Verfahrensinformation

Im Februar 1939 verkauften Helene L. und Alice D., die zum Kreis der im Nationalsozialismus aus rassischen Gründen Verfolgten gehörten, drei Grundstücke in Wandlitz. Erbeserbin des Käufers der Grundstücke wurde 1979 Luise M. Im Dezember 1992 beantragte die Beigeladene die Restitution der drei Grundstücke. Im August 1993 übertrug Luise M. die drei Grundstücke im Wege vorweggenommener Erbfolge an ihre Tochter, die Klägerin zu 1). In dem Vertrag behielt sie sich ein Wohn- und Nutzungsrecht an den Grundstücken vor. Die Klägerin zu 1) übernahm zudem die Kosten für Wasser, Abwasser, Licht und Heizung und verpflichtete sich zur Pflege ihrer Mutter in kranken und altersschwachen Tagen. 1995 schenkte die Klägerin zu 1) zwei der drei Grundstücke an den Kläger zu 2). 2017 restituierte die Beklagte die drei Grundstücke an die Beigeladene. Das Verwaltungsgericht hat die dagegen gerichtete Klage 2023 abgewiesen. Zur Begründung hat es unter anderem ausgeführt, die Grundstücksübertragung im August 1993 an die Klägerin zu 1 hindere die Restitution der Grundstücke nicht, weil diese nicht als entgeltlich im Sinne von § 3 Abs. 4 des Vermögensgesetzes anzusehen sei. Dagegen richtet sich die vom Verwaltungsgericht zugelassene Revision der Kläger.


Pressemitteilung Nr. 64/2024 vom 11.12.2024

Kein Ausschluss der Rückübertragung bei unentgeltlicher Verfügung über anmeldebelastetes Grundstück

Eine unentgeltliche Verfügung über ein anmeldebelastetes Grundstück schließt dessen Rückübertragung nach dem Vermögensgesetz nicht aus. Unentgeltlich können auch Grundstücksveräußerungen sein, bei denen zwar Leistungen des Erwerbers vereinbart wurden, diese aber aus dem Grundstück zu erbringen sind oder im Verhältnis zu ihm nur einen geringfügigen Wert haben. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden.


Der Großvater der Klägerin erwarb 1939 von zwei im Nationalsozialismus Verfolgten drei Flurstücke in Wandlitz, die zuletzt an die Mutter der Klägerin vererbt wurden. 1992 beantragte die beigeladene Conference on Jewish Material Claims against Germany Inc. als Rechtsnachfolgerin der Veräußerer die Rückübertragung der Grundstücke. Im folgenden Jahr schlossen die Klägerin und ihre Mutter über die drei Flurstücke einen Grundstücksübergabevertrag. Die Mutter behielt sich ein lebenslanges Wohnrecht vor. Die Klägerin verpflichtete sich, die Kosten für Wasser, Abwasser, Licht und Heizung zu tragen sowie zu Pflegeleistungen in kranken und altersschwachen Tagen. 1995 schenkte sie zwei der drei Flurstücke dem Kläger, ihrem Sohn. 2017 übertrug die Beklagte das Eigentum an den Grundstücken antragsgemäß an die Beigeladene zurück.


Das Verwaltungsgericht hat die Klage gegen die Rückübertragung abgewiesen. Die Revision der Kläger blieb ohne Erfolg. Die Beklagte hat die drei Flurstücke zu Recht an die Beigeladene zurückübertragen. Die Beigeladene ist als Rechtsnachfolgerin der Verfolgten rückübertragungsberechtigt. Ihr Rückübertragungsanspruch ist nicht wegen der Grundstücksübergabe an die Klägerin nach § 3 Abs. 4 VermG untergegangen. Diese Vorschrift greift bei unentgeltlichen Verfügungen nicht ein. Das ergibt sich vor allem aus der Entstehungsgeschichte und dem Regelungszweck. Der Gesetzgeber ging von Grundstücksverkäufen aus, deren Erlös die Berechtigten statt des Grundstücks erhalten sollten. Er wollte Investitionen fördern und das Vertrauen in den Grundstücksverkehr schützen. Dieser Gesetzeszweck deckt keine Schenkungen zulasten der Berechtigten. Das Vertrauen in einen unentgeltlichen Erwerb ist danach nicht schutzwürdig. Unentgeltlich in diesem Sinne sind nicht nur Verfügungen, bei denen der Erwerber keine Leistung zu erbringen hat. Verpflichtet er sich zu einer Leistung, kommt es darauf an, ob damit nach dem Willen der Vertragspartner die Übereignung abgegolten werden soll. Daran fehlt es regelmäßig, wenn die Leistung aus dem übereigneten Gegenstand zu erbringen oder ihr Wert im Verhältnis zu dessen Wert geringfügig ist. Je größer das Missverhältnis zwischen dem Wert der Leistung des Erwerbers und dem Wert des übertragenen Vermögenswerts ist, umso mehr spricht für die Unentgeltlichkeit der Verfügung.


Daran gemessen stellt sich die Verfügung der Mutter der Klägerin über die Flurstücke als unentgeltlich dar. Nach dem Grundstücksübergabevertrag hat die Klägerin kein Übergabeentgelt zu zahlen. Das Wohnrecht ist keine Gegenleistung, weil es im Wohnhaus auf den übertragenen Flurstücken zu gewähren und im Grundbuch eingetragen ist. Der im Vertrag angesetzte Wert der verbleibenden Leistungen - Nebenkostenübernahme und Pflege - ist im Verhältnis zu dem wegen des Wohnrechts geminderten Wert der Flurstücke mit rund einem Zehntel geringfügig.


BVerwG 8 C 12.23 - Urteil vom 11. Dezember 2024

Vorinstanz:

VG Frankfurt/Oder, VG 4 K 798/17 - Urteil vom 28. September 2023 -


Urteil vom 11.12.2024 -
BVerwG 8 C 12.23ECLI:DE:BVerwG:2024:111224U8C12.23.0

Leitsätze:

1. § 3 Abs. 4 Satz 3 VermG setzt eine entgeltliche Veräußerung des anmeldebelasteten Vermögenswertes voraus (im Anschluss an BVerwG, Beschlüsse vom 23. Mai 2000 - 8 B 31.00 - Buchholz 428 § 3 VermG Nr. 37, vom 28. Februar 2006 - 8 B 89.05 - ZOV 2006, 146 Rn. 9 und vom 17. April 2009 - 8 B 28.09 - ZOV 2009, 210 Rn. 5).

2. Ob vertraglich übernommene Leistungen des Erwerbers eine Gegenleistung für die Übereignung des Vermögenswertes darstellen, ist durch Auslegung des Veräußerungsvertrags unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls zu ermitteln.

3. Leistungen, die wie ein vorbehaltenes Wohnrecht des Veräußerers aus dem übereigneten Grundstück zu erbringen sind und durch dessen dingliche Belastung gesichert werden, stellen grundsätzlich keine Gegenleistung dar.

4. Bei anderen Leistungen ist danach abzugrenzen, ob sie im vertraglichen Synallagma zur Übereignung des Vermögenswerts stehen und nach dem Willen der Vertragspartner dessen Wert abgelten sollen. Das kann nicht angenommen werden, wenn die Übereignung auch bei Nichterfüllung der Leistungen Bestand haben soll oder wenn deren Wert im Verhältnis zu dem des übereigneten Vermögenswerts nach dem vertraglichen Wertansatz geringfügig ist.

  • Rechtsquellen
    GG Art. 14 Abs. 1 Satz 2
    VermG § 1 Abs. 6, § 2 Abs. 1 Satz 1 und 3, § 3 Abs. 1 und 3 Satz 1, Abs. 4 Satz 3, § 3a Abs. 5 Satz 2, § 6 Abs. 6a Satz 4, §§ 7a, 30a Abs. 1 Satz 1
    BGB §§ 133, 157

  • VG Frankfurt (Oder) - 28.09.2023 - AZ: 4 K 798/17

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Urteil vom 11.12.2024 - 8 C 12.23 - [ECLI:DE:BVerwG:2024:111224U8C12.23.0]

Urteil

BVerwG 8 C 12.23

  • VG Frankfurt (Oder) - 28.09.2023 - AZ: 4 K 798/17

In der Verwaltungsstreitsache hat der 8. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
auf die mündliche Verhandlung vom 27. November 2024
durch die Vorsitzende Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Held-Daab, die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Hoock und
die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Seegmüller, Dr. Meister und
Dr. Naumann
am 11. Dezember 2024 für Recht erkannt:

  1. Die Revision wird zurückgewiesen.
  2. Die Kläger tragen die im Revisionsverfahren angefallenen Gerichtskosten sowie die außergerichtlichen Kosten der Beklagten und der Beigeladenen je zur Hälfte. Ihre außergerichtlichen Kosten tragen sie jeweils selbst.

Gründe

I

1 Die Kläger wenden sich gegen die Restitution ihrer in X belegenen Wohn- und Gartengrundstücke (Flurstück 158 der Flur 2 mit 2 772 m2, Grundbuch von X, Bl. 772, sowie Flurstücke 163 und 164 der Flur 2 mit je 1 231 und 261 m2, Grundbuch von X, Bl. 1177) an die Beigeladene.

2 Die Grundstücke standen ab 1932 im Eigentum von A und B, die dort eine Kinderpension betrieben. Beide gehörten zum Kreis der im Nationalsozialismus aus rassischen Gründen Verfolgten. Am 8. Februar 1939 verkauften A und B die Grundstücke für 21 500 RM an C. Von dem Kaufpreis bezahlte der Käufer 500 RM in bar. Ein Teilbetrag von 11 000 RM sollte auf ein Notaranderkonto gezahlt werden. Im Übrigen verpflichtete der Käufer sich, eine auf den Grundstücken lastende, noch mit 13 000 RM valutierende Hypothek über 15 000 RM in Höhe von 10 000 RM zu übernehmen. Die Verkäuferinnen verpflichteten sich, die Hypothek löschen zu lassen, soweit das ihr zugrundeliegende Darlehen einen Betrag von 10 000 RM überstieg, und tilgten 3 000 RM des Hypothekendarlehens aus dem vom Käufer auf dem Notaranderkonto hinterlegten Betrag. Der Käufer wurde als Eigentümer im Grundbuch eingetragen. Nach seinem Tod erbten seine Ehefrau und sein Sohn und nach deren Tod D die Grundstücke. Sie wurde 1979 als Eigentümerin im Grundbuch eingetragen.

3 Am 9. Dezember 1992 beantragte die Beigeladene die Restitution von "Grundvermögen in X ... Grundbuch von: DITO ... Ehem. Eigent.: KINDERPENSION A-B, Quelle: BA KOBL Bestandsnummer: R...". Am 27. August 1993 schloss die damals 80-jährige D mit der Klägerin, ihrer Tochter, einen notariellen Grundstücksübergabevertrag. Sie übertrug dieser die drei Grundstücke und behielt sich ein lebenslanges Wohnrecht vor. Die Klägerin hatte nach Nr. III. 3. und 4. des Vertrages kein Übergabeentgelt zu zahlen und musste sich die Übereignung nicht auf ihr mögliches künftiges Erbteil nach der Mutter anrechnen lassen. Sie verpflichtete sich, die auf die Grundstücke entfallenden Kosten für Wasser, Abwasser, Licht und Heizung zu tragen sowie D in kranken und altersschwachen Tagen zu pflegen. Den jährlichen Wert der drei Rechte bezifferten die Parteien des Vertrags mit jeweils 3 000 DM. Als Verkehrswert der Grundstücke gaben sie 400 000 DM an. Im Mai 1994 wurde die Klägerin als Eigentümerin im Grundbuch eingetragen. Am 11. Januar 1995 schenkte sie dem Kläger die Flurstücke 163 und 164, die im März 1996 auf ihn umgeschrieben wurden.

4 Mit Bescheid vom 29. Oktober 2015 lehnte die Beklagte eine Rückübertragung oder Entschädigung des ehemaligen Betriebsvermögens der "Kinderpension A-B" ab. Der Antrag vom 9. Dezember 1992 beziehe sich allein auf Grundvermögen in X. Die Globalanmeldung 3 führe nicht zum Unternehmen hin. Mit Bescheid vom 6. Februar 2017 ordnete die Beklagte die Restitution der verfahrensgegenständlichen Grundstücke an die Beigeladene an.

5 Mit Urteil vom 28. September 2023 hat das Verwaltungsgericht die hiergegen gerichtete Klage der Kläger abgewiesen. Die Beigeladene habe die Restitution der verfahrensgegenständlichen Grundstücke fristgemäß beantragt. Die Grundstücke hätten einer schädigenden Maßnahme im Sinne von § 1 Abs. 6 VermG unterlegen. Der Restitutionsanspruch der Beigeladenen sei nicht nach § 3 Abs. 4 Satz 3 VermG aufgrund einer wirksamen Verfügung des Verfügungsberechtigten über die verfahrensgegenständlichen Grundstücke untergegangen. Die Vorschrift setze eine entgeltliche Verfügung voraus. Eine solche sei nur anzunehmen, wenn der Veräußerer eines restitutionsbehafteten Vermögenswertes ein adäquates Surrogat für dessen Veräußerung erhalte. Adäquat sei ein Surrogat regelmäßig nur dann, wenn die Gegenleistung in Geld erbracht werde. Ob ausnahmsweise auch andere Leistungen genügen könnten, könne dahinstehen. Der Wert des Surrogates dürfe jedenfalls nicht in unangemessener Weise geringer sein als der Verkehrswert des Vermögenswertes, über den verfügt worden sei. Der letztgenannten Anforderung genüge der Grundstücksübergabevertrag vom 27. August 1993 nicht. Das Wohnrecht für D sei nicht aufgrund einer Leistung der Klägerin eingeräumt worden. D habe sich insoweit lediglich eine bestimmte Nutzung des Grundstücks vorbehalten. Die Übernahme von Nebenkosten und die Erbringung von Pflegeleistungen seien mit einem kapitalisierten Wert von 33 732 DM im Verhältnis zu dem im Übergabevertrag angegebenen Wert der verfahrensgegenständlichen Grundstücke von 400 000 DM unangemessen gering. Der kapitalisierte Wert der von der Klägerin nach dem Übergabevertrag zu bezahlenden Nebenkosten und zu erbringenden Pflegeleistungen ergebe sich aus deren vertraglich bezifferten jährlichen Wert von je 3 000 DM multipliziert mit dem Kapitalwert (5,622) nach der einschlägigen Sterbetafel für eine 80-jährige Frau.

6 Die Kläger stellen die vermögensrechtliche Berechtigung der Beigeladenen in Abrede und tragen zur Begründung ihrer Revision weiter vor, das Verwaltungsgericht habe die Anwendbarkeit von § 3 Abs. 4 Satz 3 VermG zu Unrecht verneint. Die Vorschrift setze lediglich eine wirksame Verfügung voraus, für die ein Erlös erzielt worden sei. Erlös im Sinne der Vorschrift sei nicht der Verkehrswert des Vermögenswertes, über den verfügt worden sei, sondern dasjenige, das dem Verfügungsberechtigten aufgrund der Verfügung über den Vermögenswert zufließe. Der nach § 3 Abs. 4 Satz 3 VermG herauszugebende Erlös entspreche nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes dem commodum ex negatione, das nach § 285 BGB herausverlangt werden könne. Erforderlich sei weder ein Erlös in Geld noch ein adäquates Verhältnis zwischen dem Wert des restitutionsbelasteten Vermögenswertes und dem Wert des Erlöses. Der Zufluss einer wirtschaftlich messbaren Gegenleistung reiche aus. Eine darüber hinausgehende Einschränkung des Anwendungsbereichs der Vorschrift lasse sich weder auf deren Wortlaut noch auf deren Entstehungsgeschichte und Zweck noch auf systematische Erwägungen stützen. Sehe man nur Geldleistungen in adäquater Höhe als Erlös im Sinne der Vorschrift an, sei jede Verfügung über ein Grundstück im Beitrittsgebiet mit dem Risiko behaftet, wegen zu geringer Höhe der Gegenleistung keinen Bestand zu haben. Das sei mit dem Zweck der Vorschrift, den Rechtsverkehr zu schützen, nicht vereinbar. Dem Erwerber drohe der ersatzlose Verlust seiner Gegenleistung. Das Vermögensgesetz enthalte insoweit keine § 7a VermG entsprechende Vorschrift für die Rückabwicklung gescheiterter Verkäufe restitutionsbelasteter Vermögenswerte. Unterschreite der Erlös den Verkehrswert, sei der Restitutionsberechtigte auf Schadensersatzansprüche gegenüber dem Verfügungsberechtigten oder staatlichen Stellen, die die Grundstücksverkehrsgenehmigung erteilt oder die Grundbucheintragung vorgenommen hätten, beschränkt. Unabhängig davon habe das Verwaltungsgericht den Erlös, der D zugeflossen sei, zu gering angesetzt. Es hätte ihn nicht anhand der nach der Sterbetafel bei Vertragsabschluss zu erwartenden Lebenserwartung von D berechnen dürfen, sondern deren tatsächliche Lebensdauer ab Vertragsschluss ansetzen müssen. Danach sei von einer 19-jährigen Leistungsdauer auszugehen, weil D erst 2012 verstorben sei. Der Erlös sei bei dieser Berechnung als angemessen anzusehen. Jedenfalls habe die Beklagte ihr Recht zum Erlass eines Rückübertragungsbescheides verwirkt.

7 Die Kläger beantragen,
das Urteil des Verwaltungsgerichts Frankfurt (Oder) vom 28. September 2023 zu ändern und den Bescheid des Bundesamtes für zentrale Dienste und offene Vermögensfragen vom 6. Februar 2017 insoweit aufzuheben, als damit das im Grundbuch von X, Blatt 772, eingetragene Grundstück der Flur 2, Flurstück 158, und die im Grundbuch von X, Blatt 1177, unter lfd. Nrn. 1 und 2 eingetragenen Grundstücke der Flur 2, Flurstücke 163 und 164, an die Beigeladene zurückübertragen werden.

8 Die Beklagte und die Beigeladene beantragen,
die Revision zurückzuweisen.

9 Sie verteidigen das angegriffene Urteil.

10 Nach Schluss der mündlichen Verhandlung haben die Kläger zwei nicht nachgelassene anwaltliche Schriftsätze vom 4. Dezember 2024 eingereicht, mit denen sie ihr Revisionsvorbringen ergänzt und die Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung angeregt haben.

II

11 Die nicht gemäß § 173 Satz 1 VwGO i. V. m. § 283 ZPO nachgelassenen Schriftsätze der Kläger vom 4. Dezember 2024 geben dem Senat keinen Anlass, die mündliche Verhandlung nach § 104 Abs. 3 Satz 2 VwGO wiederzueröffnen. Zur Wahrung des Rechts auf rechtliches Gehör war dies nicht erforderlich (zu diesem Kriterium der Ermessensreduktion vgl. BVerwG, Urteil vom 11. April 1989 ‌- 9 C 55.88 - NVwZ 1989, 857, Beschluss vom 1. März 2023 ‌- 2 B 33.22 - juris Rn. 23). Die in den nachgereichten Schriftsätzen behandelten Auslegungsfragen des § 3 Abs. 4 VermG einschließlich der Frage der Entgeltlichkeit der Veräußerung und des Erlösbegriffs wurden, soweit entscheidungserheblich, in der Revisionsverhandlung erörtert. Auch die Vereinbarkeit der Auslegung mit höherrangigem Recht wurde dabei angesprochen. Die Kläger hätten ihre nachgereichten Argumente schon in der mündlichen Verhandlung anbringen können. Dass der zweite Prozessbevollmächtigte der Klägerin seine Rechtsauffassung zum Erfordernis entgeltlicher Veräußerung nachträglich geändert hat, gibt bei pflichtgemäßer Ermessensausübung keinen Anlass, die mündliche Verhandlung wiederzueröffnen.

12 Die zulässige Revision ist unbegründet. Das angefochtene Urteil beruht zwar auf einer unrichtigen Anwendung von § 3 Abs. 4 Satz 3 VermG. Es stellt sich jedoch aus anderen Gründen als richtig dar (§ 137 Abs. 1, § 144 Abs. 4 VwGO).

13 1. Ohne Verstoß gegen Bundesrecht hat das Verwaltungsgericht die Restitutionsberechtigung der Beigeladenen bejaht. Diese folgt aus § 3 Abs. 1 Satz 1, § 2 Abs. 1 Satz 1 und 3, § 1 Abs. 6 VermG.

14 a) Die Beigeladene hat die Restitution der verfahrensgegenständlichen Grundstücke innerhalb der Frist des § 30a Abs. 1 Satz 1 VermG am 9. Dezember 1992 beantragt. Zutreffend hat das Verwaltungsgericht angenommen, dass die verfahrensgegenständlichen Grundstücke in der Einzelanmeldung durch die Bezeichnung der Art der Vermögenswerte, des Ortes und der einschlägigen Archivakten sowie den Hinweis auf die "Kinderpension A-B" ausreichend konkretisiert waren.

15 b) Die bestandskräftige Ablehnung der Rückübertragung der Kinderpension steht der Einzelrestitution der Grundstücke nach § 3 Abs. 1 Satz 1 VermG nicht entgegen. Der in § 3 Abs. 1 Satz 3 VermG angeordnete Vorrang der Unternehmens-(reste-)restitution greift nicht ein.

16 § 6 Abs. 1 und Abs. 6a VermG wären nur anzuwenden, wenn die zurückverlangten Vermögenswerte im Zuge einer Unternehmensschädigung entzogen wurden (vgl. BVerwG, Urteile vom 13. Februar 1997 - 7 C 54.96 - BVerwGE 104, 92 <95 ff.> und vom 28. November 2012 - 8 C 23.11 - ZOV 2013, 30 Rn. 17 f., 20 f.; Beschluss vom 9. August 2004 - 7 B 49.04 - juris Rn. 4). Das ist nach den tatsächlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichts zu verneinen. Danach ist davon auszugehen, dass die Grundstücke bei ihrer Veräußerung am 8. Februar 1939 zum Privatvermögen von A und B gehörten. Beide erwarben die Grundstücke schon 1932, betrieben die Kinderpension aber nach den vom Verwaltungsgericht in Bezug genommenen Unterlagen erst seit 1934 mit Sitz in Y. Sie nutzten die Grundstücke zur Kinderbetreuung, brachten sie aber nicht in das Unternehmen ein. Das ergibt sich aus der Einheitswertfestsetzung des Finanzamts Z, nach der die Grundstücke 1938 - kurz vor dem Verkauf - nicht zum Betriebsvermögen gehörten (vgl. Bl. 358 der Verwaltungsvorgänge). Unabhängig davon gibt es weder verwaltungsgerichtliche Feststellungen noch Anhaltspunkte dafür, dass mit dem Grundstücksverkauf zugleich das gesamte Unternehmen entzogen worden wäre (zur Abgrenzung vgl. BVerwG, Urteil vom 28. November 2012 ‌- 8 C 23.11 -‌ a. a. O. Rn. 17 f., 20 f.). Nach Aktenlage wurde die Kinderpension in Y in der Wohnung des Ehepaars B weiter betrieben. Vor dessen Deportation 1943 wurden dort die Einrichtungsgegenstände der Pension sichergestellt und anschließend eingezogen.

17 c) Die Beigeladene gilt gemäß § 2 Abs. 1 Satz 3 VermG hinsichtlich der verfahrensgegenständlichen Grundstücke als Rechtsnachfolgerin von A und B.

18 d) Das Verwaltungsgericht hat auch zu Recht die Verfolgungsbedingtheit des Vermögensverlusts angenommen.

19 Die Grundstücke wurden gemäß § 1 Abs. 6 VermG geschädigt, weil ihre Veräußerung am 8. Februar 1939 als Zwangsverkauf im Sinne der Vorschrift einzuordnen ist.

20 Die Verkäuferinnen waren Jüdinnen im Sinne der NS-Rassegesetze und zählten nach § 1 Abs. 6 Satz 2 VermG, Art. 3 Abs. 1 Buchst. b der Rückerstattungsanordnung (REAO) zu den Kollektivverfolgten. Weil der notarielle Kaufvertrag nach dem 15. September 1935 - dem Tag des Erlasses der Nürnberger Gesetze - geschlossen wurde, gilt die sogenannte verschärfte Vermutung verfolgungsbedingten Vermögensverlusts nach § 1 Abs. 6 Satz 2 VermG i. V. m. Art. 3 Abs. 3 REAO. Zu deren Widerlegung müssten die Kläger beweisen, dass der seinerzeit vereinbarte Kaufpreis angemessen war und in die freie Verfügung der Verkäuferinnen gelangte. Außerdem müssten sie nachweisen, dass das Geschäft seinem wesentlichen Inhalt nach auch ohne die Herrschaft des Nationalsozialismus geschlossen worden wäre oder dass der Erwerber in besonderer Weise und mit maßgeblichem Erfolg die Vermögensinteressen der Veräußerer wahrgenommen hatte. Das Verwaltungsgericht hat revisionsrechtlich fehlerfrei angenommen, dass zwar der Kaufpreis angemessen war, die übrigen Beweise jedoch nicht erbracht wurden.

21 Den Nachweis freier Verfügbarkeit hat es für den auf ein Notaranderkonto überwiesenen Teils des Kaufpreises in Höhe von 8 000 RM verneint, weil es keine Anhaltspunkte dafür gab, dass dieser Betrag den Verkäuferinnen trotz der seinerzeit geltenden Vorschriften über die Anmeldung und den Einsatz jüdischen Vermögens zur freien Verfügung zugeflossen war. Vielmehr hat das Verwaltungsgericht festgestellt, dass für A und B vor der Deportation Sperrkonten geführt wurden. An diese Feststellungen ist der Senat mangels Verfahrensrügen gemäß § 137 Abs. 2 VwGO gebunden.

22 Das Verwaltungsgericht hat auch revisionsrechtlich fehlerfrei angenommen, eine Ursächlichkeit der nationalsozialistischen Verfolgung für die Veräußerung sei nicht auszuschließen. Nach seinen nicht gerügten Feststellungen bestand die Möglichkeit, dass die Veräußerung der nicht überschuldeten Grundstücke eine Emigration zur Tochter Bs in Großbritannien finanzieren sollte. Der Einwand der Kläger, auf jüdische Gewerbebetriebe sei erst in den 1940er Jahren zugegriffen worden, lässt unberücksichtigt, dass die Novemberpogrome 1938 und die danach verschärften Diskriminierungen für die Verfolgten erheblichen Druck erzeugten, Vermögen zu liquidieren und sich durch Emigration der Verfolgung zu entziehen.

23 Der alternative Beweis, dass der Erwerber in besonderer Weise und mit maßgeblichem Erfolg die Vermögensinteressen der Verkäuferinnen wahrgenommen hätte, wurde ebenfalls nicht geführt. Das Verwaltungsgericht hat den Vortrag, er habe eine jüdische Verwandte versteckt, mangels Bezugs zu diesen Kriterien zu Recht für unerheblich gehalten.

24 Das Vorbringen, die Beklagte habe die Beweise durch ihre Verfahrensführung vereitelt, rechtfertigt keine andere Beurteilung. Es beschränkt sich auf die Behauptung, bei rechtzeitiger Information über den Restitutionsantrag hätte D noch als Zeugin befragt werden können. Die Kläger haben aber nicht angegeben, dass und welche beweiserheblichen Tatsachen im Wissen Ds gestanden hätten. Sie haben auch nicht substantiiert dargelegt, dass diese Angaben hätte machen können, bei deren Zutreffen die verschärfte Vermutung der Verfolgungsbedingtheit der Veräußerung durch den Beweis des Gegenteils widerlegt wäre. Aufklärungs- oder andere Verfahrensrügen gegen die verwaltungsgerichtliche Tatsachenfeststellung und Beweiswürdigung haben sie nicht erhoben.

25 2. Zutreffend hat das Verwaltungsgericht einen Rückübertragungsausschluss wegen redlichen Erwerbs nach § 4 Abs. 2 VermG verneint. Die Mutter der Klägerin hatte die Grundstücke nicht rechtsgeschäftlich, sondern durch Erbfall erworben. Die Klägerin hat das Eigentum nicht rechtzeitig vor dem 29. September 1990 erlangt. Auf die von ihr vorgetragenen Investitionen kommt es danach nicht an.

26 3. Die Annahme des Verwaltungsgerichts, die Rückübertragung sei auch nicht nach § 3 Abs. 4 Satz 3 VermG ausgeschlossen, beruht auf einer teils unzutreffenden Auslegung dieser Vorschrift. Das angegriffene Urteil geht fehlerhaft davon aus, sie setze nicht nur eine entgeltliche Veräußerung (a), sondern auch einen adäquaten, dem Verkehrswert des veräußerten Vermögenswertes angemessenen Erlös voraus (b).

27 a) Im Ausgangspunkt zutreffend ist das Verwaltungsgericht davon ausgegangen, dass § 3 Abs. 4 Satz 3 VermG eine entgeltliche Veräußerung des anmeldebelasteten Vermögenswertes voraussetzt (BVerwG, Beschlüsse vom 23. Mai 2000 ‌- 8 B 31.00 - Buchholz 428 § 3 VermG Nr. 37, vom 28. Februar 2006 - 8 B 89.05 - ZOV 2006, 146 Rn. 9 und vom 17. April 2009 - 8 B 28.09 - ZOV 2009, 210 Rn. 5; Wasmuth, in: Clemm [Hrsg.], Rechtshandbuch Vermögen und Investitionen in der ehemaligen DDR, § 3 VermG, Stand Juli 2023, Rn. 458; Redeker/​Hirtschulz/​Tank, in: Fieberg/​Reichenbach/​Messerschmidt/​Neuhaus, VermG, § 3, Stand Juli 2022, Rn. 350, auf die Rn. 346 verweist). An diesem Verständnis der Vorschrift hält der Senat fest.

28 aa) Schon der Wortlaut der Vorschrift, der anstelle der Rückübertragung eine Auskehr des Erlöses vorsieht, deutet darauf hin, dass der Restitutionsausschluss bei unentgeltlichen Verfügungen nicht eingreifen soll.

29 bb) Die Entstehungsgeschichte und der Sinn und Zweck der Vorschrift bestätigen diese Auslegung. Die Erläuterungen zum Vermögensgesetz (BT-Drs. 11/7831 S. 5) gehen davon aus, dass der Restitutionsausschluss des § 3 Abs. 4 Satz 3 VermG eingreift, wenn der Verfügungsberechtigte für den nachträglich angemeldeten Vermögenswert eine Gegenleistung erlangt hat. Das ergibt sich aus der Annahme des Gesetzgebers, der Veräußerer sei verpflichtet, eine Anpassungsklausel für den vereinbarten Grundstückspreis in den Veräußerungsvertrag aufzunehmen.

30 Nach dem Willen des Gesetzgebers bezweckt § 3 Abs. 4 Satz 3 VermG den Schutz des Rechtsverkehrs und die Förderung der Investitionsbereitschaft der Wirtschaft (BT-Drs. 11/7831 S. 5). Er dient der Investitionsförderung und der Sicherheit des Grundstücksverkehrs (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 23. Mai 2000 - 8 B 31.00 - Buchholz 428 § 3 VermG Nr. 37 und vom 17. April 2009 - 8 B 28.09 - ZOV 2009, 210 Rn. 5). Diese Zwecke gebieten eine Beschränkung des Anwendungsbereichs der Vorschrift auf entgeltliche Geschäfte. Das Vertrauen in die Rechtsbeständigkeit eines kostenlosen Erwerbs ist dagegen ohne Rückhalt (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 23. Mai 2000 - 8 B 31.00 - Buchholz 428 § 3 VermG Nr. 37 und vom 17. April 2009 - 8 B 28.09 - ZOV 2009, 210 Rn. 5). Insoweit trägt § 3 Abs. 4 Satz 3 VermG dem Grundsatz Rechnung, der auch in § 816 Abs. 1 Satz 2 BGB zum Ausdruck kommt.

31 cc) Für die Anwendung des § 3 Abs. 4 VermG auf alle wirksamen Verfügungen über anmeldebelastete Grundstücke sprechen auch nicht die von den Klägern angeführten systematischen Gründe. Aus § 3a Abs. 5 Satz 2 VermG in der Fassung des Art. 1 Nr. 4 des Gesetzes zur Beseitigung von Hemmnissen bei der Privatisierung von Unternehmen und zur Förderung von Investitionen vom 22. März 1991, BGBl. I S. 766 (§ 3a Abs. 5 Satz 2 VermG a. F.) und § 6 Abs. 6a Satz 4 VermG lässt sich ebenso wie aus § 16 Abs. 1 Satz 1 Investitionsvorranggesetz (InVorG) keine Widerlegung des Erfordernisses entgeltlicher Veräußerung herleiten. Nach diesen Vorschriften hat der Berechtigte bei investiven Veräußerungen (§ 3a Abs. 1 VermG a. F.; jetzt: § 16 Abs. 1 InVorG) und bei Veräußerungen von Unternehmen oder Unternehmenstrümmern (§ 6 Abs. 6a Satz 3 und 4 VermG) einen Anspruch auf Auskehr des für den restitutionsbelasteten Vermögenswert erzielten Erlöses. Dieser wird ausgehend von der vertraglichen Gegenleistung für die Übertragung des Vermögenswertes bestimmt. Er entspricht grundsätzlich dem tatsächlich gezahlten Kaufpreis (BVerwG, Urteil vom 17. Mai 2001 - 7 C 19.00 - Buchholz 428 § 6 VermG Nr. 43 - LS und S. 41), kann aber ‌– etwa wegen zulässiger Abzüge - auch niedriger ausfallen (vgl. BGH, Urteil vom 25. Juli 2003 - V ZR 387/02 - VIZ 2004, 31 <32>). § 6 Abs. 6a Satz 3 VermG und § 16 Abs. 1 InVorG setzen danach ebenso wie § 3 Abs. 4 Satz 3 VermG eine entgeltliche Veräußerung voraus. Darüber hinaus geben sie dem Berechtigten einen Anspruch auf Geldzahlung in Höhe des Verkehrswertes, wenn der Erlös diesen unterschreitet oder gar entfällt. § 3 Abs. 4 Satz 3 VermG trifft keine entsprechende Regelung. Daraus folgt jedoch nur, dass der Berechtigte sich nach dieser Vorschrift mit dem erzielten Erlös unabhängig von dessen Höhe begnügen muss. Dagegen lässt sich daraus nicht schließen, § 3 Abs. 4 Satz 3 VermG erfasse auch unentgeltliche Veräußerungen. Der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Höhe von Erlösauskehransprüchen ist nichts Anderes zu entnehmen (vgl. BGH, Urteile vom 16. Juli 1999 - V ZR 129/98 - BGHZ 142, 221 LS 1 und <223>, vom 4. Februar 2000 - V ZR 260/98 - BGHZ 143, 373 <380>, vom 25. Juli 2003 - V ZR 387/02 - VIZ 2004, 31 <32> und vom 19. März 2021 - V ZR 52/20 - NJW-RR 2021, 1100 Rn. 5, 26 und 31; Beschluss vom 8. Mai 2002 ‌- V ZB 32/01 - BGHZ 151, 24 <25 f.>; zur zivilgerichtlichen Zuständigkeit für die Entscheidung - nur - über die Höhe des Erlösauskehranspruchs nach § 3 Abs. 4 Satz 3 VermG vgl. BVerwG, Beschluss vom 18. Februar 2000 - 7 B 173.99 -‌ juris Rn. 5).

32 Zu § 3 Abs. 3 Satz 1 VermG und den Regelungen der Grundstücksverkehrsordnung besteht ebenfalls kein systematischer Widerspruch. § 3 Abs. 3 Satz 1 VermG normiert das - schuldrechtliche - Veräußerungsverbot für anmeldebelastete Vermögenswerte. Die Grundstücksverkehrsordnung soll sicherstellen, dass nur zulässige Veräußerungen vorgenommen werden. Die Grundstücksverkehrsgenehmigung ist Voraussetzung für die Wirksamkeit der Veräußerung. Sie ist aber weder unanfechtbar noch unaufhebbar (vgl. § 5 GVO sowie zur Rückabwicklung nach ihrer Aufhebung § 7 GVO). Darüber hinaus ergibt sich aus der Grundstücksverkehrsordnung nicht, dass eine § 3 Abs. 3 Satz 1 VermG widersprechende Veräußerung auch bei Unentgeltlichkeit stets restitutionsfest sein soll.

33 Ein systematischer Widerspruch ergibt sich schließlich nicht daraus, dass § 7a VermG nur die Erstattung eines vom Verfügungsberechtigten gezahlten Kaufpreises und die Herausgabe von Entschädigungen vorsieht, das Vermögensgesetz aber nicht regelt, wie unentgeltliche Verfügungen bei Restitution des betroffenen Vermögenswertes rückabzuwickeln sind. Die in dessen Restitutionsbelastung wurzelnde, durch die Rückübertragung im Verhältnis zwischen Verfügungsberechtigten und Erwerber ausgelöste Leistungsstörung ist nach den einschlägigen zivilrechtlichen Vorschriften zu lösen.

34 dd) Dass der Anwendungsbereich des § 3 Abs. 4 Satz 3 VermG sich auf entgeltliche Verfügungen beschränkt, ist mit Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG vereinbar. Es stellt sich als Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums dar, die den jeweils eigentumsrechtlich geschützten Anspruch des Restitutionsberechtigten auf Restitution des Vermögenswerts und das Eigentumsrecht des Erwerbers in einen angemessenen Ausgleich bringt. Der Rückübertragungsberechtigte muss zum Schutz des Rechtsverkehrs hinnehmen, als Surrogat für den Vermögenswert einen gegebenenfalls weit unter dessen Verkehrswert liegenden Erlös zu erhalten. Bei unentgeltlicher Veräußerung wäre die Verkürzung seines Wiedergutmachungsanspruchs jedoch mangels schutzwürdigen Vertrauens des Erwerbers in den Bestand der Eigentumsübertragung weder zur Verwirklichung des Regelungszwecks erforderlich noch angemessen.

35 Umgekehrt wird auch der unentgeltlich Erwerbende nicht unangemessen belastet. Ihm stehen wegen des Rechtsmangels der erworbenen Sache und der daraus folgenden Leistungsstörung zivilrechtliche Ansprüche gegen den Veräußerer zu. Da bei unentgeltlichem Erwerb typischerweise ein besonderes Näheverhältnis zwischen den Vertragsparteien besteht, ist dem Erwerber das mangels Entgeltlichkeit des Geschäfts ohnehin begrenzte Ausfallrisiko eher zuzumuten als dem Rückübertragungsberechtigten das Risiko, keinen Schadensersatz vom Verfügungsberechtigten erlangen zu können.

36 Mit Art. 3 Abs. 1 GG ist die Unanwendbarkeit von § 3 Abs. 4 Satz 3 VermG bei unentgeltlichem Erwerb ebenfalls vereinbar. Die Ungleichbehandlung von entgeltlich und unentgeltlich Erwerbenden ist durch sachliche Gründe gerechtfertigt, weil das Vertrauen in den Bestand eines unentgeltlichen Erwerbs weniger schutzwürdig ist. Dieser Rechtsgedanke liegt auch der vergleichbaren zivilrechtlichen Differenzierung in § 816 Abs. 1 Satz 2 BGB zugrunde.

37 b) Nicht mit Bundesrecht vereinbar ist jedoch die Ansicht des Verwaltungsgerichts, entgeltlich seien nur Verfügungen, mit denen der Verfügungsberechtigte einen Erlös in Gestalt eines adäquaten, dem Verkehrswert des Vermögenswerts im Zeitpunkt der Veräußerung angemessenen Surrogats erzielt. Weder der Wortlaut des § 3 Abs. 4 Satz 3 VermG noch seine Entstehungsgeschichte oder sein Regelungszweck gebieten ein derartiges Verständnis von entgeltlichen Verfügungen. Entsprechend dem üblichen Sprachgebrauch verlangt das Erfordernis der Entgeltlichkeit, dass ein Entgelt im Sinne einer Gegenleistung für den übertragenen Vermögenswert vereinbart wird. Ob die Gegenleistung - wie nach § 6 Abs. 6a Satz 3 VermG und § 16 Abs. 1 Satz 1 InVorG - stets in einer Geldleistung bestehen muss, kann hier dahinstehen. Wegen der Erwägung, auch ein Tausch komme in Betracht, misst das angegriffene Urteil dem finanziellen Charakter der Gegenleistung keine maßgebliche Bedeutung bei. Auch das Erfordernis der Herausgabefähigkeit bedarf keiner Erörterung, weil das Verwaltungsgericht sich nicht entscheidungstragend darauf stützt. Vielmehr stellt es auf die Angemessenheit des Werts der Gegenleistung im Verhältnis zum Verkehrswert ab. Ein solches Angemessenheitserfordernis findet in § 3 Abs. 4 Satz 3 VermG und vergleichbaren Vorschriften des Vermögensgesetzes jedoch keine Grundlage. § 6 Abs. 6a Satz 4 VermG und § 16 Abs. 1 Satz 3 InVorG regeln ausdrücklich Fälle, in denen der Erlös den Verkehrswert - beliebig - unterschreitet. Sinn und Zweck des § 3 Abs. 4 Satz 3 VermG rechtfertigen nicht, den Erlösbegriff hier abweichend zu definieren. Sie tragen die Beschränkung des Anwendungsbereichs auf entgeltliche Veräußerungen (dazu oben Rn. 27) und die Verpflichtung des Verfügungsberechtigten, den tatsächlich erzielten Veräußerungserlös auch bei Überschreiten des Verkehrswertes herauszugeben und ihn zu verzinsen (BGH, Urteile vom 25. Juli 2003 - V ZR 387/02 - VIZ 2004, 31 <32> und vom 19. März 2021 - V ZR 52/20 - NJW-RR 2021, 1100). Umgekehrt geben sie jedoch nicht vor, dass nur eine dem Verkehrswert angemessene Gegenleistung als Erlös anzuerkennen sein soll. Die Erwägung des Gesetzgebers, zur Sicherung eines adäquaten Erlöses solle der Veräußerer gegebenenfalls eine Preisanpassungsklausel vereinbaren, hat im Gesetz keinen Niederschlag gefunden. In § 6 Abs. 6a Satz 4 VermG und § 16 Abs. 1 Satz 3 InVorG wird das Problem durch die subsidiäre Verpflichtung zur Zahlung des Verkehrswertes gelöst. § 3 Abs. 4 Satz 3 VermG sieht keine entsprechende Regelung vor.

38 4. Das angegriffene Urteil erweist sich bei zutreffender Anwendung des § 3 Abs. 4 Satz 3 VermG jedoch als im Ergebnis richtig. Die Restitution der verfahrensgegenständlichen Grundstücke an die Beigeladene ist nicht gemäß § 3 Abs. 4 Satz 3 VermG ausgeschlossen, weil die Leistungen, die D für die Übergabe der verfahrensgegenständlichen Grundstücke an die Klägerin erlangt hat, kein Entgelt für die Übertragung des Eigentums daran darstellen.

39 a) Eine unentgeltliche Veräußerung liegt vor, wenn vertraglich entweder gar keine Leistung des Erwerbers an den Verfügungsberechtigten zu erbringen ist oder eine solche keine Gegenleistung für die Übereignung des Vermögenswertes darstellt. Dies ist durch Auslegung des Veräußerungsvertrages unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls zu ermitteln. Eine Leistung, die aus dem übereigneten Gegenstand erbracht werden soll, stellt grundsätzlich keine Gegenleistung dar. Ist sie bei Grundstücksveräußerungen durch dingliche Belastung des Grundstücks gesichert, beschränkt sie das übertragene Eigentum (vgl. BVerwG, Beschluss vom 28. Februar 2006 - 8 B 89.05 - ZOV 2006, 146 Rn. 10) und mindert den Wert der Übertragung. Bei anderen Leistungen ist danach abzugrenzen, ob sie im Synallagma zur Übereignung des Vermögenswerts stehen und nach dem Willen der Vertragspartner dessen Wert abgelten sollen. Das kann nicht angenommen werden, wenn die Übereignung auch bei Nichterfüllung der Leistung Bestand haben soll oder wenn die Beteiligten davon ausgehen, dass die Leistung des Erwerbers im Verhältnis zu dem Wert des zugewandten Gegenstands nur geringfügig ist. Je größer das Missverhältnis zwischen dem Wert der Leistung des Erwerbers und dem Wert des übertragenen Vermögenswerts ist, umso mehr spricht für die Unentgeltlichkeit der Verfügung.

40 Maßgeblicher Zeitpunkt für die Bewertung der Leistungen durch die Vertragsparteien ist der Zeitpunkt, in dem der Veräußerungsvertrag geschlossen wurde. Handelt es sich um wiederkehrende Leistungen, ist deren kapitalisierter Wert anzusetzen.

41 b) Nach diesen Kriterien lässt sich ein Entgeltcharakter der vertraglich von der Klägerin übernommenen Leistungen nicht schon mit der Abschnittsüberschrift "Gegenleistung" im notariellen Vertrag begründen. Vielmehr kommt es auf den Inhalt der jeweiligen Abreden an.

42 Danach sollte für die Grundstücksübertragung ausdrücklich kein Übergabeentgelt gezahlt werden; die Klägerin musste sich die Übereignung auch nicht auf ihr Erbteil anrechnen lassen (vgl. Nr. III. 3. und 4. des Vertrages vom 27. August 1993). Das lebenslange Wohnrecht für ihre Mutter ist nicht als Gegenleistung einzuordnen, weil es aus den übertragenen Grundstücken zu erbringen und durch Grundbucheintragung dinglich gesichert war. Die Klägerin erwarb also nur ein durch das Wohnrecht beschränktes Eigentum.

43 Ihre Verpflichtung zur Nebenkostenübernahme und zur Pflege in kranken und altersschwachen Tagen betraf Nebenleistungen, die das Wohnrecht ergänzten, vertraglich mit ihm zu einem Altenteil zusammengefasst und vereinbarungsgemäß als Reallasten im Grundbuch eingetragen wurden. Ob sie schon deshalb - wie das Wohnrecht selbst - nicht als Gegenleistung anzusehen sind, muss hier nicht geklärt werden. Gegen ihren Entgeltcharakter spricht jedenfalls, dass ihr Wert nach dem vertraglich vereinbarten Wertansatz im Verhältnis zum Wert der durch das Wohnrecht belasteten Grundstücke geringfügig war.

44 Nach den revisionsrechtlich bindenden, nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen Feststellungen des Verwaltungsgerichts betrug der kapitalisierte Wert für die Übernahme der Nebenkosten und die Pflegeleistungen 33 732 DM. Dies ist nicht einmal ein Zehntel des im notariellen Vertrag ausgewiesenen, um den kapitalisierten Wert des Wohnrechts (16 866 DM) geminderten Verkehrswerts der Grundstücke von 400 000 DM. Auch die Regelung des Vertrages, dass die Übergabe im Wege der vorweggenommenen Erbfolge erfolge, spricht dagegen, dass durch diese das Wohnrecht ergänzenden Leistungen eine Abgeltung der Eigentumsübertragung beabsichtigt war.

45 Schließlich spricht gegen einen Entgeltcharakter der Nebenleistungen zum Wohnrecht, dass nur deren schuldhafte, vorsätzliche und nachhaltige Nichterfüllung durch die Klägerin nach Nr. III. 2. des Vertrages vom 27. August 1993 deren Mutter zum Rücktritt berechtigte. Schuldlose Nichterfüllung, etwa wegen Unvermögens der Klägerin, ließ den Erwerb unberührt. Danach war die Übereignung nur unter Voraussetzungen rückgängig zu machen, die dem groben Undank bei Schenkungen entsprechen (vgl. § 530 BGB).

46 Auch die Weiterveräußerung von zweien der drei Grundstücke an den Kläger lässt den Rückübertragungsanspruch der Beigeladenen nicht nach § 3 Abs. 4 Satz 3 VermG entfallen. Nach dem ihr zugrundeliegenden notariellen Vertrag handelt es sich um eine Schenkung und damit ebenfalls um eine unentgeltliche Veräußerung.

47 5. Die Richtigkeit des Urteils aus anderen Gründen scheitert schließlich nicht daran, dass die Beklagte ihre Befugnis zur Restitution der verfahrensgegenständlichen Grundstücke verwirkt hätte. Die allgemeinen Grundsätze der Verwirkung gelten auch im Vermögensrecht (vgl. BVerwG, Urteile vom 27. Juli 2005 - 8 C 15.04 - Buchholz 428 § 36 VermG Nr. 9 S. 11 f. und vom 22. August 2007 - 8 C 6.06 - Buchholz 428 § 6 VermG Nr. 71 Rn. 20). Verwirkung bedeutet hiernach, dass ein Recht nicht mehr ausgeübt werden darf, wenn seit der Möglichkeit der Geltendmachung längere Zeit verstrichen ist und besondere Umstände hinzutreten, welche die verspätete Geltendmachung als Verstoß gegen Treu und Glauben erscheinen lassen. Das ist insbesondere der Fall, wenn der Bürger infolge eines bestimmten Verhaltens der Behörde darauf vertrauen durfte, dass diese das Recht nach so langer Zeit nicht mehr geltend machen wird (Vertrauensgrundlage), der Bürger ferner tatsächlich darauf vertraut hat, dass das Recht nicht mehr ausgeübt wird (Vertrauenstatbestand) und sich infolgedessen in seinen Vorkehrungen und Maßnahmen so eingerichtet hat, dass ihm durch die verspätete Durchsetzung des Rechts ein unzumutbarer Nachteil entstehen wird (BVerwG, Urteile vom 7. Februar 1974 - 3 C 115.71 - BVerwGE 44, 339 <343 f.> und vom 9. Dezember 1998 - 3 C 1.98 - BVerwGE 108, 93 <96>).

48 Diese Kriterien sind vorliegend schon deswegen nicht erfüllt, weil es sich bei der Befugnis der Beklagten zur Restitution der verfahrensgegenständlichen Grundstücke nicht um ein Recht handelt, von dessen Ausübung sie absehen kann, sondern um eine gesetzliche Pflicht, der ein Anspruch des Rückübertragungsberechtigten korrespondiert. Bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen für die Restitution der verfahrensgegenständlichen Grundstücke steht der Beigeladenen ein Anspruch auf deren Rückübertragung zu. Anders als bei einer Entscheidung über die Rücknahme oder den Widerruf eines Verwaltungsaktes steht ihr nach § 3 Abs. 1 Satz 1 VermG kein Ermessensspielraum zu, innerhalb dessen eine Verwirkung möglich wäre (vgl. BVerwG, Urteil vom 20. Dezember 1999 ‌- 7 C 42.98 - BVerwGE 110, 226 <234 ff.).

49 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO.