Beschluss vom 07.01.2020 -
BVerwG 1 WB 69.19ECLI:DE:BVerwG:2020:070120B1WB69.19.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 07.01.2020 - 1 WB 69.19 - [ECLI:DE:BVerwG:2020:070120B1WB69.19.0]

Beschluss

BVerwG 1 WB 69.19

In den Wehrbeschwerdeverfahren hat der 1. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts durch
den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Häußler,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Langer und
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Eppelt
am 7. Januar 2020 beschlossen:

  1. Die beiden Verfahren werden eingestellt.
  2. Die dem Antragsteller in den beiden Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht einschließlich der im vorgerichtlichen Verfahren erwachsenen notwendigen Aufwendungen werden jeweils zur Hälfte dem Bund auferlegt. Im Übrigen werden die Anträge, die Kosten dem Bund aufzuerlegen, abgelehnt.

Gründe

I

1 Der Antragsteller ist Soldat auf Zeit im Dienstgrad eines Oberstabsarztes; seine derzeit festgesetzte Dienstzeit von 19 Jahren endet am ... Er ist approbierter Zahnarzt und hat mit Prüfung vom ... die Weiterbildung zum Fachzahnarzt für Oralchirurgie abgeschlossen. Er ist verheiratet und hat zwei ... geborene Kinder.

2 Der Antragsteller wurde zuletzt auf einem nach Besoldungsgruppe A 13/A 14 bewerteten Dienstposten als Sanitätsstabsoffizier und Truppenzahnarzt beim Sanitätsversorgungszentrum A, einer Teileinheit des Sanitätsunterstützungszentrums B, mit abweichendem Dienstort C eingesetzt. Im Hinblick auf eine qualifikationsgerechte und förderliche Weiterverwendung wurden mit ihm seit Mitte 2017 Personalgespräche geführt. Mit der hier gegenständlichen Verfügung Nr. ... vom 16. April 2019, eröffnet am 30. April 2019, versetzte ihn das Bundesamt für das Personalmanagement der Bundeswehr auf den nach Besoldungsgruppe A 15 bewerteten Dienstposten eines Sanitätsstabsoffiziers und Fachzahnarztes Oralchirurgie beim Sanitätsunterstützungszentrum D. Der Dienstantritt wurde auf den 4. November 2019 festgesetzt; aufgrund Urlaubs und bewilligter Elternzeit hat der Antragsteller den Dienst dort tatsächlich nicht angetreten.

3 Mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 21. Mai 2019 erhob der Antragsteller Beschwerde gegen seine Versetzung, mit der er schwerwiegende persönliche Gründe geltend machte und das dienstliche Interesse an der Versetzung in Zweifel zog. Mit Bescheid vom 12. September 2019 wies das Bundesministerium der Verteidigung die Beschwerde zurück.

4 Hiergegen hat der Antragsteller mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 27. September 2019 die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts in der Hauptsache mit dem Ziel einer Aufhebung der Versetzung (BVerwG 1 WB 69.19 ) sowie als Maßnahme des vorläufigen Rechtsschutzes die Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Antrags auf gerichtliche Entscheidung (BVerwG 1 WDS-VR 14.19 ) beantragt.

5 Mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 2. Dezember 2019 übermittelte der Antragsteller dem Gericht und der Beratenden Ärztin des Bundesministeriums der Verteidigung weitere ärztliche Unterlagen, aus denen insbesondere eine Entwicklungsverzögerung der frühgeborenen Zwillinge und zusätzliche Gesundheitsstörungen mit erheblichem Betreuungsaufwand hervorgehen. Die Beratenden Ärztinnen des Bundesministeriums der Verteidigung und des Bundesamts für das Personalmanagement der Bundeswehr erkannten daraufhin unter dem 3. Dezember 2019 schwerwiegende persönliche Gründe für die Dauer von 24 Monaten an. Unter dem 4. Dezember 2019 wies das Bundesministerium der Verteidigung das Bundesamt für das Personalmanagement der Bundeswehr an, die Versetzung des Antragstellers nach D aufzuheben.

6 Im Hinblick darauf erklärte der Antragsteller mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 16. Dezember 2019 den Rechtsstreit sowohl im gerichtlichen Antragsverfahren als auch im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes für in der Hauptsache erledigt und beantragte, die Kosten beider Verfahren dem Bund aufzuerlegen.

7 Das Bundesministerium der Verteidigung hat der Erledigterklärung bereits vorab mit Schreiben vom 6. Dezember 2019 zugestimmt. Es verwahrt sich gegen eine Auferlegung von Kosten, weil die Abhilfe aufgrund eines neuen Sachverhalts (Vorlage neuer medizinischer Befunde) erfolgt sei.

8 Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Akten verwiesen. Die Beschwerdeakten beider Verfahren und die Personalgrundakte des Antragstellers haben dem Senat vorgelegen.

II

9 Nachdem die Beteiligten sowohl im gerichtlichen Antragsverfahren (BVerwG 1 WB 69.19 ) als auch im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes (BVerwG 1 WDS-VR 14.19 ) den Rechtsstreit übereinstimmend für in der Hauptsache erledigt erklärt haben, sind die beiden Verfahren - über die in einem Sammelbeschluss entschieden wird - in entsprechender Anwendung von § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen.

10 Gemäß § 21 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 20 Abs. 3 WBO ist nur noch über die Kosten der Verfahren zu entscheiden. Für die Kostenentscheidung sind die im Prozessrecht allgemein geltenden Grundsätze maßgebend. Danach ist bei übereinstimmender Erledigungserklärung über die Kosten nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes zu entscheiden (§ 20 Abs. 3 WBO, § 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO; stRspr, vgl. etwa Beschluss vom 22. April 2008 - BVerwG 1 WB 4.08 - beck-online Rn. 8 m.w.N.).

11 1. Billigem Ermessen entspricht es, die dem Antragsteller erwachsenen notwendigen Aufwendungen zur Hälfte dem Bund aufzuerlegen, weil die Erfolgsaussichten in beiden Verfahren nach dem Sach- und Streitstand im Zeitpunkt des erledigenden Ereignisses als offen einzuschätzen sind (vgl. zum Grundsatz der hälftigen Kostenteilung bei offenen Erfolgsaussichten BVerwG, Beschluss vom 14. Juli 2010 - 1 WB 66.09 - jurion Rn. 10).

12 Das Bundesministerium der Verteidigung hat die Erledigung des Rechtsstreits zwar dadurch herbeigeführt, dass es den Verbleib des Antragstellers am bisherigen Standort aufgrund eines (militär-)ärztlichen Gutachtens wegen des Gesundheitszustands seiner beiden neugeborenen Kinder und des daraus resultierenden Betreuungs- und Pflegebedarfs als schwerwiegenden persönlichen Grund im Sinne von Nr. 204 Buchst. a des Zentralerlasses ZE B-1300/46 anerkannt und die Aufhebung der angefochtenen Versetzungsverfügung angewiesen hat. Es hat sich dadurch jedoch - entgegen der Auffassung des Antragstellers - nicht "freiwillig in die Rolle des Unterlegenen begeben". Ein solcher Fall liegt nur dann vor, wenn die übereinstimmenden Erledigungserklärungen darauf beruhen, dass ein Antragsteller klaglos gestellt wird, weil das Bundesministerium der Verteidigung oder die in seinem Auftrag handelnde Stelle aus eigener Veranlassung dem mit dem Rechtsschutzantrag verfolgten Begehren stattgibt; resultiert das Nachgeben bei gleichgebliebener Sach- und Rechtslage allein auf einer geänderten Rechtsauffassung des Entscheidungsträgers der Bundeswehr, ist es billig, den Bund mit sämtlichen notwendigen Aufwendungen des Antragstellers zu belasten (stRspr, vgl. BVerwG, Beschluss vom 22. Juni 2017 - 1 WB 15.17 - juris Rn. 18 m.w.N.).

13 Ein solcher Fall ist hier jedoch nicht gegeben. Vielmehr hat das Bundesministerium der Verteidigung auf eine neue Sachlage reagiert. Der Antragsteller hat mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 2. Dezember 2019 ärztliche Unterlagen und Befunde mit Aussagen zum Gesundheitszustand und zur Betreuungsbedürftigkeit der beiden Kinder übermittelt, die in dieser Form den für die militärärztliche Begutachtung zuständigen Beratenden Ärztinnen des Bundesministeriums der Verteidigung und des Bundesamts für das Personalmanagement der Bundeswehr bis dahin nicht vorlagen. Es gereicht dem Bundesministerium der Verteidigung unter dem Gesichtspunkt der Kostenlast nicht zum Nachteil, wenn es aus dieser neuen Sachlage unverzüglich die rechtlichen Konsequenzen gezogen hat.

14 Insoweit maßgeblich für die Frage der Kostenverteilung ist deshalb, ob - wie der Antragsteller ergänzend geltend macht - bereits vor der Übermittlung der neuen ärztlichen Unterlagen und Befunde ein schwerwiegender persönlicher Grund im Sinne von Nr. 204 Buchst. a ZE B-1300/46 gegeben und ob dies für die Beratenden Ärztinnen aus den ihnen bis dahin vorgelegten Unterlagen und Befunden diagnostizierbar war. Von Bedeutung ist ferner die Frage, ob es allein Sache des Antragstellers war, die erforderlichen Nachweise für den in seiner Sphäre liegenden schwerwiegenden persönlichen Grund beizubringen, oder ob die bis dahin vorliegenden Unterlagen und Befunde die Beratenden Ärztinnen hätten veranlassen müssen, nachdrücklicher als geschehen weitere Unterlagen anzufordern oder z.B. die Empfehlung in Betracht zu ziehen, den Dienstantritt bis zur abschließenden Klärung hinauszuschieben.

15 In tatsächlicher Hinsicht geht es damit um medizinische Sachverhalte, die das Gericht aus eigener Sachkunde nicht vollständig beurteilen kann. Es bedürfte deshalb weiterer, über den bisherigen Sach- und Streitstand hinausgehender Ermittlungen und voraussichtlich auch der Einholung einer sachverständigen Äußerung; für eine solche Beweisaufnahme ist im Rahmen der hier allein noch zu treffenden Kostenentscheidung jedoch kein Raum (vgl. BVerwG, Beschluss vom 8. April 2013 - 1 WB 26.12 - juris Rn. 30 m.w.N.). In rechtlicher Hinsicht stehen, was die Verteilung von Mitwirkungs- und Beibringungslasten betrifft, vom Senat bisher nicht grundsätzlich geklärte Fragen im Raum, die in ihrer Bedeutung über den vorliegenden Fall hinausweisen. Auch für eine solche rechtliche Klärung ist im Rahmen einer bloßen Kostenentscheidung nach übereinstimmender Erledigungserklärung kein Platz (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 7. Januar 1974 - 1 WB 30.72 - BVerwGE 46, 215 <218>, vom 31. Mai 1979 - 1 WB 202.77 - BVerwGE 63, 234 <237>).

16 Nach dem Sach- und Streitstand im Zeitpunkt des erledigenden Ereignisses sind deshalb die Erfolgsaussichten als offen einzuschätzen, weswegen eine hälftige Kostenerstattung für den Antragsteller billig erscheint.

17 2. Aus den übrigen Gesichtspunkten, die der Antragsteller gegen die Rechtmäßigkeit der Versetzungsverfügung angeführt hat, ergibt sich nach dem bisherigen Sach- und Streitstand keine für ihn günstigere Kostenentscheidung. Sein weitergehender Antrag hinsichtlich der Kosten bleibt deshalb ohne Erfolg.

18 Das gemäß Nr. 201 Punkt 1 ZE B-1300/46 erforderliche dienstliche Bedürfnis für die Versetzung ist gegeben. Der Dienstposten eines Sanitätsstabsoffiziers und Fachzahnarztes Oralchirurgie beim Sanitätsunterstützungszentrum D ist frei und zu besetzen (Nr. 202 Buchst. a ZE B-1300/46). Der Antragsteller ist geeignet für den Dienstposten; der Einsatz auf dem nach Besoldungsgruppe A 15 bewerteten Dienstposten entspricht seiner abgeschlossenen Weiterbildung zum Fachzahnarzt für Oralchirurgie und stellt zudem eine förderliche Verwendung im Verwendungsaufbau dar. Soweit der Antragsteller den Bedarf für eine oralchirurgische Versorgung am Dienstort D und die sachgerechte Ausstattung des dortigen Dienstpostens in Zweifel zieht, ist das Bundesministerium der Verteidigung dem detailliert entgegengetreten. Nach dem bisherigen Sach- und Streitstand bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass der Dienstherr von seinem die Organisation und den Personaleinsatz betreffenden Ermessen in rechtswidriger Weise Gebrauch gemacht hätte. Gleiches gilt für die vom Antragsteller ins Spiel gebrachten alternativen Versetzungsmöglichkeiten nach E oder F. Das Bundesministerium der Verteidigung hat insoweit nachvollziehbar dargelegt, dass diese Dienstposten anderweitig, nämlich für dotierungsgleiche Querversetzungen, eingeplant waren und im Übrigen dem Antragsteller im Hinblick auf die Entfernung zum Wohnort keine erkennbaren Vorteile gebracht hätten.

19 Soweit der Antragsteller schwerwiegende persönliche Gründe wegen der Pflegebedürftigkeit der Mutter seiner Ehefrau geltend macht (Nr. 204 Buchst. c ZE B-1300/46), lässt sich aus dem vorgelegten Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung ... vom 13. Juni 2019, das den (niedrigsten) Pflegegrad 1 zuerkennt, nicht ableiten, dass nach derzeitigem Stand - über die Hilfe durch die Ehefrau und die mit der Zuerkennung des Pflegegrads verbundenen professionellen Hilfsmöglichkeiten hinaus - die Pflege gerade durch den Antragsteller notwendig ist.

20 Soweit sich der Antragsteller schließlich darauf beruft, dass er an seinem bisherigen Dienstort Wohneigentum besitzt, stellt dies nach ständiger Rechtsprechung des Senats keinen schwerwiegenden persönlichen Grund im Sinne von Nr. 204 Buchst. a ZE B-1300/46 dar und begründet - auch unter Blickwinkel der Nr. 207 ZE B-1300/46 - keinen Rechtsanspruch darauf, an einem bestimmten Standort oder in dessen Nähe zu verbleiben (vgl. z.B. BVerwG, Beschlüsse vom 18. Januar 1999 - 1 WB 2.99 - Buchholz 236.1 § 10 SG Nr. 34 S. 2, vom 25. September 2002 - 1 WB 30.02 - Buchholz 236.1 § 3 SG Nr. 30 S. 25 und vom 30. Juni 2016 - 1 WB 28.15 - juris Rn. 41 m.w.N.).