Beschluss vom 10.01.2022 -
BVerwG 7 B 13.21ECLI:DE:BVerwG:2022:100122B7B13.21.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 10.01.2022 - 7 B 13.21 - [ECLI:DE:BVerwG:2022:100122B7B13.21.0]

Beschluss

BVerwG 7 B 13.21

  • VG Koblenz - 02.11.2020 - AZ: VG 3 K 484/20.KO
  • OVG Koblenz - 07.05.2021 - AZ: OVG 10 A 11400/20

In der Verwaltungsstreitsache hat der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 10. Januar 2022
durch
den Vizepräsidenten des Bundesverwaltungsgerichts Prof. Dr. Korbmacher und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Löffelbein und Dr. Wöckel
beschlossen:

  1. Die Beschwerde der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 7. Mai 2021 wird zurückgewiesen.
  2. Die Kläger tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens als Gesamtschuldner.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 5 000 € festgesetzt.

Gründe

1 Die auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO gestützte Beschwerde kann keinen Erfolg haben.

2 Die Fragen,
"ob auch die juristische Person des öffentlichen Rechts gemäß § 56 WHG als unmittelbarer oder als mittelbarer Handlungsstörer für die Ableitung von Abwässern aus privaten Haushaltungen und für Niederschlagswasser über fremde Grundstücke bzw. über im Eigentum der jeweiligen Grundstückseigentümer stehende Leitungen verantwortlich ist und als Störer im Sinne des öffentlich-rechtlichen Unterlassungsanspruch[s] in Betracht kommt"
und
"wer und ab welchem Zeitpunkt im Falle [...] auf oder durch fremde Grundstücke verlegte[r] Abwasserrohre, die als wesentlicher Bestandteil des Grundstücks im Eigentum der jeweiligen Grundstückseigentümer stehen, für das Sammeln, Ableiten und Behandeln von Abwässern von privaten Grundstücken gemäß §[§] 54, 56 WHG verantwortlich ist und in der Folge wer Störer im Sinne von § 1004 BGB durch die rechtswidrige Nutzung zum Sammeln, Ableiten und Behandeln von Abwasser[...] von privaten Grundstücken der im Eigentum der jeweiligen Grundstückseigentümer stehenden Abwasserrohre zur Ableitung in die öffentliche Kanalisation ist",
rechtfertigen die Zulassung der Revision nicht. Soweit die Fragen einen hinreichend konkreten und hier entscheidungserheblichen Gehalt erkennen lassen und sich auf revisibles Recht (§ 137 Abs. 1 VwGO) beziehen, bedürfen sie keiner Klärung in einem Revisionsverfahren. Sie lassen sich auf der Grundlage des Gesetzes und der schon vorhandenen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ohne Weiteres beantworten.

3 Das Oberverwaltungsgericht hat einen öffentlich-rechtlichen Unterlassungsanspruch der Kläger gegen die Beklagte wegen der Entwässerung mehrerer Nachbargrundstücke über ein im klägerischen Grundstück als dessen wesentlicher Bestandteil (§ 94 Abs. 1 Satz 1 BGB) verlaufendes Abflussrohr verneint, weil die Beklagte für die Beeinträchtigung des Eigentums der Kläger, die in dieser Nutzung des Rohrs liege, nicht als Störerin verantwortlich sei. Nach der Allgemeinen Entwässerungssatzung der Beklagten sei das Abflussrohr nicht Teil der öffentlichen Abwasseranlage, sondern unterliege als Grundstücksentwässerungsanlage der alleinigen Verantwortung des Grundstückseigentümers und werde nur von diesem, nicht aber von der abwasserbeseitigungspflichtigen Körperschaft - der Beklagten - genutzt.

4 Damit ist das Oberverwaltungsgericht der Sache nach zutreffend davon ausgegangen, dass der öffentlich-rechtliche Unterlassungsanspruch die begründete Besorgnis voraussetzt, der Anspruchsgegner werde künftig durch sein hoheitliches Handeln rechtswidrig in die geschützte Rechts- und Freiheitssphäre des Anspruchstellers eingreifen (vgl. BVerwG, Urteil vom 22. Oktober 2014 - 6 C 7.13 - Buchholz 402.41 Allgemeines Polizeirecht Nr. 104 Rn. 20). An einem hoheitlichen Eingriff durch den in Anspruch genommenen Hoheitsträger fehlt es, wenn nicht von diesem, sondern von dritter Seite eine Beeinträchtigung der Rechts- und Freiheitssphäre des Anspruchstellers droht. Insoweit kommt ein Unterlassungsanspruch gegenüber dem angegangenen Hoheitsträger nur in Betracht, wenn ihm das Verhalten des Dritten als eigenes zuzurechnen ist (vgl. BVerwG, Beschluss vom 14. Oktober 2020 - 6 PKH 8.20 - juris Rn. 4).

5 Vor diesem Hintergrund zielen die von der Beschwerde aufgeworfenen Fragen sinngemäß darauf zu klären, ob aus § 56 Satz 1 WHG folgt, dass ein nach Landesrecht zur Abwasserbeseitigung verpflichteter Hoheitsträger es sich zurechnen lassen muss, wenn Abwassererzeuger ihr Abwasser unter Inanspruchnahme fremden Grundeigentums in ein Abflussrohr, das nicht Teil der von dem Hoheitsträger betriebenen öffentlichen Abwasseranlage ist, aber den Anschluss an diese vermittelt, einleiten. Dies ist zu verneinen. § 56 Satz 1 WHG regelt eine Abwasserbeseitigungspflicht, deren nähere Ausgestaltung den Ländern überlassen bleibt (vgl. BT-Drs. 16/12275, S. 68; Czychowski/Reinhardt, WHG, 12. Aufl. 2019, § 56 Rn. 10 f.). Die Vorschrift normiert hingegen nicht eine Verantwortlichkeit des Abwasserbeseitigungspflichtigen für das Verhalten Dritter im Umgang mit Abwasser. Gegenteiliges zeigt die Beschwerde nicht auf. Soweit sie sich auf eine Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs beruft, übersieht sie, dass in dem dortigen Fall das auf dem klägerischen Grundstück gelegene Kanalstück von der beklagten Gemeinde in Erfüllung ihrer Abwasserbeseitigungspflicht als Teil der gemeindlichen Entwässerungseinrichtung genutzt wurde und zu diesem Zweck gewidmet war (vgl. VGH München, Urteil vom 29. November 2013 - 4 B 13.11 66 - NVwZ-RR 2014, 217 Rn. 22, 30). Der vorliegende Fall ist anders gelagert. Das Abflussrohr auf dem Grundstück der Kläger ist nach der Allgemeinen Entwässerungssatzung nicht Teil der von der Beklagten in Erfüllung ihrer Abwasserbeseitigungspflicht betriebenen öffentlichen Abwasseranlage, sondern eine der alleinigen Verantwortung der Grundstückseigentümer unterliegende Grundstücksentwässerungsanlage.

6 Mit Blick auf den bundesrechtlichen Begriff der öffentlichen Abwasseranlage gemäß § 58 Abs. 1 Satz 1 WHG hat der Senat bereits festgestellt, dass die Beantwortung der Frage, ob eine Entwässerungsleitung, mit der das Abwasser aus den Anfallstellen erfasst und der weiteren Beseitigung zugeführt und somit im Sinne von § 54 Abs. 2 WHG gesammelt und fortgeleitet wird, Teil der öffentlichen Abwasseranlage ist, sich danach richten kann, ob sie dazu bestimmt ist, Abwasser einer unbestimmten Anzahl nicht näher bezeichneter Einleiter aufzunehmen (BVerwG, Beschluss vom 13. Januar 2016 - 7 B 3.15 - juris Rn. 8 m.w.N.). Eine auch in dieser Hinsicht verlässliche Abgrenzung leistet jeweils die Widmung als Willensbekundung der zuständigen Stelle, die grundsätzlich an keine bestimmte Form gebunden ist und auch konkludent ergehen kann. Was die Zuordnung der Entwässerungsleitungen zur öffentlichen Abwasseranlage und folglich die Abgrenzung der Verantwortungssphären des Einleiters einerseits, der abwasserbeseitigungspflichtigen juristischen Person des öffentlichen Rechts andererseits angeht, findet sich die Widmung, falls die Abwasserbeseitigungspflicht aufgrund landesrechtlicher Bestimmungen den Gemeinden als Selbstverwaltungsaufgabe obliegt, in der Abwassersatzung der Gemeinde bzw. - bei zulässiger Übertragung dieser Aufgabe - der dann beseitigungspflichtigen Körperschaft (BVerwG, Beschluss vom 13. Januar 2016 - 7 B 3.15 - juris Rn. 8 m.w.N.).

7 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2, § 159 Satz 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3, § 52 Abs. 2 GKG.

Beschluss vom 08.04.2022 -
BVerwG 7 B 7.22ECLI:DE:BVerwG:2022:080422B7B7.22.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 08.04.2022 - 7 B 7.22 - [ECLI:DE:BVerwG:2022:080422B7B7.22.0]

Beschluss

BVerwG 7 B 7.22

  • VG Koblenz - 02.11.2020 - AZ: 3 K 484/20.KO
  • OVG Koblenz - 07.05.2021 - AZ: 10 A 11400/20

In der Verwaltungsstreitsache hat der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 8. April 2022
durch
den Vizepräsidenten des Bundesverwaltungsgerichts Prof. Dr. Korbmacher und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Löffelbein und Dr. Wöckel
beschlossen:

  1. Die Anhörungsrüge des Klägers zu 1 gegen den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 10. Januar 2022 - 7 B 13.21 - wird zurückgewiesen.
  2. Der Kläger zu 1 trägt die Kosten des Anhörungsrügeverfahrens.

Gründe

1 Die zulässige Anhörungsrüge des Klägers zu 1 ist unbegründet. Das Rügevorbringen lässt nicht erkennen, dass der Senat seinen Anspruch auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat (§ 152a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 VwGO).

2 Das Recht auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO) verpflichtet das Gericht, aus seiner Sicht entscheidungserhebliches Vorbringen der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen, nicht jedoch dazu, sich deren Rechtsauffassung anzuschließen (stRspr, vgl. nur BVerwG, Beschluss vom 14. November 2017 - 10 B 4.17 - juris Rn. 10 m.w.N., insoweit in Buchholz 428.2 § 11 VZOG Nr. 37 nicht abgedruckt). Danach liegt hier ein Gehörsverstoß nicht vor.

3 Das Beschwerdevorbringen zu den Umständen und dem Zweck der Verlegung des Abflussrohrs auf dem klägerischen Grundstück sowie dazu, dass in den für die Nachbargrundstücke erteilten Baugenehmigungen jeweils der Anschluss der Abwasserbeseitigung an das Abflussrohr angeordnet worden sei, war für die Entscheidung des Senats über die auf eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache gestützte Nichtzulassungsbeschwerde nicht erheblich. Dies gilt auch für eine auf diesem Vorbringen fußende Annahme einer "formlosen oder konkludenten Widmung" des Abflussrohrs als Teil der von der Beklagten betriebenen öffentlichen Abwasseranlage, wie sie der Kläger zu 1 nunmehr in Ansehung der Gründe des angefochtenen Beschlusses mit insoweit neuem rechtlichen Vorbringen für geboten hält.

4 Der Senat hat eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache unter anderem deshalb verneint, weil in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts geklärt sei, dass die Beantwortung der Frage, ob eine Entwässerungsleitung, mit der das Abwasser aus den Anfallstellen erfasst und der weiteren Beseitigung zugeführt und somit im Sinne von § 54 Abs. 2 WHG gesammelt und fortgeleitet werde, Teil der öffentlichen Abwasseranlage sei, sich danach richten könne, ob die Leitung dazu bestimmt sei, Abwasser einer unbestimmten Anzahl nicht näher bezeichneter Einleiter aufzunehmen. Ferner sei geklärt, dass eine auch in dieser Hinsicht verlässliche Abgrenzung jeweils die von der zuständigen Stelle vorgenommene Widmung leiste, die grundsätzlich an keine bestimmte Form gebunden sei, auch konkludent ergehen könne und sich, falls die Abwasserbeseitigungspflicht aufgrund landesrechtlicher Bestimmungen den Gemeinden als Selbstverwaltungsaufgabe obliege, in der Abwassersatzung der Gemeinde bzw. - bei zulässiger Übertragung dieser Aufgabe - der dann beseitigungspflichtigen Körperschaft finde. Welcher weitergehende, die Zulassung der Revision rechtfertigende Klärungsbedarf bestehen könnte, wenn man vorliegend von einer solchen Widmung des Abflussrohrs ausginge, ist dem Rügevorbringen nicht zu entnehmen und auch sonst nicht ersichtlich. Entsprechendes gilt für die Ausführungen in dem angefochtenen Nichtzulassungsbeschluss zu § 56 Satz 1 WHG, wonach diese Vorschrift nicht eine Verantwortlichkeit des Abwasserbeseitigungspflichtigen für das Verhalten Dritter im Umgang mit Abwasser normiere.

5 Lediglich klarstellend weist der Senat darauf hin, dass er aus Rechtsgründen gehindert war, das Abflussrohr als einen entsprechend gewidmeten Teil der öffentlichen Abwasseranlage der Beklagten anzusehen. Das Oberverwaltungsgericht hat festgestellt, dass das Abflussrohr nach der Allgemeinen Entwässerungssatzung der Beklagten nicht Teil der öffentlichen Abwasseranlage sei, sondern als Grundstücksentwässerungsanlage der alleinigen Verantwortung des Grundstückseigentümers unterliege. An diese nicht mit Verfahrensrügen angegriffene Feststellung des Inhalts der Entwässerungssatzung als einem Bestandteil des nicht revisiblen Landesrechts war der Senat als Revisionsgericht auch im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde gebunden (vgl. § 137 Abs. 1, § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 560 ZPO).

6 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.