Verfahrensinformation



Der Kläger war bis zu seiner auf eigenes Verlangen erfolgten Entlassung aus dem Beamtenverhältnis Bundespolizist im Amt eines Polizeihauptmeisters (Besoldungsgruppe A 9 mittlerer Dienst). Er beansprucht (noch) einen finanziellen Ausgleich für unter Bereithaltung geleistete Pausenzeiten im Rahmen seiner Tätigkeit als Personenschützer an 216 Tagen im Zeitraum von April 2015 bis zum Juni 2018.


Die nach erfolglos durchgeführtem Widerspruchsverfahren erhobene Klage hatte in der Berufungsinstanz Erfolg, soweit das Oberverwaltungsgericht das Verfahren nicht wegen teilweiser Klagerücknahme eingestellt hat. Das Berufungsgericht ist der Auffassung, dass der Kläger einen finanziellen Ausgleich für rechtswidrig geleistete Zuvielarbeit in Höhe von brutto 3.125,34 Euro auf der Grundlage des beamtenrechtlichen Ausgleichsanspruchs und des unionsrechtlichen Haftungsanspruchs beanspruchen kann. Der Kläger habe rechtswidrig Zuvielarbeit geleistet, weil die Beklagte ihn dadurch, dass sie Pausenzeiten unter Bereithaltungspflicht nicht als Arbeitszeit berücksichtigt habe, über die regelmäßige Arbeitszeit von 41 Stunden hinaus in Anspruch genommen habe. Die Tätigkeit des Klägers als Personenschützer unterfalle dem Anwendungsbereich der Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung (Arbeitszeitrichtlinie). Nach dieser Richtlinie stellten Pausen unter Bereithaltungspflicht Arbeitszeit dar. Diese unionsrechtliche Begriffsbestimmung sei auch bei der Anwendung des nationalen Rechts zugrunde zu legen. Die Überschreitung der nationalrechtlich geregelten Arbeitszeit sei in vollem Umfang abzugelten.


Dagegen wendet sich die Beklagte mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision.


Urteil vom 13.10.2022 -
BVerwG 2 C 7.21ECLI:DE:BVerwG:2022:131022U2C7.21.0

Pausen in "Bereithaltung" als Arbeitszeit

Leitsätze:

1. Pausenzeiten unter Bereithaltungspflicht stellen nicht automatisch Arbeitszeit i. S. d. Art. 2 Nr. 1 RL 2003/88/EG dar. Es bedarf vielmehr bei Gesamtwürdigung aller relevanten Umstände des Einzelfalls der Prüfung, ob die dem Arbeitnehmer auferlegten Einschränkungen von solcher Art sind, dass sie objektiv gesehen ganz erheblich seine Möglichkeit beschränken, die Zeit frei zu gestalten und sie seinen eigenen Interessen zu widmen (wie EuGH, Urteil vom 9. September 2021 - C-107/19 -).

2. § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AZV 2014 über die Anrechnung von Ruhepausen auf die Arbeitszeit ist mit dem unionsrechtlichen Begriffsverständnis von Arbeitszeit i. S. d. Art. 2 Nr. 1 RL 2003/88/EG nicht zu vereinbaren, weil die Anrechnung unter dem Vorbehalt ihrer Zulassung durch die zuständige Behörde gestellt und von dem Vorliegen besonderer Einsatzlagen abhängig gemacht wird.

  • Rechtsquellen
    RL 2003/88/EG Art. 1
    BBG §§ 87, 88
    BGB § 242
    VwGO § 144 Abs. 4
    AZV 2014 § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2

  • VG Berlin - 20.08.2018 - AZ: 36 K 170.16
    OVG Berlin-Brandenburg - 27.05.2021 - AZ: 10 B 17.18

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Urteil vom 13.10.2022 - 2 C 7.21 - [ECLI:DE:BVerwG:2022:131022U2C7.21.0]

Urteil

BVerwG 2 C 7.21

  • VG Berlin - 20.08.2018 - AZ: 36 K 170.16
  • OVG Berlin-Brandenburg - 27.05.2021 - AZ: 10 B 17.18

In der Verwaltungsstreitsache hat der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
auf die mündliche Verhandlung vom 13. Oktober 2022
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Kenntner, die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. von der Weiden und Dr. Hartung, die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Hampel
und den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Hissnauer
für Recht erkannt:

  1. Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 27. Mai 2021 wird zurückgewiesen.
  2. Die Beklagte trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.

Gründe

I

1 Der Kläger beansprucht einen finanziellen Ausgleich für Pausenzeiten in "Bereithaltung" im Rahmen einer Tätigkeit als Personenschützer.

2 Der Kläger stand zuletzt als Polizeihauptmeister (Besoldungsgruppe A 9 BBesO) bei der Bundespolizei im Dienst der Beklagten. Von Juni 2012 bis zu seiner auf eigenes Verlangen erfolgten Entlassung aus dem Beamtenverhältnis mit Ablauf des 30. September 2018 war er an das Bundeskriminalamt abgeordnet und dort als Personenschützer in der Sicherungsgruppe tätig. Seit 2014 war er dem Personenschutzkommando zugewiesen und mit dem Schutz von Bundesministern betraut.

3 Mit Schreiben vom 23. März 2015 legte der Kläger Widerspruch gegen die monatlichen Arbeitszeitabrechnungen der Beklagten ein und beantragte rückwirkend ab Juni 2012, die in Abzug gebrachten Pausen als Arbeitszeit anzuerkennen. Die nach erfolglos durchgeführtem Widerspruchsverfahren erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht abgewiesen. Das Oberverwaltungsgericht hat das Urteil des Verwaltungsgerichts geändert und die Beklagte unter entsprechender Aufhebung des Widerspruchsbescheids verurteilt, dem Kläger eine finanzielle Abgeltung für nicht auf die Arbeitszeit angerechnete Pausen an 216 Tagen in der Zeit von April 2015 bis Juni 2018 in Höhe von brutto 3 125,34 Euro zu gewähren. Im Übrigen hat es das Verfahren eingestellt, soweit der Kläger mit Zustimmung der Beklagten die Klage zurückgenommen hat, indem er sein ursprünglich auf den Ausgleich aller seit Juni 2012 entstandenen Pausenzeiten gerichtetes Begehren erstinstanzlich auf Zeiten außerhalb von Tagesdienst sowie Vorkommando und zweitinstanzlich auf 216 konkrete Tage beschränkt hat.

4 Zur Begründung hat das Oberverwaltungsgericht im Wesentlichen ausgeführt: Dem Kläger stehe ein beamtenrechtlicher Ausgleichsanspruch wegen rechtswidriger Zuvielarbeit zu. Die Beklagte habe ihn über die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit von 41 Stunden hinaus in Anspruch genommen. Pausen unter Bereithaltungspflicht stellten nach dem unionsrechtlichen Begriffsverständnis, das auch der Anwendung des nationalen Rechts zugrunde zu legen sei, Arbeitszeit dar. Dem entgegenstehende Vorschriften der Arbeitszeitverordnung hätten außer Anwendung zu bleiben. Der Kläger sei im streitgegenständlichen Zeitraum in den Pausenzeiten während des unmittelbaren Personenschutzes und auch des Innendienstes zur Bereithaltung verpflichtet gewesen. Auch könne der Kläger den Ausgleich der rechtswidrig geleisteten Zuvielarbeit auf der Grundlage des unionsrechtlichen Haftungsanspruchs verlangen.

5 Hiergegen richtet sich die vom Oberverwaltungsgericht zugelassene Revision der Beklagten, mit der sie beantragt,
das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 27. Mai 2021 zu ändern und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 20. August 2018 zurückzuweisen, soweit das Oberverwaltungsgericht das Verfahren nicht eingestellt hat.

6 Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

II

7 Die Revision der Beklagten ist unbegründet. Das Berufungsurteil verletzt zwar revisibles Recht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Die zur Anerkennung des beamtenrechtlichen Ausgleichsanspruchs führende Annahme des Oberverwaltungsgerichts, Pausen unter Bereithaltungspflicht stellten unionsrechtlich Arbeitszeit dar, steht in ihrer Absolutheit nicht mit Art. 2 Nr. 1 der Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung (RL 2003/88/EG, Arbeitszeitrichtlinie - ABl. L 299 S. 9) in Einklang (1.). Auch die weitere Annahme des Berufungsgerichts, der Kläger könne einen Ausgleich für die Inanspruchnahme über die nationalrechtlichen Arbeitszeitvorgaben hinaus auf der Grundlage des unionsrechtlichen Haftungsanspruchs verlangen, ist mit den unionsrechtlichen Haftungsgrundsätzen nicht vereinbar (2.). Das Berufungsurteil stellt sich aber aus anderen Gründen i. S. d. § 144 Abs. 4 VwGO im Ergebnis als richtig dar (3.).

8 Das Berufungsgericht geht im Ausgangspunkt zutreffend davon aus, dass die Begriffe Arbeitszeit i. S. d. Art. 2 Nr. 1 RL 2003/88/EG und Ruhezeit i. S. d. Art. 2 Nr. 2 RL 2003/88/EG einander ausschließen; Zwischenkategorien wie "Bereitschaftszeit" oder "Ruhepause" sind in der Richtlinie nicht vorgesehen (EuGH, Urteile vom 3. Oktober 2000 - C-303/98, Simap - NZA 2000, 1227 Rn. 47, vom 21. Februar 2018 - C-518/15, Matzak - NJW 2018, 1073 Rn. 55 und vom 9. März 2021 - C-344/19, Radiotelevizija Slovenija - NZA 2021, 485 Rn. 29). Die einem Arbeitnehmer während seiner täglichen Arbeitszeit gewährte Ruhepause bei gleichzeitig geforderter Bereitschaft ist entweder als "Arbeitszeit" oder als "Ruhezeit" einzuordnen. Die "bloße" Pflicht des Arbeitnehmers, sich während der Pausen zur Wiederaufnahme der Arbeit bereitzuhalten, führt entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts aber nicht automatisch dazu, die Pausenzeit als Arbeitszeit i. S. d. Art. 2 Nr. 1 RL 2003/88/EG zu qualifizieren.

9 Bereitschaftszeit ist grundsätzlich als Arbeitszeit i. S. d. Art. 2 Nr. 1 RL 2003/88/EG einzuordnen, wenn sich der Arbeitnehmer an einem vom Arbeitgeber bestimmten Ort aufhalten und diesem zur Verfügung stehen muss, um gegebenenfalls sofort die geeigneten Leistungen erbringen zu können (EuGH, Urteile vom 9. September 2003 - C-151/02, Jaeger - Slg. 2003, I-8415 Rn. 63, vom 1. Dezember 2005 - C-14/04, Dellas - Slg. 2005, I-10279 Rn. 48 und vom 21. Februar 2018 - C-518/15, Matzak - NJW 2018, 1073 Rn. 59). Fehlt es aber an einer Verpflichtung, am Arbeitsplatz als dem vom Arbeitgeber bestimmten Ort zu bleiben, kann eine Bereitschaftszeit nicht automatisch als Arbeitszeit i. S. d. RL 2003/88/EG eingestuft werden. Die nationalen Gerichte haben in diesem Fall bei Gesamtwürdigung aller relevanten Umstände zu prüfen, ob sich eine solche Einstufung daraus ergibt, dass dem Arbeitnehmer Einschränkungen von solcher Art auferlegt werden, dass sie seine Möglichkeit, während der Bereitschaftszeiten die Zeit, in der seine beruflichen Leistungen nicht in Anspruch genommen werden, frei zu gestalten und sich seinen eigenen Interessen zu widmen, objektiv gesehen ganz erheblich beeinträchtigen (EuGH, Urteile vom 9. März 2021 - C-344/19, Radiotelevizija Slovenija - NZA 2021, 485 Rn. 37, 45 und - C-580/19, Stadt Offenbach am Main - NZA 2021, 489 Rn. 45). Dies ist grundsätzlich anzunehmen, wenn die dem Arbeitnehmer auferlegte Frist für die Aufnahme seiner Arbeit nur wenige Minuten beträgt und er deshalb in der Praxis weitgehend davon abgehalten wird, irgendeine auch nur kurzzeitige Freizeitaktivität zu planen. Dabei ist die Auswirkung einer solchen Reaktionsfrist im Anschluss an eine konkrete Würdigung zu beurteilen, bei der gegebenenfalls die übrigen dem Arbeitnehmer auferlegten Einschränkungen sowie die ihm während seiner Bereitschaftszeit gewährten Erleichterungen zu berücksichtigen sind (EuGH, Urteil vom 9. März 2021 - C-344/19, Radiotelevizija Slovenija - NZA 2021, 485 Rn. 48 f.).

10 Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe ist nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 9. September 2021 - C-107/19, Dopravní podnik hl. m. Prahy - (NZA 2021, 1395 Rn. 37, 39 ff.) Art. 2 Nr. 1 RL 2003/88/EG in Bezug auf "Bereitschaft" in Pausenzeiten dahin auszulegen, dass die einem Arbeitnehmer während seiner täglichen Arbeitszeit gewährte Ruhepause als Arbeitszeit im Sinne dieser Bestimmung zu qualifizieren ist, wenn sich aus einer Gesamtwürdigung der relevanten Umstände des Einzelfalls ergibt, dass die dem Arbeitnehmer während dieser Ruhepause auferlegten Einschränkungen, die sich aus der Notwendigkeit ergeben, einsatzbereit zu sein, von solcher Art sind, dass sie objektiv gesehen ganz erheblich seine Möglichkeit beschränken, sich in der Pause zu entspannen und Tätigkeiten nach Wahl zu widmen. Zu den zu berücksichtigenden Umständen des Einzelfalls gehören die Auswirkung der Reaktionsfrist, die Häufigkeit, aber auch die Unvorhersehbarkeit möglicher Unterbrechungen der Ruhepausen, die eine zusätzliche beschränkende Wirkung auf die Möglichkeit des Arbeitnehmers haben kann, die Zeit frei zu gestalten. Die sich daraus ergebende Ungewissheit kann ihn in Daueralarmbereitschaft versetzen. Die den Ruhepausen immanenten Einschränkungen in räumlicher und zeitlicher Hinsicht sind bei der Gesamtwürdigung dagegen außer Acht zu lassen.

11 2. Die Annahme des Berufungsgerichts, der beamtenrechtliche Ausgleichsanspruch und der unionsrechtliche Haftungsanspruch seien im Fall des Überschreitens der nationalrechtlichen wöchentlichen Höchstarbeitszeit von 41 Stunden in Tatbestand und Rechtsfolge gleichgerichtet, ist mit Unionsrecht nicht vereinbar. Der unionsrechtliche Haftungstatbestand setzt nämlich voraus, dass gegen eine unionsrechtliche Norm verstoßen wird, die dem Geschädigten subjektive Rechte verleiht. Im Fall von Zuvielarbeit kommt es deshalb darauf an, ob ein Verstoß gegen die Bestimmung über die wöchentliche Höchstarbeitszeit in Art. 6 Buchst. b) RL 2003/88/EG vorliegt. Diese Vorschrift verleiht dem Einzelnen ein subjektives Recht, das er unmittelbar mit dem unionsrechtlichen Haftungsanspruch vor den nationalen Gerichten geltend machen kann. Mit der den Mitgliedstaaten vorgegebenen Obergrenze von 48 Stunden für die durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit soll jedem Arbeitnehmer ein Mindestanspruch zugutekommen (EuGH, Urteil vom 25. November 2010 - C-429/09, Fuß - NZA 2011, 53 Rn. 47, 49). Diese unionsrechtlich vorgegebene Obergrenze ist nicht mit der nationalrechtlich vorgesehenen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit identisch.

12 3. Das Urteil des Berufungsgerichts stellt sich jedoch aus anderen Gründen im Ergebnis als richtig dar (§ 144 Abs. 4 VwGO). Die Leistungsklage des Klägers ist begründet. Der Kläger hat einen Anspruch auf finanzielle Abgeltung für nicht auf die Arbeitszeit angerechnete Pausen in dem vom Berufungsgericht tenorierten Umfang auf der Grundlage des beamtenrechtlichen Ausgleichsanspruchs.

13 a) Der beamtenrechtliche Ausgleichsanspruch setzt eine rechtswidrige Inanspruchnahme des Beamten über die höchstens zulässige Arbeitszeit hinaus voraus (vgl. BVerwG, Urteile vom 29. September 2011 - 2 C 32.10 - BVerwGE 140, 351 Rn. 8 und vom 26. Juli 2012 - 2 C 29.11 - BVerwGE 143, 381 Rn. 26). Diese Voraussetzung ist vorliegend erfüllt. Der Kläger hat über die nationalrechtliche Arbeitszeitvorgabe hinaus Zuvielarbeit geleistet. Nach den den Senat bindenden tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts (§ 137 Abs. 2 VwGO) hat er die zu erbringende regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit von 41 Stunden im streitgegenständlichen Zeitraum erfüllt. Darüber hinaus sind die ihm von der Beklagten nicht auf die Arbeitszeit angerechneten Pausenzeiten an den streitgegenständlichen 213 Tagen im unmittelbaren Personenschutz und drei Tagen im Innenschutz im Umfang von insgesamt 9 330 Minuten als Arbeitszeit anzuerkennen.

14 aa) Zwar ist die Anrechnung dieser Pausenzeiten auf die Arbeitszeit nach § 87 Abs. 3 Satz 1 BBG i. V. m. § 5 Abs. 2 der Verordnung über die Arbeitszeit der Beamtinnen und Beamten des Bundes (Arbeitszeitverordnung - AZV) vom 23. Februar 2006 (BGBl. I S. 427) in der im streitgegenständlichen Zeitraum (vgl. BVerwG, Urteil vom 29. April 2021 - 2 C 18.20 - BVerwGE 172, 254 Rn. 16) geltenden Fassung der Zweiten Verordnung zur Änderung der Arbeitszeitverordnung vom 11. Dezember 2014 (BGBl. I S. 2191, AZV 2014) ausgeschlossen. Diese Regelung der Arbeitszeitverordnung verstößt jedoch gegen Unions- und Bundesrecht und hat deshalb außer Anwendung zu bleiben.

15 (1) Gemäß § 5 Abs. 2 Satz 1 AZV 2014 werden Ruhepausen i. S. d. § 2 Nr. 3 AZV 2014 nicht auf die Arbeitszeit angerechnet, es sei denn, dass die Voraussetzungen des § 17a der Erschwerniszulagenverordnung mit der Maßgabe von monatlich mindestens 35 zu leistenden Nachtdienststunden gegeben sind (Nr. 1), oder dass die zuständige Behörde die Anrechnung bei operativen Tätigkeiten in Einsatzbereichen, in denen die ständige Einsatzfähigkeit gewährleistet werden muss, zum Ausgleich der damit verbundenen Belastungen zulässt (Nr. 2). Der Ausnahmetatbestand des § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AZV 2014, der für den im streitgegenständlichen Zeitraum nicht im Wechseldienst tätigen Kläger allein in Betracht kommt, war im gesamten streitgegenständlichen Zeitraum nicht erfüllt. Das als oberste Dienstbehörde zuständige Bundesministerium des Innern hat erst mit Erlass vom 9. Mai 2017 (Aktenzeichen ZI2-30105/2#2) die Anwendung der Ausnahmeregelung des § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AZV 2014 für den Bereich des Bundeskriminalamtes zugelassen und diesem gemäß § 16 Satz 2 AZV 2014 mit Wirkung vom selben Tag die Befugnis zur Pausenanrechnung übertragen mit der Maßgabe, dass eine solche Anrechnung nur bei besonderen Einsatzlagen mit einer konkreten operativen, besonders belastenden Tätigkeit zulässig ist und ein Einsatz im Regeldienst nicht zu den für eine Anrechnung in Frage kommenden Einsatzbereichen zählt. Von der übertragenen Befugnis wurde im Bereich der Sicherungsgruppe des Bundeskriminalamtes seit dem 10. Oktober 2017 Gebrauch gemacht. Der Kläger war jedoch ab diesem Zeitpunkt - wie schon zuvor - im unmittelbaren Personenschutz und im Innenschutz "nur" im Regeldienst eingesetzt.

16 (2) Die Vorschrift des § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AZV 2014 ist mit Unionsrecht nicht zu vereinbaren. Sie beschränkt die nach dem unionsrechtlichen Begriffsverständnis als Arbeitszeit i. S. d. Art. 2 Nr. 1 RL 2003/88/EG (s. o. Rn. 8) anzuerkennenden Zeiten, indem sie die ausnahmsweise Anrechnung von Pausen als Arbeitszeit unter den Vorbehalt der Zulassung durch die zuständige Behörde stellt und von dem Vorliegen besonderer Einsatzlagen abhängig macht.

17 Die Vorgaben der Arbeitszeitrichtlinie gelten - entgegen der Annahme der Beklagten - auch für die streitgegenständliche Tätigkeit des Klägers als Personenschützer. Sie ist vom Anwendungsbereich der Richtlinie erfasst. Nach Art. 1 Abs. 3 RL 2003/88/EG gilt die Richtlinie unbeschadet ihrer Art. 14, 17, 18 und 19 für alle privaten oder öffentlichen Tätigkeitsbereiche i. S. d. Art. 2 der Richtlinie 89/391/EWG des Rates vom 12. Juni 1989 über die Durchführung von Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Arbeitnehmer bei der Arbeit (ABl. EG Nr. L 183 S. 1). Art. 2 Abs. 2 Unterabs. 1 RL 89/391/EWG, wonach diese Richtlinie keine Anwendung findet, soweit den Besonderheiten bestimmter spezifischer Tätigkeiten im öffentlichen Dienst, z. B. bei den Streitkräften oder der Polizei, oder bestimmter spezifischer Tätigkeiten bei den Katastrophenschutzdiensten zwingend entgegenstehen, ist eng auszulegen. Ausgenommen sind nicht die Dienste als solche, sondern nur bestimmte besondere Tätigkeiten in diesen Sektoren, die unter außergewöhnlichen Umständen wahrgenommen werden, wie etwa Natur- oder Technologiekatastrophen, Attentate, schwere Unglücksfälle oder andere vergleichbare Ereignisse, deren Schwere und Ausmaß Maßnahmen erfordern, die zum Schutz des Lebens, der Gesundheit und der Sicherheit des Gemeinwesens unerlässlich sind und deren ordnungsgemäße Durchführung in Frage gestellt wäre, wenn alle Vorschriften der Richtlinie beachtet werden müssten (EuGH, Urteil vom 5. Oktober 2004 - C-397/01 u. a., Pfeiffer u. a. - Slg. 2004, I-8835, Rn. 53 ff.; Beschluss vom 14. Juli 2005 - C-52/04, Personalrat der Feuerwehr Hamburg - Slg. 2005, I-7111, Rn. 42 sowie Urteil vom 30. April 2020 - C-211/19, Készenléti Rendörség - NZA 2020, 639 Rn. 42; vgl. auch BVerwG, Urteil vom 15. Dezember 2011 - 2 C 41.10 - NVwZ 2012, 641 Rn. 20). Dies schließt allerdings nicht aus, dass auch bestimmte Tätigkeiten des öffentlichen Dienstes, selbst wenn sie unter normalen Bedingungen ausgeübt werden, so spezifische Merkmale aufweisen können, dass ihre Art zwingend einer die Vorgaben der Richtlinie 2003/88 beachtenden Arbeitsplanung entgegensteht (EuGH, Urteil vom 20. November 2018 - C-147/17, Sindicatul Familia Constanţa u. a. - juris Rn. 68).

18 Die streitgegenständliche Tätigkeit des Klägers als Personenschützer ist nicht mit bestimmten Besonderheiten verbunden, die eine Ausnahme nach Art. 1 Abs. 3 RL 2003/88/EG i. V. m. Art. 2 Abs. 2 Unterabs. 1 RL 89/391/EWG rechtfertigen. Nach den tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts, an die der Senat mangels hierauf bezogener Verfahrensrüge gemäß § 137 Abs. 2 VwGO gebunden ist, geht es um eine Tätigkeit im unmittelbaren Personenschutz und im Innenschutz in der Sicherungsgruppe des Bundeskriminalamtes unter normalen Bedingungen im Regeldienst. Sie weist keine spezifischen Merkmale auf, aufgrund derer sie ihrer Natur nach für eine Arbeitsplanung gemäß der Richtlinie 2003/88/EG nicht geeignet und damit unvereinbar wäre. Die regelmäßig zu erfüllende Aufgabe der Personenschützer, Gewähr für die Gesundheit und das Leben der Schutzperson zu bieten, wird nicht dadurch beeinträchtigt, dass ihnen in regelmäßigen Abständen nach einer bestimmten Anzahl von Arbeitsstunden ein Recht auf Ruhepausen zusteht, was eine Personalrotation erfordert. Der Personenschutz ist zwar durchgängig, aber nicht durch ein und dasselbe Mitglied der Sicherheitsgruppe sicherzustellen. Die Kosten, die dem Arbeitgeber dadurch entstehen, dass der Arbeitnehmer während der Ruhezeiten, die ihm gemäß der Richtlinie 2003/88/EG zu gewähren sind, ersetzt werden muss, rechtfertigen eine Nichtanwendung dieser Richtlinie nicht (vgl. EuGH, Urteil vom 9. September 2003 - C-151/02, Jaeger - NZA 2003, 1019 Rn. 66 f.).

19 Der Umstand, dass die unter gewöhnlichen Bedingungen ausgeübte Tätigkeit des Klägers auch mit Einsätzen verbunden sein kann, die ihrer Natur nicht vorhersehbar sind und eine Gefahr für seine Sicherheit und Gesundheit darstellen, ist keine Besonderheit, die der Anwendung der Richtlinie RL 2003/88/EG entgegensteht (stRspr, vgl. etwa EuGH, Urteil vom 30. April 2020 - C-211/19, Készenléti Rendörség - NZA 2020, 639 Rn. 41, 48). Gleiches gilt im Hinblick auf den von der Beklagten in der mündlichen Verhandlung betonten Umstand, dass einem Personenschützer während seines Dienstes Zeiten des Leerlaufs oder pausenähnliche Phasen in einem den vorgeschriebenen Ruhepausen gleichen oder sogar größerem Umfang zur Verfügung stünden und er damit im aktiven Dienst unterdurchschnittlich in Anspruch genommen werde. Die Regelungen in Art. 17 Abs. 2 i. V. m. Abs. 3 Buchst. b) RL 2003/88/EG ermöglichen es den Mitgliedstaaten gerade, einer solchen Situation Rechnung zu tragen. Danach kann im Wege von Rechts- oder Verwaltungsvorschriften oder im Wege von Tarifverträgen oder Vereinbarungen zwischen den Sozialpartnern von der Regelung in Art. 4 RL 2003/88/EG über Ruhepausen abgewichen werden, sofern betroffene Arbeitnehmer in Diensten, die durch die Notwendigkeit gekennzeichnet sind, den Schutz von Personen und Sachen zu gewährleisten, gleichwertige Ausgleichsruhezeiten oder in Ausnahmefällen, in denen die Gewährung solcher gleichwertigen Ausgleichsruhezeiten aus objektiven Gründen nicht möglich ist, einen angemessenen Schutz erhalten.

20 (3) Zugleich ist die Vorschrift des § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AZV 2014 nicht mit dem nationalrechtlichen Begriff der Arbeitszeit i. S. d. § 87 Abs. 1 und 2 BBG zu vereinbaren, zu deren Ausgestaltung durch Rechtsverordnung § 87 Abs. 3 Satz 1 BBG ermächtigt. Nach der Rechtsprechung des Senats (BVerwG, Urteil vom 29. April 2021 - 2 C 18.20 - BVerwGE 172, 254 Rn. 29) entspricht der Begriff der Arbeitszeit im nationalen Arbeitszeitrecht der Beamten dem unionsrechtlichen Begriffsverständnis und ist kontinuierlich an die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union anzupassen (BVerwG, Urteil vom 29. April 2021 - 2 C 18.20 - BVerwGE 172, 254 Rn. 29). Maßgebend hierfür ist der Wille des deutschen Gesetzgebers, der stets von einem einheitlichen Begriffsverständnis ausgegangen ist und keine unterschiedlichen Begriffsbestimmungen bei den arbeitsschutzrechtlichen und den sonstigen arbeitszeitrechtlichen Regelungen des Beamtenrechts angestrebt hat (vgl. BT-Drs. 16/7076 S. 121).

21 bb) Nach den Maßstäben, die der Europäische Gerichtshof zur Qualifizierung von Ruhepausen bei gleichzeitig geforderter Einsatzbereitschaft als Arbeitszeit i. S. d. Art. 2 Nr. 1 RL 2003/88/EG aufgestellt hat (s. o. Rn. 9 f.) und denen der Senat folgt, sind die dem Kläger im streitgegenständlichen Zeitraum in Abzug gebrachten Ruhepausen als Arbeitszeit einzustufen. Die Gesamtwürdigung aller relevanten Umstände des Einzelfalls ergibt, dass die dem Kläger in den Ruhepausen auferlegten Einschränkungen von solcher Art waren, dass sie objektiv gesehen ganz erheblich seine Möglichkeit beschränkten, sich in der Pause zu entspannen und Tätigkeiten nach eigener Wahl zu widmen.

22 (1) Es liegt in der Sachgesetzlichkeit der übertragenen Aufgabe, dass der im unmittelbaren Personenschutz in der Sicherungsgruppe des Bundeskriminalamtes zu erbringende Dienst vom Alltag der zu schützenden Regierungsmitglieder abhängt. Der politische Aufgaben- und Verantwortungsbereich eines Bundesministers bringt es mit sich, dass die tägliche Terminplanung geändert wird, um auf unvorhergesehene Entwicklungen oder Ereignisse umgehend zu reagieren. In solchen Situationen war es Aufgabe des Klägers als Personenschützer, den begleitenden Schutz unverzüglich sicherzustellen. Denn nach den tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts, an die der Senat gemäß § 137 Abs. 2 VwGO gebunden ist und die von der Beklagten auch nicht in Abrede gestellt werden, oblag ihm die Dienstpflicht, lückenlosen Personenschutz zu gewährleisten. Aus der Pflicht zur ununterbrochenen Schutzgewähr folgt zugleich, dass den Kläger auch die Verpflichtung traf, im Bedarfsfall eine Pause zu beenden und sofort, d. h. ohne zeitliche Verzögerung, den Dienst wiederaufzunehmen.

23 Einer ausdrücklichen Anordnung des Dienstherrn zur Reaktionsfrist im Bedarfsfall bedurfte es bei dieser Sachlage entgegen der Annahme der Beklagten nicht. Dies liefe auf eine formalisierte Betrachtungsweise hinaus, die dem Ziel der Richtlinie 2003/88/EG zuwiderliefe, die Sicherheit und Gesundheit der Arbeitnehmer zu gewährleisten, indem ihnen Mindestruhezeiten sowie angemessene Ruhepausen zugestanden werden (BVerwG, Beschluss vom 20. Oktober 2020 - 2 B 36.20 - Buchholz 451.90 Sonstiges Europäisches Recht Nr. 238 Rn. 21).

24 Die Pflicht, auch in Ruhepausen sofort einsatzbereit zu sein, und die Unvorhersehbarkeit möglicher Unterbrechungen der Pausen im Bedarfsfall haben den Kläger im unmittelbaren Personenschutz objektiv gesehen ganz weitgehend davon abgehalten, die Ruhepausen im Rahmen der zur Verfügung stehenden Zeit (30 oder 45 Minuten) nach freiem eigenen Belieben verbringen zu können. Er musste seine Pause so gestalten, dass er nötigenfalls jederzeit unverzüglich den erforderlichen Personenschutz für den zu schützenden Bundesminister wiederaufnehmen konnte. Die Ungewissheit möglicher Pausenunterbrechungen, mögen sie auch selten oder - wie von der Beklagten formuliert - die absolute Ausnahme sein, versetzten den Kläger in eine Art "Daueralarmbereitschaft".

25 Ohne Erfolg bleibt auch in diesem Zusammenhang der Einwand der Beklagten, es müsse Berücksichtigung finden, dass dem Kläger während seines Dienstes Zeiten des Leerlaufs und damit pausenähnliche Phasen zur Verfügung gestanden hätten, etwa wenn sich die Schutzperson längere Zeit in nicht schutzbedürftigen Terminen aufgehalten habe. Diese Umstände sind nicht als Erleichterung in die Gesamtwürdigung einzustellen. Dabei kann offen bleiben, ob der Gedanke der in der Gesamtbetrachtung zu berücksichtigenden Kompensation nur für solche Erleichterungen gilt, die dem Arbeitnehmer während seiner Bereitschaftszeit, hier also innerhalb der Pausenzeit, gewährt werden (vgl. EuGH, Urteile vom 9. März 2021 - C-344/19, Radiotelevizija Slovenija - NZA 2021, 485 Rn. 49 und - C-580/19, Stadt Offenbach am Main - NZA 2021, 489 Rn. 48 f. sowie vom 9. September 2021 - C-107/19, Dopravní podnik hl. m. Prahy - NZA 2021, 1395 Rn. 36). Jedenfalls handelte es sich bei den während des Dienstes gegebenenfalls entstehenden Zeiten des Leerlaufs oder pausenähnlichen Phasen nicht um vom Dienstherrn regelhaft gewährte Erleichterungen. Sie entstanden lediglich zufällig nach den jeweiligen Gegebenheiten des Dienstes.

26 (2) Die Zeiten im Innenschutz am 1. Juli 2016 sowie am 9. und 10. Januar 2018 sind als Arbeitszeit zu bewerten. Nach den den Senat bindenden tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts (§ 137 Abs. 2 VwGO) war der Kläger an diesen Tagen als einziger Beamter im Innenschutz für die Bewachung des Hotelzimmers der Schutzperson eingesetzt. Aufgrund seiner Dienstpflicht, lückenlos Personenschutz zu gewähren, hatte er daher gar keine Möglichkeit, eine 30- oder 45-minütige Ruhepause einzulegen und diese nach eigenen Interessen zu verbringen.

27 b) Die Voraussetzungen des beamtenrechtlichen Ausgleichsanspruchs sind dem Grunde nach ab April 2015 gegeben. Der Anspruch besteht nach dem Grundsatz der zeitnahen Geltendmachung erst ab dem Monat, der auf die schriftliche Geltendmachung des Anspruchs gegenüber dem Dienstherrn folgt (stRspr, vgl. etwa BVerwG, Urteile vom 26. Juli 2012 - 2 C 29.11 - BVerwGE 143, 381 Rn. 26 und vom 19. April 2018 - 2 C 40.17 - BVerwGE 161, 377 Rn. 24). Das Berufungsgericht hat dem Schreiben des Klägers vom 25. März 2015 nicht nur einen auf die Vergangenheit bezogenen Erklärungsinhalt beigemessen und es - im Hinblick auf das zum Ausdruck kommende generelle Begehren, Pausen unter Bereithaltung als Arbeitszeit anerkannt zu bekommen - auch als Geltendmachung für die Zukunft gewertet. Diese Würdigung entspricht den auch im öffentlichen Recht heranzuziehenden Auslegungsgrundsätzen des § 133 BGB und lässt Rechtsfehler nicht erkennen.

28 c) Der beamtenrechtliche Ausgleichsanspruch besteht seinem Umfang nach in einem Anspruch auf Zahlung eines Geldbetrages in Höhe von 3 125,34 €.

29 Der primär auf angemessenen Ausgleich in Freizeit (1:1) gerichtete Anspruch hat sich mit der auf eigenen Antrag erfolgten Entlassung des Klägers aus dem Beamtenverhältnis zum beklagten Dienstherrn in einen Anspruch auf Gewährung finanziellen Ausgleichs in Geld umgewandelt (vgl. BVerwG, Urteil vom 26. Juli 2012 - 2 C 29.11 - BVerwGE 143, 381 Rn. 34). Die dem Kläger nach den bindenden tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts (§ 137 Abs. 2 VwGO) im streitgegenständlichen Zeitraum in Abzug gebrachten Pausenzeiten im Umfang von 9 330 Minuten (Urteilsumdruck Bl. 25 bis 29) sind auch finanziell in vollem Umfang auszugleichen.

30 Nach der Rechtsprechung des Senats verlangt die Richtlinie 2003/88/EG zwar nicht, dass ein rein mitgliedstaatlicher Ausgleichsanspruch für die Überschreitung der mitgliedstaatlich geregelten regelmäßigen Arbeitszeit eine bestimmte Höhe hat. Das Unionsrecht gebietet außerhalb eines Verstoßes gegen Art. 6 Buchst. b) RL 2003/88/EG keine Gleichbehandlung von Voll- und Bereitschaftsdienst (BVerwG, Urteil vom 29. April 2021 - 2 C 18.20 - BVerwGE 172, 254 Rn. 40, 46; vgl. auch EuGH, Urteil vom 9. September 2021 - C-107/19, Dopravní podnik hl. m. Prahy - NZA 2021, 1395 Rn. 42). Hat der Gesetzgeber aber - wie hier - von der Möglichkeit keinen Gebrauch gemacht, bei der Vergütung eines Bereitschaftsdienstes Zeiten, in denen tatsächlich Arbeitsleistungen erbracht werden, und Zeiten, in denen keine tatsächliche Arbeit geleistet wird, in unterschiedlicher Weise zu berücksichtigen, bleibt es bei einem vollen Ausgleich im Verhältnis 1:1.

31 Ein Abzug von fünf ausgleichslos zu leistenden Stunden monatlich ist (auch) im vorliegenden Fall des Überschreitens der nationalrechtlichen Arbeitszeitvorgaben nicht zulässig. Zwar sind Beamte grundsätzlich verpflichtet, in gewissem Umfang ausgleichslos Mehrarbeit zu leisten (vgl. § 88 Abs. 1 Satz 2 BBG). Dies gilt jedoch nur bei rechtmäßiger Mehrarbeit, nicht aber bei rechtswidriger Zuvielarbeit, wenn der Beamte unrechtmäßig über die zulässige regelmäßige Arbeitszeit hinaus zum Dienst herangezogen wurde (vgl. BVerwG, Urteil vom 26. Juli 2012 - 2 C 29.11 - BVerwGE 143, 381 Rn. 31 in Abkehr von den Urteilen vom 28. Mai 2003 - 2 C 35.02 - Buchholz 232 § 72 BBG Nr. 39 S. 9 und - 2 C 28.02 - Buchholz 232 § 72 BBG Nr. 38 S. 5).

32 Entgegen der Annahme der Beklagten ist der Anspruch auch nicht um die Pausenzeiten "in Bereithaltung" im Zeitraum vom 10. Oktober 2017 bis zum 3. Juni 2018 zu kürzen. Dem Kläger kann nicht entgegengehalten werden, dass er es unterlassen hat, die Anrechnung dieser Zeiten auf die Arbeitszeit nach § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AZV 2014 ab dem 10. Oktober 2017 zu beantragen. Dies folgt nicht bereits daraus, dass eine entsprechende Anwendung des § 839 Abs. 3 BGB oder des § 254 BGB nicht in Betracht kommt, weil es sich bei dem beamtenrechtlichen Ausgleichsanspruch nicht um einen Schadensersatzanspruch handelt. Denn ob es dem aus § 242 BGB folgenden Anspruch ganz oder teilweise entgegensteht, dass der Betroffene nicht ihm in erster Linie mögliche und zumutbare primäre Ansprüche zur Durchsetzung seiner Rechte geltend gemacht hat, ist (auch) ein Aspekt, der im Rahmen der Billigkeitsabwägung zu prüfen ist. Vorliegend kann dem Kläger aber nicht vorgehalten werden, die ab Oktober 2017 möglichen Anträge auf Anrechnung von Pausenzeiten nicht gestellt zu haben. Für Ruhepausen im Regeldienst bestand nach der für das Bundeskriminalamt gemäß § 16 Satz 2 AZV 2014 maßgeblichen Erlasslage generell keine Möglichkeit der Zulassung einer Anrechnung nach § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AZV 2014; auch das entsprechende Antragsformular sah hierfür keine Möglichkeit der Geltendmachung vor. Im Übrigen hätte die ausnahmsweise Zulassung der Anrechnung einzelner Ruhepausen auf die Arbeitszeit nicht dem Begehren des Klägers entsprochen, dass ihm Pausen unter Bereithaltung generell als Arbeitszeit angerechnet werden.

33 Die Höhe des Geldausgleichs bestimmt sich in Anlehnung an die im jeweiligen Zeitpunkt der Zuvielarbeit geltenden Sätze der Mehrarbeitsvergütung (vgl. BVerwG, Urteil vom 26. Juli 2012 - 2 C 29.11 - BVerwGE 143, 381 Rn. 39). Der danach heranzuziehende Stundensatz betrug gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 3 der Verordnung über die Gewährung von Mehrarbeitsvergütung für Beamtinnen und Beamte des Bundes in der Fassung der Bekanntmachung vom 4. November 2009 (BGBl. I S. 3701), geändert durch Art. 7 Nr. 1 c) und Art. 11 Abs. 2 des Bundesbesoldungs- und -versorgungsanpassungsgesetzes 2014/2015 vom 25. November 2014 (BGBl. I S. 1772, BBVAnpG 2014/2015), für die Zeit ab April 2015 19,44 €. Der Satz erhöhte sich durch Art. 6 Nr. 1, Art. 7 Nr. 1 und Art. 15 BBVAnpG 2016/2017 (BGBl. I S. 2570) ab 1. März 2016 auf 19,87 € und ab 1. Februar 2017 auf 20,34 € sowie weiter durch Art. 9 Nr. 1 c) und Art. 21 Abs. 1 BBVAnpG 2018/2019/2020 (BGBl. I S. 1810) ab 1. März 2018 auf 20,95 €. Demgemäß ergibt sich unter Zugrundelegung der den Senat gemäß § 137 Abs. 2 VwGO bindenden tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts zu den jeweiligen 30- oder 45-minütigen Pausenabzügen im streitgegenständlichen Zeitraum (Urteilsabdruck S. 25 bis 29) ein Ausgleichsbetrag in Höhe von 3 125,34 €.

34 4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.