Beschluss vom 13.09.2022 -
BVerwG 9 B 11.22ECLI:DE:BVerwG:2022:130922B9B11.22.0
-
Zitiervorschlag
BVerwG, Beschluss vom 13.09.2022 - 9 B 11.22 - [ECLI:DE:BVerwG:2022:130922B9B11.22.0]
Beschluss
BVerwG 9 B 11.22
- VG Koblenz - 18.03.2021 - AZ: 4 K 156/20.KO
- OVG Koblenz - 15.03.2022 - AZ: 6 A 11320/21.OVG
In der Verwaltungsstreitsache hat der 9. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 13. September 2022
durch die Vorsitzende Richterin am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Bick und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Martini und Dr. Dieterich
beschlossen:
- Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 15. März 2022 wird verworfen.
- Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
- Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 12 698,05 € festgesetzt.
Gründe
1 Die Beschwerde ist unzulässig, weil die Beschwerdebegründung entgegen § 133 Abs. 3 Satz 2 VwGO nicht bei dem Gericht, gegen dessen Urteil Revision eingelegt werden soll, eingereicht worden ist.
2 Gegen das ihm am 27. März 2022 zugestellte Urteil des Oberverwaltungsgerichts hat der Kläger zwar am 28. März 2022 dort Nichtzulassungsbeschwerde erhoben, die Begründung jedoch am 27. Mai 2022 allein beim Bundesverwaltungsgericht vorgelegt.
3 Dies ist nicht deshalb unschädlich, weil das Berufungsgericht bereits am 2. Mai 2022 und damit vor Ablauf der Begründungsfrist über die Nichtabhilfe entschieden hat, die Beteiligten darüber und über die Vorlage der Streitsache an das Bundesverwaltungsgericht am 9. Mai 2022 informiert worden sind und das Bundesverwaltungsgericht am 17. Mai 2022 den Beteiligten das hiesige Aktenzeichen mitgeteilt hat.
4 Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts gilt die eindeutige Regelung in § 133 Abs. 3 Satz 2 VwGO auch dann, wenn das Ausgangsgericht, ohne den Ablauf der Begründungsfrist abzuwarten, die Abhilfe verweigert und die Beschwerde dem Bundesverwaltungsgericht vorgelegt hat (BVerwG, Beschluss vom 2. Juli 1982 - 1 CB 14.82 - Buchholz 310 § 60 VwGO Nr. 125; Beschluss vom 24. Juli 1997 - 9 B 552.97 - Buchholz 310 § 133 <n. F.>) VwGO Nr. 25; ebenso Pietzner/Bier, in: Schoch/Schneider, VerwR, Stand 42. Lieferung Februar 2022, § 133 Rn. 27; Kraft, in: Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 133 Rn. 15).
5 Dieses Gesetzesverständnis ist verfassungsgemäß (BVerfG, Beschluss vom 3. November 1983 - 2 BvR 735/82 - BVerfGE 65, 219 <225 f.>). Die vom Bundesverfassungsgericht beurteilte ältere Rechtsprechung zur Einreichung einer gesonderten Begründung innerhalb der einheitlichen Monatsfrist für die Nichtzulassungsbeschwerde nach § 132 Abs. 3 VwGO (a. F.) gilt erst recht für die Auslegung und Anwendung der durch das 4. VwGO-Änderungsgesetz eingeführten besonderen Beschwerdebegründungsfrist nach § 133 Abs. 3 Satz 1 und 2 VwGO (BVerwG, Beschluss vom 24. Juli 1997 - 9 B 552.97 - Buchholz 310 § 133 <n. F.> VwGO Nr. 25 S. 11 f.). Die neue Fassung der Vorschrift bringt noch deutlicher als zuvor zum Ausdruck, dass auch die Beschwerdebegründung beim Ausgangsgericht vorzulegen ist.
6 Damals wie heute lässt sich hiergegen nicht einwenden, durch den Nichtabhilfebeschluss des Ausgangsgerichts sei die Sache beim Bundesverwaltungsgericht anhängig geworden und die Zuständigkeit auch hinsichtlich der Begründung der Beschwerde auf dieses übergegangen. Für ein solches Verständnis bietet der Wortlaut des § 133 Abs. 3 Satz 2 VwGO keinen Anhalt. Auch würde dies dem Sinn und Zweck der Verpflichtung des Ausgangsgerichts, über eine Abhilfe oder Nichtabhilfe in eigenständiger Verantwortung und mit grundsätzlicher Bindungswirkung für das Revisionsgericht zu entscheiden (§ 132 Abs. 3, § 133 Abs. 5 Satz 1 Halbs. 1 VwGO) widersprechen (BVerwG, Beschluss vom 24. Juli 1997 - 9 B 552.97 - Buchholz 310 § 133 <n. F.> VwGO Nr. 25 S. 12).
7 Schließlich sprechen auch die vom Kläger in Bezug genommene abweichende Regelungen in § 116 FGO und § 160a SGG, die eine Abhilfeentscheidung nicht vorsehen, ohne eine entsprechende Änderung der VwGO für den Willen des Gesetzgebers, dort bei der bisherigen Regelung zu bleiben.
8 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
9 Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 und 3 sowie § 52 Abs. 3 Satz 1 GKG.