Verfahrensinformation

Der Kläger begehrt vom Bundespräsidialamt Einsicht in Gruß- und Glückwunschschreiben des Bundespräsidenten an die Islamische Republik Iran anlässlich des Nationalfeiertages sowie die dazugehörigen Verwaltungsvorgänge und Aktenvermerke. Das Bundespräsidialamt lehnte den Antrag ab und wies den hiergegen erhobenen Widerspruch zurück. Ein Anspruch nach dem Informationsfreiheitsgesetz (IFG) bestehe nicht. Die Übermittlung von Glückwunschschreiben zu Nationalfeiertagen ausländischer Staaten erfolge nicht in Wahrnehmung öffentlich-rechtlicher Verwaltungsaufgaben, sondern in Ausübung der spezifischen verfassungsrechtlichen Kompetenzen des Bundespräsidenten.


Das Verwaltungsgericht wies die Klage ab.  Das Bundespräsidialamt sei bezüglich der Vorbereitung und Übermittlung von Glückwunschtelegrammen des Bundespräsidenten keine informationspflichtige Stelle im Sinne des IFG. Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung zurückgewiesen. Das beklagte Bundespräsidialamt übe vorliegend keine Verwaltungstätigkeit im materiellen Sinne aus und sei daher nicht informationspflichtig.


Mit der vom Oberverwaltungsgericht wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Er ist der Auffassung, das Oberverwaltungsgericht habe den Behördenbegriff im Rahmen der Auslegung des IFG falsch angewendet. Der Bundespräsident habe hier nicht als Verfassungsorgan gehandelt, sondern habe eine informelle Tätigkeit wahrgenommen, die dem Verwaltungshandeln zuzurechnen sei. Jedenfalls sei die Hilfstätigkeit des Bundespräsidialamtes - die Zuarbeit etwa bei der Erstellung von Entwürfen, der Anfertigung von vorbereitenden Vermerken oder Aktennotizen - als Verwaltungshandeln einzuordnen.


Pressemitteilung Nr. 84/2023 vom 09.11.2023

Kein Anspruch auf Informationszugang zu Glückwunschschreiben des Bundespräsidenten zum iranischen Nationalfeiertag

Das Bundespräsidialamt muss nicht nach dem Informationsfreiheitsgesetz (IFG) Kopien der Glückwunschtelegramme des Bundespräsidenten an den Staatspräsidenten der Islamischen Republik Iran anlässlich des Nationalfeiertages sowie der dazugehörigen Verwaltungsvorgänge und Aktenvermerke zur Verfügung stellen. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden.


Die auf Informationszugang gerichtete Klage blieb in den Vorinstanzen ohne Erfolg.


Das Bundesverwaltungsgericht hat die Revision des Klägers zurückgewiesen. Der Anwendungsbereich des IFG ist nicht eröffnet, weil er sich allein auf die materielle Verwaltungstätigkeit der Behörden und sonstigen Stellen des Bundes bezieht. Entscheidend für den Begriff der öffentlichen Verwaltung ist das Regelungsziel des Gesetzes, wie es sich insbesondere unter Berücksichtigung der Gesetzesmaterialien erschließt. Nach der Gesetzesbegründung fällt die Tätigkeit des Bundespräsidialamtes in der Regel nicht in den Anwendungsbereich des IFG, insbesondere nicht die Vorbereitung präsidentieller Akte des Bundespräsidenten. Die Übersendung eines Glückwunschtelegramms des Bundespräsidenten an ein ausländisches Staatsoberhaupt ist ein präsidentieller Akt, den er in seiner Funktion als Staatsoberhaupt in Ausübung seiner allgemeinen Repräsentations- und Integrationsaufgaben wahrnimmt, die ihm über die von der Verfassung ausdrücklich zugewiesenen Befugnisse hinaus zukommen. Das Bundespräsidialamt bereitet diesen präsidentiellen Akt vor.


BVerwG 10 C 4.22 - Urteil vom 09. November 2023

Vorinstanzen:

OVG Berlin-Brandenburg, OVG 12 B 25/20 - Urteil vom 25. August 2022 -

VG Berlin, VG 2 K 181.19 - Urteil vom 15. Oktober 2020 -


Beschluss vom 12.10.2023 -
BVerwG 10 C 4.22ECLI:DE:BVerwG:2023:121023B10C4.22.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 12.10.2023 - 10 C 4.22 - [ECLI:DE:BVerwG:2023:121023B10C4.22.0]

Beschluss

BVerwG 10 C 4.22

  • VG Berlin - 15.10.2020 - AZ: 2 K 181.19
  • OVG Berlin-Brandenburg - 25.08.2022 - AZ: 12 B 25/20

In der Verwaltungsstreitsache hat der 10. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 12. Oktober 2023
durch die Vizepräsidentin des Bundesverwaltungsgerichts Dr. Rublack,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Schemmer und
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Bähr
beschlossen:

Der von Richter am Bundesverwaltungsgericht ... mit dienstlicher Erklärung vom 19. September 2023 angezeigte Sachverhalt begründet die Besorgnis der Befangenheit.

Gründe

I

1 Der Kläger begehrt Einsicht in Gruß- und Glückwunschschreiben des Bundespräsidenten.

2 Das Senatsmitglied Richter am Bundesverwaltungsgericht ... hat mit dienstlicher Erklärung vom 19. September 2023 mitgeteilt, er sei mit dem Leiter des Referats ... Herrn ..., der - wie ... kürzlich bekannt geworden sei - die Beklagte in der mündlichen Verhandlung am 9. November 2023 vertreten werde, seit ca. 30 Jahren eng befreundet und stehe in einem besonderen Vertrauensverhältnis zu ihm. Die Freundschaft erstrecke sich auch auf die jeweiligen Familien und umfasse regelmäßige wechselseitige Besuche. Nach seiner Einschätzung könnten diese Umstände seine Ablehnung rechtfertigen.

3 Die Beteiligten hatten Gelegenheit, zu der dienstlichen Erklärung Stellung zu nehmen. Die Beklagte hat vorgetragen, gegen deren Inhalt sei nichts zu erinnern. Der Kläger sieht durch das angezeigte Vertrauensverhältnis Zweifel an der Unparteilichkeit des Richters am Bundesverwaltungsgericht ... gerechtfertigt und lehnt ihn ab.

II

4 Der Senat entscheidet anlässlich der dienstlichen Erklärung eines Senatsmitglieds über dessen Befangenheit und dessen Ablehnung durch einen Beteiligten gemäß § 54 Abs. 1 VwGO i. V. m. §§ 48, 42, § 45 Abs. 1 ZPO ohne Mitwirkung des betreffenden Richters in der bei Beschlüssen außerhalb der mündlichen Verhandlung vorgesehenen Besetzung von drei Richtern (§ 10 Abs. 3 VwGO).

5 Wegen Besorgnis der Befangenheit ist ein Richter an der Mitwirkung und Entscheidung eines Streitfalls gehindert, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen seine Unparteilichkeit zu rechtfertigen (§ 54 Abs. 1 VwGO i. V. m. § 42 Abs. 2 ZPO). Danach ist es nicht notwendig, dass der Richter tatsächlich befangen ist. Andererseits reicht die rein subjektive Vorstellung eines Beteiligten, der Richter werde seine Entscheidung an persönlichen Motiven orientieren, nicht aus, wenn bei objektiver Würdigung der Tatsachen vernünftigerweise kein Grund für die Befürchtung ersichtlich ist. Die Besorgnis der Befangenheit ist gerechtfertigt, wenn aus der Sicht des Beteiligten hinreichend objektive Gründe vorliegen, die bei vernünftiger Würdigung aller Umstände Anlass geben, an der Unvoreingenommenheit des Richters zu zweifeln (BVerwG, Urteil vom 5. Dezember 1975 - 6 C 129.74 - BVerwGE 50, 36 <38 f.>; Beschlüsse vom 14. November 2012 - 2 KSt 1.11 - NVwZ 2013, 225 Rn. 4, vom 29. Januar 2014 - 7 C 13.13 - Buchholz 310 § 54 VwGO Nr. 76 Rn. 16, vom 30. September 2015 - 2 AV 2.15 - Buchholz 310 § 54 VwGO Nr. 79 Rn. 7, vom 29. Juni 2016 - 2 B 18.15 - Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 3 VwGO Nr. 77 Rn. 37 und vom 18. Juli 2019 - 2 C 35.18 - Buchholz 310 § 54 VwGO Nr. 87 Rn. 5).

6 Nahe persönliche Beziehungen eines Richters zu einer Partei oder ihrem Prozessvertreter können die Besorgnis der Befangenheit begründen. Ob die Besorgnis der Befangenheit mit Rücksicht auf freundschaftliche Beziehungen gerechtfertigt ist, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Maßgebend ist, ob nach Art und Gegenstand des Verfahrens und der sich daraus ergebenden Interessenlage vernünftigerweise befürchtet werden muss, der Richter stehe aufgrund seiner persönlichen Beziehung zu einem Beteiligten oder dessen Prozessvertreter der Sache nicht unvoreingenommen gegenüber. Im Regelfall reicht etwa eine bloße Bekanntschaft oder auch eine lockere Freundschaft nicht aus, um aus der Sicht eines Verfahrensbeteiligten bei vernünftiger Würdigung an der Unvoreingenommenheit des Richters zu zweifeln; dagegen können über das übliche Maß persönlicher oder kollegialer Bekanntschaft hinausgehende freundschaftliche Beziehungen oder gar eine enge Freundschaft zwischen Richter und Partei Umstände sein, die Zweifel an der Unvoreingenommenheit des Richters begründen können. An die Qualität und Intensität eines als Ablehnungsgrund in Betracht kommenden Freundschaftsverhältnisses zu dem Prozessvertreter einer Partei sind höhere Anforderungen zu stellen als an ein solches Näheverhältnis zu einer Partei selbst (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 29. Juni 2004 - 1 BvR 336/04 - BVerfGK 3, 297 <298 ff.> m. w. N.; BGH, Beschluss vom 2. Dezember 2015 - RiZ (R) 1/15 - HFR 2016, 417 Rn. 3 m. w. N.; BFH, Beschluss vom 5. September 2018 - XI R 45/17 - BFH/NV 2019, 37 Rn. 12 m. w. N.; OLG Hamm, Beschluss vom 15. Mai 2012 - I-1 W 20/12 - NJW-RR 2012, 1209 <1209> m. w. N.; OLG München, Beschluss vom 29. November 2018 - 28 W 1782/18 - juris Rn. 15; Zöller, ZPO, 34. Aufl. 2022, § 42 Rn. 13).

7 Die in der dienstlichen Erklärung im vorliegenden Fall mitgeteilten Umstände einer seit mehreren Jahrzehnten bestehenden engen Freundschaft und des besonderen Vertrauensverhältnisses zwischen dem anzeigenden Mitglied des Senats mit dem Prozessvertreter der Beklagten unter Einschluss der beiderseitigen Familien begründen nach diesen Grundsätzen die Besorgnis der Befangenheit.