Beschluss vom 09.07.2025 -
BVerwG 6 AV 2.25ECLI:DE:BVerwG:2025:090725B6AV2.25.0
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Zitiervorschlag
BVerwG, Beschluss vom 09.07.2025 - 6 AV 2.25 - [ECLI:DE:BVerwG:2025:090725B6AV2.25.0]
Beschluss
BVerwG 6 AV 2.25
- VG Minden - 10.06.2025 - AZ: 11 K 557/22
In der Verwaltungsstreitsache hat der 6. Senat des Bundesverwaltungsgerichts am 9. Juli 2025 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Kraft sowie die Richterinnen am Bundesverwaltungsgericht Steiner und Dr. Gamp beschlossen:
- Das gegen den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht A gerichtete Ablehnungsgesuch wegen Besorgnis der Befangenheit wird verworfen.
- Der Antrag auf Bestimmung des zuständigen Gerichts wird abgelehnt.
Gründe
1 Der Senat entscheidet über das gegen den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht A angebrachte Ablehnungsgesuch unter Mitwirkung des abgelehnten Richters, denn das Ablehnungsgesuch ist unzulässig (1.). Der Antrag auf Bestimmung des zuständigen Gerichts ist abzulehnen, da dafür nach Ergehen eines instanzabschließenden Endurteils kein Raum mehr ist. Zudem enthält die Prozessordnung für die hier vorliegende Fallkonstellation eine widerspruchsfreie Zuweisung der Zuständigkeit (2.). Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung hält der beschließende Senat nicht für erforderlich (§ 53 Abs. 3 Satz 2 VwGO).
2 1. Ein Ablehnungsgesuch nach § 54 Abs. 1 VwGO i. V. m. § 44 Abs. 1 ZPO kann ausnahmsweise dann unter Mitwirkung eines abgelehnten Richters und ohne Einholung einer dienstlichen Stellungnahme als unzulässig verworfen werden, wenn es sich als offenbarer Missbrauch des Ablehnungsrechts darstellt (BVerwG, Beschlüsse vom 30. Dezember 1993 - 1 B 154.93 - Buchholz 310 § 54 VwGO Nr. 50; vom 16. Oktober 2007 - 2 B 101.07 - juris Rn. 4 m. w. N. und vom 2. Mai 2018 - 6 B 118.18 - juris Rn. 2 ff.; vgl. ferner BVerfG, Beschlüsse vom 6. Mai 2010 - 1 BvR 96/10 - NVwZ-RR 2010, 545 f. und vom 27. Januar 2020 - 2 BvR 1763/19 - juris). Indizien für einen solchen Missbrauch des Ablehnungsrechts können darin liegen, dass die Begründung des Gesuchs nicht hinreichend konkret auf den abgelehnten Richter bezogen ist (BVerwG, Beschlüsse vom 24. Januar 1973 - 3 CB 123.71 - Buchholz 310 § 54 VwGO Nr. 13 und vom 7. September 1989 - 2 B 109.89 - Buchholz 310 § 54 VwGO Nr. 41), der Inhalt der Begründung von vornherein ersichtlich ungeeignet ist, die Besorgnis der Befangenheit zu rechtfertigen (BVerwG, Beschluss vom 22. März 2011 - 4 B 34.10 - juris Rn. 3), oder dass verfahrensfremde Zwecke, wie etwa das Ziel, den Prozess zu verschleppen, verfolgt werden. Grundsätzlich kommt eine Verwerfung als unzulässig nur in Betracht, wenn das Gesuch für sich allein - ohne jede weitere Aktenkenntnis - offenkundig eine Ablehnung nicht zu begründen vermag (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 11. März 2013 - 1 BvR 2853/11 - juris Rn. 30).
3 Daran gemessen stellt sich das Ablehnungsgesuch des Antragstellers als rechtsmissbräuchlich dar. Sein Gesuch stützt sich auf das an ihn gerichtete gerichtliche Schreiben vom 20. Juni 2025 - BVerwG 6 ER 13.25 . Darin hatte der Vorsitzende dem anwaltlich nicht vertretenen Antragsteller mitgeteilt, dass eine Zuständigkeitsbestimmung nicht infrage komme, da das Verwaltungsgericht über seine Klage bereits durch Urteil entschieden habe. Verfahrensleitende Hinweise und Anregungen sind ureigene Aufgabe eines Richters (vgl. § 86 Abs. 3 VwGO) und rechtfertigen grundsätzlich keine Befangenheitsablehnung; das gilt selbst dann, wenn hierdurch die Prozesschancen eines Verfahrensbeteiligten verringert werden (BVerwG, Beschlüsse vom 8. September 2010 - 8 B 54.10 - juris Rn. 4; vom 10. Oktober 2017 - 9 A 16.16 - NVwZ 2018, 181 Rn. 6 und vom 26. März 2020 - 3 B 24.19 - NVwZ 2020, 1199 Rn. 20). Der dem Antragsteller als Naturalpartei erteilte verfahrensrechtliche Hinweis auf die Rechtslage ist nicht ansatzweise geeignet, seine daraus abgeleiteten Spekulationen über die zugrundeliegenden Motive des Vorsitzenden (Vertuschung des von den erstinstanzlichen Richtern vermeintlich begangenen Verbrechens der Rechtsbeugung, Aufrechterhaltung eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit, Rassenhass auf Niederdeutsche etc.) zu tragen. Der aus verfahrensrechtlicher Fürsorge und unverzüglich erteilte Hinweis vermag offensichtlich keine Ablehnung wegen Befangenheit zu begründen.
4 2. Der Antrag auf Bestimmung des zuständigen Gerichts ist abzulehnen. Für dieses Verfahren (§ 53 Abs. 3 VwGO) ist nach Ergehen einer instanzabschließenden Entscheidung kein Raum mehr. Denn die Bestimmung der Zuständigkeit ist immer nur mit Blick auf eine noch ausstehende gerichtliche Entscheidung in der Instanz möglich, nicht aber, wenn eine abschließende Entscheidung bereits getroffen worden oder die Zuständigkeitsfrage gemäß § 83 Satz 1 VwGO i. V. m. § 17a Abs. 5 GVG im Rechtsmittelverfahren nicht mehr zu prüfen ist. Damit ist der Antrag in dem Stadium, in dem sich das Verfahren vor dem Verwaltungsgericht nach Verkündung des instanzabschließenden Endurteils befand, bereits unzulässig (vgl. BVerwG, Beschluss vom 5. Mai 2017 - 6 AV 1.17 - NVwZ-RR 2017, 676). Im Übrigen kommt eine Zuständigkeitsbestimmung nicht in Betracht, da die Prozessordnung in § 52 Nr. 3 Satz 1 VwGO für die hier vorliegende Fallkonstellation eine widerspruchsfreie Zuweisung der örtlichen Zuständigkeit an das Verwaltungsgericht Minden enthält. Der Antragsteller verkennt, dass ein Antrag nach § 53 VwGO weder als Beschwerde anzusehen ist noch aufschiebende Wirkung äußert. Sein Vorbringen zur Zuständigkeit eines "Notstandsgerichts in Pasewalk" erweist sich als abwegig.