Verfahrensinformation

Das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge hat die Kläger, albanische Volkszugehörige aus dem Kosovo, in Erfüllung eines während des Kosovo-Konflikts ergangenen Verpflichtungsurteils Ende Juni 1999 als politisch verfolgte Flüchtlinge nach § 51 Abs. 1 AuslG anerkannt. Im Jahre 2000 widerrief das Bundesamt die anerkennenden Bescheide, weil die Kläger seit dem Einmarsch der KFOR-Truppen in den Kosovo nicht mehr mit Verfolgung rechnen müssten. Ihnen drohten dort auch keine Gefahren, die ein Abschiebungshindernis nach § 53 AuslG begründen könnten. Der Einwand der Kläger, dass es an einer den Widerruf rechtfertigenden nachträglichen Änderung der Sachlage fehle, weil die KFOR-Truppen bereits vor Ergehen des ersten anerkennenden Bescheids Mitte Juni 1999 im Kosovo stationiert wurden, blieb in den Vorinstanzen ohne Erfolg. Das Oberverwaltungsgericht Lüneburg vertrat die Ansicht, dass das Bundesamt auf den Zeitpunkt des Ergehens des Verpflichtungsurteils habe abstellen dürfen. Diese Rechtsauffassung greift die Revision an.


Pressemitteilung Nr. 21/2003 vom 08.05.2003

Widerruf der Asylanerkennung von Kosovo-Albanern

Die Kläger, albanische Volkszugehörige aus dem Kosovo, erstritten während des Kosovo-Konflikts im Frühjahr 1999 rechtskräftig gewordene Asylurteile zu ihren Gunsten. Das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge erteilte ihnen daraufhin Anerkennungsbescheide, allerdings erst nach dem Einmarsch der UN-Friedenstruppen KFOR in den Kosovo im Juni 1999. Gegen den späteren Widerruf der Anerkennungsbescheide (nach § 73 Abs. 1 Asylverfahrensgesetz - AsylVfG -) wandten die Kläger ein, eine zum Widerruf berechtigende Änderung der Sachlage sei seit dem Erlass der Anerkennungsbescheide nicht eingetreten. Das Oberverwaltungsgericht Lüneburg hat die Klagen als unbegründet angesehen, weil für die Änderung der Sachlage auf den Zeitpunkt der gerichtlichen Verurteilung zur Anerkennung abzustellen sei.


Diese Rechtsauffassung hat der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts in Leipzig heute bestätigt und dementsprechend die Revisionen der Kläger zurückgewiesen. Zur Begründung hat er ausgeführt: Die Kläger waren vom Bundesamt allein deshalb anerkannt worden, weil ihnen zum maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses der rechtskräftigen Verpflichtungsurteile im Mai 1999 bei einer Rückkehr in den Kosovo eine ethnische Gruppenverfolgung gedroht hatte. Alle späteren Entwicklungen der Lage im Kosovo werden von den zur Anerkennung verpflichtenden Urteilen und den zu ihrer Befolgung ergangenen Anerkennungsbescheiden nicht erfasst. Die Sachlage hatte sich nach den Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts zwar bereits vor Erlass der Anerkennungsbescheide am 22. Juni 1999 durch den Abschluss des NATO-Militärabkommens mit Jugoslawien am 9. Juni 1999 und die UN-Resolution 1244 vom 10. Juni 1999 sowie den anschließenden Einmarsch der KFOR-Streitkräfte grundlegend geändert. Das Bundesamt war aber nicht verpflichtet, deswegen die - für die Kläger günstige - Anerkennung zur Erfüllung der vollstreckbaren Verpflichtungsurteile zu unterlassen und eine sog. Vollstreckungsgegenklage zu erheben. Es durfte vielmehr zunächst die Anerkennungen aussprechen und diese später - wie geschehen - wegen des auch von den Klägern nicht bestrittenen Wegfalls einer Verfolgungsgefahr wieder aufheben.


BVerwG 1 C 15.02 - Urteil vom 08. Mai 2003

Vorinstanz:

Gericht , Aktenzeichen - Offen vom Datum. undefined undefined -

BVerwG 1 C 16.02 - Urteil vom 08. Mai 2003

Vorinstanz:

Gericht , Aktenzeichen - Offen vom Datum. undefined undefined -

BVerwG 1 C 36.02 - Urteil vom 08. Mai 2003

Vorinstanz:

Gericht , Aktenzeichen - Offen vom Datum. undefined undefined -


Urteil vom 08.05.2003 -
BVerwG 1 C 36.02ECLI:DE:BVerwG:2003:080503U1C36.02.0

Urteil

BVerwG 1 C 36.02

  • Niedersächsisches OVG - 11.03.2002 - AZ: OVG 8 LB 4071/01

In der Verwaltungsstreitsache hat der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
auf die mündliche Verhandlung vom 8. Mai 2003
durch die Vizepräsidentin des Bundesverwaltungsgerichts E c k e r t z - H ö f e r ,
die Richter am Bundesverwaltungsgericht H u n d und R i c h t e r , die Richterin am Bundesverwaltungsgericht B e c k und den Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. D ö r i g
für Recht erkannt:

  1. Die Revision des Klägers gegen den Beschluss des Nieder-sächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 11. März 2002 wird zurückgewiesen.
  2. Der Kläger trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.

I


Der Kläger wendet sich gegen den Widerruf seiner Anerkennung als politischer Flüchtling nach § 51 Abs. 1 AuslG.
Der 1980 geborene Kläger ist Staatsangehöriger der Republik Serbien und Montenegro (früher Jugoslawien) und stammt aus dem Kosovo. Er reiste im August 1998 auf dem Landweg nach Deutschland ein und beantragte mit der Angabe, er sei albanischer Volkszugehöriger, zunächst erfolglos die Anerkennung als Asylberechtigter. Mit Urteil vom 14. Mai 1999 verpflichtete das Verwaltungsgericht die Beklagte zur Gewährung von asylrechtlichem Abschiebungsschutz nach § 51 Abs. 1 AuslG, weil albanische Volkszugehörige im Kosovo einer ethnischen Gruppenverfolgung unterlägen. Das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge (Bundesamt) ließ die Entscheidung unanfechtbar werden und erteilte dem Kläger am 22. Juni 1999 unter Hinweis auf das rechtskräftige Verpflichtungsurteil einen Anerkennungsbescheid nach § 51 Abs. 1 AuslG. Im Februar 2000 leitete das Bundesamt ein Widerrufsverfahren ein und hörte den Kläger hierzu an. Mit dem angefochtenen Bescheid vom 9. Juni 2000 widerrief das Bundesamt die Anerkennung nach § 73 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG und stellte fest, dass Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG nicht bestehen. Bei einer Rückkehr in den Kosovo müsse der Kläger derzeit nicht mehr mit Verfolgung rechnen.
Mit der hiergegen gerichteten Klage hat der Kläger gegen den Widerruf vor allem geltend gemacht, eine wesentliche Änderung der Sachlage sei seit dem Erlass des Anerkennungsbescheids nicht eingetreten. Ferner sei eine Rückkehr für ihn als Ashkali unzumutbar; deshalb beantrage er hilfsweise die Verpflichtung der Beklagten zur Feststellung von Abschiebungshindernissen nach § 53 AuslG. Das Verwaltungsgericht hat den Widerrufsbescheid des Bundesamts insgesamt aufgehoben. Auf die Berufung des Bundesbeauftragten für Asylangelegenheiten (Bundesbeauftragter) hat das Oberverwaltungsgericht die Klage als unbegründet abgewiesen. Für die Änderung der Sachlage sei von dem Zeitpunkt der gerichtlichen Verurteilung zur Anerkennung auszugehen. Dafür spreche, dass die Entscheidung über das Vorliegen der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG gemäß § 77 Abs. 1 AsylVfG aufgrund der Verhältnisse, die bei Erlass des Verpflichtungsurteils bestanden hätten, getroffen worden sei. Außerdem stehe mit Erlass des Verpflichtungsurteils zwischen den Beteiligten rechtskräftig fest, dass nach der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung ein Anspruch auf Feststellung von asylrechtlichem Abschiebungsschutz nach § 51 Abs. 1 AuslG bestanden habe. Die gegenteilige Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs München (AuAS 2001, 23 f.) berücksichtige nicht hinreichend, dass das Bundesamt den Feststellungsbescheid in Vollzug des Verpflichtungsurteils erlassen und nicht geprüft habe, ob die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG noch vorliegen. Ausgehend vom Zeitpunkt der verwaltungsgerichtlichen Verpflichtungsentscheidung hätten sich die tatsächlichen Verhältnisse seit dem Einmarsch der KFOR-Friedenstruppen im Kosovo geändert. Auch wenn man zugunsten des Klägers unterstelle, dass er - wie erstmals im Widerrufsverfahren vorgetragen - zur Volksgruppe der Ashkali/Roma gehöre, sei kein anderes Ergebnis gerechtfertigt. Die Voraussetzungen des § 73 Abs. 1 Satz 3 AsylVfG lägen nicht vor; auf die Verfolgungsmaßnahmen der serbischen Behörden im Jahre 1999 könne er sich nicht berufen, da er sein Heimatland bereits im August 1998 verlassen habe. Auch ein Abschiebungshindernis nach § 53 AuslG liege nicht vor. Falls er Ashkali sei, bestehe gleichwohl keine extreme Gefahrenlage bei der Rückkehr; außerdem würden Roma und Ashkali nach geltender Erlasslage in Niedersachsen nicht abgeschoben.
Mit der Revision verfolgt der Kläger sein Anfechtungsbegehren weiter. Er hält daran fest, dass für die Beurteilung einer nachträglichen Änderung der Verhältnisse im Sinne des § 73 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG der Zeitpunkt des Erlasses des Bundesamtsbescheids auch dann maßgeblich sei, wenn die Anerkennung wie hier auf einem Verpflichtungsurteil beruhe. Das Bundesamt dürfe dem Ausländer nichts geben, was es sofort wieder zurücknehmen müsse. Außerdem stehe dem Widerruf die Rechtskraft des Verpflichtungsurteils entgegen.
Die Beklagte verteidigt die angefochtenen Entscheidungen und verweist auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs Mannheim, nach der das Bundesamt nicht - jedenfalls nicht gegenüber dem Kläger - verpflichtet gewesen sei, das rechtskräftige Verpflichtungsurteil mit einer Vollstreckungsgegenklage anzugreifen. Außerdem sei nicht festgestellt und äußerst zweifelhaft, dass zum Zeitpunkt des Erlasses des Anerkennungsbescheids überhaupt schon alle tatsächlichen Voraussetzungen für eine Ablehnung vorgelegen hätten.
Der Bundesbeauftragte hat sich nicht geäußert.

II


Die Revision ist nicht begründet. Sie bezieht sich nur auf den Widerruf der Asylanerkennung nach § 73 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG, zu dem der Senat die Revision zugelassen hat. Die im Widerrufsbescheid ferner enthaltene negative Feststellung zu § 53 AuslG ist nicht Gegen-stand des Revisonsverfahrens; insoweit hat der Kläger im Beschwerde- und Revisionsverfahren Einwände auch nicht (mehr) erhoben. Das Oberverwaltungsgericht hat den Widerruf in Übereinstimmung mit Bundesrecht als rechtmäßig angesehen.
Nach § 73 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG sind die Anerkennung als Asylberechtigter und die Feststellung, dass die Voraussetzungen des § 51 AuslG vorliegen, unverzüglich zu widerrufen, wenn die Voraussetzungen für sie nicht mehr vorliegen, also insbesondere dann, wenn die Gefahr politischer Verfolgung im Herkunftsstaat nicht mehr besteht. Das Oberverwaltungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass der angefochtene Widerrufsbescheid diesen Anforderungen entspricht und rechtmäßig ist. Auch die Revision behauptet nicht, dass dem Kläger als albanischem Volkszugehörigen zum maßgeblichen Zeitpunkt der Berufungsentscheidung im Kosovo (immer noch) die Gefahr einer ethnischen Gruppenverfolgung gedroht hat. Sie wendet sich vielmehr - wie in dem gleichzeitig entschiedenen Parallelverfahren - BVerwG 1 C 15.02 - dagegen, dass die Vorinstanzen eine den Widerruf legitimierende Änderung der Sachlage im Zeitpunkt des Erlasses des Widerrufsbescheids angenommen haben, obwohl sich die tatsächlichen Verhältnisse im Kosovo seit dem Erlass des Anerkennungsbescheids am 22. Juni 1999 durch das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge (Bundesamt) nicht mehr wesentlich verändert hätten. Mit diesem Vorbringen kann die Revision keinen Erfolg haben. Das hat der Senat in dem Urteil zum Parallelverfahren im Einzelnen ausgeführt; hierauf wird Bezug genommen (vgl. Urteil vom 8. Mai 2003 - BVerwG 1 C 15.02 -, zur Veröffentlichung in der Entscheidungssammlung BVerwGE vorgesehen).
Maßgeblich für die Prüfung der Voraussetzungen des Widerrufs von Asylanerkennungen, die in Erfüllung eines rechtskräftigen Verpflichtungsurteils ergangen sind, ist danach nicht der Zeitpunkt des Ergehens des Anerkennungsbescheids, sondern des rechtskräftig gewordenen Verpflichtungsurteils. Dass hier eine erhebliche Sachlagenänderung nach diesem Zeitpunkt (und zwar nach dem Ende des Kosovo-Konflikts) anzunehmen ist, stellt auch die Revision nicht in Abrede. Auf der Grundlage der Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts ist mithin nicht zweifelhaft, dass die gesetzlichen Voraussetzungen des § 73 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG für den Widerruf vorgelegen haben. Entgegen der Auffassung der Revision war das Bundesamt am Widerruf der zunächst in Erfüllung des rechtskräftigen Verpflichtungsurteils ausgesprochenen Asylanerkennung insbesondere auch nicht deshalb gehindert, weil es das zur Asylanerkennung verpflichtende Urteil nicht mit einer Vollstreckungsabwehrklage angegriffen hat. Gegen die Annahme des Berufungsgerichts schließlich, dass der Widerruf auch für den Fall, dass der Kläger dem Volk der Roma und Ashkali angehören sollte, nicht nach § 73 Abs. 1 Satz 3 AsylVfG (vgl. auch Art. 1 C Satz 1 Nr. 5 GFK ) unzulässig ist, sind Einwände weder geltend gemacht noch ersichtlich.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83 b Abs. 1 AsylVfG nicht erhoben; der Gegenstandswert ergibt sich aus § 83 b Abs. 2 AsylVfG.
Eckertz-Höfer Hund Richter