tagen eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit i. S. d. § 616 Satz 1 BGB. Die fünfwöchige Quarantänedauer des Arbeitnehmers im Verfahren 3 C 7.23 schloss demzufolge einen Weiterzahlungsanspruch nach § 616 Satz 1 BGB aus. Ob der Arbeitnehmer einen Anspruch auf Weiterzahlung nach § 326 Abs. 2 Satz 1 Var. 1 BGB hatte, weil die Klägerin für die Umstände, die den Ansteckungsverdacht und die daraus folgende Arbeitsverhinderung begründeten, allein oder weit überwiegend verantwortlich war, konnte der Senat mangels tatsächlicher Feststellungen nicht entscheiden; die Sache war damit an das Oberverwaltungsgericht zurückzuverweisen.


Im Verfahren 3 C 8.23 hat das Bundesverwaltungsgericht demgegenüber die Revision der Klägerin zurückgewiesen, weil das Oberverwaltungsgericht angesichts der Quarantänedauer von 14 vollen Tagen im Ergebnis zu Recht angenommen hatte, dass dem Arbeitnehmer ein Weiterzahlungsanspruch gegen die Klägerin nach § 616 Satz 1 BGB zustand, so dass der Arbeitgeber eine Erstattung nicht verlangen kann.


BVerwG 3 C 7.23 - Urteil vom 05. Dezember 2024

Vorinstanzen:

OVG Münster, OVG 18 A 563/22 - Urteil vom 10. März 2023 -

VG Minden, VG 7a K 424/21 - Urteil vom 26. Januar 2022 -

BVerwG 3 C 8.23 - Urteil vom 05. Dezember 2024

Vorinstanzen:

OVG Münster, OVG 18 A 1460/22 - Urteil vom 10. März 2023 -

VG Münster, VG 5a K 854/21 - Urteil vom 19. Mai 2022 -


Urteil vom 05.12.2024 -
BVerwG 3 C 8.23ECLI:DE:BVerwG:2024:051224U3C8.23.0

Entschädigungs- und Erstattungsansprüche von Arbeitnehmern und Arbeitgebern bei Quarantäne wegen eines Corona-Ansteckungsverdachts

Leitsatz:

Hatte die Infektionsschutzbehörde wegen des Verdachts der Ansteckung mit SARS-CoV-2 die Absonderung eines Arbeitnehmers in häusliche Quarantäne angeordnet, war im Frühsommer 2020 eine an der maximalen Inkubationszeit orientierte Absonderungsdauer von 14 vollen Tagen vorbehaltlich Besonderheiten des konkreten Arbeitsverhältnisses eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit der Verhinderung der Arbeitsleistung im Sinne des § 616 Satz 1 BGB. Eine Fortzahlung der Vergütung, die der Arbeitnehmer nach dieser Vorschrift verlangen konnte, ist dem Arbeitgeber nicht gemäß § 56 Abs. 5 Satz 2 IfSG von der zuständigen Behörde zu erstatten.

  • Rechtsquellen
    IfSG § 2 Nr. 7, § 28 Abs. 1 Satz 1, § 30 Abs. 1 Satz 2, § 56 Abs. 1 Satz 2, Abs. 5 Satz 1 und 2, § 57 Abs. 1 und 2
    BGB § 326 Abs. 1 und 2 Satz 1, § 616 Satz 1
    EFZG § 3

  • VG Münster - 19.05.2022 - AZ: 5a K 854/21
    OVG Münster - 10.03.2023 - AZ: 18 A 1460/22

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Urteil vom 05.12.2024 - 3 C 8.23 - [ECLI:DE:BVerwG:2024:051224U3C8.23.0]

Urteil

BVerwG 3 C 8.23

  • VG Münster - 19.05.2022 - AZ: 5a K 854/21
  • OVG Münster - 10.03.2023 - AZ: 18 A 1460/22

In der Verwaltungsstreitsache hat der 3. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
auf die mündliche Verhandlung vom 5. Dezember 2024
durch die Vorsitzende Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Philipp,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Kuhlmann,
die Richter am Bundesverwaltungsgericht Rothfuß und Dr. Sinner und
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Hellmann
für Recht erkannt:

  1. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 10. März 2023 wird zurückgewiesen.
  2. Die Klägerin trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.

Gründe

I

1 Die Beteiligten streiten über das Bestehen eines Erstattungsanspruchs nach dem Infektionsschutzgesetz.

2 Die Klägerin ist ein Unternehmen, das im Bereich der Fleischverarbeitung tätig ist. Im Januar 2014 schloss sie mit der heutigen W. einen Werkvertrag, nach dem die Klägerin die Feinzerlegung im Betrieb der W. im "F. C." schuldete. Die Arbeitnehmer der Klägerin waren polnische Staatsangehörige, die Klägerin sorgte für deren Unterbringung in zu diesem Zweck angemieteten Wohnungen.

3 Die Klägerin und Herr G. schlossen im April 2014 einen zunächst auf ein Jahr befristeten Arbeitsvertrag, der im Nachgang entfristet wurde. Herr G. wurde als Fleischer eingestellt und war im Jahr 2020 auf dem Betriebsgelände der W. in C. tätig.

4 Am 29. April 2020 wurde dem Gesundheitsamt C. die erste Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 eines an diesem Standort Beschäftigten bekannt. Basierend auf Testungen in den Unterkünften der Beschäftigten und am Betriebsstandort konnte ein erheblicher Anstieg der Neuinfektionen beobachtet werden. Am 7. Mai 2020 wurde mit Testungen aller im F. C. Beschäftigten begonnen. Bis 19:30 Uhr am 8. Mai 2020 wurden 870 Personen auf eine Infektion mit SARS-CoV-2 getestet; zu diesem Zeitpunkt war das Ergebnis in 171 Fällen positiv, in 182 Fällen negativ. Das Amt für Arbeitsschutz der Bezirksregierung Münster überprüfte das F. C. am 8. Mai 2020 und stellte fest, die Zuordnung von Übertragungswegen gestalte sich schwierig, da aufgrund des niedrigen Personalstandes bei der Firma W. die ursprünglichen Arbeitsgruppen zusammengelegt worden seien. Dadurch sei es zu einer Durchmischung der zuvor bestehenden Teams gekommen. Der Betriebsstandort wurde durch behördliche Verfügung vom 9. Mai 2020 bis einschließlich 17. Mai 2020 geschlossen; der Betrieb wurde am 22. Mai 2020 wiederaufgenommen.

5 Die Stadt C. ordnete am 9. Mai 2020 gegenüber Herrn G. mündlich die Absonderung in häusliche Quarantäne an. Die Anordnung wurde unter dem 11. Mai 2020 schriftlich bestätigt und die Absonderung vom 9. Mai bis zum 23. Mai 2020 angeordnet. Zur Begründung hieß es, es bestehe der hohe Verdacht, dass Herr G. engen Kontakt zu einer Person gehabt habe, die mit SARS-CoV-2 infiziert sei.

6 Während der Zeit seiner Absonderung leistete die Klägerin an Herrn G. Zahlungen in Höhe des vereinbarten Arbeitsentgelts und führte Sozialversicherungsbeiträge ab. Am 3. August 2020 beantragte sie beim beklagten Land die Erstattung des an Herrn G. für die Zeit der Absonderung geleisteten Betrags. Die zuständige Behörde lehnte den Antrag ab. Die Klägerin habe beim Einsatz ihrer Arbeitnehmer Gesundheits- und Arbeitsschutzvorschriften, insbesondere Hygienevorgaben, nicht beachtet, so dass die Arbeitnehmer einen Lohnfortzahlungsanspruch gegen die Klägerin gehabt und demzufolge keinen Verdienstausfall erlitten hätten. Auch sei die Klägerin angesichts der behördlichen Schließung des Betriebs, in dem Herr G. eingesetzt gewesen sei, zur Lohnfortzahlung verpflichtet gewesen.

7 Auf die hiergegen erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht den Beklagten zur Bewilligung einer Erstattung nach §§ 56, 57 des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) in Höhe von 704 € (Netto-Verdienstausfall) zuzüglich 346,47 € geleisteter Sozialabgaben verpflichtet. Hiergegen hat der Beklagte Berufung eingelegt. Das Oberverwaltungsgericht hat das erstinstanzliche Urteil geändert und die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt: Die Voraussetzungen eines Erstattungsanspruchs nach §§ 56, 57 IfSG lägen nicht vor. Ein solcher setze voraus, dass die vom Arbeitgeber an den Arbeitnehmer gezahlten Beträge Entschädigungszahlungen im Sinne des § 56 Abs. 5 Satz 1 IfSG seien, der Arbeitnehmer also einen Entschädigungsanspruch habe. Dieser scheide aus, wenn der Arbeitnehmer durch die Absonderung keinen Verdienstausfall erlitten habe, weil er die Fortzahlung der Arbeitsvergütung habe verlangen können. Dies sei hier der Fall, weil die Klägerin gemäß § 616 Satz 1 BGB verpflichtet gewesen sei, Herrn G. seine vertraglich vereinbarte Vergütung während der Zeit seiner Absonderung weiterzuzahlen. Die Absonderung nach dem Infektionsschutzgesetz als Ansteckungsverdächtiger habe ein persönliches Leistungshindernis dargestellt. Die dadurch bewirkte Verhinderung der Arbeitsleistung durch Herrn G. habe nur eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit gedauert. Vorbehaltlich besonderer Umstände des Einzelfalles sei regelmäßig eine bis zu sechs Wochen dauernde infektionsschutzrechtlich begründete Absonderung eines Ansteckungsverdächtigen in häusliche Quarantäne jedenfalls dann als verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit im Sinne von § 616 Satz 1 BGB zu qualifizieren, wenn der jeweilige Arbeitnehmer im Zeitpunkt der Absonderung in einem unbefristeten, ungekündigten Arbeitsverhältnis außerhalb der Probezeit stehe.

8 Mit ihrer Revision macht die Klägerin geltend, Herr G. habe aufgrund der Absonderung einen Verdienstausfall erlitten, weil die Voraussetzungen eines Fortzahlungsanspruchs nach § 616 Satz 1 BGB nicht vorgelegen hätten. Herr G. sei während eines erheblichen Zeitraumes an der Erbringung seiner Arbeitsleistung gehindert gewesen. Gehe man wie das Oberverwaltungsgericht von einer zeitlichen Grenze von sechs Wochen aus, laufe § 56 Abs. 1 IfSG angesichts üblicher Absonderungsanordnungen von 10 bis 14 Tagen leer; dies widerspreche dem gesetzgeberischen Willen, die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie nicht auf die Wirtschaft bzw. die Arbeitgeber abzuwälzen. § 616 BGB könne bei infektionsschutzrechtlichen Absonderungsanordnungen daher nicht zur Anwendung gelangen; es bestehe insoweit auch keine Vergleichbarkeit mit krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit. Es sei bei einer Absonderungsanordnung insbesondere kein in der Person des Dienstverpflichteten liegender Verhinderungsgrund gegeben.

9 Der Beklagte verteidigt das angegriffene Urteil. Es stehe in Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur verhältnismäßig nicht erheblichen Zeit im Sinne von § 616 Satz 1 BGB. Die Arbeitsverhinderung eines Ansteckungsverdächtigen komme ihrem Wesen nach einer Verhinderung durch Krankheit nahe.

II

10 Die zulässige Revision ist unbegründet und damit zurückzuweisen (§ 144 Abs. 2 VwGO). Das Urteil des Oberverwaltungsgerichts beruht nicht auf der Verletzung von Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Das Oberverwaltungsgericht hat im Ergebnis zutreffend den geltend gemachten Erstattungsanspruch der Klägerin verneint.

11 1. Ein Erstattungsanspruch der Klägerin ergibt sich nicht aus § 56 Abs. 5 Satz 2 und § 57 Abs. 1 und 2 des Infektionsschutzgesetzes in der Fassung des Zweiten Gesetzes zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite vom 19. Mai 2020 (BGBl. I S. 1018; im Folgenden: IfSG). § 56 Abs. 5 Satz 2 IfSG sieht vor, dass einem Arbeitgeber, der seinem Arbeitnehmer nach § 56 Abs. 5 Satz 1 IfSG Entschädigungsleistungen ausgezahlt hat, die ausgezahlten Beträge auf Antrag von der zuständigen Behörde erstattet werden; nach § 57 Abs. 1 und 2 IfSG werden vom Arbeitgeber abgeführte Sozialversicherungsbeiträge erstattet. Wie das Oberverwaltungsgericht zutreffend angenommen hat, entstehen die Erstattungsansprüche nur, wenn die an den Arbeitnehmer gezahlten Beträge eine Entschädigungsleistung im Sinne des § 56 Abs. 1 und 1a IfSG darstellen, der Arbeitnehmer also einen in diesen Vorschriften geregelten Entschädigungsanspruch hat. Einen solchen Anspruch hat unter anderem, wer als Ansteckungsverdächtiger oder Krankheitsverdächtiger abgesondert wird und dadurch einen Verdienstausfall erleidet (§ 56 Abs. 1 Satz 2 i. V. m. Satz 1 IfSG).

12 Die Annahme des Oberverwaltungsgerichts, an dem erforderlichen Verdienstausfall fehle es, wenn eine als ansteckungsverdächtig (vgl. § 2 Nr. 7 IfSG) abgesonderte Person - hier der Arbeitnehmer Herr G. – abweichend von der Grundregel des § 326 Abs. 1 Satz 1 BGB ihren Vergütungsanspruch nicht verliert, weil sie gegenüber ihrem Arbeitgeber einen Anspruch auf Fortzahlung der vertraglich geschuldeten Vergütung nach § 616 Satz 1 BGB hat, begegnet keinen Bedenken (a)). Das Berufungsgericht hat einen solchen Anspruch des Herrn G. auf Fortzahlung der Vergütung aus § 616 Satz 1 BGB im Ergebnis zutreffend bejaht. Zwar hat es ein unzutreffendes Verständnis des Tatbestandsmerkmals der verhältnismäßig nicht erheblichen Zeit im Sinne des § 616 Satz 1 BGB zugrunde gelegt (b)). Auf diesem Bundesrechtsverstoß beruht das Urteil aber nicht, da auch bei bundesrechtskonformem Verständnis dieses Merkmals ein Anspruch des Herrn G. gemäß § 616 Satz 1 BGB bestand (c)). Auch die weiteren Voraussetzungen des Anspruchs aus § 616 Satz 1 BGB hat das Oberverwaltungsgericht zutreffend bejaht (d)).

13 a) Ein Verdienstausfall im Sinne des § 56 Abs. 1 IfSG liegt nicht vor, wenn der Arbeitnehmer einen Anspruch auf Fortzahlung der vertraglich vereinbarten Vergütung nach § 616 Satz 1 BGB hat. Nach dieser Norm, die hier nach den tatsächlichen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts weder arbeits- noch tarifvertraglich abbedungen war (UA S. 18), wird der zur Dienstleistung Verpflichtete des Anspruchs auf die Vergütung nicht dadurch verlustig, dass er für eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit durch einen in seiner Person liegenden Grund ohne sein Verschulden an der Dienstleistung verhindert wird. Greift diese Regelung ein, fehlt es damit am Eintritt des von § 56 Abs. 1 IfSG vorausgesetzten Verdienstausfalls (so zu § 49 Abs. 1 BSeuchG BGH, Urteil vom 30. November 1978 - III ZR 43/77 - BGHZ 73, 16 <23 ff.>; siehe auch BAG, Urteil vom 20. März 2024 - 5 AZR 235/23 - NZA 2024, 977 Rn. 19; Eckart/​Kruse, in: BeckOK InfSchR, Stand April 2024, § 56 IfSG Rn. 11 und 37; Kümper, in: Kießling, IfSG, 3. Aufl. 2022, § 56 Rn. 25; Sangs, in: Sangs/​Eibenstein, IfSG, 1. Aufl. 2022, § 56 Rn. 80; Preis/​Mazurek/​Schmid, NZA 2020, 1137 <1139>; a. A. Henssler/​von Medem, RdA 2024, 1 <3 ff.>). Anhaltspunkte für ein Zurücktreten des vertraglichen Anspruchs aus § 616 Satz 1 BGB gegenüber dem Entschädigungsanspruch nach § 56 Abs. 1 IfSG sind nicht erkennbar. Dem Wortlaut des § 56 Abs. 1 IfSG lässt sich ein derartiger Vorrang gegenüber dem vertraglichen Anspruch aus § 616 Satz 1 BGB nicht entnehmen. Auch Sinn und Zweck des § 56 Abs. 1 IfSG sprechen dagegen. Die ursprünglich in § 49 BSeuchG geregelte Entschädigung sollte nach der Vorstellung des historischen Gesetzgebers eine Sicherung des von einem infektionsschutzrechtlich begründeten Berufsverbot Betroffenen vor materieller Not bewirken (BT-Drs. 3/1888 S. 27 <zu § 48 BSeuchG-E>; so zu § 56 Abs. 1 IfSG BGH, Urteil vom 17. März 2022 - III ZR 79/21 - BGHZ 233, 107 Rn. 18); eine Entlastung des Arbeitgebers war nicht Regelungszweck. Dass der Gesetzgeber hiervon abweichend durch die nachfolgenden Änderungen der Norm einen Vorrang der Entschädigung vor der Fortzahlung der Vergütung nach § 616 Satz 1 BGB begründen wollte, ist nicht erkennbar (vgl. BGH, Urteil vom 30. November 1978 - III ZR 43/77 - BGHZ 73, 16 <25>). Weder der Anhebung der Entschädigungshöhe, der Bestimmung des Arbeitgebers als für die Auszahlung der Entschädigung in den ersten sechs Wochen zuständige Zahlstelle - wodurch eine zügige Auszahlung sichergestellt werden soll (BT-Drs. 6/2176 S. 2) – noch der Regelung von Abschlagszahlungen für den die Entschädigung auszahlenden Arbeitgeber lässt sich der gesetzgeberische Wille entnehmen, den zivilrechtlich zur Zahlung der vereinbarten Vergütung verpflichteten Arbeitgeber von dieser Pflicht freizustellen. Die Anwendung des § 616 Satz 1 BGB führt auch nicht dazu, dass dem Arbeitgeber systemwidrig die Kompensation staatlicher infektionsschutzrechtlicher Maßnahmen auferlegt wird; vielmehr muss der Arbeitgeber allein leisten, wozu er aufgrund des Arbeitsvertrags und der zivilrechtlichen Vorschriften verpflichtet ist. Die Regelung in § 56 Abs. 1 IfSG läuft hierdurch nicht leer, da der Anspruch aus § 616 Satz 1 BGB zeitlich begrenzt ist (siehe dazu unten b) bb)); zudem ist er abdingbar und nicht auf Arbeits- oder Dienstverhältnisse beschränkt, sondern gilt auch für andere Personengruppen wie etwa Selbständige, bei denen § 616 Satz 1 BGB nicht zur Anwendung kommt.

14 b) Soweit das Oberverwaltungsgericht angenommen hat, Herr G. habe im Zeitraum vom 9. Mai bis 23. Mai 2020 einen Anspruch gegenüber der Klägerin auf Fortzahlung seiner Vergütung nach § 616 Satz 1 BGB gehabt, verletzt das Urteil Bundesrecht. Zwar hat das Oberverwaltungsgericht zutreffend eine Verhinderung des Herrn G. aufgrund eines in seiner Person liegenden Grundes bejaht (aa)); seiner Annahme, die Verhinderung habe nur eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit bestanden, liegt aber ein mit § 616 Satz 1 BGB nicht zu vereinbarender Maßstab zugrunde (bb)).

15 aa) Herr G. war im Zeitraum vom 9. Mai bis 23. Mai 2020 aufgrund der in diesem Zeitraum durchgehend vollziehbaren Absonderungsverfügung vom 9. Mai 2020 - schriftlich bestätigt unter dem 11. Mai 2020 - an der Erbringung seiner arbeitsvertraglich geschuldeten Leistung gehindert. Das Oberverwaltungsgericht hat bindend (§ 137 Abs. 2 VwGO) festgestellt, dass ihm die Erbringung der Arbeitsleistung in häuslicher Absonderung nicht möglich war. Seine Annahme, es habe sich um einen persönlichen Verhinderungsgrund im Sinne von § 616 Satz 1 BGB gehandelt, steht im Einklang mit Bundesrecht.

16 (1) Bei den Verhinderungsgründen im Sinne des § 616 Satz 1 BGB muss es sich, wovon das Oberverwaltungsgericht zutreffend ausgegangen ist, um subjektive bzw. persönliche Hindernisse handeln, wobei der Hinderungsgrund nicht unmittelbar in der Person des Arbeitnehmers liegen und ihm die Arbeitsleistung nicht unmöglich sein muss; vielmehr ist es ausreichend, wenn der Hinderungsgrund der persönlichen Sphäre des Arbeitnehmers zuzuordnen und ihm im Hinblick darauf die Arbeitsleistung nicht zuzumuten ist (vgl. BAG, Urteil vom 8. Dezember 1982 - 4 AZR 134/80 - juris Rn. 21). Dies zugrunde gelegt, stellte die vollziehbare Absonderungsanordnung einen subjektiven Hinderungsgrund im Sinne des § 616 Satz 1 BGB dar. Sie ist nach § 28 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 30 Abs. 1 Satz 2 IfSG gegenüber Herrn G. als Ansteckungsverdächtigem ergangen und seiner persönlichen Sphäre zuzuordnen, weil das Verbot, seine Wohnung zu verlassen, ihn nicht - wie etwa ein Verkehrsstau oder ein Erdbeben - als Teil der Allgemeinheit allein aufgrund räumlicher Nähe traf, sondern an seine persönlichen Verhältnisse anknüpfte, nämlich an den mutmaßlichen Kontakt zu einer mit dem Virus SARS-CoV-2 infizierten Person und den Verdacht, dass er dabei Krankheitserreger aufgenommen haben könnte.

17 (2) Der Einordnung als persönliches Hindernis steht nicht entgegen, dass von dem Ansteckungsverdacht eine Vielzahl der am Betriebsstandort der W. in C. tätigen Personen betroffen war. Zwar kann die Betroffenheit eines größeren Kreises von Beschäftigten ein Hinweis auf den objektiven Charakter eines Verhinderungsgrundes sein (vgl. BAG, Urteile vom 19. April 1978 - 5 AZR 834/76 - NJW 1978, 2316 <2317> und vom 8. Dezember 1982 - 4 AZR 134/80 - juris Rn. 22), an die persönlichen Umstände anknüpfende Gründe werden aber nicht deshalb zu objektiven Gründen, weil die persönlichen Umstände bei einer Vielzahl von Personen vorliegen. Es kann auch nicht darauf abgestellt werden, während der Corona-Pandemie habe eine so hohe Wahrscheinlichkeit bestanden, ansteckungsverdächtig zu werden, dass dieser Umstand jeden habe treffen können, so dass ein objektives Leistungshindernis vorgelegen habe (vgl. Kraayvanger/​Schrader, NZA-RR 2020, 623 <626>; Weller/​Lieberknecht/​Habrich, NJW 2020, 1017 <1019>; ArbG Iserlohn, Urteil vom 3. Mai 2022 - 2 Ca 1848/21 - juris Rn. 67 f.). Es fehlt insoweit an einem Maßstab dafür, ab wann eine Ansteckung so wahrscheinlich ist, dass sich das persönliche Hindernis in ein objektives Hindernis wandelt (so auch Baumgärtner, in: BeckOK BGB, Stand November 2024, § 616 Rn. 7; Preis/​Mazurek/​Schmid, NZA 2020, 1137 <1140>).

18 bb) Der Beurteilung des Oberverwaltungsgerichts, Herr G. sei lediglich eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit im Sinne des § 616 Satz 1 BGB an der Erbringung seiner Arbeitsleistung gehindert gewesen, liegt ein bundesrechtswidriges Verständnis dieses Tatbestandsmerkmals zugrunde. Die Annahme, vorbehaltlich besonderer Umstände des Einzelfalles sei regelmäßig eine bis zu sechs Wochen dauernde Absonderung eines Ansteckungsverdächtigen jedenfalls dann als verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit im Sinne von § 616 Satz 1 BGB zu qualifizieren, wenn der Arbeitnehmer im Zeitpunkt der Absonderung in einem unbefristeten, ungekündigten Arbeitsverhältnis außerhalb der Probezeit steht, ist mit Bundesrecht nicht vereinbar.

19 (1) Die Entscheidung darüber, welche Zeit einer Arbeitsverhinderung als verhältnismäßig nicht erheblich im Sinne des § 616 Satz 1 BGB anzusehen ist, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles (vgl. Mugdan, Materialien zum BGB, 1899, II. Band, S. 258). Zu berücksichtigen sein können u. a. das Verhältnis der Dauer der Verhinderung zur Gesamtdauer des Dienstverhältnisses und die Art des Verhinderungsgrundes, insbesondere welchen Zeitraum er seiner Eigenart nach regelmäßig in Anspruch nimmt (vgl. BGH, Urteil vom 30. November 1978 - III ZR 43/77 - BGHZ 73, 16 <28>).

20 (2) Angesichts der gebotenen Einzelfallbetrachtung und der Vielfalt möglicher Fallgestaltungen kann damit zum einen nicht angenommen werden, eine nicht erhebliche Verhinderung im Sinne des § 616 Satz 1 BGB könne stets nur wenige Tage umfassen (so aber etwa Hohenstatt/​Krois, NZA 2020, 413 <415 f.>; Staudinger/​Oetker, in: Staudinger, BGB, §§ 613a-619a, 2022, § 616 Rn. 105 m. w. N.). Zum anderen kann aber auch nicht - wie im angegriffenen Urteil zugrunde gelegt - bei infektionsschutzrechtlichen Absonderungsanordnungen regelmäßig eine sechswöchige Verhinderung in ungekündigten unbefristeten Arbeitsverhältnissen außerhalb der Probezeit vorbehaltlich besonderer Umstände des Einzelfalles als unerheblich betrachtet werden. Letztere Annahme nimmt den Einzelfall bereits deshalb nicht hinreichend in den Blick, weil sie die Eigenarten der jeweiligen Absonderungsanordnung, das ihr zugrunde liegende Infektionsgeschehen und die Erheblichkeit der Verhinderungsdauer im Hinblick auf den konkreten Verhinderungsgrund außer Acht lässt. Für die Annahme des Oberverwaltungsgerichts spricht auch nicht § 3 Abs. 1 des Gesetzes über die Zahlung des Arbeitsentgelts an Feiertagen und im Krankheitsfall (Entgeltfortzahlungsgesetz - EFZG), der bei Arbeitsverhinderungen infolge Krankheit eine Entgeltfortzahlung von sechs Wochen vorsieht. Eine pauschale Übertragung der Sechswochengrenze auf die Fälle der infektionsschutzrechtlichen Absonderung wegen eines Ansteckungsverdachts im Rahmen des § 616 Satz 1 BGB kommt nicht in Betracht. § 3 EFZG kann insbesondere nicht die gesetzgeberische Wertung entnommen werden, bis zu sechs Wochen sei einem Dienstgeber - jedenfalls bei einem mit einer Erkrankung vergleichbaren Ansteckungsverdacht - die Fortzahlung der Vergütung auch nach § 616 Satz 1 BGB zumutbar; hiergegen spricht bereits, dass im Rahmen des § 616 BGB - anders als im Fall des § 3 EFZG - kein Ausgleichsverfahren nach dem Gesetz über den Ausgleich der Arbeitgeberaufwendungen für Entgeltfortzahlung (Aufwendungsausgleichsgesetz - AAG) stattfindet.

21 Aus der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ergibt sich nichts Abweichendes. Er hat angenommen, dass die Arbeitsverhinderung eines Ausscheiders ihrem Wesen nach einer Verhinderung durch Krankheit nahekomme und es daher angebracht sei, wenn nicht Besonderheiten des konkreten Arbeitsvertrags entgegenstünden, in solchen Fällen die allgemein für Erkrankungen geltende Sechs-Wochen-Frist jedenfalls bei einem länger andauernden unbefristeten und ungekündigten Arbeitsverhältnis grundsätzlich als Grenze einer verhältnismäßig nicht erheblichen Zeit im Sinne des § 616 Satz 1 BGB anzusehen (BGH, Urteil vom 30. November 1978 - III ZR 43/77 - BGHZ 73, 16 <28>). Damit hat er nicht die Aussage getroffen, dass in Fällen von Ausscheidern und Ansteckungsverdächtigen regelmäßig eine Dauer von bis zu sechs Wochen als verhältnismäßig nicht erhebliche Zeitspanne betrachtet werden könne. Vielmehr hat er die Dauer von sechs Wochen grundsätzlich als (Höchst-)Grenze angesehen und im Übrigen darauf verwiesen, dass sich die Beurteilung nach den Umständen des Einzelfalles richte.

22 (3) Dies zugrunde gelegt, sind vorliegend die Eigenheiten der Absonderungsanordnungen wegen des Verdachts der Infektion mit SARS-CoV-2 im Frühsommer 2020 in den Blick zu nehmen. Die Grundlage für die Absonderungsanordnungen gegenüber Ansteckungsverdächtigen ergab sich im maßgeblichen Zeitraum aus § 28 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 30 Abs. 1 Satz 2 IfSG. Ansteckungsverdächtig ist nach § 2 Nr. 7 IfSG eine Person, von der anzunehmen ist, dass sie Krankheitserreger aufgenommen hat, ohne krank, krankheitsverdächtig oder Ausscheider zu sein. Ihrer Eigenart nach ist die Absonderung wegen Ansteckungsverdachts damit zeitlich begrenzt entweder durch die Bestätigung des Ansteckungsverdachts, d. h. den Eintritt der Infektion, oder aber durch den Ablauf des Zeitraumes, innerhalb dessen eine Infektion nach dem den Ansteckungsverdacht begründenden Kontakt noch eintreten könnte. Maßgeblich ist damit in letzterem Fall die Inkubationszeit (vgl. Sangs, in: Sangs/​Eibenstein, IfSG, 1. Aufl. 2022, § 30 Rn. 1). Sie betrug im Fall von SARS-CoV-2 nach dem wissenschaftlichen Erkenntnisstand im Frühsommer 2020 bis zu 14 Tage (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 22. November 2022 - 3 CN 1.21 - BVerwGE 177, 60 Rn. 54; RKI, Epidemiologisches Bulletin 39/2020, S. 3 ff.). Nimmt man diese Eigenarten in den Blick, war in den Fällen einer infektionsschutzrechtlichen Absonderungsverfügung wegen des Verdachts der Ansteckung mit SARS-CoV-2 im Frühsommer 2020 eine an der maximalen Inkubationszeit orientierte Absonderungsdauer von 14 vollen Tagen vorbehaltlich Besonderheiten des konkreten Arbeitsverhältnisses eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit im Sinne des § 616 Satz 1 BGB.

23 c) Hiervon ausgehend beruht die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts nicht auf dem festgestellten Bundesrechtsverstoß. Die Absonderung des Herrn G. dauerte nach dem oben Dargestellten auch bei zutreffendem Normverständnis mit 14 vollen Tagen - beginnend am auf die Verfügung folgenden Tag - eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit im Sinne des § 616 Satz 1 BGB. Aus dem Verhältnis zwischen der Dauer des Arbeitsvertrages und der Dauer der Verhinderung ergibt sich nichts Anderes.

24 d) Die weiteren Voraussetzungen des einen Entschädigungsanspruch des Herrn G. und einen Erstattungsanspruch der Klägerin ausschließenden Weiterzahlungsanspruchs aus § 616 Satz 1 BGB hat das Oberverwaltungsgericht im Einklang mit Bundesrecht bejaht. Anhaltspunkte für ein den Fortzahlungsanspruch ausschließendes Verschulden des Herrn G. sind, wie auch das Oberverwaltungsgericht angenommen hat, nicht ersichtlich. Die Absonderungsverfügung war auch allein ursächlich für die Verhinderung des Herrn G. im Sinne des § 616 Satz 1 BGB. Dem steht nicht entgegen, dass der Betriebsstandort der W. durch behördliche Anordnung zwischen dem 9. Mai und 17. Mai 2020 geschlossen wurde. Gegenüber dem Betrieb der Klägerin war keine Schließungsverfügung ergangen. Abgesehen hiervon war Herr G. allein durch die Absonderungsanordnung gehindert, der Klägerin seine Arbeitsleistung anzubieten, sie dadurch, wenn sie ihn nicht hätte anders einsetzen können, gemäß §§ 293 ff. BGB in Annahmeverzug zu setzen und - vorausgesetzt, die Klägerin hatte das Risiko des Arbeitsausfalles zu tragen (vgl. BAG, Urteil vom 4. Mai 2022 - 5 AZR 366/21 - NJW 2022, 2867 Rn. 15 ff.) – gemäß § 615 Satz 3 i. V. m. § 615 Satz 1 BGB für die infolge des Verzugs nicht geleisteten Dienste die vereinbarte Vergütung zu verlangen.

25 2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.