Beschluss vom 07.09.2021 -
BVerwG 1 WNB 3.21ECLI:DE:BVerwG:2021:070921B1WNB3.21.0

Unzulässige Nichtzulassungsbeschwerde aufgrund fehlender Postulationsfähigkeit

Leitsatz:

In Rechtsbeschwerdeverfahren und Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren nach der Wehrbeschwerdeordnung ist eine Selbstvertretung regelmäßig nicht zulässig.

  • Rechtsquellen
    WBO § 22a Abs. 5, § 22b Abs. 1
    VwGO § 67 Abs. 4

  • TDG Süd 4. Kammer - 18.11.2020 - AZ: TDG S 4 BLa 1/20 und S 4 RL 1/21

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 07.09.2021 - 1 WNB 3.21 - [ECLI:DE:BVerwG:2021:070921B1WNB3.21.0]

Beschluss

BVerwG 1 WNB 3.21

  • TDG Süd 4. Kammer - 18.11.2020 - AZ: TDG S 4 BLa 1/20 und S 4 RL 1/21

In dem Wehrbeschwerdeverfahren hat der 1. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts durch
den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Häußler,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Langer und
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Eppelt
am 7. September 2021 beschlossen:

  1. Die Beschwerde des Antragstellers gegen die Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde in dem Beschluss des Truppendienstgerichts Süd vom 18. November 2020 wird verworfen.
  2. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe

1 Der Antragsteller hat gegen die Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde in dem Beschluss des Truppendienstgerichts Süd vom 18. November 2020, ihm zugestellt am 23. November 2020, mit einem am 12. Januar 2021 beim Truppendienstgericht eingegangenen Schreiben Beschwerde eingelegt und diese zugleich begründet. Die Beschwerde ist bereits deshalb unzulässig, weil der Antragsteller bei ihrer Einlegung nicht ordnungsgemäß vertreten war. Es kann daher dahingestellt bleiben, ob die Beschwerde darüber hinaus verspätet eingelegt worden ist (§ 22b Abs. 2 Satz 1 WBO) oder sich der Antragsteller wegen einer behördlich angeordneten häuslichen Absonderung im Zeitraum vom 15. bis 29. Dezember 2020 auf einen - die Frist bis zum 12. Januar 2021 verlängernden - unabwendbaren Zufall (§ 7 Abs. 1 WBO) berufen kann.

2 1. Gemäß § 22b Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 22a Abs. 5 Satz 1 WBO muss sich der Beschwerdeführer im Verfahren über die Nichtzulassungsbeschwerde, soweit er einen Antrag stellt, durch einen Rechtsanwalt oder durch eine Person vertreten lassen, welche die Befähigung zum Richteramt nach dem Deutschen Richtergesetz hat oder die Voraussetzungen des § 110 des Deutschen Richtergesetzes erfüllt. Das Vertretungserfordernis beschränkt sich nicht auf die Stellung eines förmlichen Sachantrags, sondern erfasst alle den Prozessablauf gestaltenden oder bestimmenden Prozesshandlungen, wie insbesondere auch die fristwahrende Einlegung und Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde (vgl. zuletzt BVerwG, Beschlüsse vom 2. Dezember 2019 - 1 WNB 8.19 - juris Rn. 3 und vom 18. Mai 2021 - 1 WNB 1.21 - juris Rn. 2).

3 Die vom Antragsteller selbst - und nicht von einem bevollmächtigten Vertreter - abgefasste und unterzeichnete Beschwerde genügt diesen Anforderungen nicht. Es liegt auch im Hinblick auf das Vertretungserfordernis kein Grund im Sinne des § 7 (hier: Abs. 2) WBO vor, der den Fristablauf hemmen und dem Antragsteller ermöglichen könnte, die Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde in ordnungsgemäßer Form nachzuholen. Die Rechtsbehelfsbelehrung in dem angefochtenen Beschluss ist nicht zu beanstanden. Sie entspricht auch hinsichtlich des Vertretungserfordernisses der gesetzlichen Regelung. Das Truppendienstgericht war nicht verpflichtet, den Antragsteller - über den Gesetzeswortlaut hinaus - auf Einzelheiten des Inhalts und der Reichweite des Vertretungszwangs hinzuweisen (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 2. Dezember 2019 - 1 WNB 8.19 - juris Rn. 4 und vom 18. Mai 2021 - 1 WNB 1.21 - juris Rn. 3).

4 2. Der Antragsteller war auch nicht befugt, sich selbst zu vertreten.

5 Der Antragsteller besitzt zwar die Befähigung zum Richteramt nach dem Deutschen Richtergesetz, die ihn zur Vertretung eines anderen Soldaten berechtigt. Die Wehrbeschwerdeordnung sieht in § 22a Abs. 5 Satz 1 und § 22b Abs. 1 Satz 2 WBO jedoch nicht die Möglichkeit der Selbstvertretung vor.

6 Mit dem Truppendienstgericht (in dem Nichtabhilfebeschluss vom 13. Juli 2021) ist davon auszugehen, dass die Bestimmungen der § 22a Abs. 5 Satz 1 und § 22b Abs. 1 Satz 2 WBO eine abschließende Regelung der Vertretung und das Fehlen einer Vorschrift zur Selbstvertretung eine bewusste gesetzgeberische Entscheidung darstellt. Die Bestimmungen der § 22a Abs. 5 Satz 1 und § 22b Abs. 1 Satz 2 WBO wurden durch das Gesetz zur Änderung wehrrechtlicher und anderer Vorschriften (Wehrrechtsänderungsgesetz 2008) vom 31. Juli 2008 (BGBl. I S. 1629) - im Zuge der Einführung des dem verwaltungsgerichtlichen Revisionsverfahren nachgebildeten Rechtsbeschwerdeverfahrens - zum 1. Februar 2009 in die Wehrbeschwerdeordnung eingefügt. Zu diesem Zeitpunkt enthielt die Verwaltungsgerichtsordnung bereits eine im Wesentlichen der heutigen Rechtslage entsprechende Regelung der Vertretung vor dem Bundesverwaltungsgericht, die die Möglichkeit der Selbstvertretung für bestimmte Personen vorsah (§ 67 Abs. 4 Satz 6 <heute: Satz 8> VwGO i.d.F. vom 12. Dezember 2007, BGBl. I S. 2840). Dem Gesetzgeber standen damit bei der Regelung der Vertretung im Rechtsbeschwerde- und im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren das Rechtsinstitut der Selbstvertretung und die entsprechenden Vorschriften der Verwaltungsgerichtsordnung als Muster, von dem er keinen Gebrauch gemacht hat, vor Augen.

7 Es kann dahingestellt bleiben, ob gemäß § 23a Abs. 2 Satz 1 WBO in den Verfahren nach den §§ 22a und 22b WBO eine ergänzende Anwendung der Vorschriften der Verwaltungsordnung über die Vertretung vor dem Bundesverwaltungsgericht in Betracht kommt, weil hinsichtlich der Möglichkeit der Selbstvertretung ein geringer Anwendungsbereich hierfür ersichtlich ist und der Antragsteller unstreitig nicht zu dem dort angeführten Personenkreis gehört. Denn nach § 67 Abs. 4 Satz 8 i.V.m. § 67 Abs. 4 Satz 3 und Abs. 2 Satz 1 VwGO wären nur Rechtsanwälte sowie Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule mit der Befähigung zum Richteramt, nicht aber andere Personen mit der Befähigung zum Richteramt - wie der Antragsteller - berechtigt, sich selbst zu vertreten.

8 3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 23a Abs. 2 Satz 1 WBO i.V.m. § 154 Abs. 2 VwGO.