Beschluss vom 12.10.2022 -
BVerwG 2 WNB 3.22ECLI:DE:BVerwG:2022:121022B2WNB3.22.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 12.10.2022 - 2 WNB 3.22 - [ECLI:DE:BVerwG:2022:121022B2WNB3.22.0]

Beschluss

BVerwG 2 WNB 3.22

  • TDG Süd 8. Kammer - 25.02.2022 - AZ: S 8 BLc 3/21 und S 8 RL 1/22

In der Disziplinarsache hat der 2. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts durch
den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Häußler,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Burmeister und
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Henke
am 12. Oktober 2022 beschlossen:

  1. Die Beschwerde des früheren Soldaten gegen die Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde in dem Beschluss des Truppendienstgerichts Süd vom 25. Februar 2022 wird zurückgewiesen.
  2. Der frühere Soldat trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe

I

1 Die Nichtzulassungsbeschwerde richtet sich gegen die truppendienstgerichtliche Bestätigung einer Disziplinarbuße.

2 Im August 2021 ließ der Kompaniechef des früheren Soldaten im Rahmen der politischen Bildung Informationsplakate über die Wahlprogramme der Parteien SPD, CDU/CSU, Bündnis 90/Die Grünen, Die Linke, FDP und AfD erstellen und im Flur des Kompaniegebäudes aufhängen. In seiner Funktion als Feldjäger vom Dienst klebte er in der Nacht vom 12. August 2021 Zeitungsartikel und Internet-Memes auf die Plakate über die Programme der SPD, CDU/CSU, Bündnis 90/Die Grünen und Die Linke. Weiter brachte er im Arbeitsraum ... an einer Pinnwand zwei Bilder an. Das erste Bild enthielt die Überschrift "Wanted", ein Foto eines US-Generals mit der Aussage: "No Mandatory Vaccinations for My Marines" sowie den Aufdruck "Einen deutschen General wie diesen". Daneben versetzt, mit einem Pfeil zu dem ersten Ausdruck, ein Bild: "Welche Wörter suchen wir?", das ein anatomisches Rückgrat sowie zwei im Bereich des Beckens dargestellte Eier zeigte. Wegen der Veränderungen der Informationsplakate und der im Arbeitsraum aufgehängten Bilder verhängte der Kompaniechef gegen den früheren Soldaten am 14. September 2021 eine Disziplinarbuße in Höhe von 2 000 €.

3 Seine Beschwerde wurde mit Bescheid vom 4. Oktober 2021 als unbegründet zurückgewiesen. Die weitere Beschwerde begründete er im Wesentlichen damit, dass er die Plakate nicht beschädigt, sondern nur ergänzt habe. Er habe damit aktiv zur politischen Bildung seiner Kameraden beigetragen. Im Rahmen der politischen Bildung sei es ihm als Staatsbürger in Uniform erlaubt, sich politisch zu äußern.

4 Mit Beschluss vom 25. Februar 2022, dem Beschwerdeführer am 7. März 2022 zugestellt, hat das Truppendienstgericht die weitere Beschwerde zurückgewiesen und ausgeführt, der frühere Soldat habe durch das Überkleben der Informationsplakate über SPD, CDU/CSU, Bündnis 90/Die Grünen und Die Linke gegen das Verbot der politischen Betätigung verstoßen. Ihm sei es nicht um eine neutrale Information gegangen. Vielmehr habe er einseitig und unsachlich mit dem Ziel der Diskreditierung dieser Parteien gehandelt. Dadurch, dass er die Plakate über die AfD und die FDP nicht verändert habe, habe er sich zu deren Gunsten betätigt. Zugleich habe er durch das ungenehmigte Plakatieren die Weisungen in Nr. 144 und 145 der Allgemeinen Regelung (AR) A2-2630/0-0-2 "Leben in der militärischen Gemeinschaft" missachtet und gegen seine Pflicht zum treuen Dienen verstoßen. Gegenüber der Erstellerin der Plakate stelle das Verhalten einen Verstoß gegen die Kameradschaftspflicht dar. Mit dem Aufhängen der selbst erstellten Bilder im Arbeitszimmer habe er zum Ausdruck gebracht, dass er die deutschen Generale als - gelinde gesagt - rückgratlos erachte. Das stelle einen Verstoß gegen § 17 Abs. 1 SG dar. Das festgestellte Dienstvergehen rechtfertige eine Disziplinarbuße in der festgesetzten Höhe. Die Rechtsbeschwerde zum Bundesverwaltungsgericht wurde nicht zugelassen.

5 Die am 30. März 2022 eingelegte und am 29. April 2022 begründete Nichtzulassungsbeschwerde stützt der Beschwerdeführer auf die grundsätzliche Bedeutung der Beschwerdesache. Das Truppendienstgericht habe sein Grundrecht auf freie Meinungsäußerung zu sehr beschränkt. Eine politische Betätigung liege nicht vor. Er habe neutrale Informationen zum Zweck der Meinungsbildung weitergegeben. Weiter macht der Beschwerdeführer einen Verfahrensmangel geltend, weil bei den Ermittlungen die "Google"-Suche auf seinem dienstlichen Computer ohne Durchsuchungsbeschluss gesichtet und verwertet worden sei. Das Truppendienstgericht hat der Nichtzulassungsbeschwerde mit Beschluss vom 1. Juni 2022 nicht abgeholfen.

II

6 Die form- und fristgerecht erhobene Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde ist unbegründet. Die geltend gemachten Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung (§ 22a Abs. 2 Nr. 1 WBO) und des Verfahrensmangels (§ 22a Abs. 2 Nr. 3 WBO) sind nicht prozessordnungsgemäß dargelegt und liegen auch nicht vor.

7 1. Die Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung einer Rechtssache erfordert die Formulierung einer bestimmten, höchstrichterlich noch ungeklärten und für die Rechtsbeschwerde entscheidungserheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts, der eine allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt (BVerwG, Beschlüsse vom 23. November 2011 - 1 WNB 5.11 - Rn. 2 und vom 12. April 2018 - 2 WNB 1.18 - juris Rn. 5, jeweils m. w. N.). In der Beschwerdebegründung muss dargelegt (§ 22b Abs. 2 Satz 2 WBO, § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO), das heißt näher ausgeführt werden, dass und inwieweit eine bestimmte Rechtsfrage des Bundesrechts im allgemeinen Interesse klärungsbedürftig und warum ihre Klärung im beabsichtigten Rechtsbeschwerde- bzw. Revisionsverfahren zu erwarten ist (vgl. BVerwG, Beschluss vom 29. Oktober 2012 - 2 WNB 3.12 - juris Rn. 12 m. w. N.). Die Begründungspflicht verlangt, dass sich die Beschwerde mit den Erwägungen des angefochtenen Beschlusses und mit den Gründen bereits ergangener einschlägiger Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts, auf die sich die aufgeworfene Frage von angeblich grundsätzlicher Bedeutung bezieht, substantiiert auseinandersetzt (BVerwG, Beschlüsse vom 23. Mai 2019 - 5 PB 7.18 - juris Rn. 15, vom 8. April 2020 - 2 WNB 2.20 - juris Rn. 5 und vom 22. Dezember 2020 - 2 WNB 8.20 - ZBR 2021, 129 Rn. 11).

8 Die vom Beschwerdeführer formulierte These
"In einer freiheitlich demokratischen Grundordnung ist jedoch zwingend geboten, dass politisches Weiterbilden auch beinhaltet, sich kritisch mit Werbeaussagen von politischen Parteien auseinanderzusetzen, auch als Soldat der Bundeswehr."
enthält keine Rechtsfrage. Der Beschwerdeführer benennt keine Rechtsnorm des Bundesrechts, deren Auslegung durch die höchstrichterliche Rechtsprechung fortentwickelt werden soll. Die Beschwerdebegründung lässt zwar vermuten, dass sich die Formulierung auf § 15 Abs. 1 Satz 1 SG und Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG bezieht. Die insofern gebotene Befassung mit der einschlägigen Rechtsprechung zu § 15 Abs. 1 SG (z. B. BVerfG, Beschluss vom 26. Mai 1970 - 1 BvR 657/68 - BVerfGE 28, 282 <293 f.> und Kammerbeschluss vom 28. April 2007 - 2 BvR 71/07 - BVerfGK 11, 82 <85 f.>; BVerwG, Beschluss vom 31. August 1977 - 1 WB 119.77 - BVerwGE 53, 327 ff.) lässt die Beschwerde jedoch vermissen. Die pauschale Behauptung, obergerichtliche Rechtsprechung zu der Sachlage fehle, genügt den Darlegungsanforderungen nicht.

9 Im Übrigen würde sich die Frage, ob politische Weiterbildung auch eine kritische Auseinandersetzung mit politischen Werbeaussagen zulässt, im konkreten Beschwerdeverfahren nicht stellen. Nach den tatsächlichen Feststellungen des Truppendienstgerichts hat der frühere Soldat erkennbar einseitig und unsachlich in der Absicht gehandelt, bestimmte Parteien zu diskreditieren. Soweit er dieses Verständnis seines Verhaltens im Rahmen der Beschwerdebegründung in Abrede stellt, greift er lediglich die das Rechtsbeschwerdegericht bindenden Tatsachenfeststellungen an und zeigt keine über den Einzelfall hinausgehenden Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung auf.

10 Die mit Schreiben vom 2. September 2022 nachgeschobene Rechtsfrage,
"welche Rechte und Pflichten der Antragsteller im Speziellen und die Soldatenschaft im Allgemeinen im Rahmen politischer Weiterbildungsveranstaltungen genießen, um auf Wahlplakate angemessen zu reagieren"
rechtfertigt die Durchführung eines Rechtsbeschwerdeverfahrens ebenfalls nicht. Zum einen ist diese Grundsatzrüge nicht fristgerecht erhoben worden. Zum anderen mangelt es auch hier an der Benennung einer Rechtsnorm des Bundesrechts, deren Auslegung durch höchstrichterliche Rechtsprechung fortentwickelt werden soll, und an einer substantiierten Auseinandersetzung mit der einschlägigen Rechtsprechung. Schließlich lässt die Beschwerdebegründung eine Darlegung der Entscheidungserheblichkeit der aufgeworfenen Frage vermissen. Daran dürfte es schon deswegen fehlen, weil sich der frühere Soldat nach den bindenden tatsächlichen Feststellungen des Truppendienstgerichts nicht im Rahmen einer politischen Weiterbildungsveranstaltung geäußert und auch nicht auf unzulässiger Weise angebrachte "Wahlplakate" "reagiert" hat. Vielmehr hat er von einer Kameradin angefertigte Informationsplakate mit der beschreibenden Wiedergabe von Wahlkampfaussagen unbefugt überklebt.

11 2. Der geltend gemachte Verfahrensmangel im Sinne von § 22a Abs. 2 Nr. 3 WBO ist gleichfalls nicht ausreichend dargelegt. An die Begründung einer Nichtzulassungsbeschwerde nach § 22b Abs. 2 Satz 2 WBO sind dieselben Anforderungen zu stellen wie im Verwaltungsprozessrecht gemäß § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO (BVerwG, Beschlüsse vom 13. Februar 2018 - 1 WNB 7.17 - NZWehrr 2018, 126 <126> und vom 7. September 2020 - 2 WNB 6.20 - juris Rn. 3). Bei der Verfahrensrüge ist die verletzte Verfahrensvorschrift zu bezeichnen. Ferner ist neben den Tatsachen, aus denen sich der Mangel ergibt, grundsätzlich darzulegen, inwiefern die Entscheidung auf der Verletzung beruhen kann (BVerwG, Beschluss vom 7. September 2020 - 2 WNB 6.20 - juris Rn. 3).

12 Diesen formellen Anforderungen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht. Sie enthält schon keine verwertbaren Ausführungen dazu, aus welcher Vorschrift sich das behauptete Beweiserhebungsverbot ergibt. Soweit die Beschwerde § 102 StPO zitiert, bleibt die für Durchsuchungen im Wehrdisziplinarverfahren maßgebliche Norm des § 20 WDO unerörtert. Ferner legt die Beschwerde nicht dar, dass die Entscheidung des Truppendienstgerichts auf der nach Ansicht der Beschwerde unzulässigen Auswertung der Google-Cash-Dateien auf dem Dienstcomputer beruht. Da der Beschwerdeführer im truppendienstgerichtlichen Verfahren seine Täterschaft nicht bestritten hat, ist die Entscheidungserheblichkeit des behaupteten Verfahrensverstoßes auch nicht ersichtlich.

13 3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 23a Abs. 2 Satz 1 WBO i. V. m. § 154 Abs. 2 VwGO.