Beschluss vom 12.05.2020 -
BVerwG 4 BN 3.20ECLI:DE:BVerwG:2020:120520B4BN3.20.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 12.05.2020 - 4 BN 3.20 - [ECLI:DE:BVerwG:2020:120520B4BN3.20.0]

Beschluss

BVerwG 4 BN 3.20

  • OVG Saarlouis - 12.11.2019 - AZ: OVG 2 C 285/18

In der Normenkontrollsache hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 12. Mai 2020
durch die Vorsitzende Richterin am Bundesverwaltungsgericht Schipper und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Decker und Prof. Dr. Külpmann
beschlossen:

  1. Die Beschwerde des Antragstellers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts des Saarlandes vom 12. November 2019 wird zurückgewiesen.
  2. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 15 000 € festgesetzt.

Gründe

1 Die auf alle Zulassungsgründe nach § 132 Abs. 2 VwGO gestützte Beschwerde bleibt ohne Erfolg.

2 I. Die Rechtssache hat nicht die grundsätzliche Bedeutung, die ihr die Beschwerde beimisst.

3 Grundsätzlich bedeutsam im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ist eine Rechtssache, wenn in dem angestrebten Revisionsverfahren die Klärung einer bisher höchstrichterlich ungeklärten, in ihrer Bedeutung über den der Beschwerde zugrunde liegenden Einzelfall hinausgehenden, klärungsbedürftigen und entscheidungserheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts (§ 137 Abs. 1 VwGO) zu erwarten ist. In der Beschwerdebegründung muss dargelegt (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO), also näher ausgeführt werden, dass und inwieweit eine bestimmte Rechtsfrage des revisiblen Rechts im allgemeinen Interesse klärungsbedürftig und warum ihre Klärung in dem beabsichtigten Revisionsverfahren zu erwarten ist (stRspr, vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 2. Oktober 1961 - 8 B 78.61 - BVerwGE 13, 90 <91> und vom 14. Oktober 2019 - 4 B 27.19 - ZfBR 2020, 173 Rn. 4).

4 1. Die Beschwerde misst der Sache nach der Frage grundsätzliche Bedeutung bei,
ob im Normenkontrollverfahren nach § 47 Abs. 1 Nr. 1 VwGO ein berechtigtes Interesse an der Feststellung besteht, dass eine außer Kraft getretene Veränderungssperre unwirksam war, wenn die Antragsgegnerin
(1.) auf der Grundlage der Veränderungssperre Vorkaufsrechte ausgeübt oder sonstige Maßnahmen ergriffen hat, und sich hierdurch
(2.) fortwirkende Vorteile zum Nachteil der Grundstückssituation des Antragstellers oder anderer Grundstückseigentümer sowie
(3.) eine bessere Ausgangssituation zur Wiederholung der ursprünglichen Vorgehensweise verschafft hat.

5 Diese Frage führt nicht zur Zulassung der Revision, weil der Fall sie nicht aufwirft. Das Oberverwaltungsgericht hat nicht festgestellt, dass auf der Grundlage der Veränderungssperre ein gemeindliches Vorkaufsrecht ausgeübt worden ist. Für ein solches Vorgehen fehlt auch ein greifbarer Anhaltspunkt: Nach § 24 Abs. 1 Satz 2 BauGB kann ein Vorkaufsrecht im (zukünftigen) Geltungsbereich eines beabsichtigten Bebauungsplans nach Beginn der öffentlichen Auslegung ausgeübt werden, wenn die Gemeinde den Beschluss gefasst hat, einen solchen aufzustellen. Dieses Vorkaufsrecht ist aber von einer Veränderungssperre unabhängig und wird nicht auf deren Grundlage ausgeübt. Das missversteht die Beschwerde. Soweit die Frage auf "sonstige Maßnahmen" auf der Grundlage der Veränderungssperre zielt, bleibt die Beschwerde unsubstantiiert.

6 2. Die Beschwerde hält weitere Fragen für grundsätzlich klärungsbedürftig. Sie verfehlt indes insoweit die Darlegungsanforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO. Es genügt nicht die bloße Behauptung, die Fragen seien nicht oder nur teilweise höchstrichterlich geklärt (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 9. März 1993 - 3 B 105.92 - Buchholz 310 § 133 VwGO <n.F.> Nr. 11 S. 13 und vom 9. März 2017 - 4 B 8.17 - juris Rn. 2).

7 II. Die Revision ist nicht nach § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO zuzulassen.

8 Eine die Revision gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO eröffnende Divergenz zu einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts ist nur dann im Sinne des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO hinreichend bezeichnet, wenn die Beschwerde einen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz benennt, mit dem die Vorinstanz einem in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts aufgestellten ebensolchen die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts tragenden Rechtssatz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift widersprochen hat (stRspr, BVerwG, Beschluss vom 19. August 1997 - 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 <n.F.> VwGO Nr. 26 S. 14).

9 Die Beschwerde bezeichnet keine Abweichung zu Rechtssätzen aus dem Senatsbeschluss vom 2. September 1983 - 4 N 1.83 - (BVerwGE 68, 12 <15 f.>), denen sich das Oberverwaltungsgericht ausdrücklich angeschlossen hat (UA S. 15). Ihre Kritik beschränkt sich darauf, das Oberverwaltungsgericht habe diese Rechtssätze falsch angewandt und daher zu hohe Anforderungen an das berechtigte Interesse für eine Entscheidung über die Wirksamkeit der außer Kraft getretenen Veränderungssperre gestellt. Dies führt nicht zur Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO (stRspr, vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 19. August 1997 - 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 VwGO <n.F.> S. 14 und vom 10. Januar 2020 - 4 BN 52.19 - juris Rn. 5). Der Vorwurf ist auch in der Sache nicht berechtigt. Die Vorinstanz hat eine Entschädigungs- oder Schadenersatzklage für aussichtslos gehalten, weil die Veränderungssperre für das Verhalten des Antragstellers nicht kausal geworden und ihm darüber hinaus kein Schaden entstanden sei (UA S. 17). Es ist damit nicht über den im Senatsbeschluss vom 2. September 1983 (a.a.O.) skizzierten Prüfungsmaßstab hinausgegangen.

10 III. Die Revision ist nicht nach § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO wegen eines Verfahrensmangels zuzulassen, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

11 1. Die Beschwerde meint, das Oberverwaltungsgericht habe eine Überraschungsentscheidung getroffen und seine Hinweispflicht verletzt, weil es trotz des Vorbringens des Antragstellers sowohl einen Schaden als auch die Kausalität der Veränderungssperre für diesen Schaden verneint habe. Auf den gebotenen Hinweis hin hätte der Antragsteller Weiteres ausgeführt und unter Beweis gestellt.

12 Dies bleibt ohne Erfolg. Ein Gericht verstößt allerdings gegen den Grundsatz rechtlichen Gehörs nach Art. 103 Abs. 1 GG und § 108 Abs. 2 VwGO, wenn es bei seiner Entscheidung auf eine rechtliche Sichtweise oder eine bestimmte Bewertung des Sachverhalts abstellen will, mit der auch ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter nach dem bisherigen Verlauf des Verfahrens unter Berücksichtigung der Vielfalt vertretbarer Rechtsauffassungen nicht zu rechnen braucht (stRspr, vgl. BVerwG, Urteile vom 31. Juli 2013 - 6 C 9.12 - Buchholz 421.2 Hochschulrecht Nr. 180 Rn. 38 und vom 13. Juni 2019 - 4 C 4.18 - NVwZ-RR 2019, 896 Rn. 16). Dafür ist nichts ersichtlich. Nach Darstellung der Beschwerde wurde in der mündlichen Verhandlung fast ausschließlich zur Frage des berechtigten Interesses verhandelt (Beschwerdebegründung S. 3), das bereits die Antragsgegnerin bestritten hatte (vgl. UA S. 11 ff.). Der Antragsteller musste damit rechnen, dass das Oberverwaltungsgericht entsprechend dem Senatsbeschluss vom 2. September 1983 - 4 N 1.83 - (BVerwGE 68, 12 <15 f.>) die Aussichten einer Entschädigungs- und Schadenersatzklage und damit auch das Vorliegen eines Schadens und die Kausalität der angegriffenen Veränderungssperre für diesen Schaden in den Blick nehmen werde. Aus der Hinweispflicht nach § 86 Abs. 3 VwGO folgt nichts Anderes. Die Beschwerde legt nicht dar, warum sich dem Vorsitzenden der Vorinstanz über die Erörterung in der mündlichen Verhandlung hinaus und trotz des Vorbringens der Antragsgegnerin ein weiterer Hinweis hätte aufdrängen müssen (vgl. BVerwG, Urteil vom 15. April 2015 - 8 C 14.14 - Buchholz 428 § 1 Abs. 6 VermG Nr. 57 Rn. 31).

13 2. Die Beschwerde rügt als verfahrensfehlerhaft, dass das Oberverwaltungsgericht das Vorliegen einer Wiederholungsgefahr nicht weiter als geschehen aufgeklärt hat. Dies führt nicht zur Zulassung der Revision.

14 Eine Aufklärungsrüge setzt voraus, dass substantiiert dargetan wird, hinsichtlich welcher tatsächlichen Umstände Aufklärungsbedarf bestanden hat, welche für geeignet und erforderlich gehaltenen Aufklärungsmaßnahmen hierfür in Betracht gekommen wären, welche tatsächlichen Feststellungen bei der Durchführung der vermissten Sachverhaltsaufklärung voraussichtlich getroffen worden wären und inwiefern das unterstellte Ergebnis zu einer dem Beschwerdeführer günstigeren Entscheidung hätte führen können (stRspr, vgl. BVerwG, Beschluss vom 19. August 1997 - 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 <n.F.> VwGO Nr. 26 S. 14 f. und vom 14. Oktober 2019 - 4 B 27.19 - ZfBR 2020, 173 Rn. 19). Das Oberverwaltungsgericht hat unter Würdigung des Beteiligtenvorbringens eine hinreichend konkrete Wiederholungsgefahr verneint (UA S. 18). Welche weiteren, konkreten Aufklärungsmaßnahmen sich dem Gericht hätten aufdrängen müssen, zeigt die Beschwerde nicht auf. Ihre Kritik erschöpft sich darin, die tatrichterliche Würdigung der Vorinstanz anzugreifen.

15 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Festsetzung des Streitwerts auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG.