Beschluss vom 13.05.2013 -
BVerwG 3 B 101.12ECLI:DE:BVerwG:2013:130513B3B101.12.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 13.05.2013 - 3 B 101.12 - [ECLI:DE:BVerwG:2013:130513B3B101.12.0]

Beschluss

BVerwG 3 B 101.12

  • Bayerischer VGH München - 25.09.2012 - AZ: VGH 21 BV 11.340

In der Verwaltungsstreitsache hat der 3. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 13. Mai 2013
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Kley,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Liebler und
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Kuhlmann
beschlossen:

  1. Das Verfahren wird eingestellt.
  2. Das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 3. März 2009 - M 16 K 08.4967 - und das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 25. September 2012 - 21 BV 11.340 - sind wirkungslos.
  3. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
  4. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 30 000 € festgesetzt.

Gründe

1 Nachdem die Beteiligten den Rechtsstreit übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt haben, ist das Verfahren in entsprechender Anwendung von § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO i.V.m. § 141 Satz 1, § 125 Abs. 1 Satz 1 VwGO einzustellen. Die vorinstanzlichen Entscheidungen sind wirkungslos (§ 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 269 Abs. 3 Satz 1 ZPO analog).

2 Über die Kosten des Verfahrens ist gemäß § 161 Abs. 2 VwGO nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes zu entscheiden. Danach trägt hier der Kläger die Kosten des Verfahrens, weil er ohne Eintritt des erledigenden Ereignisses auch im Beschwerdeverfahren voraussichtlich unterlegen wäre. Der Rechtssache wäre die geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO nicht zugekommen. Die Darlegungen des Klägers knüpfen an sein Vorbringen im Beschwerdeverfahren - BVerwG 3 B 63.10 - an. In jenem Verfahren hat der Senat mit Beschluss vom 27. Januar 2011 entschieden, dass die von dem Kläger aufgeworfenen Fragen zu den Voraussetzungen für den Widerruf der zahnärztlichen Approbation wegen Unwürdigkeit die Zulassung der Revision nicht rechtfertigen (Buchholz 418.01 Zahnheilkunde Nr. 29 Rn. 3 bis 6). Aus denselben Gründen wäre auch die Grundsatzrüge im Verfahren - BVerwG 3 B 101.12 - ohne Erfolg geblieben.

3 Die von dem Kläger erhobenen Verfahrenrügen sind bei summarischer Prüfung ebenfalls unbegründet. Der Überzeugungsgrundsatz (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) ist nicht schon dann verletzt, wenn das Gericht bei der Würdigung der beweiserheblichen Tatsachen zu einem anderen Ergebnis kommt als der Beschwerdeführer. Die Beweiswürdigung ist regelmäßig dem sachlichen Recht zuzurechnen und vom Revisionsgericht nur auf die Beachtung der allgemein gültigen Würdigungsgrundsätze zu überprüfen, zu denen die allgemeinen Auslegungsgrundsätze (§§ 133, 157 BGB), die allgemeinen Erfahrungssätze und die Denkgesetze gehören (stRspr, vgl. etwa Beschlüsse vom 8. Dezember 2011 - BVerwG 3 B 39.11 - juris Rn. 20 und vom 2. November 1995 - BVerwG 9 B 710.94 - Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 266). Dass der Verwaltungsgerichtshof bei der vom Kläger angegriffenen Bewertung der Aussage des Zeugen W. gegen diese Grundsätze verstoßen haben könnte, ergeben die Darlegungen der Beschwerde nicht.

4 Schließlich hätte auch die Aufklärungsrüge der Beschwerde voraussichtlich nicht zum Erfolg verholfen. In der Rechtsprechung des Senats ist geklärt, dass die in einem rechtskräftigen Strafurteil getroffenen tatsächlichen und rechtlichen Feststellungen regelmäßig zur Grundlage der gerichtlichen Beurteilung der Widerrufsvoraussetzungen gemacht werden können, soweit sich nicht gewichtige Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit solcher Feststellungen ergeben (Beschlüsse vom 6. März 2003 - BVerwG 3 B 10.03 - juris Rn. 2 und vom 18. August 2011 - BVerwG 3 B 6.11 - Buchholz 418.00 Ärzte Nr. 111 Rn. 10). Gewichtige Anhaltspunkte in diesem Sinne liegen vor, wenn Wiederaufnahmegründe nach § 359 StPO gegeben sind, insbesondere im Fall der Beibringung neuer Tatsachen oder Beweismittel, die eine für den Betroffenen günstigere strafrechtliche Entscheidung zu begründen geeignet sind (Beschluss vom 18. August 2011 a.a.O. Rn. 11). Hiernach ist nicht ersichtlich, dass der Verwaltungsgerichtshof den Beweisantrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Glaubwürdigkeit der Zeugin Stefanie G. verfahrensfehlerhaft abgelehnt hat. Die Zeugin ist in der Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht - Schöffengericht - Traunstein am 2. Juli 2007 zur Sache vernommen worden. In den Gründen des rechtskräftigen Strafurteils vom selben Tag (Az.: 525 Ls 310 Js 31855/06) hat das Amtsgericht darauf abgestellt, dass die „Aussage der Zeugin ... uneingeschränkt glaubhaft war. Anhaltspunkte, warum sie den Angeklagten falsch belasten sollte, waren nicht erkennbar“. Der Antrag des Klägers auf Wiederaufnahme des Strafverfahrens blieb ohne Erfolg. In den dazu ergangenen Beschlüssen des Amtsgerichts Rosenheim vom 25. Juni 2008 (7 Ls 310 Js 31855/06) und - auf die sofortige Beschwerde des Klägers - des Landgerichts Traunstein vom 22. August 2008 (6 Os 94/08) heißt es unter anderem, dass die erforderlichen Anknüpfungstatsachen für die Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Frage der Glaubwürdigkeit der Zeugin Stefanie G. nicht gegeben seien. Auch der Verwaltungsgerichtshof hat, nachdem er den Kläger in der mündlichen Verhandlung am 29. Februar 2012 informatorisch angehört hatte, keine greifbaren und konkreten Anhaltspunkte gesehen, die die im Strafverfahren festgestellte Glaubhaftigkeit der Aussagen der Zeugin G. in Zweifel ziehen könnten. Die Beschwerdebegründung zeigt nicht auf, dass diese tatrichterliche Würdigung unschlüssig wäre. Ohne Erfolg wendet der Kläger in diesem Zusammenhang ein, es bestehe Einigkeit, dass „bei Kindern, die angeblich Opfer einer Sexualstraftat waren, in jedem Fall ein Glaubwürdigkeitsgutachten einzuholen ist, zumindest dann, wenn Aussage gegen Aussage steht“. Es geht hier schon nicht um die Aussage eines kindlichen Zeugen; denn die Zeugin G. war zum in Rede stehenden Tatzeitpunkt (September 2006) 15 Jahre alt. Zudem ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs
„regelmäßig davon auszugehen, dass Berufsrichter über diejenige Sachkunde bei der Anwendung aussagepsychologischer Glaubwürdigkeitskriterien verfügen, die für die Beurteilung von Aussagen auch bei schwieriger Beweislage erforderlich ist, und dass sie beteiligten Laienrichtern diese Sachkunde vermitteln können. Ausnahmen können sich ergeben, wenn konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Erinnerungsfähigkeit einer Beweisperson aus besonderen, psychodiagnostisch erfassbaren Gründen eingeschränkt ist oder dass besondere psychische Dispositionen oder Belastungen ... die Zuverlässigkeit der Aussage in Frage stellen könnten, und dass für die Feststellung solcher Faktoren und ihrer möglichen Einflüsse auf den Aussageinhalt eine besondere, wissenschaftlich fundierte Sachkunde erforderlich ist, über welche der Tatrichter im konkreten Fall nicht verfügt (vgl. BGH, NStZ 2001, 105). ... Besonderheiten im genannten Sinn sind nicht schon allein deshalb anzunehmen, weil Gegenstand der Aussage eine Straftat gegen die sexuelle Selbstbestimmung ist oder weil eine Beweisperson zur Zeit des geschilderten Vorfalls in kindlichem oder jugendlichem Alter war oder dies zum Zeitpunkt ihrer Aussage ist“ (BGH, Urteil vom 26. April 2006 - 2 StR 445/05 - NStZ-RR 2006, 241 = juris Rn. 3 m.w.N.).

5 Danach hatte der Verwaltungsgerichtshof keine Veranlassung, die im Strafurteil getroffenen Feststellungen zur Glaubhaftigkeit der Aussage der Zeugin G. wegen mangelnder Sachkunde des Strafgerichts in Zweifel zu ziehen.

6 Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47, § 52 Abs. 1 GKG.