Urteil vom 14.05.2014 -
BVerwG 6 A 3.13ECLI:DE:BVerwG:2014:140514U6A3.13.0
Leitsätze:
1. Ein Vereinsverbot kann von der in Anspruch genommenen Vereinigung in einem weiteren Umfang der gerichtlichen Kontrolle zugeführt werden als von Personen, die von der Verbotsbehörde als Vereinsmitglieder angesehen werden.
2. Die Begriffsmerkmale eines Vereins im Sinne des Vereinsgesetzes sind weit auszulegen.
3. Ein religiöser Verein kann nur dann als verfassungswidrig beurteilt werden, wenn er sich nicht darauf beschränkt, sich mit religiös begründeten, im Widerspruch zu grundlegenden Verfassungsprinzipien stehenden Lehren als Glaubensinhalt zu befassen und in diesem Sinne für sie zu werben, sondern die konkrete Umsetzung dieser Lehren oder aus ihnen hergeleiteter Verhaltenspflichten in Deutschland propagiert.
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Rechtsquellen
GG Art. 4 Abs. 1, Abs. 2, Art. 9 Abs. 2 VereinsG § 2 Abs. 1, § 3 Abs. 1 bis 3 VwGO § 42 Abs. 2 VwVfG § 28 Abs. 2 Nr.1 -
Zitiervorschlag
BVerwG, Urteil vom 14.05.2014 - 6 A 3.13 - [ECLI:DE:BVerwG:2014:140514U6A3.13.0]
Urteil
BVerwG 6 A 3.13
In der Verwaltungsstreitsache hat der 6. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
auf die mündliche Verhandlung vom 14. Mai 2014
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Neumann und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Graulich, Dr. Möller, Hahn und Prof. Dr. Hecker
für Recht erkannt:
- Die Klagen werden abgewiesen.
- Die Kosten des Verfahrens tragen die Kläger je zur Hälfte.
Gründe
I
1 Die Kläger, die „DawaFFM“ (Klägerin zu 1) und der „Internationale Jugendverein - Dar al Schabab e.V.“ (Kläger zu 2), wenden sich gegen ein von dem Bundesministerium des Innern erlassenes Vereinsverbot.
2 Die Klägerin zu 1 ist nicht im Vereinsregister eingetragen, eine Satzung ist nicht bekannt. Der Kläger zu 2 ist ein eingetragener Verein mit Sitz in Frankfurt am Main. Nach seiner Satzung sieht er seinen Hauptzweck in der Errichtung, Ausstattung und Unterhaltung einer Moschee des sunnitischen Glaubenzweigs in Frankfurt am Main, will aber auch Jugendliche durch nachhaltige Jugendarbeit an eine ethische Lebensweise heranführen.
3 Das Bundesministerium des Innern stellte mit Verfügung vom 25. Februar 2013 fest, dass sich die Klägerin zu 1 als Verein im Sinne des Vereinsgesetzes mit dem Kläger zu 2, der eine Teilorganisation dieses Vereins darstelle, gegen die verfassungsmäßige Ordnung und den Gedanken der Völkerverständigung richte. Die Kläger seien verboten und würden aufgelöst. Ferner wurden die Bildung von Ersatzorganisationen, die Fortführung bestehender Organisationen als Ersatzorganisationen und die Verwendung von Kennzeichen der Kläger für die Dauer der Vollziehbarkeit des Verbots untersagt. Das Vermögen der verbotenen Organisationen sowie näher bezeichnete Forderungen und Sachen Dritter wurden beschlagnahmt und eingezogen. Zur Begründung führte das Bundesministerium des Innern aus: Die Klägerin zu 1, die durch die Herren R., K. und H. sowie fünf weitere Personen repräsentiert werde, sei als Verein im Sinne des § 2 Abs. 1 VereinsG zu qualifizieren, weil ihre auf das Ziel der Missionierung für den islamischen Glauben gerichteten Aktivitäten von einem Personenkreis getragen würden, der sich fest und auf Dauer zusammengeschlossenen habe und nach seiner Organisationsstruktur eine organisierte Willensbildung gewährleiste. Die missionarische Ausrichtung der Klägerin zu 1 stelle nur einen Deckmantel dar, unter dem sie auf eine Radikalisierung von Muslimen und auf die Konversion junger Menschen zum Salafismus als einer extremistischen Auslegung des Islam hinwirke und dabei die Verbotsgründe des § 3 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 VereinsG i.V.m. Art. 9 Abs. 2 Alt. 2 GG (Verfassungswidrigkeit) und des § 3 Abs. 1 Satz 1 Alt. 3 VereinsG i.V.m. Art. 9 Abs. 2 Alt. 3 GG (Völkerverständigungswidrigkeit) verwirkliche. Die Vereinigung richte sich in aggressiv-kämpferischer Weise gegen die verfassungsmäßige Ordnung, weil sie die Scharia über die in Deutschland geltende Rechtsordnung stelle und damit die in Art. 20 GG enthaltenen Prinzipien des Rechtsstaats und der Demokratie negiere, die Anwendung von Körperstrafen und der Todesstrafe unter Missachtung des durch Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG garantierten Rechts auf Leben und körperliche Unversehrtheit offen befürworte sowie Hetze gegen Andersgläubige betreibe und sich dadurch in Widerspruch zu den Gewährleistungen des Art. 4 Abs. 1 GG setze. Ebenfalls aggressiv und kämpferisch wende sich die Klägerin zu 1 gegen den Gedanken der Völkerverständigung, weil sie Ausschreitungen von Salafisten, die in Deutschland stattgefunden hätten, rechtfertige und mit neuer Gewalt drohe, eine auch in Deutschland geltende Verpflichtung zum Dschihad vertrete sowie gewaltverherrlichende, gegen andersgläubige Menschen und Völker sowie deren Staaten gerichtete Kampfgesänge und Bittgebete verbreite. Der Kläger zu 2 sei in personeller, organisatorischer und finanzieller Hinsicht eng mit der Klägerin zu 1 verknüpft und deshalb als deren Teilorganisation im Sinne von § 3 Abs. 3 VereinsG anzusehen.
4 Die Kläger haben gegen die Verfügung des Bundesministeriums des Innern Klage erhoben und ausgeführt: Die in der Verfügung als Repräsentanten der Klägerin zu 1 genannten Personen bildeten keinen Verein im Sinne des Vereinsgesetzes. „DawaFFM“ stelle lediglich eine Internetplattform dar, die von Herrn K., dem Vorsitzenden des Klägers zu 2, betrieben werde. Die vermeintlichen Repräsentanten der Klägerin zu 1 führten keine regelmäßigen Treffen durch, hätten keine festen Strukturen als Grundlage für eine organisierte Willensbildung geschaffen und sich nicht die Missionierung für den islamischen Glauben als Ziel gesetzt. Sie wollten lediglich als gläubige Moslems über den Islam aufklären und bezögen sich dabei insbesondere auf Veranstaltungen des Imams R.. Selbst wenn man unterstellen wollte, dass es sich bei der Klägerin zu 1 um einen Verein handele, fehle es der Verbotsverfügung an einer tragfähigen Grundlage. Das Bundesministerium des Innern habe sie auf vereinzelte und aufgebauschte bzw. aus dem Zusammenhang gerissene und fehlinterpretierte Belege gestützt. Es habe zudem vorherige, auf eine Abhilfe gerichtete Hinweise unterlassen und die Verhängung von Auflagen als milderes Mittel nicht in Betracht gezogen. Die Verbotsverfügung verstoße deshalb auch gegen verfassungsrechtliche Gewährleistungen, insbesondere das Grundrecht der religiösen Vereinigungsfreiheit und den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Die Inanspruchnahme des Klägers zu 2 als Teilorganisation gehe ins Leere.
5
Die Kläger beantragen,
die Verfügung des Bundesministeriums des Innern vom 25. Februar 2013 aufzuheben.
6
Die Beklagte beantragt,
die Klagen abzuweisen.
7 Sie verteidigt die Verbotsverfügung unter Verweis auf die in den Verwaltungsvorgängen enthaltenen und weitere im Gerichtsverfahren beigebrachte Unterlagen.
8 Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten verwiesen.
II
9 Die Klagen sind zulässig (1.) aber unbegründet (2.).
10 1. Die Klägerin zu 1 ist im Sinne des § 42 Abs. 2 VwGO befugt, die Verbotsverfügung unter allen in der Klagebegründung enthaltenen Gesichtspunkten anzugreifen.
11 Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu Vereinsverboten kann ein solches Verbot von der in Anspruch genommenen Vereinigung in einem weiteren Umfang der gerichtlichen Kontrolle zugeführt werden als von den Personen, die von der Verbotsbehörde als Vereinsmitglieder angesehen werden. Einzelne Personen haben eine Klagebefugnis nur dann, wenn die Verbotsverfügung zu ihren Händen ergangen ist und sie in materieller Hinsicht geltend machen, sie bildeten keinen Verein im Sinne des § 2 Abs. 1 VereinsG. Trifft dieser Einwand zu, ist die Verfügung aufzuheben, ansonsten ist die Klage abzuweisen. Eine Überprüfung des Vorliegens von Verbotsgründen nach § 3 Abs. 1 VereinsG i.V.m. Art. 9 Abs. 2 GG kann in einem solchen Verfahren nicht erreicht werden (vgl. Beschlüsse vom 2. März 2001 - BVerwG 6 VR 1.01 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 34 S. 34, vom 4. Juli 2008 - BVerwG 6 B 39.08 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 45 Rn. 5, vom 19. Juli 2010 - BVerwG 6 B 20.10 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 54 Rn. 14 und vom 6. Januar 2014 - BVerwG 6 B 60.13 - juris Rn. 16). Ist die Vereinseigenschaft einer Personengruppierung unstreitig und wird die materielle Rechtmäßigkeit der Verbotsverfügung im Übrigen angegriffen, insbesondere die Verwirklichung von Verbotsgründen in Frage gestellt, ist zur Anfechtung der Verfügung nur die verbotene Vereinigung selbst befugt, nicht hingegen ein Mitglied (Urteil vom 13. August 1984 - BVerwG 1 A 26.83 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 7 S. 2, Beschluss vom 2. März 2001 a.a.O., Gerichtsbescheid vom 3. April 2003 - BVerwG 6 A 5.02 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 39 S. 67, Beschlüsse vom 18. Oktober 2005 - BVerwG 6 VR 5.05 - NVwZ 2006, 214 <216>, vom 4. Juli 2008 a.a.O., vom 19. Juli 2010 a.a.O. und vom 6. Januar 2014 a.a.O.). Eine als Verein im Sinne des Vereinsgesetzes in Anspruch genommene Gruppierung kann schließlich auch das Vereinsverbot in nach § 42 Abs. 2 VwGO zulässiger Weise sowohl mit der Begründung anfechten, die Voraussetzungen eines Vereins im Sinne des § 2 Abs. 1 VereinsG lägen nicht vor, so dass die Verbotsverfügung schon aus diesem Grund aufzuheben sei, als auch geltend machen, die Verfügung sei im Übrigen, insbesondere mangels Erfüllung eines Verbotsgrunds materiell rechtswidrig (vgl. Beschlüsse vom 2. März 2001 a.a.O. und vom 19. Juli 2010 a.a.O.). Die von der Klägerin zu 1 erhobene Klage ist in die zuletzt genannte Fallgruppe einzuordnen.
12 Die Klägerin zu 1 ist nach § 61 Nr. 2 VwGO beteiligungsfähig. Sie wird im Verfahren durch die in der Verbotsverfügung als Repräsentanten genannten Personen vertreten. Dies folgt aus dem in § 54 Satz 1 i.V.m. §§ 709, 710, 714 BGB enthaltenen Grundsatz, dass den Mitgliedern eines nicht rechtsfähigen Vereins die Geschäftsführung und Vertretung gemeinschaftlich zusteht, sofern - wie hier - nichts anderes vereinbart wurde (dazu allgemein: Beschluss vom 29. Januar 2013 - BVerwG 6 B 40.12 - NVwZ 2013, 521 Rn. 4).
13 2. Die Verbotsverfügung des Bundesministeriums des Innern vom 25. Februar 2013 ist rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Das Bundesministerium des Innern hat zu Recht festgestellt, dass die Kläger verboten sind und deshalb ihre Auflösung angeordnet. Auch die weiteren in der Verfügung enthaltenen Entscheidungen zu Lasten der Kläger sind rechtmäßig.
14 Rechtsgrundlage für das Verbot der Klägerin zu 1 ist § 3 Abs. 1 Satz 1 VereinsG i.V.m. Art. 9 Abs. 2 GG. Nach Art. 9 Abs. 2 GG sind Vereinigungen verboten, deren Zwecke oder deren Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder die sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder gegen den Gedanken der Völkerverständigung richten. Gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 VereinsG darf ein Verein erst dann als verboten behandelt werden, wenn durch Verfügung der Verbotsbehörde festgestellt ist, dass der Verein einen der Verbotsgründe des Art. 9 Abs. 2 GG erfüllt; zugleich mit dieser Feststellung ordnet die Verbotsbehörde die Auflösung des Vereins an. Das Verbot des Klägers zu 2 findet seine Rechtsgrundlage in § 3 Abs. 3 Satz 1 und 2 VereinsG. Danach erstreckt sich das Verbot eines Vereins auf seine nichtgebietlichen Teilorganisationen mit eigener Rechtspersönlichkeit, wenn diese in der Verbotsverfügung ausdrücklich benannt sind. Die in der Verbotsverfügung weiter zu Lasten der Kläger getroffenen Entscheidungen beruhen auf § 8 Abs. 1, § 9 Abs. 1 Satz 1 und § 11 VereinsG.
15 Auf diesen rechtlichen Grundlagen ist die Verbotsverfügung in formell (a) und materiell (b) rechtmäßiger Weise ergangen.
16 a) Das Bundesministerium des Innern hat bei dem Erlass der Verfügung nicht gegen Bestimmungen des formellen Rechts verstoßen. Es hat insbesondere seine Zuständigkeit gewahrt (aa) und in nicht zu beanstandender Weise von einer Anhörung der Kläger abgesehen (bb).
17 aa) Die Zuständigkeit des Bundesministeriums des Innern für das Verbot der Kläger und die getroffenen Nebenentscheidungen ergibt sich aus § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 VereinsG. Nach dieser Bestimmung ist das besagte Bundesministerium Verbotsbehörde für Vereine und Teilvereine, deren Organisation oder Tätigkeit sich über das Gebiet eines Landes hinaus erstreckt. Zuständigkeitsbegründend ist danach unter anderem bereits, dass die betroffene Vereinigung über das Gebiet eines Landes hinaus durch nicht ganz unbedeutende Aktivitäten anhaltend in Erscheinung tritt, auch wenn diese für sich genommen nicht den Verbotstatbestand erfüllen (Urteil vom 18. Oktober 1988 - BVerwG 1 A 89.83 - BVerwGE 80, 299 <301 f.> = Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 13 S. 17 f.). Die Tätigkeit der Klägerin zu 1 überschreitet in beachtlichem Umfang das Gebiet des Landes Hessen, auf dessen größte Stadt Frankfurt am Main sie mit ihrer Namensbezeichnung Bezug nimmt.
18 Dies geschieht zum einen durch die Aktivitäten der Klägerin zu 1 im Internet. Zwar wird die Zuständigkeit des Bundesministeriums des Innern als Verbotsbehörde nicht dadurch begründet, dass eine Vereinigung sich für ihre auf ein Land beschränkte Tätigkeit des per se auf eine überörtliche Wirkung gerichteten Internets bedient. Etwas anderes gilt jedoch, wenn die Tätigkeit einer Vereinigung oder das Ziel dieser Tätigkeit einen das Gebiet eines Landes überschreitenden Bezug aufweisen und die Vereinigung das Internet als Medium hierfür benutzt. So ist es im Fall der Klägerin zu 1. Der Kern ihrer Tätigkeit besteht, wie sich aus den folgenden Darlegungen ergibt, in der Werbung für ihr Verständnis des Islam und des islamischen Rechts sowie die daraus abgeleiteten Verhaltenspflichten. Zum Zweck dieser Werbung, die nach ihrem Charakter sowie nach der ihr von der Klägerin zu 1 gedachten Zielrichtung nicht auf das Land Hessen beschränkt ist, stellt die Klägerin zu 1 ihrem Islamverständnis Ausdruck verleihende Texte und Videos in das Internet, um Menschen im gesamten Bundesgebiet und auch international anzusprechen.
19 Zum anderen und unabhängig von ihrem durch das Internet vermittelten Auftreten wird die Klägerin zu 1 außerhalb des Landes Hessen dadurch tätig, dass sie Veranstaltungen, die islamkundlichen Themen dienen sollen, in anderen Ländern organisiert (vgl. für Rheinland-Pfalz: Dokument des Verwaltungsvorgangs - im Folgenden Dok. V - 15d, Video Islam Seminar in Mayen 2011), dass sich ihr zuzuordnende Personen an der Durchführung derartiger Veranstaltungen jenseits der hessischen Landesgrenzen beteiligen (vgl. für Berlin: Dok. V 15a, Video Benefizveranstaltung für Syrien in Berlin am 13.01.2013) und dass sie Exkursionen zu außerhessischen Zielen durchführt (vgl. für Wien: Dok. V 15c, Video Dawaffm Team in Wien).
20 Die Zuständigkeit des Bundesministeriums des Innern für das Verbot des Klägers zu 2 ergibt sich daraus, dass dieser als Teilorganisation der Klägerin zu 1 in Anspruch genommen wird.
21 bb) Von der nach § 28 Abs. 1 VwVfG erforderlichen Anhörung vor Erlass eines belastenden Verwaltungsakts kann nach § 28 Abs. 2 Nr. 1 VwVfG abgesehen werden, wenn nach den Umständen des Einzelfalls eine sofortige Entscheidung wegen Gefahr im Verzug oder im öffentlichen Interesse notwendig erscheint. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum Vereinsrecht (zusammenfassend: Beschluss vom 29. Januar 2013 a.a.O. Rn. 19 ff.) genügt es, dass die Verbotsbehörde unter diesen Gesichtspunkten auf Grund der ihr bekannt gewordenen Tatsachen eine sofortige Entscheidung für notwendig halten durfte. Diese Voraussetzungen waren hier erfüllt. Das Bundesministerium des Innern hat nach der Begründung der angefochtenen Verfügung von einer Anhörung der Kläger deshalb abgesehen, weil es die mit einer solchen Maßnahme verbundene Unterrichtung insbesondere der Mitglieder der Klägerin zu 1 über den bevorstehenden Eingriff vermeiden und diesen so keine Gelegenheit bieten wollte, die Infrastruktur und das Vermögen der Vereinigung nebst weiterer verbotsrelevanter Unterlagen dem behördlichen Zugriff zu entziehen und so den Verbotserfolg zu vereiteln. Hiergegen ist nichts zu erinnern.
22 b) Die Verbotsverfügung steht in Einklang mit materiellem Recht. Die Klägerin zu 1 ist ein Verein im Sinne des § 2 Abs. 1 VereinsG (aa). Sie ist auch unter Berücksichtigung ihres religiösen Charakters (bb) nach Art. 9 Abs. 2 GG verboten, weil sie sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung (cc) und gegen den Gedanken der Völkerverständigung (dd) richtet. Die hierauf gerichtete Feststellung und die an sie anknüpfende Auflösung der Klägerin zu 1 setzen die Berücksichtigung der Anforderungen des verfassungsrechtlichen Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit voraus, so dass für eine Verhältnismäßigkeitsprüfung auf der Rechtsfolgenseite der Verbotsnorm kein Raum ist (ee). Der Kläger zu 2 ist eine Teilorganisation der Klägerin zu 1 und wird als solche von dem Verbot der Klägerin zu 1 erfasst (ff). Auch die in der Verbotsverfügung enthaltenen weiteren Entscheidungen zu Lasten der Kläger sind rechtmäßig (gg).
23 aa) Die Klägerin zu 1 unterfällt dem Recht der Vereinsverbote, denn sie erfüllt die Merkmale eines Vereins nach der in § 2 Abs. 1 VereinsG enthaltenen Begriffsbestimmung. Danach ist ein Verein im Sinne des Gesetzes ohne Rücksicht auf die Rechtsform jede Vereinigung, zu der sich eine Mehrheit natürlicher oder juristischer Personen für längere Zeit zu einem gemeinsamen Zweck freiwillig zusammengeschlossen und einer organisierten Willensbildung unterworfen hat.
24 Die Begriffsmerkmale des § 2 Abs. 1 VereinsG sind weit auszulegen. Dies ist in der Instanzrechtsprechung (VGH Mannheim, Urteil vom 16. Januar 1992 - 1 S 3626/88 - NVwZ-RR 1993, 25 f., OVG Lüneburg, Urteil vom 3. September 2013 - 11 KS 288/12 - DVBl 2013, 1406 <1407 f.> und dazu: BVerwG, Beschluss vom 6. Januar 2014 - BVerwG 6 B 60.13 - juris Rn. 11 f.) und im Schrifttum (Groh, in: Das Deutsche Bundesrecht, Vereinsgesetz, Loseblattsammlung, Stand: März 2014, I F 10, § 2 Rn. 2 ff.; Wache, in: Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze, Vereinsgesetz, Loseblattsammlung, Bd. 4, Stand: November 2013, V 52, § 2 Rn. 2 ff.) zu Recht nicht umstritten. Eine weite Auslegung entspricht einerseits dem gefahrenabwehrrechtlichen Zweck des Vereinsgesetzes. Sie dient andererseits dem Schutz der Vereinigungsfreiheit, da die Existenz einer Vereinigung, die die Voraussetzungen eines Vereins im Sinne des § 2 Abs. 1 VereinsG erfüllt, nur gemäß § 3 Abs. 1 VereinsG und nach Feststellung des Vorliegens eines Verbotsgrunds nach Art. 9 Abs. 2 GG beendet werden darf (vgl. BTDrucks 4/430 S. 13).
25 Auch bei einer extensiven Interpretation des Vereinsbegriffs kann zwar ein Zusammenschluss von Personen nur dann angenommen werden, wenn diese sich durch einen konstitutiven Akt verbunden haben. Jedoch dürfen an die Qualität dieses Aktes keine hohen Anforderungen gestellt werden. Eine stillschweigende Übereinkunft reicht aus. Hinsichtlich des gemeinsamen Zwecks genügt eine faktische Übereinstimmung über die wesentlichen Ziele des Zusammenschlusses, gleichviel worin diese Ziele bestehen. Die vom Willen der einzelnen Mitglieder losgelöste und organisierte Gesamtwillensbildung, der die Mitglieder kraft der Verbandsdisziplin untergeordnet sein müssen, erfordert weder eine Satzung noch spezifische Vereinsorgane. Ausreichend ist eine Organisationsstruktur, die faktisch auf eine organisierte Willensbildung schließen lässt. Das Vorliegen sämtlicher Begriffsmerkmale kann aus Indizien hergeleitet werden.
26 Nach diesen Maßgaben können die Kläger die Vereinseigenschaft der Klägerin zu 1 nicht mit Erfolg in Abrede stellen. Ihre Einlassung, „DawaFFM“ sei eine bloße Internetplattform, führt nicht weiter. Denn entscheidend ist, wer hinter dieser im Internet benutzten Bezeichnung steht und sich ihrer für die Verfolgung seiner Ziele bedient. Die Behauptung der Kläger, dies sei Herr K. als Einzelperson, kann schon deshalb nicht zutreffen, weil nur der Domainname „dawaffm.net“ für Herrn K. registriert ist, wogegen als Inhaber von „dawaffm.de“ und „dawaffm.com“ Herr H. geführt wird (Dok. V 12, DomainTools und Denic). Die von der Beklagten beigebrachten Indizien belegen vielmehr, dass hinter den unter der Bezeichnung „DawaFFM“ verfolgten Aktivitäten die Klägerin zu 1 steht, zu der sich mehrere Personen unter Schaffung von Strukturen für eine organisierte Willensbildung dauerhaft mit dem Ziel zusammengeschlossen haben, das von ihnen für richtig erachtete Verständnis des Islam und des islamischen Rechts sowie der daraus abgeleiteten Verhaltenspflichten zu verbreiten und im Zusammenhang damit auch Freizeitaktivitäten zu organisieren.
27 Das Bestehen eines auf Dauer angelegten Personenzusammenschlusses mit dem genannten Ziel verdeutlicht eine von der Klägerin zu 1 via Internet verbreitete Erklärung, in der sie selbst ausdrücklich von der Gründung einer Gruppe im Jahre 2008 mit dem Namen „DawaFFM“ spricht, die der Jugend eine Plattform als Grundlage für die Lehre des Islam und für eine soziale Gemeinschaft bieten solle (Dok. V 1, dawaffm.de, Dok V 13, DAWAFFM - YouTube). Entsprechend hat Herr R. bei seiner Vernehmung als Zeuge durch das Bundeskriminalamt in anderer Sache bekundet, „DawaFFM“ habe bis zu 20 Mitglieder, die in enger Verbindung stünden, regelmäßig in die Ginnheim-Moschee zu Vorträgen von ihm, R., kämen, und weitere Aktivitäten wie Schwimmen, Grillen und Fußballspielen entfalteten (von der Beklagten im Klageverfahren vorgelegte Anlage - im Folgenden Anl. B - 1, Zeugenvernehmung R., S. 4 f.). Auch Herr K. hat bei einer parallelen Zeugenvernehmung durch das Bundeskriminalamt von „DawaFFM“ als einer sich entwickelnden Gruppe und deren Tätigkeit zur Verbreitung der Lehren des Herrn R. berichtet (Anl. B 2, Zeugenvernehmung K., S. 5). Für den korporativen Charakter der Klägerin zu 1 sprechen zudem ihre häufig verwandte Selbstbezeichnung als „Dawaffm Team“ (Dok. V 15c, Video Dawaffm Team in Wien; Dok. V 47, Dawaffm Newsletter vom 20. Juni 2011; Dok. V 48c, DawaFfm Facebook), ihr Auftreten unter einem Logo, insbesondere einem solchen mit der stilisierten Skyline von Frankfurt am Main und dem Namenszug „DAWAFFM“ (Dok. V 12, Internetpräsenzen und Logos), ihre Spendenaufrufe (Dok. V 48b, dawaffm.de, Dok. V 48c, DawaFfm Facebook), das Versenden eines „Newsletters“ im Internet (Dok. V 47, Dok. V 46 und Dok. V 5b, DawaFFM Newsletter vom 20. Juni, 18. Juli und 27. August 2011) und der Betrieb eines Internetshops (Dok. V 11, Neues im DawaFFM-Shop YouTube).
28 Ebenso aussagekräftige Hinweise gibt es dafür, dass die Klägerin zu 1 im Interesse einer organisierten Gesamtwillensbildung Zuständigkeiten verteilt und ein arbeitsteiliges Zusammenwirken von Personen geregelt hat. So wird die Bezeichnung als Amir, das heißt als Vorsitzender der Klägerin zu 1 für Herrn K. nicht nur von diesem selbst (Dok. V 4, SMS-Ausdruck), sondern auch von anderen (Anl. B, DVD, Video DVCI0001.MP 4) verwandt. Weiter hat Herr R. in seiner bereits erwähnten Zeugenvernehmung durch das Bundeskriminalamt erklärt, die von ihm gehaltenen Vorträge nehme Herr K. (Abu S.) auf Video auf, wobei ihm Herr H. (Sa...) helfe. Herr K. betreue auch die Internetseite, während er, R., zumeist kontrolliere, was dort eingestellt werde (Anl. B 1, Zeugenvernehmung R., S. 4). Eine weitere Ausgestaltung dieser Arbeitsteilung ergibt sich aus der im Internet verbreiteten Mitteilung, dass für Fragen zum Islam Herr R. und für Fragen der Organisation bzw. generell für Fragen, Kritik und Anregungen Herr H. zuständig seien (Dok. V 5a, dawaffm.net; Dok. V 5b, dawaffm Newsletter vom 27. August 2011).
29 Die bei der Klägerin zu 1 allgemein bestehenden Organisationsstrukturen finden ihren Ausdruck des Weiteren darin, dass feste Zeiten des Auftretens von Herrn R. zum Unterricht bekannt gegeben werden und regelmäßig Freizeitaktivitäten stattfinden (Dok V 13, DAWAFFM - YouTube). In diesen Zusammenhang gehört weiter, dass bei Herrn K. eine Liste mit Namen und zugeordneten Geldleistungen aufgefunden worden ist, die die Vermerke „www.dawaffm.de“, „DA3WA Projekt Frankfurt“ und „Monatliche Beitrag Jahr 2009“ trägt und an deren Spitze die Namen der Herren R. und K. (A... und Abu S.) stehen (Dok. V 2). Selbst wenn sich diese Zusammenstellung, wie die Kläger geltend machen, nicht auf geleistete Mitgliedsbeiträge, sondern auf Gelder beziehen sollte, die während eines beschränkten Zeitraums für die Veranstaltung von Jugendfreizeitaktivitäten eingesammelt worden sind, belegt sie doch die organisatorische Kraft der Klägerin zu 1. Ihr Einwand, die Liste sei von einem - nicht mit Namen genannten - Moscheebesucher angefertigt worden, stellt ersichtlich eine bloße Ausflucht dar.
30 bb) Zugunsten der Klägerin zu 1 ist in Rechnung zu stellen, dass sie als Verein einen religiösen Charakter hat und sich deshalb auf das Grundrecht der religiösen Vereinigungsfreiheit berufen kann, die von dem Grundrecht der Religionsfreiheit aus Art. 4 Abs. 1 und 2 GG umfasst wird (BVerfG, Beschlüsse vom 5. Februar 1991 - 2 BvR 263/86 - BVerfGE 83, 341 <354> und vom 26. Juni 2002 - 1 BvR 670/91 - BVerfGE 105, 279 <293 f.>).
31 Zwar steht dieser Umstand der Anwendbarkeit der in § 3 Abs. 1 Satz 1 VereinsG i.V.m. Art. 9 Abs. 2 GG geregelten Verbotsgründe nicht entgegen. Denn diesen Gründen unterfallen nach der Rechtsprechung des Senats (Urteil vom 25. Januar 2006 - BVerwG 6 A 6.05 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 44 Rn. 12) auch Religionsgesellschaften im Sinne des Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 WRV, so dass ihre Anwendung auf die im Vergleich mit den Religionsgesellschaften weniger schützenswerten religiösen Vereine erst recht geboten ist. Jedoch kommt der religiösen Vereinigungsfreiheit auch dann besonderes Gewicht zu, wenn sich der Staat mit religiösen Vereinen auseinanderzusetzen hat, die sich ihm sowie seiner Verfassungs- und Rechtsordnung gegenüber kritisch verhalten. Sie beeinflusst auch dann die Prüfung, ob der religiöse Verein im konkreten Fall einen Verbotsgrund erfüllt hat. Das Verbot muss sich unter Berücksichtigung der religiösen Vereinigungsfreiheit zu dem mit ihm bezweckten Schutz von Verfassungsgütern als unerlässlich erweisen. Dadurch wird zugleich den Anforderungen des verfassungsrechtlichen Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit Rechnung getragen (vgl. dazu: BVerfG, Kammerbeschluss vom 2. Oktober 2003 - 1 BvR 536/03 - NJW 2004, 47 <48>, BVerwG, Urteile vom 27. November 2002 - BVerwG 6 A 4.02 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 35 S. 46 und vom 25. Januar 2006 a.a.O. Rn. 12 f.).
32 Selbst wenn bei der Bewertung von Zweck und Tätigkeiten der Klägerin zu 1 der Schutz berücksichtigt wird, den die religiöse Vereinigungsfreiheit ihr verleiht, erfüllt sie die Verbotstatbestände des Art. 9 Abs. 2 GG.
33 cc) Nach dem Gesamtbild der von der Beklagten beigebrachten Unterlagen richtet sich die Klägerin zu 1 gegen die verfassungsmäßige Ordnung. Sie erfüllt die Voraussetzungen des Verbotsgrunds aus § 3 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 VereinsG i.V.m. Art. 9 Abs. 2 GG Alt. 2 GG (1), weil sie nicht nur auf der Scharia beruhende, im Widerspruch zur Verfassungsordnung des Grundgesetzes stehende Lehren als Glaubensinhalt vertritt und für sie wirbt (2), sondern auch auf die Umsetzung dieser Lehren oder aus ihnen hergeleiteter Verhaltenspflichten in Deutschland hinwirkt (3) und dabei eine kämpferisch-aggressive Haltung gegenüber der verfassungsmäßigen Ordnung einnimmt, die ihren Charakter prägt und die Beendigung ihrer Existenz als Verein als unerlässlich erscheinen lässt (4).
34 (1) Zur verfassungsmäßigen Ordnung gehören vor allem die Achtung vor den im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechten sowie das demokratische Prinzip mit der Verantwortlichkeit der Regierung, das Mehrparteienprinzip und das Recht auf verfassungsmäßige Bildung und Ausübung einer Opposition (vgl. aus der neueren Rechtsprechung des Senats: Urteile vom 1. September 2010 - BVerwG 6 A 4.09 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 55 Rn. 13 und vom 19. Dezember 2012 - BVerwG 6 A 6.11 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 59 Rn. 13). Mit diesen Gewährleistungen eng verbunden und damit von dem Begriff der verfassungsmäßigen Ordnung umfasst ist das Rechtsstaatsprinzip (Urteil vom 27. November 2002 - BVerwG 6 A 4.02 - a.a.O. S. 43).
35 Das Verbot einer Vereinigung ist nicht schon dann gerechtfertigt, wenn diese die verfassungsmäßige Ordnung lediglich ablehnt und ihr andere Grundsätze entgegenstellt. Die Vereinigung muss ihre verfassungsfeindlichen Ziele vielmehr kämpferisch-aggressiv verwirklichen wollen. Dies ist nicht erst dann zu bejahen, wenn die Vereinigung ihre Ziele durch Gewaltanwendung oder sonstige Rechtsverletzungen zu verwirklichen sucht; es genügt, dass sie die verfassungsmäßige Ordnung fortlaufend untergraben will. Dabei lassen sich die gegen die verfassungsmäßige Ordnung gerichteten Ziele einer Vereinigung vor allem ihrem Auftreten in der Öffentlichkeit, ihren Publikationen sowie den Äußerungen und der Grundeinstellung ihrer Funktionsträger entnehmen. Da Vereinigungen etwaige verfassungsfeindliche Bestrebungen erfahrungsgemäß zu verheimlichen trachten, wird sich der Verbotstatbestand in der Regel nur aus dem Gesamtbild ergeben, das sich aus einzelnen Äußerungen und Verhaltensweisen zusammenfügt. Der Umstand, dass diese Belege gegebenenfalls einer mehr oder weniger großen Zahl unverfänglicher Sachverhalte scheinbar untergeordnet sind, besagt allein nichts über ihre Aussagekraft. Stammen Texte und Äußerungen von leitenden Mitgliedern einer Vereinigung oder wird ihr Inhalt von ihnen erkennbar befürwortet, sind diese Äußerungen und Texte der Vereinigung auch dann zuzurechnen, wenn sie als solche nicht für die Vereinstätigkeit erstellt oder in ihr verwandt worden sind, jedoch den ideologischen Hintergrund kennzeichnen, vor dem die Verantwortlichen der Vereinigung handeln. Das kämpferisch-aggressive Wirken gegen die verfassungsmäßige Ordnung muss den Verein derart prägen, dass die verfassungsmäßige Ordnung durch die Existenz des Vereins als solchem gefährdet wird (vgl. insgesamt: Urteile vom 1. September 2010 a.a.O. Rn. 13 f., 30 und vom 19. Dezember 2012 a.a.O. Rn. 14, 17 f.).
36 Für das Verbot eines religiösen Vereins als verfassungswidrig, dürfen die staatlichen Stellen vor dem Hintergrund des Art. 4 Abs. 1 und 2 GG nicht die von dem Verein vertretenen und beworbenen Glaubensinhalte als solche als richtig oder falsch bewerten. Demgegenüber ist auch der neutrale Staat nicht gehindert, das tatsächliche Verhalten einer religiösen Gruppierung oder ihrer Mitglieder und seine Auswirkungen auf Staat und Gesellschaft nach staatlichem Recht zu beurteilen, selbst wenn dieses Verhalten letztlich auf Glaubensinhalten beruht. Hiernach reicht die in einer religiösen Vereinigung vertretene bloße Überzeugung, göttliche Gebote gingen dem staatlichen Gesetz vor, für die Annahme der Verfassungswidrigkeit ebenso wenig aus wie eine abstrakte Kritik am Verfassungssystem der Bundesrepublik Deutschland, die unter Wahrung der Bereitschaft zu rechtskonformem Handeln geäußert wird. Erforderlich ist der Nachweis, dass sich ein religiöser Verein nicht darauf beschränkt, sich mit religiös begründeten, in Widerspruch zu grundlegenden Verfassungsprinzipien stehenden Lehren als Glaubensinhalt zu befassen und in diesem Sinne für sie zu werben, sondern die konkrete Umsetzung dieser Lehren oder aus ihnen hergeleiteter Verhaltenspflichten in Deutschland propagiert bzw. fördert (vgl. dazu: BVerfG, Urteil vom 19. Dezember 2000 - 2 BvR 1500/97 - BVerfGE 102, 370 <391 ff.> und Beschluss vom 26. Juni 2002 - 1 BvR 670/91 - BVerwGE 105, 279 <293 ff.>, Kammerbeschluss vom 2. Oktober 2003 a.a.O. S. 48, BVerwG, Urteil vom 27. November 2002 - BVerwG 6 A 4.02 - a.a.O. S. 43 ff., vgl. zu Art. 9 EMRK: EGMR (GK), Urteil vom 13. Februar 2003 - Nr. 41 340/98; Nr. 41 342/98; Nr. 41 343/98; Nr. 41 344/98, Refah Partisi u.a./Türkei - NVwZ 2003, 1489 <1491 f.>).
37 (2) Den von der Klägerin zu 1 vertretenen und verbreiteten Lehren liegt eine Werteordnung zu Grunde, die im Widerspruch zu derjenigen des Grundgesetzes steht. Von besonderem Gewicht ist dabei die Nichtanerkennung des Rechts auf Leben und körperliche Unversehrtheit gemäß Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG durch die Propagierung von in der Scharia vorgesehenen grausamen Strafen. Diese Strafen beziehen sich auf religiöse Verfehlungen, die durch eine - ihrerseits mit Art. 4 GG unvereinbare - religiöse Intoleranz definiert sind. Sie werden darüber hinaus für Fälle allgemeiner Kriminalität gefordert. Hinzu kommt die Befürwortung von gleichfalls aus Vorgaben der Scharia abgeleiteten Verhaltensweisen, die dem Verfassungsgebot der Gleichberechtigung von Frauen und Männern aus Art. 3 Abs. 2 Satz 1 GG zuwiderlaufen. Das hierin zum Ausdruck kommende Verständnis der Scharia als eines von Gott gesetzten und deshalb allen staatlichen Gesetzen übergeordneten Rechts steht in Widerspruch zu den grundgesetzlichen Prinzipien des Rechtsstaats bzw. der Demokratie (vgl. EGMR (GK), Urteil vom 13. Februar 2003 a.a.O. S. 1495).
38 Bei Herrn K. sind ca. 60 Stücke der Publikation von Sherif Abdel Azim mit dem Titel „Die Frau im Islam“ (Dok V 18, Auszüge der Übersetzung aus dem Arabischen) und ebenso viele Exemplare des von der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien (Anl. B 6, Entscheidung Nr. 10528 <V> vom 8. Juni 2012) in Teil A der Liste der jugendgefährdenden Medien nach § 18 Abs. 2 Nr. 1 JuSchG aufgenommenen Buches von Abdul-Rahman Al-Sheha mit dem Titel „Missverständnisse über Menschenrechte im Islam“ (Anl. B 4, aus dem Arabischen übersetzte Fassung) aufgefunden worden. In diesen Schriften wird etwa das Schlagen der Ehefrau, die gegen die Gebote Allahs verstößt, befürwortet (Dok. V 18, Sherif Abdel Azim, Die Frau im Islam, S. 44 ff.). Die Tötung derjenigen, die dem islamischen Glauben abtrünnig werden, wird als Erlösung für die restlichen Mitglieder der Gesellschaft gerechtfertigt (Anl. B 4, Abdul-Rahman Al-Sheha, Missverständnisse über Menschenrechte im Islam, S. 130 ff.). Die Strafen etwa der Handamputation bei qualifiziertem Diebstahl, des Kreuzigens und Tötens bei raubähnlichen Delikten, des Auspeitschens bei religiösen Verfehlungen und bei unzüchtigem Verhalten sowie des Steinigens bei Ehebruch werden als gerecht, praktikabel, logisch und im eigenen Interesse der Delinquenten liegend geschildert (Anl. B 4, Abdul-Rahman Al-Sheha, Missverständnisse über Menschenrechte im Islam, S. 37 f., 122 f., 125, 128 f.). Der Umstand, dass ein in führender Position tätiges Vereinsmitglied die Schriften in beachtlicher Zahl vorgehalten hat, rechtfertigt den Schluss, dass sich die Klägerin zu 1 mit ihrem Inhalt identifiziert und sie zum Zweck der Verbreitung ihres Inhalts verteilt wissen wollte.
39 Die Kläger machen geltend, der Inhalt der Schriften stelle eine allgemeine Auseinandersetzung mit den Lehren des Islam dar und beziehe sich ausschließlich auf islamische Staaten, in denen die Scharia gelte und im Sinne des staatlichen Gewaltmonopols von Richtern angewandt werde. Durch die Übernahme und Verbreitung der entsprechenden Aussagen stelle die Klägerin zu 1 nicht die hiesige staatliche Ordnung in Frage. Dieser Einwand ist zwar unter Berücksichtigung des Charakters der Klägerin zu 1 als religiöser Verein im Ansatz beachtlich. Denn das mit der Sanktionierung durch ein Vereinsverbot bedrohte Verständnis, die Klägerin zu 1 habe sich mit dem Inhalt der Schriften identifiziert und diesen verbreitet, um ihn in Deutschland in die Tat umzusetzen oder dazu aufzurufen, setzt vor dem Hintergrund der grundrechtlichen Gewährleistung des Art. 4 Abs. 1 und 2 GG und des verfassungsrechtlichen Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit voraus, dass die Auslegungsvariante, die Klägerin zu 1 habe die Aussagen der Schriften nur als Glaubensinhalt und damit zusammenhängend als Verweis auf die Rechtsordnung islamischer Staaten aufgenommen und beworben, mit tragfähigen Gründen ausgeschlossen werden kann (vgl. entsprechend für die Anwendung sanktionierender Normen auf Meinungsäußerungen im Sinne des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG: BVerfG, Beschluss vom 10. Oktober 1995 - 1 BvR 1476/91 u.a. - BVerfGE 93, 266 <295 f.>, Kammerbeschluss vom 24. September 2009 - 2 BvR 2179/09 - NJW 2009, 3503 <3504>). Letzteres ist bei isolierter Betrachtung der Rezeption der Schriften durch die Klägerin zu 1 nicht der Fall. Jedoch hat die Klägerin zu 1 durch weitere Aktivitäten belegt, dass sie für die konkrete Umsetzung der in Rede stehenden Lehren oder aus ihnen hergeleiteter Verhaltenspflichten auch in Deutschland eintritt. Diese Aktivitäten sind der Beweiswürdigung durch den Senat unmittelbar zugänglich. Der von den Klägern beantragten Einholung eines Sachverständigengutachtens zu dem Bedeutungsgehalt der in Rede stehenden Schriften außerhalb Deutschlands (Nr. I.3. der Anlage zum Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 14. Mai 2014) bedurfte es deshalb nicht.
40 (3) Dass die Klägerin zu 1 auf eine Verwirklichung ihrer religiös motivierten und verfassungswidrigen Forderungen und daraus hergeleiteter Verhaltenspflichten in Deutschland hinwirkt, wird zum einen durch ihre Reaktion auf gewalttätige Proteste gegen das Zeigen der sogenannten Mohammed-Karikaturen im Mai 2012 in Nordrhein-Westfalen belegt (α). Es ergibt sich zum anderen aus der Aufzeichnung eines Rollenspiels, das führende Mitglieder der Klägerin zu 1 - Herr K. und Herr H. - mit dem minderjährigen Sohn des Herrn K. veranstaltet haben (β).
41 α) Die Klägerin zu 1 hat die gewalttätigen Ausschreitungen, die am 1. und 5. Mai 2012 in Solingen und Bonn im Zusammenhang mit Demonstrationen gegen Veranstaltungen stattgefunden haben, in denen die sogenannten Mohammed-Karikaturen gezeigt wurden, und in deren Verlauf mehrere Polizeibeamte zum Teil schwer verletzt worden sind (vgl. zusammenfassend: Anl. B 27, Hessisches Ministerium des Innern und für Sport, Verfassungsschutz in Hessen, Bericht 2012, S. 32 f.), öffentlich im Sinne gerechtfertigter Selbstjustiz gebilligt. Sie hat darüber hinaus die Drohung mit weiterer Gewalt gegen staatliche deutsche Einrichtungen und gegen deutsche Staatsbürger bzw. mit der Aufstachelung zu solcher Gewalt verbreitet.
42 In einem mit dem Logo der Klägerin zu 1 versehenen und auf einem ihr zugewiesenen YouTube-Kanal verbreiteten Video lässt sich das für sie in führender Funktion tätige Mitglied R. zu den Ausschreitungen am 1. Mai 2012 in Solingen dahingehend ein, die Brüder hätten „nichts gemacht“. Aber als sie dadurch provoziert worden seien, dass die Nazis die Karikatur des Gesandten Allahs gezeigt hätten, sei dies nicht mehr gegangen: „Wie kannst Du das sehen und sagen, kein Problem.“ Denen, die sagten, es sei nicht gut, was die Brüder getan hätten, sei entgegenzuhalten, dass es nicht um Frau oder K., sondern um den Gesandten Allahs gegangen sei. Man sei „stolz auf diese Brüder, was die gemacht haben“. Entsprechend werde am Tag des Jüngsten Gerichts der Gesandte Allahs sich denjenigen gegenüber äußern, die im Knast gewesen seien, weil die anderen ihn beleidigt hätten (Dok. V 43, Video Sheikh A... - Stellungnahme bezüglich 1. Mai in Solingen; Anl. B 15, Abschrift der Stellungnahme mit Übersetzung der arabischen Passagen, S. 3, 5). In vergleichbarer Weise kommentiert Herr R. in einem mit dem Logo und auf dem Verbreitungsweg der Klägerin zu 1 zugänglich gemachten Video die Ausschreitungen am 5. Mai 2012 in Bonn. Die Brüder hätten „so Sachen“ nicht machen wollen, seien aber durch die „dreckigen Ungläubigen“ provoziert worden. Er, R., liebe alle „Brüder, die teilgenommen“ hätten und wünsche, dass Allah ihnen „die beste Stufe im Paradies“ geben möge. Es sei eine Ehre, dass jemand nur wegen der Verteidigung des Gesandten Allahs in den Knast gekommen sei. Diesem sei die Belohnung durch Allah gewiss (Dok. V 44, Video Sheikh A... - Stellungnahme bezüglich 5. Mai in Bonn; Anl. B 16, Abschrift mit Übersetzung der arabischen Passagen, S. 1).
43 In diesen Äußerungen liegt eine schwerwiegende Missachtung des in Art. 20 GG angelegten Rechtsstaatsprinzips. Dies gilt unabhängig davon, ob - wie die Kläger meinen - das Zeigen der sogenannten Mohammed-Karikaturen in den Veranstaltungen, gegen die sich die Demonstrationen richteten, in deren Verlauf es zu den gewaltsamen Ausschreitungen kam, einen Straftatbestand erfüllte. Denn der Rechtsstaat verwehrt es - abgesehen von gesetzlich geregelten Ausnahmefällen - dem Bürger, sein wirkliches oder vermeintliches Recht gegenüber den staatlichen Organen oder gegenüber Mitbürgern mit Gewalt durchzusetzen. Der Einzelne ist vielmehr darauf verwiesen, sein Recht vor staatlichen Gerichten zu suchen und es mit Hilfe der Staatsgewalt zu vollstrecken. Aus dem Verbot der Privatgewalt und der Verstaatlichung der Rechtsdurchsetzung folgt umgekehrt die Pflicht des Staates, für die Sicherheit seiner Bürger zu sorgen und die Beachtung ihrer Rechte sicherzustellen (BVerfG, Beschluss vom 25. Februar 1987 - 1 BvR 1086/85 - BVerfGE 74, 257 <261 f.>, Schulze-Fielitz, in: Dreier <Hrsg.>, GG, Bd. 2, 2. Aufl. 2006, Art. 20 <Rechtsstaat> Rn. 211, 214; vgl. auch: BVerfG, Kammerbeschluss vom 2. Oktober 2003 - 1 BvR 536/03 - NJW 2004, 47 <48>, BVerwG, Urteil vom 27. November 2002 - BVerwG 6 A 4.02 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 35 S. 43). Diesen Prinzipien hat sich die Klägerin zu 1 jedenfalls für den Fall, dass der Gesandte Allahs - das heißt der Prophet Mohammed - beleidigt und damit ein zentraler Punkt ihres Verständnisses des Islam und des islamischen Rechts angegriffen wird, mit aller Konsequenz entgegengestellt. Die von ihr verbreiteten Ausführungen ihres führenden Mitglieds R. können nur in dem Sinn verstanden werden, dass derjenige, der den besagten Angriff unternimmt, mit den denkbar strengsten Sanktionen rechnen muss, weil Moslems nach dem religiös-rechtlichen Verständnis der Klägerin zu 1 zu deren Vornahme verpflichtet sind, gleichviel wie sich die deutsche Rechtsordnung hierzu verhält.
44 Dem von den Klägern gestellten Antrag, ein Sachverständigengutachten zum Beweis dafür einzuholen, dass die herangezogenen Textstellen zum Teil falsch und tendenziös übersetzt seien und im Verständnis von Muslimen, an die sich ihr Inhalt richte, keine Rechtfertigung von Gewalt enthielten, sondern sich auf das Lob und die Belohnung für das öffentliche Eintreten für den Propheten bezögen (Nr. I. 1. a) bis c) der Anlage zum Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 14. Mai 2014), musste der Senat nicht nachkommen. Abgesehen davon, dass Übersetzungsfragen nicht durch einen Sachverständigen, sondern durch die in der mündlichen Verhandlung anwesende Dolmetscherin zu klären gewesen wären, hat sich Herr R. bei seinen hier in Rede stehenden Aussagen ganz überwiegend der deutschen Sprache bedient. Im Übrigen oblag es dem Senat, den Sinn dieser Äußerungen - wie geschehen - im Wege der richterlichen Beweiswürdigung zu erschließen. Dies gilt umso mehr, als das Verständnis der Ausführungen durch die in dem Beweisantrag pauschal bezeichnete Gruppe der Moslems keinen geeigneten Ansatz für eine sachverständige Begutachtung darstellt. Denn Herr R. macht in seinen Ausführungen selbst deutlich, dass er sich mit seiner der Klägerin zu 1 zurechenbaren Bewertung der gewalttätigen Ausschreitungen als Reaktion auf das Zeigen der Mohammed-Karikaturen gerade nicht in Übereinstimmung mit dem Verständnis der Mehrheit der Moslems sieht. So wirft er denen, die zuständig wären zu reden - „die Muslime, die Vereine, dieser Zentralrat“ - , vor, sich zwar gegen die sogenannte Koranverteilung geäußert, jedoch angesichts der Beleidigung des Propheten durch das Zeigen der Mohammed- Karikaturen geschwiegen oder gar dem Vorwurf, dass Salafisten die Polizei angegriffen hätten, zugestimmt zu haben. Er fordert die Mehrheit der Moslems deshalb nachgerade auf, von ihrem religiösen Verständnis zu lassen und seiner davon abweichenden Interpretation von islamischer Religion und islamischem Recht beizutreten, die das Üben gewaltsamer Selbstjustiz jedenfalls bei einer Beleidigung des Propheten einschließt: „Entweder du bist ein Moslem, oder ein Ungläubiger ... oder ein Heuchler und deine Heuchelei macht dich zum (Ungläubigen)“ (Dok. V 43, Video Sheikh A... - Stellungnahme bezüglich 1. Mai in Solingen; Anl. B 15, Abschrift mit Übersetzung der arabischen Passagen, S. 2, 4 f.).
45 Dem Antrag der Kläger auf Vernehmung des Herrn R. als Zeugen über seine mit seinen Äußerungen verfolgten Absichten (Nr. II. der Anlage zum Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 14. Mai 2014) musste der Senat gleichfalls nicht folgen. Es liegt auf der Hand, dass nicht der Sinn, den Herr R. subjektiv seinen Aussagen - zumal heute - beimisst, entscheidend ist, sondern dass es darauf ankommt, wie diese nach ihrem Wortlaut und Zusammenhang objektiv zu verstehen sind.
46 Eine Ergänzung und Verschärfung der auf eine Rechtfertigung eines gewalttätigen Verhaltens hinauslaufenden und der Klägerin zu 1 zurechenbaren Stellungnahmen des Herrn R. zu den Vorkommnissen in Solingen und Bonn im Mai 2012 stellt eine Erklärung des Predigers Abu A... dar, die die Klägerin zu 1 in einem Video auf einem ihrer YouTube-Kanäle mit ihrem Logo verbreitet hat und die ihr deshalb zugerechnet werden muss. Der Prediger spricht in Bezug auf die besagten Vorkommnisse von nicht hinnehmbaren Provokationen für die Muslime und davon, dass ein Übel passieren werde. Er weist die Bundeskanzlerin und den Bundesminister des Innern darauf hin, dass in Deutschland Millionen von Muslimen lebten und deutsche Bürger sich überall in den islamischen Ländern aufhielten. Man habe gesehen, „was passiert ist nach den Karikaturen von Kurt Westergaard“, nämlich dass „Menschen gestorben sind auf dieser Erde“. Man sei für ein friedliches Zusammenleben und gegen eine Eskalation. Aber dafür, „dass deutsches Blut auch nirgendwo vergossen wird“ müssten die Bundeskanzlerin und der Bundesminister des Innern „ganz genau wissen, dass sie ihre Bürger in Gefahr setzen, wenn sie das zulassen“. Die deutschen Bürger und „die, die in der Botschaft arbeiten“, seien in Gefahr. Die angesprochenen Regierungsmitglieder sollten ihre Bürger und die Muslime beschützen (Dok. V 21, Video Abu A... - Ein Appell an Frau Merkel, auszugsweise Abschrift in der Klageerwiderung S. 33).
47 In dieser Erklärung wird der vorgebliche Wunsch nach einem friedlichen Zusammenleben und einer Eskalationsvermeidung ersichtlich nur vorgeschoben, um eine harmlos klingende Einkleidung für eine in ihrem Kern unverhohlene Drohung mit weiterer, gegen staatliche Einrichtungen Deutschlands oder deutsche Staatsbürger gerichteter Gewalt bzw. mit einer Aufstachelung zu solcher Gewalt zu schaffen.
48 Die Kläger haben sich schließlich nicht gescheut, ihrer das staatliche Gewaltmonopol verneinenden Einstellung noch im Klageverfahren Raum zu geben. Sie haben sich sinngemäß dahingehend eingelassen, das Zeigen der sogenannten Mohammed-Karikaturen habe als Meinungsäußerung nicht hingenommen werden müssen und betonen eine erhebliche Mitverantwortung der deutschen Sicherheitsbehörden und der deutschen Justiz an der späteren Auseinandersetzung.
49 (β) Die Klägerin zu 1 verbreitet die von ihr vertretenen, im Gegensatz zur Werteordnung des Grundgesetzes stehenden Lehren zum Islam und zum islamischen Recht auch durch gezielte Einwirkung auf Minderjährige. Dies geschieht deutlich mit der Option der konkreten Anwendung dieser Lehren auch in Deutschland.
50 In einem Rollenspiel, das unter anderem die Herren K. und H. als führende Mitglieder der Klägerin zu 1 mit dem minderjährigen Sohn des Herrn K. veranstaltet und in einem beschlagnahmten Video festgehalten haben, spielt das Kind einen Sheik, der Suggestivfragen der Erwachsenen beantwortet. Das Kind wird dazu gebracht, die Demokratie als bekanntesten Teufel unserer Zeit zu bezeichnen. Es wird weiter dafür gesorgt, dass das Kind die Auffassung gewinnt, es sei legitim, Ungläubige auch in Deutschland zu töten und sich danach ihr Eigentum - benutzt wird das kindgerechte Beispiel eines Playstationspiels - anzueignen (Anl. B, Video auf DVD 3; Anl. B 17, Abschrift).
51 (4) Die Klägerin zu 1 lehnt die verfassungsmäßige Ordnung nicht lediglich ab, sondern nimmt ihr gegenüber eine kämpferisch-aggressive Haltung ein. Wenn sie zur konkreten Umsetzung von Teilen ihres in Widerspruch zur Werteordnung des Grundgesetzes stehenden Verständnisses des Islam und des islamischen Rechts schreitet, schreckt sie nicht davor zurück, das staatliche Gewaltmonopol zu leugnen, indem sie die gewaltsame Ausübung von Selbstjustiz und die Drohung mit weiterer Gewalt rechtfertigt und billigt sowie zu solcher Gewalt aufstachelt.
52 Durch diese kämpferisch-aggressive Haltung gegenüber der verfassungsmäßigen Ordnung wird die Klägerin zu 1 insgesamt geprägt. Sie ist auf der Grundlage ihres religiös-rechtlichen Verständnisses von einem fanatischen Freund-Feind-Denken durchdrungen. Die Gefahr, dass sie die Grenze von einer Pflege dieses Verständnisses als Glaubensinhalt hin zu weiteren konkreten, nicht vorhersehbaren, die Billigung von Gewalt einschließenden Umsetzungsakten überschreitet und dadurch die verfassungsmäßige Ordnung gefährdet, besteht permanent. Dieser Gefahr kann entgegen der Ansicht der Kläger auch unter Berücksichtigung des verfassungsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nur dadurch begegnet werden, dass die Existenz der Klägerin zu 1 als Verein beendet wird. Ebenso ist deren Verbot vor dem Hintergrund der religiösen Vereinigungsfreiheit aus Art. 4 Abs. 1 und 2 GG unerlässlich.
53 dd) Die von der Beklagten beigebrachten Belege rechtfertigen in ihrer Gesamtheit den Schluss, dass die Klägerin zu 1 sich gegen den Gedanken der Völkerverständigung richtet. Die Voraussetzungen des Verbotsgrunds aus § 3 Abs. 1 Satz 1 Alt. 3 VereinsG i.V.m. Art. 9 Abs. 2 Alt. 3 GG (1) verwirklicht die Klägerin zu 1 in objektiver und subjektiver Hinsicht, weil sie - wie bereits ausgeführt - staatlichen Einrichtungen Deutschlands oder deutschen Staatsbürgern mit Gewalt droht sowie zu solcher Gewalt aufstachelt (2) sowie darüber hinaus den gewaltsamen Dschihad jedenfalls in von religionsbezogenen Auseinandersetzungen betroffenen Staaten durch Äußerungen eines führenden Mitglieds (3) sowie die Verbreitung von gewaltverherrlichenden Kampfgesängen (4) und Gebeten mit der Bitte um die Vernichtung von andersgläubigen Menschen und Völkern (5) befürwortet und von Deutschland aus unterstützt und dadurch den Gedanken der Völkerverständigung schwerwiegend, ernst und nachhaltig in einer den Charakter des Vereins prägenden Weise beeinträchtigt (6).
54 (1) Die objektiven Voraussetzungen des Verbotsgrunds der Völkerverständigungswidrigkeit sind erfüllt, wenn die Tätigkeit oder der Zweck einer Vereinigung geeignet ist, den Gedanken der Völkerverständigung zu beeinträchtigen. Das ist nicht nur dann der Fall, wenn der Zweck oder die Tätigkeit darauf gerichtet ist, das friedliche Zusammenleben der Völker im Sinne von Art. 26 Abs. 1 Satz 1 GG zu stören. Vielmehr richtet sich ein Verein auch dann gegen den Gedanken der Völkerverständigung, wenn sein Zweck oder seine Tätigkeit der friedlichen Überwindung der Interessengegensätze von Völkern zuwiderläuft. Dies ist vor allem dann gegeben, wenn Gewalt in das Verhältnis von Völkern hineingetragen und insbesondere zur Tötung von Menschen aufgefordert wird. In einem solchen Fall ist es für die Erfüllung des objektiven Verbotstatbestandes nicht erforderlich, dass der Verein selbst Gewalt ausübt. Der Verbotsgrund bezieht sich nicht nur auf die friedlichen Beziehungen der Bundesrepublik Deutschland zu fremden Völkern, sondern auch auf den Frieden zwischen diesen. Der Verbotstatbestand ist nur erfüllt, wenn der Zweck oder die Tätigkeit des Vereins geeignet ist, den Gedanken der Völkerverständigung schwerwiegend, ernst und nachhaltig zu beeinträchtigen. Auch muss die Völkerverständigungswidrigkeit, um ein Verbot rechtfertigen zu können, den Charakter des Vereins prägen. Wenn das objektiv gegen den Gedanken der Völkerverständigung gerichtete Verhalten von einem entsprechenden Willen der Vereinigung getragen wird, ist der Verbotsgrund in subjektiver Hinsicht verwirklicht (vgl. insgesamt: Urteil vom 3. Dezember 2004 - BVerwG 6 A 10.02 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 41 S. 79 f., 83, Beschluss vom 24. Februar 2010 - BVerwG 6 A 7.08 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 53 Rn. 44).
55 Was das Verbot eines religiösen Vereins als völkerverständigungswidrig anbelangt, gelten für die Abgrenzung einer nicht bedeutsamen Befassung mit Glaubensinhalten von einem verbotsrelevanten Wirken im Grundsatz die gleichen Maßgaben wie im Zusammenhang mit dem Verbotsgrund der Verfassungswidrigkeit. Die im Folgenden behandelten, der Klägerin zu 1 zuzurechnenden Äußerungen überschreiten indes von ihrer Art her durchweg die insoweit bestehende Grenze.
56 (2) Wie bereits dargelegt, hat die Klägerin zu 1 nach den gewalttätigen Ausschreitungen im Zusammenhang mit dem Zeigen der sogenannten Mohammed-Karikaturen in Solingen und Bonn im Mai 2012 Drohungen mit weiterer Gewalt gegen staatliche Einrichtungen Deutschlands oder deutsche Staatsbürger bzw. mit der Aufstachelung zu solcher Gewalt verbreitet und dadurch ein für den Verbotsgrund der Verfassungswidrigkeit relevantes Verhalten an den Tag gelegt. Insbesondere soweit diese Drohungen deutschen Einrichtungen und Bürgern im islamischen Ausland gelten, sind sie darüber hinaus in objektiver und subjektiver Hinsicht gegen den Gedanken der Völkerverständigung gerichtet.
57 (3) Dass die Klägerin zu 1 - durch die religiöse Vereinigungsfreiheit keinesfalls geschützt - die Führung des gewaltsamen Dschihad jedenfalls in von religionsbezogenen Auseinandersetzungen betroffenen Staaten befürwortet und von Deutschland aus unterstützt, ergibt sich aus Äußerungen ihres führenden Mitglieds R.
58 Dieser hat sich bei seiner Vernehmung als Zeuge durch das Bundeskriminalamt in anderer Sache dahin eingelassen, Dschihad gebe es, wo es Krieg gebe. Damit meine er den „Dschihad aus der Seele“, der zum Beispiel in Palästina legitim sei (Anl. B 1, Zeugenvernehmung R., S. 7). Einen solchen „Dschihad der Seele“ im Sinne eines gewaltsamen Dschihads hat Herr R. auf einer als Benefizveranstaltung für Syrien gekennzeichneten Zusammenkunft propagiert. Die Klägerin zu 1 hat die auf einem Video festgehaltenen Ausführungen auf ihrem YouTube-Kanal verbreitet. Herr R. unterscheidet darin zwischen der Verpflichtung zum „Dschihad des Geldes“, den jeder machen könne, und dem „Dschihad der Seele“, den nicht jeder - etwa nicht Frauen, Kinder, behinderte Menschen und alte Männer - machen könne. Er erwähnt sodann die Brüder in Palästina, Afghanistan, Tschetschenien und auf den Philippinen und fügt hinzu, dass Allah ihnen helfen und auch den Märtyrertod ermöglichen möge (Dok. V 22, Video Syrien Benefizveranstaltung am 16.12.2012 mit auszugsweiser Abschrift und Übersetzung der arabischen Passagen). Die Kläger versuchen vergeblich, diese Ausführungen als reinen Aufruf zu Spenden für humanitäre Zwecke darzustellen. Entscheidend ist, dass Herr R. neben einer Verpflichtung zum Spenden die - implizit auf die kampffähigen Männer moslemischen Glaubens bezogene - Pflicht zu einem gewaltsamen Dschihad befürwortet.
59 Der Senat hatte keinen Anlass, das von den Klägern beantragte Sachverständigengutachten zum Beweis dafür einzuholen, dass die Ausführungen des Herrn R. für Moslems keine Aufforderung zu Gewalt, zur Tötung von Menschen bzw. zum Anschluss an den heiligen Krieg und auch keine Verherrlichung des heiligen Kriegs, keine Rechtfertigung von terroristischen Aktivitäten wie Selbstmordanschlägen gegen Zivilisten sowie keine Aufforderung zur Missachtung in Deutschland geltender Gesetze darstellten (Nr. I. 2. der Anlage zum Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 14. Mai 2014). Wie bereits ausgeführt, gibt es das pauschale Verständnis der Moslems, auf das auch dieser Beweisantrag abstellt, gerade aus der Sicht der Klägerin zu 1 nicht. Unabhängig hiervon unterfiel die Ermittlung des objektiven Bedeutungsgehalts der Erklärung des Herrn R. dem Kernbereich der dem Senat obliegenden und von ihm vorgenommenen Beweiswürdigung. Auf das unter Zeugenbeweis gestellte subjektive Verständnis seiner Äußerungen durch Herrn R. selbst (Nr. II. der Anlage zum Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 14. Mai 2014) kam es, wie schon dargelegt, auch in dem hier in Rede stehenden Zusammenhang nicht an.
60 (4) Den gewaltsamen Dschihad in dem beschriebenen Sinn propagiert die Klägerin zu 1 ferner durch die Verbreitung entsprechender gewaltverherrlichender Kampfgesänge (sogenannte Nashids).
61 Auf einem Videomitschnitt eines von der Klägerin zu 1 veranstalteten sogenannten Islamseminars wird das Lied „Wandert aus“ gesungen, das die Ausreise etwa nach Usbekistan und Afghanistan zum Zweck des Kampfes und des Sterbens als Märtyrer preist (Dok. V 15d, Video Islam Seminar in Mayen 2011, Abschrift in der Klageerwiderung S. 66 f.). Ein weiteres mit dem Logo der Klägerin zu 1 auf YouTube verbreitetes Video zeigt, wie die Anwesenden - darunter viele Kinder - das Lied „Ghuraba“ (Fremde) singen, in dem es unter anderem heißt: „Und von Neuem unternehmen wir den Dschihad und kämpfen und töten“ (Dok. V 27, Video Abu Walaa <Afasy> wunderschön Ghuraba Nasheed Kassel, teilübersetzt aus dem Arabischen in der Verbotsverfügung S. 19). Die Klägerin zu 1 bietet zudem vielfach Nashids als (Hintergrund-) Musik auf von ihr öffentlich gemachten Videos dar, in denen zur Gewaltausübung gegenüber Christen, Juden, Schiiten und Ungläubigen aufgerufen wird (Verbotsverfügung S. 18 ff.).
62 Die Feststellung des Aussagegehalts der Nashids oblag dem Senat im Rahmen der richterlichen Aufgabe zur Beweiswürdigung. Dem bereits erwähnten Beweisantrag der Kläger (Nr. I. 2. der Anlage zum Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 14. Mai 2014), der sich auch auf Nashids im Verständnis der pauschal in Bezug genommenen Gruppe der Moslems bezog, musste der Senat auch hier nicht nachkommen.
63 Dass der subjektive Tatbestand des Verbotsgrunds der Völkerverständigungswidrigkeit für die in Rede stehenden Nashids erfüllt ist, können die Kläger nicht mit ihrer Behauptung ausräumen, der der arabischen Sprache nicht mächtige Herr K. habe die Nashids aufgestöbert, als er im Internet auf der Suche nach Gesängen gewesen sei, die sich für Fußball spielende Jugendliche geeignet hätten. Er habe die Gesänge ohne Kenntnis ihres Inhalts heruntergeladen und sei im Übrigen davon ausgegangen, dass YouTube gewaltverherrlichende Texte sofort gelöscht hätte. Dieses Vorbringen wird dadurch widerlegt, dass jedenfalls einzelne der Nashids nicht aus dem Internet beschafft, sondern auf Veranstaltungen gesungen und dabei aufgenommen worden sind. Zudem unterlag Herr K., wie bereits dargelegt, bei der Einstellung von Videos in das Internet weithin der Kontrolle des arabischsprachigen Herrn R.
64 (5) Den gewaltsamen Dschihad und die Gewaltanwendung gegen Andersgläubiger fördert die Klägerin zu 1 schließlich dadurch, dass sie Videos, in denen verschiedene Prediger Bittgebete mit einem entsprechenden Inhalt darbieten, mit ihrem Logo versehen über einen ihr zugeordneten YouTube-Kanal einer Vielzahl von Menschen zur Kenntnis bringt.
65 In diesen Bittgebeten werden hasserfüllte Vernichtungswünsche gegen Amerika, Juden, Christen und Schiiten ausgestoßen und teilweise mit dem ausdrücklichen Appell an die Zuhörer verbunden, sich dem gewaltsamen Dschihad anzuschließen und auch vor dem (Märtyrer-) Tod nicht zurückzuschrecken. So bittet der Prediger Abu A...: „Oh Allah, nimm Dir Amerika und die Juden vor, ... zerstöre Amerika und die Juden ... nimm Dir Deine Feinde vor ... zerstöre sie vollständig und zerfetze sie in Stücke“ (Dok. V 37, Video Abu A... - Du´a auf Arabisch“, teilübersetzt aus dem Arabischen in der Klageerwiderung S. 67). In einem Bittgebet, mit dessen Text das als Standbild dargebotene Logo der Klägerin zu 1 unterlegt ist, heißt es: „Oh Allah, unterstütze unsere Brüder, die den Dschihad führen, an allen Orten ... rechne mit den Juden ab ... und mit den Christen ... und den Schiiten ... zähle sie und töte sie ... und lass von ihnen keinen Einzigen übrig“ (Dok. V 39, Video Du´a Salaat al Witr, teilübersetzt in der Klageerwiderung S. 69). Der Prediger Abu A... erbittet wiederum: „Verhilf dem Islam und den Muslimen zum Sieg. Bezwinge den Polytheismus und die Polytheisten ... Hilf dem Islam und den Muslimen, hilf den Mujahidin an allen Orten ... Mach, dass wir uns den Brüdern anschließen ... lass uns für Dich als Märtyrer sterben“ (Dok. V 41, Video Abu A... - Macht Dua, teilübersetzt aus dem Arabischen und mit überzeugenden Übersetzungserläuterungen versehen in der Klageerwiderung S. 70 ff.). Derselbe Prediger wünscht in Bezug auf Syrien: „Möge also Allah uns rechtleiten, unsere Brüder zu unterstützen, mit dem Wort und mit dem Geld und mit der Du'a und dass wir diese Körper aufopfern für unsere Geschwister im Din. Möge also Allah uns da einen Platz schenken, in dieser gesegneten Erde, die Erde für die großen Schlachten der letzten Zeit“ (Dok. V 42, Video Spende für Deine Geschwister in Syrien - Abu D..., Sheikh A..., Abu A..., Abschrift in der Klageerwiderung S. 73). Im Zusammenhang damit fleht der Prediger Abu D...: „Oh Allah, verleih unseren Geschwistern im Jemen, in Afghanistan, auf den Philippinen, im Irak, in Tschetschenien, in Somalia sowie an jedem anderen Ort den Sieg ... verleih uns Erfolg und stärke unseren Glauben, damit wir für diese Religion unsere Körper aufopfern ... nimm von unserem Blut, damit Du Wohlgefallen findest“ (Dok. V 42, a.a.O., teilübersetzt aus dem Arabischen in der Klageerwiderung S. 74).
66 Die inhaltliche Aussage der Bittgebete ist in dem hier zu Grunde gelegten Sinn eindeutig. Für den Einwand der Kläger, die Gebete enthielten nur die Bitte an Allah, den von ihnen als Verbrechen in Bezug genommenen Handlungen Einhalt zu gebieten, nicht jedoch eine direkte Aufforderung zu bewaffneten oder gewaltsamen Aktivitäten, jedenfalls nicht gegenüber Nichtkombattanten, gibt es keine tragfähige Anknüpfung. Gleiches gilt für den mehrfach genannten Beweisantrag der Kläger (Nr. I. 2. der Anlage zum Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 14. Mai 2014), soweit er sich auch auf den Bedeutungsgehalt der Bittgebete beziehen ließ.
67 Die Erfüllung des subjektiven Tatbestands des Verbotsgrunds der Völkerverständigungswidrigkeit durch die Klägerin zu 1 unterliegt auch im Hinblick auf die genannten Bittgebete keinem Zweifel. Denn es ist widersprüchlich und damit unglaubhaft, wenn die Kläger einerseits geltend machen, Herr K. habe die Bittgebete ohne Kenntnis ihres Inhalts in das Internet gestellt, andererseits aber auf den Inhalt der Texte abstellen, wenn sie ausführen, Anlass für die Tätigkeit des Herrn K. seien die Berichte über eine - vorgeblich - grausame und völkerrechtswidrige Kriegsführung der USA und ihrer Verbündeten in Irak, Afghanistan und Pakistan und das Vorgehen Israels in den palästinensischen Gebieten gewesen.
68 (6) Durch die von der Klägerin zu 1 verbreiteten Drohungen, Äußerungen, Nashids und Bittgebete wird der Gedanke der Völkerverständigung schwerwiegend, ernst und nachhaltig beeinträchtigt. Die Beiträge sind nach ihrem Inhalt allesamt geeignet, junge Muslime und Konvertiten bis zur Gewaltbereitschaft zu radikalisieren und so den Boden für die Gewinnung von Kämpfern für den bewaffneten Dschihad zu bereiten.
69 Die Klägerin zu 1 wird durch ihr völkerverständigungswidriges Wirken, das sich wie ein roter Faden durch ihr Auftreten zieht und auf eine ständige Wiederholung angelegt ist, als Verein insgesamt geprägt. Diese Prägung tritt gleichrangig neben diejenige als verfassungswidriger Verein. Es besteht hier wie dort die permanente Gefährdung der durch den Verbotsgrund geschützten Rechtsgüter. Dem kann wie hinsichtlich der Verfassungswidrigkeit der Klägerin ebenso im Hinblick auf ihre Völkerverständigungswidrigkeit nur durch ein Vereinsverbot entgegengewirkt werden. Dieses Verbot ist deshalb auch unter Beachtung der Anforderungen des verfassungsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes und der durch Art. 4 Abs. 1 und 2 GG garantierten religiösen Vereinigungsfreiheit unerlässlich.
70 ee) Nach der Rechtsprechung des Senats (vgl. etwa: Urteil vom 19. Dezember 2012 - BVerwG 6 A 6.11 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 59 Rn. 56, Beschluss vom 29. Januar 2013 - BVerwG 6 B 40.12 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 60 Rn. 34) sind nach der durch Art. 9 Abs. 2 GG vorgegebenen Struktur des Vereinsverbots (vgl. dazu: BVerfG, Beschluss vom 15. Juni 1989 - 2 BvL 4/87 - BVerfGE 80, 244 <253 f.>) Erwägungen zur Verhältnismäßigkeit eines Verbots auf der Rechtsfolgenseite des § 3 Abs. 1 Satz 1 VereinsG in der Regel - und so auch hier - ausgeschlossen. Den Anforderungen des verfassungsrechtlichen Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit ist auf der Tatbestandsseite der Norm bei der Prüfung, ob die Voraussetzungen eines Verbotsgrunds erfüllt sind, Rechnung zu tragen. Dies ist, wie aus den bisherigen Darlegungen ersichtlich, geschehen.
71 ff) Der Kläger zu 2 wird, ohne dass es der Erfüllung eines Verbotsgrunds durch ihn selbst bedarf, von dem Verbot der Klägerin zu 1 erfasst, weil er im Sinne des § 3 Abs. 3 Satz 1 VereinsG eine Teilorganisation der Klägerin zu 1 darstellt und wegen seiner nichtgebietlichen Struktur und seiner eigenen Rechtspersönlichkeit von dem Bundesministerium des Innern gemäß § 3 Abs. 3 Satz 2 VereinsG in der angefochtenen Verbotsverfügung ausdrücklich benannt worden ist.
72 Nach § 3 Abs. 3 Satz 1 VereinsG sind Teilorganisationen diejenigen Organisationen, die einem Verein derart eingegliedert sind, dass sie nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse als Gliederung dieses Vereins erscheinen. Voraussetzung für eine Teilorganisation ist eine Identität zwischen dem Verein als Ganzem und seiner Gliederung. Die Gliederung muss tatsächlich in die Gesamtorganisation eingebunden sein und im Wesentlichen von ihr beherrscht werden. Eine totale organisatorische Eingliederung etwa in dem Sinne, dass ausschließlich Mitglieder oder Sympathisanten der Gesamtorganisation der Teilorganisation angehören dürfen, ist nicht notwendig. Indizien für eine Einbindung können sich aus der personellen Zusammensetzung der Vereinigungen, ihrer Geschichte, ihrem Selbstverständnis und ihren Zielen, ihrer Tätigkeit und Finanzierung sowie aus Verflechtungen bei der Willensbildung und aus Weisungsgegebenheiten ergeben. Es ist eine Gesamtwürdigung aller Umstände vorzunehmen. Dabei können auch Indizien, die für sich genommen als nicht zwingend erscheinen mögen, in ihrer Summe eine Qualifikation als Teilorganisation rechtfertigen (Urteile vom 5. August 2009 - BVerwG 6 A 2.08 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 49 Rn. 17 und vom 24. Februar 2010 - BVerwG 6 A 5.08 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 52 Rn. 27; für Teilorganisationen von Religionsgesellschaften: Urteil vom 27. November 2002 - BVerwG 6 A 1.02 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 36 S. 49).
73 Nach diesen Maßstäben ergibt sich die Eigenschaft des Klägers zu 2 als Teilorganisation der Klägerin zu 1 aus den zwischen ihm und der Klägerin zu 1 bestehenden personellen und finanziellen Verflechtungen.
74 In personeller Hinsicht sind die Vereine vor allem dadurch eng verbunden, dass der Vorsitzende, Herr K., und der Schriftführer, Herr H., des Klägers zu 2 (vgl. Dok. V 45, Gründungsprotokoll des Klägers zu 2) zugleich in leitenden Funktionen bei der Klägerin zu 1 tätig sind. Noch stärker fallen die finanziellen Verflechtungen ins Gewicht. Dem Kläger zu 2 kommt praktisch nur die Funktion einer Spendensammelstelle für die Klägerin zu 1 zu. So wird in Spendenaufrufen der Klägerin zu 1 als Spendenkonto ein Konto des Klägers zu 2 angegeben. Selbst wenn es um Spenden für die Einrichtung einer Moschee - also den satzungsmäßigen Hauptzweck des Klägers zu 2 - geht, stammt der jeweilige Spendenaufruf von der Klägerin zu 1 und der Kläger zu 2 tritt nur in Gestalt seines in dem Aufruf angegebenen Kontos in Erscheinung (Dok. V 47 und Dok. V 46, Dawaffm Newsletter vom 20. Juni 2011 und 18. Juli 2011, Dok. V 48a, Visitenkarte - Einrichtung einer Moschee, im Übrigen: Dok. V 48b, dawaffm.de, Dok. V 48c DawaFfm Facebook). Dadurch wird belegt, dass die Klägerin zu 1 tatsächlich jederzeit Zugriff auf das Konto des Klägers zu 2 nehmen kann, was weitgehende generelle Kontroll- und Weisungsbefugnisse voraussetzt.
75 gg) An die Feststellung des Verbots der Kläger und die Verfügung ihrer Auflösung knüpfen die in der angefochtenen Verbotsverfügung enthaltenen weiteren Entscheidungen zu Lasten der Kläger auf der Grundlage von § 3 Abs. 1 Satz 2, § 8 Abs. 1, § 9 Abs. 1 und §§ 10 f. VereinsG an.
76 3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, § 159 Satz 1 VwGO i.V.m. § 100 Abs. 1 ZPO.