Beschluss vom 14.10.2024 -
BVerwG 1 WB 9.24ECLI:DE:BVerwG:2024:141024B1WB9.24.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 14.10.2024 - 1 WB 9.24 - [ECLI:DE:BVerwG:2024:141024B1WB9.24.0]

Beschluss

BVerwG 1 WB 9.24

In dem Wehrbeschwerdeverfahren hat der 1. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts durch
den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Häußler,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Langer und
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Koch
am 14. Oktober 2024 beschlossen:

  1. Das Verfahren wird eingestellt.
  2. Der Antrag, die dem Antragsteller im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht einschließlich der im vorgerichtlichen Verfahren erwachsenen notwendigen Aufwendungen dem Bund aufzuerlegen, wird abgelehnt.

Gründe

I

1 Der Rechtsstreit betraf die Umsetzung (Dienstpostenwechsel) des Antragstellers auf ein dienstpostenähnliches Konstrukt in seiner Dienststelle.

2 Der ... geborene Antragsteller wurde im März ... im Dienstgrad Oberstleutnant als Soldat auf Zeit in die Bundeswehr wiedereingestellt. Bis zu der hier gegenständlichen Personalmaßnahme wurde er auf dem Dienstposten (A 13 H - A 14) des Stabsabteilungsleiters der S 1-Abteilung (Personal, innerer Dienst) beim ...regiment ... in ... verwendet.

3 Im März 2022 teilte die Wehrdisziplinaranwaltschaft für den Bereich der Division Schnelle Kräfte dem Bundesamt für das Personalmanagement der Bundeswehr mit, dass sie gegen den Antragsteller disziplinare Vorermittlungen wegen des Verdachts der sexuellen Belästigung und von Verstößen gegen die Pflicht zur Verschwiegenheit in dienstlichen Angelegenheiten aufgenommen habe. Zu Letzterem wurde dem Antragsteller vorgeworfen, er habe vertrauliche Informationen über disziplinare Ermittlungen und Eingaben, auf die er in seiner dienstlichen Funktion Zugriff gehabt habe, unbefugt an Dritte, zum Teil sogar an Beschuldigte der jeweiligen Verfahren, weitergegeben; man gehe insoweit von Wiederholungsgefahr aus.

4 Mit Verfügung Nr. ... vom 19. April 2022, eröffnet am 2. Mai 2022, versetzte das Bundesamt für das Personalmanagement der Bundeswehr daraufhin den Antragsteller innerhalb des ...regiments und am selben Standort auf ein gleich dotiertes dienstpostenähnliches Konstrukt als Stabsoffizier z.b.V. in der Regimentsführung.

5 Die hiergegen vom Antragsteller unter dem 15. Mai 2022 erhobene Beschwerde wies das Bundesministerium der Verteidigung mit Bescheid vom 9. November 2023, zugegangen am 15. November 2023, zurück.

6 Mit Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom 14. Dezember 2023 hat der Antragsteller die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts beantragt. Er machte Verfahrensfehler bei seiner Anhörung, bei der Begründung der Personalmaßnahme und bei der Beteiligung der Vertrauensperson geltend. In der Sache bestritt er die gegen ihn erhobenen disziplinaren Vorwürfe und das Vorliegen eines Vertrauensverlusts, auf den seine Umsetzung gestützt werde.

7 Das Bundesministerium der Verteidigung hat den Antrag mit einer Stellungnahme vom 14. Februar 2024 dem Senat vorgelegt. Es trat dem Vorbringen des Antragstellers im Wesentlichen unter Verweis auf die Gründe des Beschwerdebescheids entgegen.

8 Mit Absehensverfügung vom 28. September 2023 wurden die disziplinaren Vorermittlungen gegen den Antragsteller unter Feststellung eines Dienstvergehens eingestellt. Über den hiergegen vom Antragsteller gestellten Antrag auf gerichtliche Entscheidung hat das Truppendienstgericht Süd noch nicht entschieden.

9 Mit Bescheid vom 12. April 2024 wurde der Antragsteller mit Ablauf des 31. August 2024 wegen Dienstunfähigkeit gemäß § 55 Abs. 2 SG aus dem Dienstverhältnis eines Soldaten auf Zeit entlassen.

10 Im Hinblick darauf hat der Antragsteller mit Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom 1. Oktober 2024 den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt und beantragt, dem Bund die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen. Das Bundesministerium der Verteidigung hat sich mit Schreiben vom 9. Oktober 2024 der Erledigterklärung unter Verwahrung gegen die Kostentragung angeschlossen.

II

11 Nachdem die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt haben, ist das Verfahren in entsprechender Anwendung von § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen und gemäß § 21 Abs. 2 Satz 1 i. V. m. § 20 Abs. 3 WBO nur noch über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden. Für die Kostenentscheidung sind die im Prozessrecht allgemein geltenden Grundsätze maßgebend. Danach ist bei übereinstimmender Erledigungserklärung über die Kosten nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes zu entscheiden (§ 20 Abs. 3 WBO, § 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO; stRspr, vgl. BVerwG, Beschluss vom 22. April 2008 - 1 WB 4.08 - Rn. 8 m. w. N.).

12 Billigem Ermessen entspricht es hier, den Kostenantrag des Antragstellers abzulehnen, weil sich die angefochtene Umsetzung des Antragstellers (Verfügung Nr. ... des Bundesamts für das Personalmanagement der Bundeswehr vom 19. April 2022 in der Gestalt des Beschwerdebescheids vom 9. November 2023) als rechtmäßig darstellt und sein Antrag auf gerichtliche Entscheidung deshalb voraussichtlich keinen Erfolg gehabt hätte.

13 1. Soweit der Antragsteller Verfahrensfehler geltend macht, sind diese spätestens im vorgerichtlichen Beschwerdeverfahren geheilt worden.

14 a) Zur Anhörung des Antragstellers lässt sich zwar das im Vorlageschreiben genannte Gespräch zwischen ihm und der Personalführung am 4. April 2022 in den vorliegenden Akten nicht nachvollziehen. Der Antragsteller hat sich jedoch im Beschwerdeverfahren ausführlich zur Sache geäußert (insbesondere mit Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom 23. April 2023), so dass ein etwaiger Fehler bei der Anhörung geheilt ist (§ 45 Abs. 1 Nr. 3 und Abs. 2 VwVfG; zur Anwendbarkeit dieser Vorschrift im Wehrbeschwerderecht vgl. BVerwG, Beschluss vom 27. September 2007 - 1 WDS-VR 7.07 - juris LS 1 und Rn. 23 sowie zuletzt Beschluss vom 25. April 2023 - 1 WB 47.21 - juris Rn. 45).

15 b) Eine (knappe) Begründung für die Umsetzung auf ein dienstpostenähnliches Konstrukt erfolgte bereits bei der Eröffnung der Personalverfügung am 2. Mai 2022. Eine ausführliche und insbesondere auch auf die Einwände des Antragstellers eingehende Begründung findet sich sodann in dem Beschwerdebescheid vom 9. November 2023. Auch insoweit wären etwaige Versäumnisse jedenfalls im Beschwerdeverfahren gemäß § 45 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 2 VwVfG geheilt (zur Anwendbarkeit auch dieser Vorschrift im Wehrbeschwerderecht vgl. BVerwG, Beschluss vom 16. Dezember 2008 - 1 WB 19.08 - BVerwGE 133, 13 Rn. 48 sowie zuletzt Beschluss vom 27. September 2023 - 1 WB 3.23 - juris Rn. 31).

16 c) Schließlich wurde die erforderliche (§ 24 Abs. 1 Nr. 4 SBG), aber zunächst unterbliebene Anhörung der Vertrauensperson im Beschwerdeverfahren wirksam nachgeholt (zur Zulässigkeit der Nachholung vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 17. Mai 2022 - 1 WB 35.21 - juris Rn. 35 und vom 24. April 2024 - 1 WB 66.22 - ‌juris Rn. 40, jeweils m. w. N.). Die Vertrauensperson der Offiziere im ...regiment hat sich unter dem 28. September 2022 mit einer schriftlichen Stellungnahme geäußert, die in die Beschwerdeentscheidung einbezogen wurde.

17 2. Die angefochtene Personalmaßnahme ist auch materiell-rechtlich nicht zu beanstanden.

18 Das auch für die Umsetzung bzw. den Dienstpostenwechsel - wie für die Versetzung - nötige dienstliche Erfordernis (vgl. BVerwG, Beschluss vom 20. Juni 2024 - 1 WB 50.23 - juris Rn. 22), das die Personalführung insbesondere auf Nr. 205 Buchst. g der Allgemeinen Regelung A-1420/37 gestützt hat, ist gegeben.

19 Ein dienstliches Erfordernis für eine Versetzung bzw. entsprechend für einen Dienstpostenwechsel liegt danach u. a. dann vor, wenn Vertrauensverluste, die den Dienstbetrieb unannehmbar belasten, nur durch die Versetzung bzw. hier: den Dienstpostenwechsel des Soldaten behoben werden können. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats (vgl. z. B. BVerwG, Beschlüsse vom 6. August 2020 ‌- 1 WDS-VR 9.20 - juris Rn. 27 und vom 17. April 2023 - 1 W-VR 29.22 - juris Rn. 23, jeweils m. w. N.) können sich derartige Vertrauensverluste nicht nur aus einem feststehenden Dienstvergehen, sondern grundsätzlich auch schon aus dem Verdacht einer schuldhaften Dienstpflichtverletzung durch einen Soldaten ergeben. Hierfür genügen nicht beliebige anhaltslose Beschuldigungen. Erforderlich ist - je nach den Umständen des Einzelfalls - ein hinreichendes Maß an Konkretheit des Verdachts sowie ein hinreichendes Gewicht des Dienstvergehens, auf das sich der Verdacht bezieht.

20 Von einem solchen hinreichenden Verdacht durfte die personalbearbeitende Stelle hier ausgehen. Das dem Senat in der Beschwerdeakte vorliegende Bild der - umfangreichen - disziplinaren Ermittlungen zeigt, dass es sich jedenfalls nicht um beliebig erhobene, sondern auf eine hinreichend substantiierte Grundlage gestützte Vorwürfe gegen den Antragsteller handelte. Auch wenn das Disziplinarverfahren vergleichsweise niederschwellig mit einer (nicht vorliegenden) Absehensverfügung abgeschlossen wurde, enthält diese die Feststellung eines Dienstvergehens; dass der Antragsteller die Absehensverfügung beim Truppendienstgericht angefochten hat, lässt die Verdachtslage nicht entfallen. Berücksichtigt werden durfte schließlich insbesondere, dass der Antragsteller als Stabsabteilungsleiter der S 1-Abteilung (Personal, innerer Dienst) in einer - generell, aber gerade auch bezogen auf die ihm vorgehaltenen Verfehlungen - sehr sensiblen Funktion eingesetzt war; die Konkretheit des Verdachts und das Gewicht des Dienstvergehens, auf das sich der Verdacht bezieht, erscheinen insoweit als hinreichend, um die Annahme eines Vertrauensverlustes zu rechtfertigen.

21 Ermessensfehler sind nicht ersichtlich. Insbesondere wurden mit dem Dienstpostenwechsel innerhalb der Dienststelle und am selben Standort mögliche Auswirkungen auf die persönlichen und familiären Verhältnisse gering gehalten.