Verfahrensinformation



Die Klägerinnen, zwei Städte im südhessischen Kreis Bergstraße, wenden sich gegen die Planfeststellung der Höchstspannungsleitung Ultranet im Abschnitt A1 Punkt Ried bis Punkt Wallstadt.


Die Ultranet-Leitung soll im nördlichen Teilabschnitt zwischen Pkt. Ried und Pkt. Bürstadt Ost durch Änderung der bestehenden 380-kV-Höchstspannungsfreileitung Bürstadt – KKW Biblis (Bl. 4590) verwirklicht werden, indem einer der derzeit vier Drehstromkreise der Bl. 4590 durch einen 380-kV-Gleichstromkreis – mit Umschaltoption (auf temporären Drehstrom) – ersetzt wird. Im südlichen Teilabschnitt zwischen Pkt. Bürstadt Ost und Pkt. Wallstadt soll sie als Ersatzneubau (Bl. 4689) überwiegend in der Trasse der bestehenden 220-kV-Freileitung Windesheim - Rheinau (Bl. 2327) verwirklicht werden.


Die Klägerinnen, deren Gebiet die Ultranet-Leitung quert, rügen eine Verletzung ihrer kommunalen Planungshoheit, eine unrechtmäßige Inanspruchnahme ihres zivilrechtlichen Eigentums sowie eine fehlerhafte Prüfung der von ihnen vorgeschlagenen Alternativen zu dem Vorhaben.


Urteil vom 12.06.2024 -
BVerwG 11 A 14.23ECLI:DE:BVerwG:2024:120624U11A14.23.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Urteil vom 12.06.2024 - 11 A 14.23 - [ECLI:DE:BVerwG:2024:120624U11A14.23.0]

Urteil

BVerwG 11 A 14.23

In der Verwaltungsstreitsache hat der 11. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
auf die mündliche Verhandlung vom 12. Juni 2024
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht
Prof. Dr. Külpmann, die Richter am Bundesverwaltungsgericht
Dr. Dieterich und Dr. Hammer sowie die Richterinnen
am Bundesverwaltungsgericht Dr. Emmenegger und Dr. Wiedmann
für Recht erkannt:

  1. Die Klage wird abgewiesen.
  2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

Gründe

I

1 Die Klägerin, eine Stadt im südhessischen Landkreis Bergstraße, wendet sich gegen einen Planfeststellungsbeschluss für eine Höchstspannungsfreileitung.

2 Mit Beschluss vom 29. Juni 2023 stellte die Bundesnetzagentur für Elektrizität, Gas, Telekommunikation, Post und Eisenbahnen (im Folgenden: Bundesnetzagentur) – gestützt auf § 24 Abs. 1 Netzausbaubeschleunigungsgesetz Übertragungsnetz (NABEG) – den Plan mit der Bezeichnung "Vorhaben Nr. 2 des Bundesbedarfsplangesetzes Osterath - Philippsburg, Abschnitt A1 (Punkt Ried - Punkt Wallstadt)" fest.

3 Gegenstand des Vorhabens ist die Errichtung und der Betrieb einer circa 27,9 km langen Höchstspannungsfreileitung in Höchstspannungs-Gleichstrom-Übertragungstechnik (HGÜ) sowie im temporären Drehstrombetrieb. Die Leitung soll im nördlichen Teilabschnitt zwischen Pkt. Ried und Pkt. Bürstadt Ost durch Änderung der bestehenden 380-kV-Höchstspannungsfreileitung Bürstadt - KKW Biblis (Bl. 4590) und im südlichen Teilabschnitt zwischen Pkt. Bürstadt Ost und Pkt. Wallstadt als Ersatzneubau (Bl. 4689) überwiegend in der Trasse der zurückzubauenden 220-kV-Freileitung Windesheim - Rheinau (Bl. 2327) verwirklicht werden. Vorhabenträgerin ist die Beigeladene.

4 Das Gemeindegebiet der Klägerin liegt im südlichen Teilabschnitt zwischen Pkt. Bürstadt Ost und Pkt. Wallstadt. Dort soll auf einer Länge von circa 18,9 km eine neu zu errichtende 380-kV-Höchstspannungsfreileitung (Bl. 4689) in der Trasse der im Eigentum der Beigeladenen stehenden 220-kV-Bestandsleitung Bl. 2327 verlaufen. Der Ersatzneubau soll einen 380-kV-Gleichstromkreis mit Umschaltoption auf temporären Drehstrom erhalten. Ein Hybridbetrieb, also die Führung von Gleichstrom- und Drehstromleitungen auf einem Gestänge, findet nicht statt. Die planfestgestellte Leitung Bl. 4689 tritt vor Mast 25 in das Gebiet der Klägerin ein und nach Mast 48 wieder aus. Zwischen Mast 40 und 46 nähert sich die Leitung der Ortslage der Klägerin an. Die Leitung verläuft in diesem Bereich in südlicher Richtung, östlich von ihr, getrennt durch die Bundesautobahn A 6 befindet sich das Siedlungsgebiet der Klägerin. Vom Pkt. Bürstadt Süd bis zum Umspannwerk Viernheim verläuft parallel westlich der planfestgestellten Leitung Bl. 4689 die im Eigentum der Beigeladenen stehende 380-kV-Höchstspannungsfreileitung Windesheim - Rheinau (Bl. 4523).

5 Am 28. März 2019 beantragte die Beigeladene bei der Bundesnetzagentur die Planfeststellung. Die Klägerin schlug mit E-Mail vom 3. Juli 2019 eine Verschwenkung der Leitung vor. Am 29. November 2021 reichte die Beigeladene einen überarbeiteten Plan samt Unterlagen ein. Die Planunterlagen lagen in der Zeit vom 17. Januar bis zum 16. Februar 2022 aus. Die Klägerin modifizierte mit Schriftsatz vom 14. März 2022 ihren Alternativvorschlag. Am 12. und 13. Juli 2022 fand der Erörterungstermin statt. Die Bundesnetzagentur stellte am 29. Juni 2023 den Plan fest.

6 Die Klägerin hat am 5. September 2023 Klage erhoben. Sie bezweifelt, dass es sich bei der planfestgestellten Leitung um einen Abschnitt des Vorhabens gemäß Nr. 2 der Anlage zu § 1 Abs. 1 BBPlG handelt, und rügt eine Verletzung ihrer kommunalen Planungshoheit, insbesondere durch eine fehlerhafte Alternativenprüfung, sowie eine unrechtmäßige Inanspruchnahme ihres zivilrechtlichen Eigentums.

7 Die Klägerin beantragt,
den Planfeststellungsbeschluss "Vorhaben Nr. 2 des Bundesbedarfsplangesetzes Osterath - Philippsburg, Abschnitt A1 (Punkt Ried - Punkt Wallstadt)" vom 29. Juni 2023 aufzuheben,
hilfsweise, den Planfeststellungsbeschluss für rechtswidrig und nicht vollziehbar zu erklären,
weiter hilfsweise, die Beklagte zu verpflichten, den Planfeststellungsbeschluss um Schutzvorkehrungen bzw. die Feststellung eines Entschädigungsanspruchs dem Grunde nach zu ergänzen bzw. neu zu bescheiden.

8 Die Beklagte und die Beigeladene beantragen jeweils,
die Klage abzuweisen.

9 Sie verteidigen den angegriffenen Planfeststellungsbeschluss.

10 Den Antrag der Klägerin auf vorläufigen Rechtsschutz gegen eine vorzeitige Besitzeinweisung hat der Senat mit Beschluss vom 22. Februar 2024 - 11 VR 4.24 - ‌abgelehnt.

II

11 Das Bundesverwaltungsgericht ist gemäß § 50 Abs. 1 Nr. 6 VwGO und § 6 Satz 1 Bundesbedarfsplangesetz (BBPlG) sowie Nr. 2 der Anlage zu § 1 Abs. 1 BBPlG für die Entscheidung über die Klage zuständig.

12 Der Planfeststellungsbeschluss hat einen räumlichen Abschnitt des in Nr. 2 der Anlage zu § 1 Abs. 1 BBPlG genannten Vorhabens "Höchstspannungsleitung Osterath - Philippsburg; Gleichstrom" (Ultranet) zum Gegenstand. Die Zuordnung zu Nr. 2 der Anlage zu § 1 Abs. 1 BBPlG bleibt erhalten, obwohl der Planfeststellungsbeschluss einen temporären Drehstrombetrieb erlaubt. Ein solcher Betrieb dient ab der Inbetriebnahme der Gleichstromleitung als Rückfallebene für die Situation eines Ausfalls des Gleichstromübertragungssystems, er ist für außergewöhnliche Netzsituationen und im Zusammenspiel mit weiteren systemtechnischen Maßnahmen (z. B. Kraftwerks-Redispatch) vorgesehen (vgl. PFB S. 57 f.). Zwar spricht Nr. 2 der Anlage zu § 1 Abs. 1 BBPlG ausschließlich von Gleichstrom. Nach den insoweit eindeutigen Gesetzgebungsmaterialien wollte der Gesetzgeber aber einen ausnahmsweisen Betrieb mit Drehstrom nicht ausschließen (vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Energie zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung - Drucksachen 18/4655, 18/5581, 18/5976 Nr. 1.6 - BT-Drs. 18/6909 S. 45). Aus der ausdrücklichen Nennung von "Gleichstrom, Drehstrom" in Nr. 29 der Anlage zu § 1 Abs. 1 BBPlG folgt nichts Anderes, weil das dort genannte Gesamtvorhaben - im Gegensatz zu der Ultranet-Leitung - zwei unterschiedliche Leitungen zum Gegenstand hat (vgl. BT-Drs. 17/12638 S. 21). Schließlich führt der Beschluss des 4. Senats vom 12. September 2018 - 4 A 13.17 - (Buchholz 310 § 50 VwGO Nr. 39 Rn. 4 f.) zu keinem anderen Ergebnis. Danach ist die Angabe der Netzverknüpfungspunkte für die Zuordnung eines Vorhabens zu einem Vorhaben eines Bedarfsplans in dem Sinne verbindlich, dass die gesetzliche Bedarfsfeststellung entfällt, wenn räumliche Abweichungen über bloße Modifikationen oder Konkretisierungen hinausgehen. Für die raumbezogene Planung sind indes die Netzverknüpfungspunkte von ungleich größerem Gewicht als die Führung der Leitung als Gleichstrom- oder Drehstromleitung. Daher hält sich jedenfalls ein ausnahmsweiser Betrieb einer Gleichstromleitung als Drehstromleitung in den Grenzen der gesetzlichen Bedarfsfeststellung.

13 Die Zuordnung des Vorhabens zu Nr. 2 der Anlage zu § 1 Abs. 1 BBPlG entfällt auch nicht deshalb, weil die Leitung zwischen Pkt. Bürstadt Ost und Pkt. Wallstadt auf einem Ersatzneubau errichtet wird, ohne dass Drehstromsysteme auf dem gleichen Mastgestänge in einem Hybridsystem geführt werden (vgl. PFB S. 57). Es erscheint schon zweifelhaft, ob die Führung als Hybridsystem für die Zuordnung des Vorhabens zu Nr. 2 der Anlage zu § 1 Abs. 1 BBPlG konstitutiv ist, obwohl sie im Gesetzestext keinen Ausdruck gefunden hat. Jedenfalls strebte der Gesetzgeber die Hybridtechnologie auf der Ultranet-Leitung an, um "planerische und betriebliche Erfahrungen auch auf einer längeren, zusammenhängenden Strecke zu sammeln" (vgl. BT-Drs. 18/6909 S. 45). Angesichts der Gesamtlänge der Ultranet-Leitung von 342,2 km kann dieses Ziel auch erreicht werden, wenn in dem hier betroffenen Teilabschnitt von 18,9 km keine Hybridleitung zum Einsatz kommt (vgl. insgesamt bereits: BVerwG, Beschluss vom 22. Februar 2024 - 11 VR 4.24 - juris Rn. 9 bis 12).

14 1. Die Klage ist zulässig. Insbesondere ist die Klägerin im Sinne von § 42 Abs. 2 VwGO klagebefugt. Sie kann geltend machen, dass das planfestgestellte Vorhaben in ihrem Eigentum stehende Grundstücke in rechtswidriger Art und Weise in Anspruch nimmt und sie in ihrer in Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG verbürgten Selbstverwaltungsgarantie in Form der Planungshoheit verletzt.

15 2. Die Klage ist im Hauptantrag und in den Hilfsanträgen unbegründet. Der angegriffene Planfeststellungsbeschluss verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Sie kann weder dessen Aufhebung noch die Feststellung der Rechtswidrigkeit und Nichtvollziehbarkeit oder eine Neubescheidung über Schutzvorkehrungen zu ihren Gunsten verlangen (§ 113 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 5 VwGO).

16 a) Der Senat ist auf die Prüfung derjenigen Tatsachen und Beweismittel beschränkt, welche die Klägerin innerhalb der zehnwöchigen Begründungsfrist nach § 6 Satz 1 UmwRG angegeben hat. Innerhalb dieser Begründungsfrist hat die Klägerseite grundsätzlich den Prozessstoff festzulegen, wobei späterer, lediglich vertiefender Vortrag nicht ausgeschlossen ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 27. November 2018 - 9 A 8.17 - BVerwGE 163, 380 Rn. 14 m. w. N.).

17 Die Klägerin als eine von einer Fachplanung betroffene Gemeinde ist auf die Rüge von Vorschriften beschränkt, die ihrem Schutz dienen. Weder die in Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG verbürgte kommunale Selbstverwaltungsgarantie und Planungshoheit noch das zivilrechtliche Eigentum an den Grundstücken, die durch das planfestgestellte Vorhaben in Anspruch genommen werden, vermitteln ihr einen Anspruch auf gerichtliche Überprüfung der objektiven Rechtmäßigkeit der Planungsentscheidung (sog. Vollüberprüfungsanspruch). Eine Gemeinde ist auch nicht befugt, im Rahmen des verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes als Sachwalterin von Rechten Dritter bzw. des Gemeinwohls Belange ihrer Bürger geltend zu machen (stRspr, vgl. BVerwG, Urteile vom 15. Dezember 2016 - 4 A 4.15 - BVerwGE 157, 73 Rn. 13 und vom 9. Dezember 2021 - 4 A 2.20 - NVwZ-RR 2022, 317 Rn. 16 m. w. N.). Sie kann nur die Verletzung gerade sie schützender Normen des Verfahrensrechts und des materiellen Rechts sowie eine nicht ordnungsgemäße Abwägung ihrer eigenen schutzwürdigen Belange rügen (vgl. BVerwG, Urteile vom 3. November 2020 - 9 A 12.19 - BVerwGE 170, 33 Rn. 25, vom 16. März 2021 - 4 A 10.19 - NVwZ 2021, 1615 Rn. 13 und vom 10. November 2022 - 4 A 16.20 - juris Rn. 11). Wegen der insoweit bestehenden Wechselbeziehungen kann sie auch die Kontrolle der den eigenen Belangen gegenübergestellten Belange verlangen (vgl. BVerwG, Urteile vom 24. November 2010 - 9 A 13.09 - BVerwGE 138, 226 Rn. 54, vom 15. Oktober 2020 - 7 A 10.19 - juris Rn. 38 und vom 10. November 2022 - 4 A 16.20 - juris Rn. 16). Maßgeblich für die Beurteilung ist grundsätzlich die Sach- und Rechtslage bei Erlass des Planfeststellungsbeschlusses (stRspr, vgl. BVerwG, Urteil vom 14. März 2018 - 4 A 5.17 - BVerwGE 161, 263 Rn. 15 m. w. N.).

18 b) Rechtsgrundlage für die Feststellung des Plans ist § 24 Abs. 1 i. V. m. § 2 Abs. 1 NABEG i. V. m. § 2 Abs. 1 Satz 1 sowie Nr. 2 der Anlage zu § 1 Abs. 1 BBPlG. Der Planfeststellungsbeschluss regelt einen räumlichen Abschnitt der als Nr. 2 in die Anlage zu § 1 Abs. 1 BBPlG aufgenommenen Ultranet-Leitung. Dieses Vorhaben ist eine länderübergreifende Leitung, auf die nach § 2 Abs. 1 NABEG das Netzausbaubeschleunigungsgesetz Übertragungsnetz Anwendung findet.

19 Die Planrechtfertigung liegt vor. Nach § 1 Satz 3 NABEG in der bis zum 28. Dezember 2023 geltenden Fassung ist die Realisierung der Stromleitungen, die in den Anwendungsbereich des Netzausbaubeschleunigungsgesetzes Übertragungsnetz fallen, aus Gründen eines überragenden öffentlichen Interesses und im Interesse der öffentlichen Sicherheit erforderlich. Auch § 1 Abs. 1 Satz 2 i. V. m. Nr. 2 der Anlage zu § 1 Abs. 1 BBPlG bestimmt, dass die Realisierung des dort aufgeführten Vorhabens aus Gründen eines überragenden öffentlichen Interesses und im Interesse der öffentlichen Sicherheit erforderlich ist.

20 Die vom Planfeststellungsbeschluss vorgesehene Umschaltoption auf temporären Drehstrom stellt die Zuordnung zu diesem Vorhaben nicht in Frage (s. o.). Auch der konkrete Umfang der Umschaltoption, wie er sich aus der Zusage der Beigeladenen ergibt, lässt die Zuordnung nicht entfallen. Im verfügenden Teil des Planfeststellungsbeschlusses heißt es unter "1. Allgemeine Zusagen", die gemäß "VI. Zusagen der Vorhabenträgerin" Satz 3 rechtsverbindlich sind: "Die Vorhabenträgerin sagt zu, dass einerseits abschnittsweise in der Bauzeit der Gleichstromverbindung und anderseits ab Inbetriebnahme der planfestgestellten Leitung eine Umschaltung auf Drehstrom nur in Ausnahmefällen zur Gewährleistung der Versorgungssicherheit erfolgt." (vgl. PFB S. 37). Die Formulierung "zur Gewährleistung der Versorgungssicherheit" dehnt den Drehstrombetrieb nicht über den gesetzgeberisch intendierten Umfang hinaus aus. Durch das Wort "nur", welches die Beschränkung auf "Ausnahmefälle" betont, kommt die von dem Gesetzgeber vorgesehene Auffangfunktion hinreichend zum Ausdruck (vgl. BT-Drs. 18/6909 S. 45). Im Übrigen fehlen Anhaltspunkte für einen objektiven Anreiz und eine subjektive Intention der Beigeladenen, von der Umschaltoption über die Ausnahmefälle hinaus Gebrauch zu machen, da die Inanspruchnahme der Umschaltoption mit erheblichem technischen, personellen und zeitlichen Aufwand verbunden ist. Auch nach der Begründung des Planfeststellungsbeschlusses dient der temporäre Drehstrombetrieb ab der Inbetriebnahme der Gleichstromverbindung als Rückfallebene bei Ausfall des Gleichstromübertragungssystems. Der temporäre Drehstrombetrieb ist dabei ausdrücklich "nur für außergewöhnliche Netzsituationen und im Zusammenspiel mit weiteren systemtechnischen Maßnahmen (z. B. Kraftwerks-Redispatch) vorgesehen" (vgl. PFB S. 57 f.). Die Beigeladene hat in der mündlichen Verhandlung ihre vorgenannte rechtsverbindliche Zusage um diesen Teil der Begründung des Planfeststellungsbeschlusses ergänzt.

21 c) Das Anhörungsverfahren hat nicht das Recht der Klägerin auf substantielle Erörterung (§ 22 Abs. 5 i. V. m. § 10 NABEG und § 73 Abs. 6 sowie § 68 Abs. 2 VwVfG) verletzt.

22 aa) Nach § 22 Abs. 5, § 10 Abs. 2 Satz 4 NABEG i. V. m. § 73 Abs. 6 und § 68 Abs. 2 Satz 1 VwVfG hat der Verhandlungsleiter im Erörterungstermin die Sache mit den Beteiligten zu erörtern sowie nach § 68 Abs. 2 Satz 2 VwVfG darauf hinzuwirken, dass unklare Anträge erläutert, sachdienliche Anträge gestellt, ungenügende Angaben ergänzt sowie alle für die Feststellung des Sachverhalts wesentlichen Erklärungen abgegeben werden. Die Erörterung dient in erster Linie der Ermittlung und der Feststellung des Sachverhalts durch die Behörde sowie dem rechtlichen Gehör der Einwender (Ermittlungs- und Gehörsfunktion). Es kommt darauf an, dass die Einwender substantiell Einfluss nehmen können (vgl. zu § 73 Abs. 6 VwVfG: BVerwG, Urteil vom 5. Dezember 1986 - 4 C 13.85 - ‌BVerwGE 75, 214 <226>). Die Erörterung hat zwar auch eine Befriedungsfunktion. Es reicht jedoch, dass die Erörterung mit dem Ziel der Befriedung durchgeführt wurde (vgl. BVerwG, Urteil vom 7. Oktober 2021 - 4 A 9.19 - UPR 2022, 98 Rn. 41). Im Erörterungstermin geht es nicht darum, dass die Behörde die noch zu erlassende Entscheidung über die Planfeststellung in Bezug auf erhobene Einwendungen erläutert oder rechtfertigt und sie damit unzulässigerweise vorwegnimmt.

23 bb) Gemessen daran liegt der gerügte Verfahrensfehler nicht vor. Aus der Klagebegründung und dem Wortprotokoll ergibt sich, dass die Klägerin bei dem Erörterungstermin die Gelegenheit wahrgenommen hat, ihre tatsächlichen und rechtlichen Einwendungen umfassend zu Gehör zu bringen. Der Sache nach wendet sich die Klägerin überwiegend dagegen, dass die Beklagte sich nicht ihrer Rechtsauffassung angeschlossen hat. Soweit die Klägerin rügt, es sei unklar geblieben, welche Betriebszustände der lärmimmissionsbezogenen Untersuchung zugrunde gelegt worden seien und ob sich diese allein auf das Vorhaben oder auch auf die parallel verlaufenden Bestandsleitungen bezogen habe, haben die Beklagte, die Beigeladene und der TÜV Hessen - nach anfänglichen Missverständnissen über die klägerseits jeweils betrachteten Teilabschnitte - in der Zusammenschau kundgetan, dass das beantragte Vorhaben bei Maximalauslastung im worst-case -scenario betrachtet wurde (vgl. stenografisches Protokoll des Erörterungstermins vom 12. Juli 2022 S. 117 ff., Erläuterungsbericht S. 9 und 134 f. sowie Gutachten Nr. T 3414 - Geräuschprognose zu Schallemissionen und -immissionen des geplanten Vorhabens des TÜV Hessen vom 28. April 2021 <im Folgenden: Geräuschimmissionsprognose> S. 8, 11, 14, 32 ff.). Die Klägerin hat zudem im Erörterungstermin ausdrücklich geäußert, dass sie insoweit keinen weiteren Erörterungsbedarf mehr sehe.

24 d) Für die geltend gemachte Verletzung des Berücksichtigungsgebots gemäß § 13 Abs. 1 Satz 1 KSG fehlt der Klägerin die Rügebefugnis. Sie hat keinen Vollüberprüfungsanspruch. Im Übrigen werden subjektive Rechte und klagbare Rechtspositionen durch das Bundes-Klimaschutzgesetz oder aufgrund dieses Gesetzes nach § 4 Abs. 1 Satz 10 KSG in der bis zum 16. Juli 2024 geltenden Fassung (nunmehr § 4 Abs. 1 Satz 6 KSG) nicht begründet.

25 e) Der angegriffene Planfeststellungsbeschluss verletzt die Klägerin nicht in ihrem zivilrechtlichen Eigentum.

26 aa) Die Anforderungen des Immissionsschutzrechts sind gewahrt. Das Vorhaben unterfällt als sonstige ortsfeste Einrichtung nach § 3 Abs. 5 Nr. 1 BImSchG dem Bundes-Immissionsschutzgesetz, bedarf aber nach § 4 Abs. 1 Satz 3 BImSchG i. V. m. § 1 Abs. 1 der Verordnung über genehmigungsbedürftige Anlagen i. d. F. der Bekanntmachung vom 31. Mai 2017 (BGBl. I S. 1440, Vierte Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes - im Folgenden: 4. BImSchV) mangels Nennung im Anhang 1 keiner immissionsschutzrechtlichen Genehmigung. Als nicht genehmigungsbedürftige Anlage ist das Vorhaben nach § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 BImSchG so zu betreiben, dass schädliche Umwelteinwirkungen verhindert werden, die nach dem Stand der Technik vermeidbar sind, und nach dem Stand der Technik unvermeidbare schädliche Umwelteinwirkungen auf ein Mindestmaß beschränkt werden. Diese Anforderungen dienen dem allgemeinen öffentlichen Interesse und dem Schutz Betroffener und sind nicht dem kommunalen Selbstverwaltungsrecht zugeordnet. Die Klägerin kann einen Eingriff in ihr zivilrechtliches Eigentum nur rügen, wenn Nutzer oder Bewohner ihrer Grundstücke in rechtswidriger Weise Immissionen ausgesetzt würden (vgl. BVerwG, Urteil vom 15. Dezember 2016 - 4 A 4.15 - ‌BVerwGE 157, 73 Rn. 17).

27 bb) Dass die Leitung im Gleichstrombetrieb die Anforderungen des § 3a der Sechsundzwanzigsten Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (Verordnung über elektromagnetische Felder vom 14. August 2013, BGBl. I S. 3266 - im Folgenden: 26. BImSchV) für Gleichstromanlagen erfüllt (vgl. PFB S. 87), zieht die Klägerin nicht in Zweifel. Ihre Kritik beschränkt sich auf die Immissionen durch das elektrische und das magnetische Feld der Leitung im Drehstrombetrieb und damit als Niederfrequenzanlage. Der angegriffene Planfeststellungsbeschluss genügt indes insoweit § 3 Abs. 2 Satz 1 der 26. BImSchV und wägt Beeinträchtigungen unterhalb der Grenzwerte fehlerfrei ab. Im Einzelnen gilt Folgendes:

28 (1) An den betrachteten Immissionsorten (IO) sind die Grenzwerte der 26. BImSchV auch im Drehstrombetrieb gewahrt. Die Beklagte war nicht verpflichtet, darüber hinaus das im Eigentum der Klägerin stehende Grundstück Flur 18, Flurstück ... der Gemarkung V., das diese zu Zwecken des Reitsports an Dritte verpachtet hat, als Immissionsort auszuwählen.

29 (a) Nach § 3 Abs. 2 Satz 1 der 26. BImSchV sind Niederfrequenzanlagen, die nach dem 22. August 2013 errichtet werden, zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen so zu errichten und zu betreiben, dass sie bei höchster betrieblicher Anlagenauslastung in ihrem Einwirkungsbereich an Orten, die zum nicht nur vorübergehenden Aufenthalt von Menschen bestimmt sind, die im Anhang 1a genannten Grenzwerte nicht überschreiten, wobei Niederfrequenzanlagen mit einer Frequenz von 50 Hertz die Hälfte des in Anhang 1a genannten Grenzwertes der magnetischen Flussdichte nicht überschreiten dürfen. Für das planfestgestellte Vorhaben, das im Drehstrombetrieb mit einer Frequenz von 50 Hertz betrieben wird, beträgt der Grenzwert für die elektrische Feldstärke 5 kV/m und für die magnetische Flussdichte 100 µT. Nach dem zugrundeliegenden Immissionsschutzbericht werden die Grenzwerte an allen Immissionsorten eingehalten (vgl. PFB S. 207 ff.). Als Einwirkungsbereich einer Niederfrequenzanlage in der Ausgestaltung als 380-kV-Freileitung wird nach Nr. II.3.1 der Hinweise der Bund/​Länder-Arbeitsgemeinschaft für Immissionsschutz zur Durchführung der Verordnung über elektromagnetische Felder in der Fassung vom 17./18. September 2014 (im Folgenden: LAI-Hinweise 2014) ein an den ruhenden äußeren Leiter angrenzender Streifen mit einer Breite von 20 m angenommen (vgl. LAI-Hinweise 2014 S. 17). Nach Nr. II.3.2 der LAI-Hinweise 2014 dienen dem nicht nur vorübergehenden Aufenthalt von Menschen Gebäude und Grundstücke, in oder auf denen nach der bestimmungsgemäßen Nutzung Personen regelmäßig länger - mehrere Stunden - verweilen können. Dies wird unter anderem bei Grundstücken im Bereich eines Bebauungsplans oder innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils regelhaft vermutet (vgl. LAI-Hinweise 2014 S. 18).

30 (b) Gemessen daran musste das Grundstück der Klägerin für den Drehstrombetrieb nicht als Immissionsort ausgewählt werden. Der eingefriedete Reitplatz liegt außerhalb des 20 m-Streifens. Zwar ragt der östliche Teil des Grundstücks mit der "zu Reitzwecken präparierten Freifläche" dort hinein. Diese ist allerdings kein Ort, der dem nicht nur vorübergehenden Aufenthalt von Menschen dient. Es handelt sich um eine uneingezäunte Fläche auf freiem Feld, ungeschützt vor Wind und Wetter, nahe einer Ortsstraße und unweit der Bundesautobahn A 6. Anreize für Pferd und Reiter, dort mehrere Stunden zu verweilen, sind nicht erkennbar (vgl. zu einem Sportplatz: BVerwG, Urteil vom 4. April 2019 - 4 A 6.18 - juris Rn. 37). Dies legt auch das von der Klägerin vorgelegte Luftbild nicht nahe.

31 (2) Die Beklagte musste für eine ordnungsgemäße Abwägung der Mehrbelastung durch elektromagnetische Felder unterhalb der Schwelle der Grenzwerte nicht den Verzicht auf die Umschaltoption erwägen. Die Klägerin macht insoweit geltend, dass auf den Grundstücken Flur 19, Flurstücke ... (Pferdehaltung), ... (Männergesangsverein) und ... (Sportanlagen), jeweils der Gemarkung V., im Drehstrombetrieb die Grenzwertauslastung bei der elektrischen Feldstärke 76 % betrage.

32 Der Planfeststellungsbeschluss führt aus, dass die elektrischen Felder mit Abstand und Hindernissen wie Vegetation und Gebäudehüllen abnehmen würden. Die tatsächliche Belastung in Wohnhäusern sei daher deutlich geringer. Eine weitere Reduktion der Belastung sei mit verhältnismäßigem Aufwand nicht möglich, weil entsprechende Maßnahmen entweder zu einem hohen Kostenaufwand bei geringer Wirkung führten oder sie zwar Entlastung an einer Stelle, aber dafür Mehrbelastung an anderer Stelle bewirkten. Die berechneten Werte gälten zudem für eine Maximalauslastung der planfestgestellten Leitung, während im Regelbetrieb deutlich geringere Belastungen auftreten würden (vgl. PFB S. 400). Die Beklagte hat damit erkannt, dass die Belastung umso gewichtiger ist, je näher sie an die Grenzwerte heranreicht, und die Belastung im Ergebnis plausibel als relativ gering eingestuft. Dazu hat sie weitergehende Minimierungsmaßnahmen erwogen und nachvollziehbar abgelehnt. Der risikoproportionalen Emissionsbegrenzung im Rahmen des Standes der Technik und des vernünftigen Optimums ist damit Rechnung getragen (vgl. BVerwG, Urteil vom 14. März 2018 - 4 A 5.17 - BVerwGE 161, 263 Rn. 49). Weitere Erwägungen zu einem Verzicht auf die nur im eng begrenzten Ausnahmefall anwendbare und in den Gesetzgebungsmaterialien vorgesehene Umschaltoption waren nicht veranlasst.

33 cc) Die Geräuschimmissionen erreichen nicht die Schwelle schädlicher Umwelteinwirkungen.

34 (1) Den unbestimmten Rechtsbegriff der schädlichen Umwelteinwirkungen konkretisiert für anlagenbezogene Lärmimmissionen die Technische Anleitung zum Schutz gegen Lärm (TA Lärm) vom 26. August 1998 (GMBl. S. 503). Ihr kommt eine im gerichtlichen Verfahren zu beachtende Bindungswirkung zu. Die normative Konkretisierung des gesetzlichen Maßstabs für die Schädlichkeit von Geräuschen ist jedenfalls insoweit abschließend, als sie bestimmte Gebietsarten und Tageszeiten entsprechend ihrer Schutzbedürftigkeit bestimmten Immissionsrichtwerten zuordnet und das Verfahren der Ermittlung und Beurteilung der Geräuschimmissionen vorschreibt (vgl. BVerwG, Urteile vom 17. Dezember 2013 - 4 A 1.13 - BVerwGE 148, 353 Rn. 53, vom 14. März 2018 - 4 A 5.17 - ‌BVerwGE 161, 263 Rn. 60 und vom 27. Juli 2021 - 4 A 14.19 - UPR 2022, 141 Rn. 38 <insoweit nicht abgedruckt in BVerwGE 173, 132>).

35 (2) Die Betriebszustände des Vorhabens sind vollständig geprüft worden.

36 Die - auf der Basis der Geräuschimmissionsprognose des TÜV Hessen - vorgenommene Prüfung der Beklagten (vgl. PFB S. 217 ff. und S. 223 f.) ist nicht zu beanstanden. Als emittierende Leitung wurde im südlichen Teilabschnitt sowohl im Gleichstrom- als auch im Wechselstrombetrieb (Umschaltoption) ein Stromkreis angesetzt. Es wurde angenommen, dass die höchsten Emissionspegel von Wechselstromleitungen bei Niederschlag, von Gleichstromleitungen hingegen bei trockener Witterung ausgehen. Daher erfolgte die Berechnung der Zusatzbelastung durch den Ersatzneubau der Bl. 4689 mit dem Emissionsansatz 0 (Gleichstrombetrieb ohne Niederschlag) und dem Emissionsansatz 1 (Wechselstrombetrieb samt Umschaltoption mit leichtem bis mittlerem Niederschlag; vgl. Geräuschimmissionsprognose S. 9 f., 22 ff. und 28 ff.). Bei Zugrundelegung von Emissionsansatz 0 unterschritt die Zusatzbelastung durch das Vorhaben die Immissionsrichtwerte an dem für die Klägerin maßgeblichen Immissionsort IO 7 um mindestens 10 dB(A). Daraus wurde die Schlussfolgerung gezogen, dass dieser Immissionsort für den Betriebszustand ohne Niederschlag außerhalb des Einwirkungsbereichs des Planvorhabens gemäß Nr. 2.2 der TA Lärm liegt. Gleiches wurde bei Zugrundelegung von Emissionsansatz 1 ermittelt (vgl. Geräuschimmissionsprognose S. 30 ff.). Die Prognose, dass die Beigeladene bei dem Betrieb des Vorhabens ihre Grundpflichten nach Nr. 4.1 der TA Lärm einhalten wird, beruht damit auf einer plausiblen und vollständigen Prüfung (vgl. Geräuschimmissionsprognose S. 36 und TÜV Hessen, Ergänzende Stellungnahme zum Gutachten T 3414 vom 19. Dezember 2022 S. 8).

37 (3) Weitere Immissionsorte, insbesondere auf Grundstücken im Eigentum der Klägerin, brauchte die Beklagte nicht zu betrachten.

38 (a) Die Beklagte war nicht verpflichtet, einen Immissionsort in den Wohngebieten der Klägerin östlich der Bundesautobahn A 6 auszuwählen. Dass dort eine Überschreitung der Immissionsrichtwerte gemäß Nr. 2.3 Satz 1 der TA Lärm am ehesten zu erwarten sein soll, ist nicht erkennbar. Zwar ist ein allgemeines oder reines Wohngebiet nach Nr. 6.1 Abs. 1 Buchst. e und f der TA Lärm schutzwürdiger als die an dem Immissionsort IO 7 betrachtete faktische Kleingartensiedlung. Allerdings sind jene Wohngebiete von dem Vorhaben - zumal durch die Lärmquelle einer Bundesautobahn getrennt - erheblich weiter entfernt als der Immissionsort IO 7, der selbst unterhalb der geplanten Freileitung liegt (vgl. Geräuschimmissionsprognose S. 17).

39 (b) Die Beklagte musste nicht das im Eigentum der Klägerin stehende Grundstück Flur 19, Flurstück ... der Gemarkung V. (westlich der Bundesautobahn A 6) als Immissionsort auswählen, das als Vereinsheim eines Männergesangsvereins an Dritte verpachtet ist.

40 (aa) Die Klägerin hat vorgetragen, dass das Grundstück bauliche Anlagen mit schutzbedürftigen Räumen "bzw. Aufenthaltsräumen" aufweise (unter Verweis auf § 2 Abs. 10 der Hessischen Bauordnung) und die schutzbedürftige Nutzung, die sich unterhalb der zurückzubauenden Bestandsleitung Bl. 2327 befinde, wegen des im Bebauungsplan festgesetzten Erholungszwecks derjenigen eines allgemeinen Wohngebiets entspreche.

41 (bb) Voraussetzung für die Auswahl als Immissionsort ist, dass es sich um einen Ort gemäß Nr. 2.3 der TA Lärm handelt. Danach ist maßgeblicher Immissionsort der gemäß Nr. A.1.3 des Anhangs zu ermittelnde Ort im Einwirkungsbereich der Anlage, an dem eine Überschreitung der Immissionsrichtwerte am ehesten zu erwarten ist. Nach Nr. A.1.3 Abs. 1 Buchst. a des Anhangs zur TA Lärm liegen die maßgeblichen Immissionsorte bei bebauten Flächen 0,5 m außerhalb vor der Mitte des geöffneten Fensters des vom Geräusch am stärksten betroffenen schutzbedürftigen Raumes nach DIN 4109, Ausgabe November 1989. Anmerkung 1 zu Nr. 4.1 der DIN 4109 definiert schutzbedürftige Räume als Aufenthaltsräume, soweit sie gegen Geräusche zu schützen sind, und zählt darunter Wohn- und Schlafräume (vgl. BVerwG, Urteil vom 29. August 2007 - 4 C 2.07 - ‌BVerwGE 129, 209 Rn. 23). Die TA-Lärm samt ihrem Anhang konkretisiert den gesetzlichen Maßstab für die Schädlichkeit von Geräuschen, soweit sie das Verfahren der Ermittlung und Beurteilung der Geräuschimmissionen vorschreibt (s. o.). Dies ist in Nr. A.1.3 Abs. 1 Buchst. a des Anhangs zur TA Lärm durch den ausdrücklichen Verweis auf die DIN 4109 geschehen. Für einen Rückgriff auf Landesbauordnungsrecht ist kein Raum. Das Vereinsheim eines Gesangsvereins weist keine schutzbedürftigen Räume in diesem Sinne auf.

42 (cc) Für den - circa 280 m weiter nordwestlich direkt unter dem Vorhaben liegenden - Immissionsort IO 7 wurde eine vorhabenbedingte Zusatzbelastung von 30,5 dB(A) (Emissionsansatz 0) bzw. 35,5 dB(A) (Emissionsansatz 1) bei einem Immissionsrichtwert von 60 d(B)A tagsüber für die faktische Kleingartensiedlung ermittelt (vgl. PFB S. 221 und Geräuschimmissionsprognose S. 30 f.). Entsprechend Nr. 2.2 Buchst. a der TA Lärm ist daher davon auszugehen, dass das Grundstück der Klägerin schon nicht im Einwirkungsbereich des Vorhabens liegt (vgl. Geräuschimmissionsprognose S. 30 f. und S. 17). Im Übrigen wird das Grundstück der Klägerin lediglich in seinem westlichen, im Wesentlichen als Parkplatz genutzten Teil überspannt, ohne dass das Vereinsheim im östlichen Teil unterhalb der planfestgestellten Leitung zu liegen kommt.

43 (dd) Die Auswahl als Immissionsort war auch nicht unter Berücksichtigung von Nr. A.1.3 Abs. 1 Buchst. b des Anhangs zur TA Lärm angezeigt. Bei unbebauten Flächen oder bebauten Flächen, die keine Gebäude mit schutzbedürftigen Räumen enthalten, liegen die maßgeblichen Immissionsorte danach an dem am stärksten betroffenen Rand der Fläche, wo nach dem Bau- und Planungsrecht Gebäude mit schutzbedürftigen Räumen erstellt werden dürfen. Für das Grundstück der Klägerin setzt der Bebauungsplan Nr. 284-11 "Sport- & Erholungsgebiet West (Teilneufassung)" vom 12. November 2021 das "Sondergebiet Vereinsnutzung (SO 2.6)" fest. Nr. A. 1. 2 der textlichen Festsetzungen des vorgenannten Bebauungsplans schließt die Wohnnutzung aus.

44 (ee) Die Klägerin rügt, sowohl für den Immissionsort IO 7 als auch für ihr Grundstück Flur 19, Flurstück ... der Gemarkung V. habe ein Nachtimmissionsrichtwert von 40 dB(A) nach Nr. 6.1 Abs. 1 Buchst. e der TA Lärm zugrunde gelegt werden müssen.

45 Dies bleibt erfolglos. Eine fehlerhafte Betrachtung des Immissionsortes IO 7 kann die Klägerin deshalb nicht rügen, weil sie nicht Eigentümerin dieses Grundstücks ist. Die Betrachtung des Nachtimmissionsrichtwertes war aber auch für ihr eigenes, an einen Männergesangsverein verpachtetes Grundstück nicht geboten. Die deutlich herabgesetzten Immissionsrichtwerte für die Nachtzeit und damit das höhere Schutzniveau sind dem Ruhe- und Schlafbedürfnis des Menschen in diesem Zeitraum geschuldet (vgl. BVerwG, Urteil vom 29. August 2007 - 4 C 2.07 - BVerwGE 129, 209 Rn. 26). Sie finden daher keine Anwendung, wenn es an schutzbedürftigen Räumen im Sinne der DIN 4109 fehlt (vgl. Feldhaus/​Tegeder, in: Feldhaus, Bundesimmissionsschutzrecht, Stand April 2024, Nr. 6 TA Lärm Rn. 25 und Rn. 50). Hiervon ausgehend besteht kein Anlass, für das Grundstück der Klägerin die Einhaltung des Nachtrichtwertes sicherzustellen.

46 (4) Die Beklagte musste das Vorhaben nicht zusammen mit der parallel verlaufenden Bestandsleitung Bl. 4523 als gemeinsame Anlage analog § 1 Abs. 3 der 4. BImSchV behandeln.

47 Die Beklagte hat hierauf im Einklang mit der einschlägigen Rechtsprechung verzichtet (vgl. PFB S. 217 ff. i. V. m. Geräuschimmissionsprognose S. 14). § 1 Abs.  3 der 4. BImSchV ist auf Freileitungen als linienförmige Infrastruktureinrichtungen mangels Vergleichbarkeit der Interessenlage nicht analog anzuwenden. Eine summierende Betrachtung steht in einem Spannungsverhältnis zu dem gesetzgeberischen Bestreben, Höchstspannungsleitungen gebündelt zu führen (vgl. § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 NABEG). Zudem fehlt es an relevanten gemeinsam verbundenen Betriebseinrichtungen. Umspannanlagen haben nicht das Gewicht, die parallel verlaufenden Leitungen als gemeinsame Betriebseinrichtungen zu verbinden (vgl. BVerwG, Urteil vom 14. März 2018 - 4 A 5.17 - ‌BVerwGE 161, 263 Rn. 58 m. w. N.). Grundstücke, Schutzstreifen und Zuwegungen, die von parallel verlaufenden Leitungen gemeinsam genutzt werden, wie sie die Klägerin anführt, sind schon keine Betriebseinrichtungen im Sinne von § 1 Abs. 3 der 4. BImSchV. Denn der Begriff umfasst lediglich Anlagenteile, Maschinen und Geräte sowie sonstige technische Vorkehrungen (vgl. Hansmann/‌Röckinghausen, in: Landmann/​Rohmer, Umweltrecht, Stand Juni 2024, 4. BImSchV, § 1 Rn. 27).

48 (5) Die Beklagte musste keine Gesamtlärmbetrachtung anstellen.

49 (a) Bei der Bewertung von Geräuschen kommt es grundsätzlich nicht auf die Gesamtbelastung, sondern allein auf die Lärmbeeinträchtigung an, die von der zu errichtenden oder zu ändernden Anlage ausgeht. Eine Ermittlung der Lärmbeeinträchtigung nach Maßgabe eines Summenpegels könnte nur dann geboten sein, wenn wegen der in Rede stehenden Planung insgesamt eine Lärmbelastung zu erwarten ist, die mit Gesundheitsgefahren oder einem Eingriff in die Substanz des Eigentums verbunden ist (vgl. BVerwG, Urteile vom 9. November 2006 - 4 A 2001.06 - BVerwGE 127, 95 Rn. 122 und vom 19. Dezember 2017 ‌- 7 A 7.17 u. a. - juris Rn. 46 sowie Beschluss vom 25. Juni 2013 - 4 BN 21.13 - ‌juris Rn. 3). Die grundrechtliche Zumutbarkeitsschwelle ist wegen der Bedeutung des ungestörten Schlafs für die menschliche Gesundheit in Wohngebieten zu beachten und bei einem äquivalenten Dauerschallpegel von 70 dB(A) tags und 60 dB(A) nachts anzusetzen (vgl. BVerwG, Urteil vom 9. November 2006‌ - 4 A 2001.06 - BVerwGE 127, 95 Rn. 122 f. und Beschluss vom 15. Juli 2022 ‌- 7 B 16.21 - juris Rn. 13 m. w. N.). Der vorhabenbedingte Immissionsbeitrag muss für die Entstehung oder Erhöhung der verfassungsrechtlich unzumutbaren Immissionsbelastung kausal sein. Dies muss substantiiert dargelegt sein oder sich angesichts der konkreten Situation anderweitig aufdrängen (vgl. BVerwG, Urteil vom 20. Mai 1998 - 11 C 3.97 - Buchholz 406.25 § 41 BImSchG Nr. 18 S. 51 f.).

50 (b) Die Klägerin setzt die Zumutbarkeitsschwelle bei 65 dB(A) tags und 55 dB(A) nachts an und beruft sich als vorbestehende Lärmquellen auf die Bestandsleitung Bl. 4523 und die Bundesautobahn A 6. Dass die bisherigen Annahmen zur Zumutbarkeitsschwelle durch neuere Erkenntnisse in Frage gestellt werden, zeigt sie nicht auf. Zwar hat der 9. Senat des Bundesverwaltungsgerichts eine Verringerung der Zumutbarkeitsschwelle um 3 dB(A) erwogen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 25. April 2018 - 9 A 16.16 - DVBl 2018, 1426 Rn. 86 f.). In seiner Rechtsprechung hält er jedoch weiterhin an der Schwelle von 70 dB(A) tags und 60 dB(A) nachts für Wohngebiete fest (vgl. BVerwG, Urteil vom 2. Juli 2020 - 9 A 19.19 - NVwZ 2021, 648 Rn. 93). Dass die im Bundeshaushaltsgesetz 2021 festgelegten niedrigeren Auslösewerte für die Lärmsanierung eine einfachgesetzliche Konkretisierung der grundrechtlichen Zumutbarkeitsschwelle sein könnten, wie sie der Gesetzgeber in § 18g Abs. 1 Satz 2 AEG im Jahr 2018 zugunsten der Schwelle von 70 dB(A) tags und 60 dB(A) nachts vorgenommen hat (vgl. BT-Drs. 19/5580 S. 13), ist weder hinreichend dargelegt noch anderweitig ersichtlich. Die Empfehlung in dem Umweltgutachten 2020 des Sachverständigenrats für Umweltfragen (SRU), für die Lärmsanierung Grenzwerte in Höhe von 65 dB(A) tags und 55 dB(A) nachts gesetzlich zu verankern, fußt nicht auf neueren Erkenntnissen der Lärmwirkungsforschung zu Gesundheitsgefahren. Zudem orientiert sie sich an den Leitlinien der WHO, denen nicht der Gesundheitsbegriff des Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG, sondern ein weitergehender Begriff unter Einschluss des individuellen Wohlbefindens zugrunde liegt (vgl. SRU, Umweltgutachten 2020 S. 298 Rn. 429).

51 (c) Es bestand kein Anlass, für das im Eigentum der Klägerin stehende, an Dritte überlassene Wohnhaus auf dem Grundstück Flur 3, Flurstück ... der Gemarkung V. (L.-Straße ...) eine Gesamtbetrachtung anzustellen. Die vorgelegte Tabelle enthält hierzu den Eintrag "Nur Straßenverkehrslärm im Bereich des Wohnhauses bereits: LDEN = 60-69 dB(A) LNight = 50-59 dB(A)". Es kann offenbleiben, ob ein Betroffener, der sich - vermittelt über ein konkretes Grundstück - auf die Überschreitung der grundrechtlichen Zumutbarkeitsgrenze beruft, hierfür einen Beurteilungspegel darzulegen hat oder ob die Darlegung einer Lärmpegelklasse beziehungsweise eines Pegelbereichs ausreicht. Jedenfalls ist davon auszugehen, dass sich das Vorhaben angesichts der Vorbelastung nicht auswirken würde. Für den dem Grundstück nächstgelegenen Immissionsort IO 7 wurde eine Zusatzbelastung durch das Vorhaben von 30,5 dB(A) bzw. 35,5 dB(A) ermittelt (s. o.). Ein derartiger Immissionsbeitrag führt gegenüber einer mehr als 20 dB(A) höheren Vorbelastung zu einer vollständig irrelevanten und daher unbeachtlichen Erhöhung (s. o.), zumal der Immissionsort IO 7 unmittelbar unter der planfestgestellten Leitung liegt, das Wohnhaus L.-Straße ... dagegen hiervon circa 300 m entfernt ist. Die gleichen Erwägungen gelten für das im Eigentum der Klägerin stehende, an Dritte überlassene Wohnhaus auf dem Grundstück Flur 3, Flurstück ... der Gemarkung V. (C.-Straße ...). Der nächstgelegene Immissionsort ist ebenfalls der IO 7. Das genannte Grundstück liegt - getrennt durch die Bundesautobahn A 6 - circa 400 m von der Trassenachse entfernt.

52 dd) Schließlich ist die Beklagte auch nicht, wie die Klägerin rügt, von einem ausnahmslosen und absoluten Vorrang der Inanspruchnahme kommunaler Grundstücke gegenüber der Inanspruchnahme von privaten Grundstücken ausgegangen. Die Beklagte hat mit der Einschränkung "sofern möglich" und der Formulierung "in der Abwägung", zum Ausdruck gebracht, dass der grundsätzlich rechtlich gebotene Vorrang der Inanspruchnahme von Grundstücken der öffentlichen Hand nicht ausnahmslos gilt, und eine Abwägung vorgenommen. Der Verweis auf das Rechtserwerbsverzeichnis genügt, um Umfang und Intensität der Inanspruchnahme auszudrücken (vgl. PFB S. 424).

53 f) Der angegriffene Planfeststellungsbeschluss verletzt die Klägerin nicht in ihrer kommunalen Planungshoheit aus Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG.

54 aa) Die dem Schutzbereich des Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG zuzuordnende gemeindliche Planungshoheit vermittelt eine wehrfähige, in die Abwägung einzubeziehende Rechtsposition gegen fremde Fachplanungen auf dem eigenen Gemeindegebiet, wenn das Vorhaben nachhaltig eine bestimmte Planung der Gemeinde stört, wesentliche Teile des Gemeindegebietes wegen seiner Großräumigkeit einer durchsetzbaren gemeindlichen Planung entzieht oder gemeindliche Einrichtungen in ihrer Funktionsfähigkeit erheblich beeinträchtigt. Darüber hinaus muss die Planfeststellungsbehörde auf noch nicht verfestigte, aber konkrete Planungsabsichten einer Gemeinde abwägend dergestalt Rücksicht nehmen, dass durch die Fachplanung von der Gemeinde konkret in Betracht gezogene städtebauliche Planungsmöglichkeiten nicht unnötigerweise "verbaut" werden (vgl. BVerwG, Urteile vom 6. September 2018 - 3 A 15.15 - NVwZ 2019, 313 Rn. 28, vom 4. April 2019 - 4 A 6.18 - juris Rn. 34, vom 15. Oktober 2020 - 7 A 10.19 - ‌juris Rn. 39, vom 27. Juli 2021 - 4 A 14.19 - BVerwGE 173, 132 Rn. 85 und vom 7. Oktober 2021 - 4 A 9.19 - UPR 2022, 98 Rn. 63).

55 bb) Der angegriffene Planfeststellungsbeschluss verstößt nicht gegen § 7 Satz 1 BauGB. Danach haben öffentliche Planungsträger, die nach § 4 oder § 13 BauGB beteiligt worden sind, ihre Planungen dem Flächennutzungsplan insoweit anzupassen, als sie diesem Plan nicht widersprochen haben.

56 Das Anpassungsgebot des § 7 Satz 1 BauGB findet auf das streitbefangene Vorhaben keine Anwendung. Dies ergibt sich aus § 18 Abs. 4 Satz 7 und 8 NABEG jeweils i. d. F. von Art. 2 Nr. 18 des Gesetzes zur Beschleunigung des Energieleitungsausbaus vom 13. Mai 2019 (BGBl. I S. 706). Nach § 18 Abs. 4 Satz 7 NABEG a. F. (nunmehr § 18 Abs. 4 Satz 8 NABEG) sind städtebauliche Belange lediglich zu berücksichtigen. Darunter fällt auch die vorbereitende Bauleitplanung der Gemeinden, mithin ein Flächennutzungsplan (vgl. BT-Drs. 19/7375 S. 78; Keienburg, in: Theobald/​Kühling, Energierecht, Stand Mai 2024, § 18 NABEG Rn. 47; Riese/​Nebel, in: Steinbach/​Franke, Kommentar zum Netzausbau, 3. Aufl. 2022, § 18 NABEG Rn. 94). Nach § 18 Abs. 4 Satz 8 NABEG a. F. (nunmehr § 18 Abs. 4 Satz 9 NABEG) sind § 38 Satz 1 und 3 und § 7 Satz 6 BauGB entsprechend anzuwenden. Dieser Anwendungsbefehl spart § 38 Satz 2 BauGB aus, demgemäß eine Bindung nach § 7 BauGB unberührt bleibt. Im Übrigen stellt § 18 Abs. 4 Satz 8 NABEG a. F. allein auf den Kosten- und Aufwendungsersatz des § 7 Satz 6 BauGB ab, ohne das Anpassungsgebot und die Folgeregelungen des § 7 Satz 1 bis 5 BauGB einzubeziehen. Aus alldem ist zu schließen, dass das Anpassungsgebot des § 7 Satz 1 BauGB für Vorhaben nach dem Netzausbaubeschleunigungsgesetz Übertragungsnetz nicht gilt.

57 cc) Der Planfeststellungsbeschluss hat die Planungshoheit der Klägerin ohne Rechtsfehler abgewogen.

58 Nach § 18 Abs. 4 Satz 1 NABEG sind bei der Planfeststellung die von dem Vorhaben berührten öffentlichen und privaten Belange im Rahmen der Abwägung zu berücksichtigen. Das Abwägungsgebot verlangt, dass - erstens - eine Abwägung überhaupt stattfindet, dass - zweitens - in die Abwägung an Belangen eingestellt wird, was nach Lage der Dinge in sie eingestellt werden muss, und dass - drittens - weder die Bedeutung der öffentlichen und privaten Belange verkannt noch der Ausgleich zwischen ihnen in einer Weise vorgenommen wird, die zur objektiven Gewichtigkeit einzelner Belange außer Verhältnis steht. Innerhalb des so gezogenen Rahmens wird das Abwägungsgebot nicht verletzt, wenn sich die zur Planung ermächtigte Stelle in der Kollision zwischen verschiedenen Belangen für die Bevorzugung des einen und damit notwendig für die Zurückstellung eines anderen entscheidet (stRspr, vgl. BVerwG, Urteile vom 14. Februar 1975 - 4 C 21.74 - BVerwGE 48, 56 <63 f.> und vom 14. März 2018 ‌- 4 A 5.17 - BVerwGE 161, 263 Rn. 73). Nach § 18 Abs. 4 Satz 7 NABEG a. F. sind städtebauliche Belange zu berücksichtigen und daher auch in die Abwägung einzustellen.

59 Die Klägerin sieht ihre Planungshoheit beeinträchtigt, weil die Planfeststellung die Entwicklung zum Wohnen geeigneter Gebiete im Bereich "Nordweststadt II" und damit eine Ausdehnung des Siedlungsgebietes nach Nordwesten verhindere. Diesem - bisher nicht zum Wohnen genutzten und im Wesentlichen unbeplanten - Gebiet nähert sich die Leitung auf weniger als 400 m an. Die Festsetzung von zum Wohnen geeigneter Gebiete droht damit nach Auffassung der Klägerin jedenfalls teilweise an Zielen der Raumordnung zu scheitern. Denn 5.3.4-7(Z) des Landesentwicklungsplans Hessen i. d. F. der Dritten, Vierten und Fünften Verordnung zur Änderung der Verordnung über den Landesentwicklungsplan Hessen (ursprünglich festgestellt durch Verordnung vom 13. Dezember 2000, GVBl. 2001 I S. 2, zuletzt geändert durch die Verordnungen vom 21. Juni 2018, GVBl. S. 398, vom 29. August 2018, GVBl. S. 551 sowie vom 16. Juli 2021, GVBl. S. 394, im Folgenden: LEP Hessen) ordnet an, dass bei der Festsetzung von neuen Baugebieten in Bauleitplänen nach dem Baugesetzbuch, die dem Wohnen dienen, ein Abstand von mindestens 400 m zu einer planungsrechtlich gesicherten Trasse einer Höchstspannungsleitung einzuhalten ist. Dieses Abstandsgebot lasse es nicht zu, ein mit Aufstellungsbeschluss vom 5. Februar 2021 begonnenes Bebauungsplanverfahren jedenfalls für eine Teilfläche von 2,46 ha erfolgreich abzuschließen; damit gingen rund 13 % der für Wohngebiete vorgesehenen Flächen verloren.

60 (1) Anders als die Klägerin meint, entzieht die Planfeststellung nicht wesentliche Teile des Gemeindegebiets ihrer Planungshoheit. Denn der angeführte Bereich ist im Verhältnis zum gesamten Gemeindegebiet unwesentlich und macht nur einen geringen Bruchteil des Stadtgebiets der Klägerin aus. Welchen Anteil die innerhalb des 400-m-Abstandes liegenden Flächen an den im Regionalplan Südhessen 2010 als "Vorranggebiet Siedlung, Planung" dargestellten Flächen haben, ist insoweit ohne Bedeutung.

61 (2) Die Klägerin konnte verlangen, dass ihre Flächennutzungsplanung als städtebaulicher Belang in der Abwägung als eigener Belang berücksichtigt wird. Der Belang ist aber durch die bestehende Vorbelastung in seinem Gewicht deutlich gemindert.

62 (a) Keinen eigenen städtebaulichen Belang der Klägerin begründet der Regionalplan Südhessen 2010, der nach Z3.4.1-3 Satz 1 den genannten Bereich zielförmig als Vorranggebiet "Siedlung, Planung" ausweist. Weist ein Träger der Raumordnung in einem Raumordnungsplan auf dem Gebiet einer Gemeinde einen Standort für eine bestimmte Nutzung aus, greift dies in die kommunale Planungshoheit der betroffenen Gemeinde ein (vgl. BVerwG, Urteil vom 15. Mai 2003 - 4 CN 9.01 - BVerwGE 118, 181 <184>). Eine eigene Planung der Gemeinde ist die Regionalplanung aber nicht.

63 Der Flächennutzungsplan der Gemeinde als vorbereitender Bauleitplan (§ 1 Abs. 2 BauGB) ist dagegen nach § 18 Abs. 4 Satz 7 NABEG a. F. als städtebaulicher Belang zu berücksichtigen, soweit er eigene Planungen der Gemeinde enthält. § 18 Abs. 4 Satz 7 NABEG a. F. verlangt eine abwägende Berücksichtigung, aber kein Anpassen im Sinne des § 7 Satz 1 BauGB. Die Beklagte war daher verpflichtet, die Darstellung des zum Wohnen vorgesehenen Gebietes im Flächennutzungsplan abwägend zu berücksichtigen und dem so zum Ausdruck kommenden Planungswillen der Klägerin Rechnung zu tragen. Diese Planung war insoweit hinreichend bestimmt. Denn es war - nach Maßgabe der Darstellungstiefe eines Flächennutzungsplans - mit der Angabe "Wohnbauflächen" hinreichend klar umrissen, welche Nutzung auf welchem Teil des Plangebiets beabsichtigt ist (vgl. BVerwG, Urteile vom 30. August 1993 - 7 A 14.93 - Buchholz 442.08 § 36 BBahnG Nr. 23 S. 51 und vom 3. April 2019 - 4 A 1.18 - BVerwGE 165, 166 Rn. 29).

64 Der Beschluss zur Aufstellung des Bebauungsplans im Bereich "Nordweststadt II" verleiht dieser Position kein zusätzliches Gewicht. Dabei kann offenbleiben, ob der Aufstellungsbeschluss allein - ohne die Beteiligung der Öffentlichkeit nach § 3 BauGB und der möglicherweise in ihrem Aufgabenbereich berührten Behörden und sonstigen Träger öffentlicher Belange nach § 4 BauGB - eine hinreichende Verfestigung aufweist (vgl. BVerwG, Urteile vom 27. August 1997 ‌- 11 A 18.96 - Buchholz 316 § 73 VwVfG Nr. 24 S. 29 f. und vom 10. November 2022 - 4 A 16.20 - juris Rn. 53). Jedenfalls kommt diesem Beschluss schon deswegen kein höheres Gewicht zu, weil er nach seiner inhaltlichen Aussage und dem Stand des Verfahrens über die Darstellung des Flächennutzungsplans nicht substantiell hinausgeht.

65 Die weiteren Darstellungen des Flächennutzungsplans zu den Spannungsebenen sowie der Schutzstreifenbreite von Bestandsleitungen musste die Beklagte nicht abwägend berücksichtigen. Denn diese Darstellungen waren keine eigene Planung der Klägerin. So sollen zwar nach § 5 Abs. 4 Satz 1 BauGB unter anderem Planungen, die nach anderen gesetzlichen Vorschriften festgesetzt sind, nachrichtlich in den Flächennutzungsplan übernommen werden. Die nachrichtliche Übernahme anderer (Fach-)Planungen, zu der im Regelfall eine Verpflichtung besteht, hat aber lediglich Hinweischarakter (vgl. Söfker, in: Ernst/‌Zinkahn/​Bielenberg/​Krautzberger, BauGB, Stand April 2024, § 5 Rn. 69), ist aber nicht Ausdruck eines eigenen Planungswillens der Gemeinde (vgl. Jaeger, in: Spannowsky/​Uechtritz, BauGB, Stand Mai 2024, § 5 Rn. 83).

66 (b) Der so umrissene, nach § 18 Abs. 4 Satz 7 NABEG a. F. zu berücksichtigende städtebauliche Belang ist erheblich vorbelastet und hat daher nur geringes Gewicht.

67 Das Abstandsgebot von 5.3.4-7(Z) des LEP Hessen ist bereits gegenüber den Bestandsleitungen Bl. 2327 zu beachten (vgl. PFB S. 441). Die Planungsmöglichkeiten der Klägerin waren damit schon vor der hier streitgegenständlichen Planfeststellung in grundsätzlich gleicher Weise eingeschränkt. Diese Vorbelastung mindert das Gewicht der in die Abwägung einzustellenden Position der Klägerin erheblich. Die durch die Planfeststellung ausgelöste Belastung erschöpft sich im Kern darin, dass die Beschränkung der gemeindlichen Planungshoheit für einen erheblichen Zeitraum, nämlich die absehbare Lebensdauer der zu errichtenden Leitung, verstetigt wird. Im Übrigen ist nicht zu übersehen, dass - unter raumordnerischen und planerischen Gesichtspunkten - die Annäherung des geplanten Wohngebietes an die Autobahn A 6 erheblich schwierigere Fragen aufwirft als die Annäherung an eine jenseits der Autobahn gelegene Höchstspannungsfreileitung.

68 (3) Die Abwägung des Planfeststellungsbeschlusses trägt der Flächennutzungsplanung der Gemeinde und damit ihrem städtebaulichen Belang ausreichend Rechnung.

69 Die Planfeststellungsbehörde hat den Flächennutzungsplan und das Bebauungsplanvorhaben der Klägerin ordnungsgemäß abgewogen (vgl. PFB S. 440 f.). Sie ist unter Berücksichtigung der Vorbelastung durch die Bestandsleitung Bl. 2327 zutreffend zu dem Ergebnis gelangt, dass die Planungsmöglichkeiten der Klägerin nicht "unnötigerweise verbaut" werden. Sie musste die Aussage, dass der Klägerin "weniger Fläche zur Entwicklung von Baugebieten zur Wohnnutzung zur Verfügung" steht, nicht näher konkretisieren. Zum einen schließt die Formulierung auch die einschlägigen Flächen in dem Flächennutzungsplan ein, zum anderen ist eine weitergehende Differenzierung zwischen Flächennutzungsplan, Bebauungsplanvorhaben und Vorranggebiet nicht geboten (s. o.). Darauf, dass die Beklagte dem Aufstellungsbeschluss der Klägerin nicht die hinreichende Verfestigung hätte absprechen dürfen, wie diese argumentiert, kommt es wegen des aufgrund der Vorbelastung reduzierten Gewichts dieses Belangs nicht an. Es ist auch nicht zu beanstanden, dass die Beklagte als weiteren mildernden Gesichtspunkt in der Abwägung die Möglichkeit der Inanspruchnahme und des späteren Erfolgs eines Zielabweichungsverfahrens nach § 6 Abs. 2 ROG verwertet hat (vgl. PFB S. 441). Schließlich durfte die Beklagte auch aus § 1 Satz 3 NABEG a. F. (nunmehr § 1 Abs. 2 Satz 1 NABEG) das überragende öffentliche Interesse an der Verwirklichung des Vorhabens ableiten, da es Nr. 2 der Anlage zu § 1 Abs. 1 BBPlG und dem Geltungsbereich des Netzausbaubeschleunigungsgesetzes Übertragungsnetz unterfällt.

70 dd) Ohne Erfolg bleibt die Rüge der Klägerin, die Beklagte habe ihre Variante "Mitnahme Bestandsleitung" vom 14. März 2022 rechtsfehlerhaft abgelehnt.

71 (1) Nach ständiger Rechtsprechung ist die Auswahl unter verschiedenen Trassenvarianten ungeachtet rechtlich zwingender Vorgaben eine fachplanerische Abwägungsentscheidung. Bei der Zusammenstellung des Abwägungsmaterials müssen einerseits alle ernsthaft in Betracht kommenden Alternativlösungen berücksichtigt und mit der ihnen zukommenden Bedeutung in die vergleichende Prüfung der jeweils berührten öffentlichen und privaten Belange eingestellt werden. Die Planfeststellungsbehörde handelt andererseits nicht schon dann abwägungsfehlerhaft, wenn eine verworfene Trassenführung ebenfalls mit guten Gründen vertretbar gewesen wäre. Die Grenzen der planerischen Gestaltungsfreiheit sind vielmehr erst dann überschritten, wenn entweder eine andere als die gewählte Linienführung sich unter Berücksichtigung aller abwägungserheblichen Belange eindeutig als die bessere, weil öffentliche und private Belange insgesamt schonendere darstellen würde, wenn sich mit anderen Worten diese Lösung der Behörde hätte aufdrängen müssen, oder aber wenn der Planungsbehörde infolge einer fehlerhaften Ermittlung, Bewertung oder Gewichtung einzelner Belange ein rechtserheblicher Fehler unterlaufen ist. Alternativen, die der Planfeststellungsbehörde aufgrund einer Grobanalyse als weniger geeignet erscheinen, darf sie schon in einem frühen Verfahrensstadium ausscheiden. Ergibt sich dagegen nicht bereits bei einer Grobanalyse des Abwägungsmaterials die Vorzugswürdigkeit einer Trasse, so muss die Behörde die noch ernsthaft in Betracht kommenden Trassenalternativen im weiteren Planungsverfahren detaillierter untersuchen und vergleichen; die Bevorzugung einer bestimmten Lösung darf nicht auf einer Bewertung beruhen, die zur objektiven Gewichtigkeit der von den möglichen Alternativen betroffenen Belange außer Verhältnis steht (vgl. BVerwG, Urteile vom 15. Dezember 2016 - 4 A 4.15 - BVerwGE 157, 73 Rn. 32, vom 5. Oktober 2021 - 7 A 13.20 - BVerwGE 173, 296 Rn. 77 und vom 12. Juli 2022 - 4 A 10.20 - NUR 2023, 326 Rn. 19 f.). Läuft eine Variante auf ein anderes Projekt hinaus, kann von einer Alternative nicht mehr gesprochen werden (vgl. BVerwG, Urteile vom 15. Januar 2004 - 4 A 11.02 - BVerwGE 120, 1 <11>, vom 15. Dezember 2016 - 4 A 4.15 - BVerwGE 157, 73 Rn. 32 und vom 5. Oktober 2021 - 7 A 13.20 - BVerwGE 173, 296 Rn. 78).

72 (2) Im südlichen Teilabschnitt (Pkt. Bürstadt Ost bis Pkt. Wallstadt) ist das Vorhaben als Ersatzneubau in der Bestandstrasse der zurückzubauenden Bl. 2327 geplant. Die neue Leitung Bl. 4689 führt von der Viernheimer Heide kommend in südöstlicher Richtung über den Mast 39 zum Mast 40, um dort - südlich des Viernheimer Autobahndreiecks - weiter in Richtung Süden zu Mast 41 zu verschwenken und sich der Bundesautobahn A 6 zu nähern (vgl. PFB S. 494). Auf westlicher Seite verläuft parallel zu der Trasse die Bestandsleitung Bl. 4523 mit zwei 380-kV-Wechselstromkreisen. Östlich der Trasse befinden sich Kleingartenanlagen.

73 Die von der Klägerin mit E-Mail vom 3. Juli 2019 zunächst vorgeschlagene Variante "Alleiniger Verlauf" würde die Bestandstrasse der zurückzubauenden Leitung Bl. 2327 bei Mast 39A in Richtung Süden verlassen, in neuer Trasse zu dem 180 m entfernten Mast 39B und von dort - auf einer Länge von 350 m - über den Mast 39C zu dem Mast 39D führen, um dann in östlicher Richtung abzuknicken und nach 140 m bei dem Mast 41A wieder auf die Bestandstrasse zu treffen. Die westlich parallel zu der Bestandsleitung Bl. 2327 verlaufende Bestandsleitung Bl. 4523 bliebe bestehen, würde aber von jener Variante zweifach gekreuzt. Die nunmehr allein streitgegenständliche Variante "Mitnahme Bestandsleitung" vom 14. März 2022 entspricht im Verlauf der vorgenannten Variante, jedoch soll zusätzlich die Bestandsleitung Bl. 4523 auf einem Mehrfachgestänge mitgeführt und in ihrer Bestandstrasse insoweit rückgebaut werden, sodass die Kreuzungen mit ihr entfallen (vgl. PFB S. 494 f.).

74 (3) Die Beklagte hat die Variante "Mitnahme Bestandsleitung" vom 14. März 2022 im Ergebnis zu Recht abgelehnt.

75 (a) Die Beklagte durfte sie allerdings nicht aus der Alternativenprüfung mit der Begründung ausscheiden, es fehle an dem von § 26 Satz 1 NABEG und § 78 Abs. 1 VwVfG geforderten Antrag für die Verlegung und den Rückbau der Bestandsleitung Bl. 4523 (vgl. PFB S. 500 f.). Zwar bestimmt der Träger eines Vorhabens grundsätzlich dessen Gegenstand (vgl. BVerwG, Urteil vom 5. Oktober 2021 - 7 A 13.20 - BVerwGE 173, 296 Rn. 42). Daran ändert auch § 12 Abs. 2 Satz 4 NABEG nichts, welcher der Verfahrensbeschleunigung dient und den Vorhabenträger dazu anhalten soll, das Planfeststellungsverfahren zu beginnen (vgl. § 19 Satz 1 NABEG a. F., nunmehr § 21 Abs. 1 Satz 1 NABEG). Gleiches gilt für die gesetzlichen Mindestangaben des Antrags (vgl. § 19 Satz 4 NABEG a. F., nunmehr § 21 Abs. 1 Satz 3 NABEG), die nicht festlegen, wie der Vorhabenträger diese auszufüllen hat. Jedoch ist einer von dritter Seite vorgeschlagenen Alternative immanent, dass sie von dem Antrag des Vorhabenträgers auf Planfeststellung abweicht und es an einem eigenen Antrag für sie fehlt. Der fehlende Antrag kann einer Alternative im Rahmen der Alternativenprüfung daher nicht entgegengehalten werden. Ob eine die Verlegung und den Rückbau einer Bestandsleitung einschließende Alternative gegebenenfalls gemessen am Maßstab der Erreichung wesentlicher Planziele nicht ernsthaft in Betracht zu ziehen und daher nicht näher zu prüfen war, kann offenbleiben (vgl. BVerwG, Beschluss vom 14. Februar 2017 - 4 VR 18.16 - juris Rn. 28).

76 (b) Denn die zusätzliche Alternativenabwägung der Beklagten trägt selbständig und verletzt die Klägerin nicht in ihrer Planungshoheit.

77 Die Beklagte hat die Vorteile der Variante zutreffend erkannt. Sie beschränken sich darauf, dass die Klägerin östlich der Bundesautobahn A 6 ein neues Wohngebiet in vollem Umfang ausweisen könnte, ohne ein raumordnerisches Abstandsgebot auszulösen, und dass die westlich davon bestehenden Kleingartenanlagen entlastet werden könnten, wobei diese wegen des nur vorübergehenden Aufenthalts von Menschen nur vermindert schutzwürdig sind (vgl. PFB S. 501 f.). Nicht zu beanstanden ist auch, dass die Beklagte zu Lasten der Alternative die höheren Risiken für den Netzbetrieb und die Versorgungssicherheit verwertet hat, wenn die planfestgestellte Leitung Bl. 4689 und die Bestandsleitung Bl. 4523 auf einem Mehrfachgestänge geführt werden. Neben Schwierigkeiten bei der Wartung und Instandhaltung hat die Beklagte zur Überzeugung des Senats zutreffend berücksichtigt, dass im Störfall durch Schutzgeräte ausgelöste Freischaltungen von Stromkreisen die Übertragungskapazität mindern, wodurch sich die Leistungsflüsse ungesteuert auf benachbarte Stromkreise verlagern, und dass der Umfang der zusätzlichen Leistungsflüsse zu einer Überlastung auch der benachbarten Stromkreise, mithin auch dort zu Freischaltungen und damit im Wege einer Kettenreaktion zu kritischen Netzsituationen führen kann (vgl. PFB S. 502).

78 Im Übrigen hat die Beklagte bereits bei der Variante "Alleiniger Verlauf" zu Recht darauf abgestellt, dass diese - anders als die planfestgestellte Leitung - neue Grundstücks- und Eigentumsbetroffenheiten schafft (vgl. PFB S. 496 bis 498). Diese Erwägungen gelten entsprechend auch für die Variante "Mitnahme Bestandsleitung".

79 Soweit die Klägerin die Risiken für die Netzstabilität bei der Führung auf einem Mehrfachgestänge im südlichen Teilabschnitt des Vorhabens unter Verweis auf den Einsatz der Hybridtechnologie im nördlichen Teilabschnitt anzweifelt, hat die Beigeladene in der mündlichen Verhandlung die Unterschiede zwischen den beiden Teilabschnitten zur Überzeugung des Senats nachvollziehbar erklärt. Sie hat erläutert, dass mangels gesicherter Bypassfunktion durch geeignete Höchstspannungsleitungen in genügender Anzahl im südlichen Teilabschnitt die Führung auf einem Mehrfachgestänge in einer kritischen Netzsituation risikobehafteter ist als im nördlichen Teilabschnitt.

80 Da der Planfeststellungsbeschluss die Klägerin nicht in ihren Rechten verletzt, ist die Klage auch in den Hilfsanträgen abzuweisen.

81 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO und § 162 Abs. 3 VwGO.