Beschluss vom 15.05.2025 -
BVerwG 4 KSt 1.24ECLI:DE:BVerwG:2025:150525B4KSt1.24.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 15.05.2025 - 4 KSt 1.24 - [ECLI:DE:BVerwG:2025:150525B4KSt1.24.0]

Beschluss

BVerwG 4 KSt 1.24


In der Verwaltungsstreitsache hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts


am 15. Mai 2025


durch die Vorsitzende Richterin am Bundesverwaltungsgericht Schipper,


die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Hampel und


den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Koch


beschlossen:

  1. Auf die Erinnerung der Beigeladenen wird der Kostenfestsetzungsbeschluss der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle vom 2. September 2024 teilweise geändert.
  2. Die Kosten für die Teilnahme der Gutachter Dipl.-Biol. Dr. K. und Dipl.-Ing. Fr. an der mündlichen Verhandlung sind dem Grunde nach erstattungsfähig. Insoweit wird die Kostensache zur weiteren Aufklärung und Entscheidung an die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle zurückverwiesen.
  3. Im Übrigen wird die Erinnerung der Beigeladenen zurückgewiesen.
  4. Von den außergerichtlichen Kosten des Klägers für das Erinnerungsverfahren trägt die Beigeladene 4/5. Im Übrigen tragen die Beteiligten des Erinnerungsverfahrens ihre außergerichtlichen Kosten selbst. Das Verfahren ist gerichtsgebührenfrei.

Gründe

1 Der nach den § 165 Satz 2, § 151 Satz 1 VwGO zulässige Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist nur teilweise begründet.

2 1. Die Kosten für die im Klageverfahren vorgelegten Gutachten von Dr. J. und B. sind nicht erstattungsfähig (a.), die Kosten für die Teilnahme von Privatgutachtern an der mündlichen Verhandlung sind nur zum Teil dem Grunde nach erstattungsfähig (b.).

3 Aufwendungen für Privatgutachten bzw. die Beiziehung eines privaten Sachverständigen in der mündlichen Verhandlung sind - soweit nicht durch eine entsprechende Aufforderung des Gerichts veranlasst - nur ausnahmsweise, in engen Grenzen erstattungsfähig, wenn die Partei mangels genügender eigener Sachkunde ihr Begehren tragende Behauptungen nur mit Hilfe des eingeholten Gutachtens darlegen oder unter Beweis stellen kann, die Prozesssituation das Gutachten herausfordert und dessen Inhalt auf die Verfahrensförderung zugeschnitten ist. Ob dies der Fall ist, beurteilt sich nicht nach der subjektiven Auffassung der Partei, sondern danach, wie eine verständige Partei, die bemüht ist, die Kosten so niedrig wie möglich zu halten, in gleicher Lage ihre Interessen wahrgenommen hätte. Dabei ist auf den Zeitpunkt der die Aufwendungen verursachenden Handlung abzustellen (stRspr, vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 3. Juli 2000 - 11 KSt 2.99 - Buchholz 310 § 162 VwGO Nr. 35 S. 2, vom 11. April 2001 - 9 KSt 2.01 - Buchholz 310 § 162 VwGO Nr. 37 S. 5 und vom 8. Oktober 2008 - 4 KSt 2000.08 u. a. - juris Rn. 4). Die Darlegungslast für die Anerkennungsfähigkeit der Kosten für private Sachverständigengutachten bzw. die Teilnahme privater Sachverständiger an der mündlichen Verhandlung liegt regelmäßig bei dem die Kostenerstattung begehrenden Beteiligten (Kunze, in: Posser/Wolff, BeckOK VwGO, Stand 1. Januar 2025, § 162 Rn. 58e).

4 Auch einem notwendig zum Verfahren beigeladenen Vorhabenträger ist es nicht von vornherein und aus grundsätzlichen Erwägungen verwehrt, im Rechtsstreit um die Rechtmäßigkeit des Planfeststellungsbeschlusses zu seiner Verteidigung private Sachverständigengutachten vorzulegen und die Kosten hierfür in das Kostenfestsetzungsverfahren einzubringen. Erstattungsfähig sind aber nur die Kosten für solche Privatgutachten des Vorhabenträgers, die sich aus seiner prozessualen Lage rechtfertigen, einen nachvollziehbaren Bezug zum Vorbringen eines Prozessbeteiligten besitzen und etwa dazu bestimmt sind, vorgetragene Tatsachen oder tatsächliche Schlussfolgerungen zu widerlegen, zu erschüttern oder durch eine gerichtliche Beweisaufnahme klären zu lassen. Insbesondere dann, wenn sich die Klägerseite in komplizierten fachtechnischen Fragen der Hilfe privater Sachverständiger bedient, kann es die prozessuale Situation erfordern, dass der beigeladene Vorhabenträger zur Verteidigung des planfestgestellten Vorhabens seinerseits den fachkundigen Rat privater Gutachter heranzieht, soweit er nicht selbst die erforderliche Sachkunde besitzt (BVerwG, Beschlüsse vom 15. Juni 2011 - 4 KSt 1002.10 - Buchholz 310 § 162 VwGO Nr. 49 Rn. 11 und vom 4. September 2008 - 4 KSt 1010.07 - juris Rn. 11 f.). Eine Abwälzung von Kosten für Privatgutachten des Vorhabenträgers scheidet jedoch aus, wenn es um die Klärung von Fragen geht, deren Behandlung bereits im Planfeststellungsantrag geboten gewesen wäre oder die im Planfeststellungsverfahren durch die Behörde hätten geklärt werden müssen. Es ist zunächst Aufgabe des Vorhabenträgers, der Planfeststellungsbehörde alle diejenigen Informationen und Unterlagen zur Verfügung zu stellen, die diese benötigt, um ihre Entscheidung treffen zu können (BVerwG, Beschluss vom 15. Juni 2011 - 4 KSt 1002.10 -‌ a. a. O. Rn. 12).

5 a) Daran gemessen sind die Kosten für die Gutachten von Dr. J. und B. von Februar 2021 nicht erstattungsfähig.

6 Die Beigeladene hat nicht dargelegt, dass diese Gutachten Fragen betreffen, denen nicht schon bei der Anfertigung der Unterlagen für den Antrag auf Durchführung eines Planergänzungsverfahrens oder im Planergänzungsverfahren hätte nachgegangen werden können und müssen. Sie stellt nicht in Abrede, dass die in den Gutachten behandelten Themen "Brut- und Flugverhalten des Kleinen Sumpfhuhns" sowie "Wirksamkeit von Vogelschutzmarkern bei nachtaktiven Arten" bereits Gegenstand gutachterlich unterlegter Einwendungen des Klägers im Planergänzungsverfahren waren. Dass in den mit der Klagebegründung vorgelegten gutachterlichen Stellungnahmen von Dr. Fl. und Dr. R., zu denen sich die Gutachten von Dr. J. und B. verhalten, zuvor noch nicht angesprochene und im Planergänzungsantrag oder Planergänzungsverfahren auch nicht behandlungsbedürftige Themen in das gerichtliche Verfahren eingeführt wurden, zeigt die Erinnerung nicht auf. Sie macht lediglich pauschal geltend, die Themen seien im Planergänzungsverfahren noch nicht "in dieser Tiefe und mit dieser Stoßrichtung" erörtert worden. Das reicht nicht aus. Der Kläger hat in seiner Erwiderung vom 29. Januar 2025 näher dargelegt, dass er die o. g. Themen in Einwendungsschreiben im Planergänzungsverfahren unter Bezugnahme auf fachliche Stellungnahmen von Dr. Fl. aufgeworfen hat. Dem ist die Beigeladene nicht entgegengetreten. Ihr Vortrag, im Klageverfahren seien dazu teilweise auch neue Aspekte vorgetragen worden, ist unsubstantiiert geblieben. Aus dem Hinweis der Beigeladenen auf den Beschluss des Senats vom 15. Juni 2021 im einstweiligen Rechtsschutzverfahren (- 4 VR 6.20 - Rn. 8 ff.) folgt nichts Anderes. Die Entscheidung benennt die Einwände des Klägers gegen den Planergänzungsbeschluss und begründet, dass und warum über deren Berechtigung im Eilverfahren nicht entschieden werden könne (BA Rn. 13). Diese Ausführungen konnten der Beigeladenen keinen Anlass zur Einholung der Gutachten von Dr. J. und B. geben. Beide datieren von Februar 2021 und lagen bei Erlass des Eilbeschlusses bereits vor.

7 b) Die Kosten für die Teilnahme von privaten Gutachtern der Beigeladenen an der mündlichen Verhandlung sind nur hinsichtlich der Dipl.-Biol. Dr. K. und des Dipl.-Ing. Fr. dem Grunde nach erstattungsfähig.

8 Die Beigeladene ist nicht im Sinne der Entscheidung des Senats vom 8. Oktober 2008 (- 4 KSt 2000.08 - juris Rn. 4) durch eine entsprechende Aufforderung des Gerichts dazu veranlasst worden, private Gutachter zur mündlichen Verhandlung mitzubringen. Das Schreiben des Berichterstatters vom 21. Oktober 2021, in dem ein Erörterungstermin angeregt und zugleich die Erwartung geäußert wird, dass "die Beteiligten 'ihre' Sachverständigen zu einer mündlichen Verhandlung mitbringen werden", ist keine gerichtliche Aufforderung im vorgenannten Sinne. Es fehlt schon an der zeitlichen Nähe zur mündlichen Verhandlung am 21. Juni 2022, denn maßgeblich ist der Zeitpunkt der die Aufwendungen verursachenden Handlung. Warum die Heranziehung von fünf Privatgutachtern in der mündlichen Verhandlung erforderlich war, ist - abgesehen davon, dass ein gewisses Maß an Sachkunde auch von dem mit der Prozessvertretung betrauten und in die Sach- und Rechtsfragen eingearbeiteten Rechtsanwalt erwartet werden kann - nicht dargetan. Dafür reicht das Vorbringen, die Hinzuziehung sei prozessökonomisch sinnvoll und üblich, nicht aus. Gleiches gilt für den Vortrag, die Sachverständigen der beauftragten Gutachterbüros seien jeweils für unterschiedliche naturschutzfachliche Fragestellungen zuständig gewesen. Nach dem Inhalt des Eilbeschlusses, dem weiteren Prozessverlauf und der der Beigeladenen zur Kenntnis gegebenen Ankündigung des Klägers, zur mündlichen Verhandlung die Sachverständigen Dr. R. und Dr. Fl. mitzubringen, ist vielmehr nur für die Dipl.-Biol. Dr. K., die die Kartierungen durchgeführt hat, und Dipl.-Ing. Fr., der die Verträglichkeitsstudie für das EU-Vogelschutzgebiet (SPA) DE 2951-401 "Unteres Odertal" (PEB Anlage 11.2c) erstellt hat, nachvollziehbar, dass die Beigeladene ihre Hinzuziehung auch unter Berücksichtigung des Gebots der Kostenminimierung als erforderlich und prozessökonomisch sinnvoll erachten durfte. Der Senat hat die Klärung der vom Kläger gegen die Kartierung und die Annahmen zum konstellationsspezifischen Risiko in der Verträglichkeitsstudie erhobenen Einwände in seinem Eilbeschluss vom 15. Juni 2021 (- 4 VR 6.20 - Rn. 9, 13) dem Hauptsacheverfahren vorbehalten. Die Beigeladene durfte daher die Verfasser dieser Unterlagen heranziehen, um auf naturschutzfachliches Vorbringen der Privatgutachter des Klägers oder Nachfragen des Senats in der mündlichen Verhandlung reagieren zu können.

9 2. Schließlich kann die Beigeladene keine Entschädigung für die Zeitversäumnis ihrer Mitarbeiter wegen der Teilnahme an der mündlichen Verhandlung beanspruchen.

10 Es kann dahinstehen, ob eine Entschädigung für Zeitversäumnis wegen der Teilnahme von Mitarbeitern einer juristischen Person des Privatrechts an einer mündlichen Verhandlung von vornherein ausscheidet, wenn die Planung und Errichtung von Stromleitungen zum Tätigkeitsfeld der Gesellschaft gehört und zur Betreuung solcher Projekte durch ihre Mitarbeiter - wie bei Behörden - auch die Mitwirkung in gerichtlichen Verfahren gehört.

11 Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. BGH, Beschluss vom 2. Dezember 2008 - VI ZB 63/07 - NJW 2009, 1001, Rn. 10), auf die die Beigeladene sich beruft, steht einer juristischen Person des Privatrechts gemäß § 91 Abs. 1 Satz 2 ZPO i. V. m. § 20 JVEG eine Entschädigung für Zeitversäumnis nur unter der Voraussetzung zu, dass das Gericht zu einem Verhandlungstermin das persönliche Erscheinen eines ihrer Organe oder eines sachkundigen Mitarbeiters angeordnet und die Partei eine solche Person zu dem Termin entsandt hat (vgl. auch Zöller/Herget, ZPO, 35. Aufl. 2024, § 91 Rn. 13.116). Daran fehlt es hier.

12 Dafür, dass das persönliche Erscheinen aus anderen Gründen als prozessual notwendig zu erachten war (vgl. Zöller/Herget, ZPO, 35. Aufl. 2024, § 91 Rn. 13.116; Musielak/Volt, ZPO, 22. Aufl. 2025, § 91 Rn. 10), sind keine Anhaltspunkte dargetan.

13 3. Hinsichtlich der hier dem Grunde nach als erstattungsfähig anerkannten Kosten ist die Sache gemäß § 173 Satz 1 VwGO i. V. m. § 573 Abs. 1 Satz 3, § 572 Abs. 3 ZPO an die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle zurückzuverweisen, da die Kosten ihrer Höhe nach vom Kläger bestritten werden und bisher nicht Gegenstand einer Prüfung im Kostenfestsetzungsverfahren waren (vgl. BVerwG, Beschluss vom 19. August 2008 - 4 KSt 1001.08 - juris Rn. 6 m. w. N.).

14 4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Einer Entscheidung über die Gerichtskosten bedarf es nicht, weil das Erinnerungsverfahren gerichtsgebührenfrei ist.