Beschluss vom 07.07.2025 -
BVerwG 4 BN 37.24ECLI:DE:BVerwG:2025:070725B4BN37.24.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 07.07.2025 - 4 BN 37.24 - [ECLI:DE:BVerwG:2025:070725B4BN37.24.0]

Beschluss

BVerwG 4 BN 37.24

  • VGH Mannheim - 13.09.2024 - AZ: 14 S 1686/23

In der Normenkontrollsache hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts am 7. Juli 2025 durch die Vorsitzende Richterin am Bundesverwaltungsgericht Schipper, den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Koch und die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Stamm beschlossen:

  1. Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 13. September 2024 ergangenen Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg wird zurückgewiesen.
  2. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 60 000 € festgesetzt.

Gründe

1 Die auf § 132 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 3 VwGO gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg. Sie ist jedenfalls unbegründet.

2 1. Die Rechtssache hat nicht die grundsätzliche Bedeutung, die ihr die Beschwerde beimisst. Grundsätzlich bedeutsam im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ist eine Rechtssache, wenn in dem angestrebten Revisionsverfahren die Klärung einer bisher höchstrichterlich ungeklärten, in ihrer Bedeutung über den der Beschwerde zugrundeliegenden Einzelfall hinausgehenden, klärungsbedürftigen und entscheidungserheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts (§ 137 Abs. 1 VwGO) zu erwarten ist. In der Beschwerdebegründung muss dargelegt (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO), also näher ausgeführt werden, dass und inwieweit eine bestimmte Rechtsfrage des revisiblen Rechts im allgemeinen Interesse klärungsbedürftig und warum ihre Klärung in dem beabsichtigten Revisionsverfahren zu erwarten ist (stRspr, vgl. BVerwG, Beschluss vom 15. April 2025 - 4 BN 22.24 - juris Rn. 3 m. w. N.).

3 Die Fragen,
ob für einen hinreichend substantiierten Vortrag eines potenziellen Bauherrn eines außerhalb der Konzentrationsfläche liegenden Vorhabengrundstücks zur Begründung seiner Antragsbefugnis im Sinne des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO derjenige Vortrag bzw. Sachinhalt zu berücksichtigen ist, der nach der maßgeblichen Frist des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO erfolgte, sowie
ob für einen im vorgenannten Sinne hinreichend substantiierten Vortrag, der es zumindest als möglich erscheinen lässt, dass der Antragsteller durch bestimmte Regelungen eines sachlichen Teilflächennutzungsplans oder deren Anwendung in seinem Recht auf ordnungsgemäße Abwägung seiner Belange verletzt sein kann, auch dasjenige zu berücksichtigen ist, was nicht durch den Antragsteller selbst, sondern durch ein von ihm oder mit ihm verbundenes (Konzern-)Unternehmen zur Begründung der ernsthaften Absicht der Errichtung eines Vorhabens im Sinne von § 35 Abs. 1 Nr. 2 bis 6 BauGB erarbeitet wurde,
führen nicht auf eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache.

4 Die Antragstellerin wendet sich in analoger Anwendung des § 47 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 1 VwGO gegen die in den Darstellungen des Teilflächennutzungsplans zum Ausdruck kommende planerische Entscheidung der Antragsgegnerin, mit der Ausweisung von Flächen für Windenergieanlagen die Ausschlusswirkung des § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB an Standorten außerhalb der ausgewiesenen Flächen eintreten zu lassen. Nach der - vom Verwaltungsgerichtshof zugrunde gelegten (UA S. 13) – Rechtsprechung des Senats ist in einer solchen Konstellation nicht zweifelhaft, dass ein potenzieller Bauherr auch dann antragsbefugt ist und die Beschränkung der Nutzung eines in einer Ausschlusszone gelegenen Grundstücks einer gerichtlichen Kontrolle zuführen kann, wenn er nicht Grundstückseigentümer ist. Allerdings muss sich das Normenkontrollgericht von der Ernsthaftigkeit seiner Absicht überzeugen, auf dem Grundstück Windenergieanlagen errichten zu wollen, und darf sich nicht mit einer bloßen Formalbehauptung begnügen. Das setzt substantiierten Sachvortrag durch den Antragsteller voraus. Welche Anforderungen an die Substantiierung zu stellen sind, ist eine Frage des Einzelfalls und nicht grundsätzlich klärungsfähig (BVerwG, Beschlüsse vom 21. März 2019 - 4 BN 11.19 - juris Rn. 6 und vom 19. November 2020 - 4 BN 14.20 - ZfBR 2021, 180 <Rn. 5>). Entsprechendes gilt für die Frage, wann die Ernsthaftigkeit der Absicht, Windenergieanlagen zu errichten, zu bejahen ist und insbesondere, ob dabei dasjenige zu berücksichtigen ist, was nicht durch die Antragstellerin selbst, sondern durch ein mit ihr verbundenes (Konzern-)Unternehmen erarbeitet wurde. Einen darüber hinausgehenden Klärungsbedarf zeigt die Beschwerde nicht auf.

5 Die Frage, ob die zur Begründung der Antragsbefugnis vorgetragenen Tatsachen bereits im Zeitpunkt des Ablaufs der Antragsfrist vorgelegen haben müssen, ist nicht entscheidungserheblich. Der Verwaltungsgerichtshof hat sie ausdrücklich offengelassen, weil er keine durchgreifenden Zweifel daran hatte, dass dies hier der Fall und die Antragstellerin bereits im Zeitpunkt des Fristablaufs am 30. Oktober 2023 antragsbefugt gewesen sei (UA S. 20). Soweit die Beschwerde geklärt wissen will, ob der Vortrag zur Antragsbefugnis innerhalb der Jahresfrist des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO erfolgen muss, kann dies ohne Durchführung eines Revisionsverfahrens verneint werden. Zeitliche Vorgaben für die Begründung des Antrags enthält § 47 VwGO nicht. § 6 UmwRG, wonach im Anwendungsbereich des Umweltrechtsbehelfsgesetzes eine Klagebegründungsfrist von zehn Wochen gilt, ist auf Normenkontrollanträge nach § 47 Abs. 1 Nr. 1 VwGO nicht anzuwenden (BVerwG, Urteil vom 29. Oktober 2020 - 4 CN 9.19 - Buchholz 310 § 47 VwGO Nr. 222 <Rn. 11 ff.>).

6 2. Der geltend gemachte Verfahrensfehler (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) rechtfertigt die Zulassung der Revision ebenfalls nicht. Die Beschwerde rügt, der Verwaltungsgerichtshof habe den Antrag nicht als zulässig behandeln und in der Sache entscheiden dürfen. Er habe das Rubrum des gegen die Vereinbarte Verwaltungsgemeinschaft Bad Mergentheim gerichteten Antrags zu Unrecht dahingehend berichtigt, dass Antragsgegnerin die Stadt Bad Mergentheim sei.

7 Mit diesem Vorbringen beanstandet die Beschwerde der Sache nach, dass der Verwaltungsgerichtshof das Antragsbegehren unzutreffend ausgelegt habe. Dies kann ungeachtet dessen, ob § 47 Abs. 2 Satz 2 VwGO die Frage der Passivlegitimation und damit der Begründetheit betrifft, Gegenstand einer auf § 88 VwGO gestützten Verfahrensrüge sein.

8 Ein Verstoß gegen die aus § 88 VwGO folgende Pflicht zur sachgemäßen Auslegung von Anträgen und Prozesserklärungen liegt nicht vor. Gemäß § 88 VwGO, der auch im Verfahren nach § 47 VwGO Anwendung findet, darf das Gericht über das Klagebegehren nicht hinausgehen, ist aber an die Fassung der Anträge nicht gebunden. Es hat vielmehr das tatsächliche Rechtsschutzbegehren zu ermitteln. Hierbei gelten die Grundsätze für die Auslegung von Willenserklärungen (§§ 133, 157 BGB). Für die Auslegung des Rechtsschutzbegehrens sind neben dem Antrag insbesondere die Begründung sowie das gesamte übrige Beteiligtenvorbringen zu berücksichtigen, ferner die Interessenlage des Klägers bzw. Antragstellers, soweit sie sich aus dem Parteivortrag und sonstigen für das Gericht und die übrigen Beteiligten als Empfänger der Prozesserklärung erkennbaren Umständen ergibt. Der gestellte Antrag ist danach so auszulegen bzw. umzudeuten, dass er den zu erkennenden Interessen des rechtsschutzsuchenden Bürgers bestmöglich Rechnung trägt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 29. Oktober 2015 - 2 BvR 1493/11 - NVwZ 2016, 238 Rn. 34; BVerwG, Urteil vom 1. September 2016 - 4 C 4.15 - BVerwGE 156, 94 Rn. 9). Auch eine Parteibezeichnung ist grundsätzlich auslegungsfähig. Ist der Antragsgegner falsch bezeichnet, aber erkennbar, gegen wen sich der Antrag richten soll, ist das Passivrubrum von Amts wegen zu berichtigen (vgl. BVerwG, Urteil vom 3. März 1989 - 8 C 98.85 - Buchholz 401.71 AFWoG Nr. 3 <S. 21 f.> und Beschluss vom 22. März 2001 - 8 B 262.00 - Buchholz 310 § 82 VwGO Nr. 20 <S. 11 f.>; BSG, Beschluss vom 18. August 2022 - B 1 KR 50/22 B - juris Rn. 10). Das gilt auch dann, wenn irrtümlich eine tatsächlich existierende natürliche oder juristische Person (oder Behörde) bezeichnet wird (vgl. BGH, Urteil vom 24. Januar 2013 - VII ZR 128/12 - MDR 2013, 420 <Rn. 13>). Darauf, ob der falsch bezeichnete Antragsgegner beteiligtenfähig ist, kommt es insoweit entgegen der Beschwerde nicht an. Bei anwaltlicher Vertretung kommt dem (Klage-)Antrag gesteigerte Bedeutung zu (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 16. Dezember 2019 - 4 BN 30.19 - Rn. 5 m. w. N. und vom 3. Februar 2025 - 3 BN 4.24 - Rn. 15 m. w. N.). Selbst dann darf die Auslegung jedoch vom Antragswortlaut abweichen, wenn die Klagebegründung, die beigefügten Bescheide oder sonstige Umstände eindeutig erkennen lassen, dass das wirkliche Klageziel von der Antragsfassung abweicht (BVerwG, Beschluss vom 12. März 2012 - 9 B 7.12 - DÖD 2012, 190 <190>).

9 Ausgehend davon liegt in der vom Verwaltungsgerichtshof vorgenommenen Rubrumsberichtigung kein Verstoß gegen § 88 VwGO. In der Antragsschrift ist die Ausschlusswirkung des sachlichen Teilflächennutzungsplans "Konzentrationszonen für Windkraftanlagen" der Vereinbarten Verwaltungsgemeinschaft Bad Mergentheim (Windkraft) als Antragsgegenstand klar bezeichnet. Es wird zudem in der Antragsbegründung vom 24. Oktober 2024 (S. 7) hinreichend deutlich, dass die Antragstellerin den Antrag gegen die Erlasskörperschaft - mithin die Gemeinde - richten wollte. Die Bezeichnung der Vereinbarten Verwaltungsgemeinschaft Bad Mergentheim als Antragsgegnerin in der Antragsschrift stellt sich vor diesem Hintergrund lediglich als Anknüpfung an den Titel des Teilflächennutzungsplans dar, wie er von der Antragsgegnerin bei der Bekanntmachung selbst gewählt worden ist.

10 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3, § 52 Abs. 1 GKG.