Beschluss vom 15.11.2007 -
BVerwG 1 WB 40.07ECLI:DE:BVerwG:2007:151107B1WB40.07.0

Leitsätze:

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Für Streitigkeiten über das Dienstverhältnis eines Soldaten, dessen Begründung oder dessen Dauer sowie für Beförderungsstreitigkeiten sind nicht die Wehrdienstgerichte, sondern die allgemeinen Verwaltungsgerichte sachlich zuständig.

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    BVerwG, Beschluss vom 15.11.2007 - 1 WB 40.07 - [ECLI:DE:BVerwG:2007:151107B1WB40.07.0]

Beschluss

BVerwG 1 WB 40.07

In dem Wehrbeschwerdeverfahren hat der 1. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts durch
den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Golze,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Frentz und
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Langer
am 15. November 2007 beschlossen:

  1. Der Rechtsweg zu den Wehrdienstgerichten ist unzulässig.
  2. Der Rechtsstreit wird an das Schleswig-Holsteinische Verwaltungsgericht verwiesen.

Gründe

I

1 Der Antragsteller begehrt die Feststellung, dass seine Dienstzeit neu festgesetzt werden und eine „laufbahnrechtliche Schadlosstellung“ erfolgen müsse, weil mit ihm kein Personalgespräch fünf Jahre vor dem Überschreiten der für seine Zurruhesetzung geltenden Altersgrenze geführt worden sei.

2 Der am 20. Januar 1955 geborene Antragsteller ist Berufssoldat. Zuletzt wurde er am 1. Februar 2002 zum Stabsbootsmann befördert. Derzeit wird der Antragsteller als Truppenversorgungsbearbeiter beim Stabsquartier des Sanitätskommandos I in Kiel verwendet.

3 Mit Schreiben vom 29. Dezember 2006, eröffnet am 29. Januar 2007, kündigte die (damalige) Stammdienststelle ... dem Antragsteller an, dass beabsichtigt sei, ihn wegen Überschreitens der für ihn geltenden besonderen Altersgrenze (Vollendung des 53. Lebensjahres) mit Ablauf des 31. Januar 2008 in den Ruhestand zu versetzen.

4 Unter dem 9. Februar 2007 legte der Antragsteller hiergegen Beschwerde ein. Zur Begründung führte er aus, dass nach den einschlägigen Erlassen mit jedem Berufssoldaten frühzeitig, spätestens jedoch fünf Jahre vor dem Überschreiten der für die Zurruhesetzung geltenden Altersgrenze ein Personalgespräch zu führen sei, damit rechtzeitig entschieden werden könne, von welchem Dienstort und gegebenenfalls aus welcher Verwendung heraus er in den Ruhestand trete. Dieses Personalgespräch sei mit ihm nicht geführt worden. Er sehe darin eine Benachteiligung gegenüber den Soldaten, die im Sinne dieser Weisungen informiert worden seien, und erwarte von seiner personalführenden Dienststelle, dass sie ihm den gleichen zeitlichen Rahmen verschaffe, um sich auf seine Versetzung in den Ruhestand vorzubereiten.

5 In einem am 3. Mai 2007 bei der Stammdienststelle der Bundeswehr geführten Personalgespräch wies der Antragsteller ergänzend darauf hin, dass sich aufgrund des bis dahin versäumten Personalgesprächs ein neues Dienstzeitende zum 31. Mai 2012 ergeben könne. Entsprechend äußerte der Antragsteller in einem am 10. Mai 2007 mit dem Bundesminister der Verteidigung - PSZ I 7 - geführten Telefonat, dass seiner Ansicht nach erst mit dem am 3. Mai 2007 durchgeführten Personalgespräch der fünfjährige Mindestzeitraum für die Festlegung des Endstandortes erfüllt werde; sein Dienstzeitende sei deshalb von Amts wegen auf den 31. Mai 2012 neu festzusetzen. Mit Schreiben vom 10. Mai 2007 teilte der Antragsteller dem Bundesminister der Verteidigung - PSZ I 7 - ferner zu dessen „Kenntnisnahme und weiterer Veranlassung“ mit, dass er die Neufestsetzung seiner Dienstzeit bis zum 31. Mai 2012, seine laufbahnrechtliche Schadlosstellung/Beförderung zum Oberstabsbootsmann sowie keine weitere Benachteiligung durch die verlängerte Dienstzeit erwarte.

6 Unter dem 5. Juli 2007 erhob der Antragsteller Untätigkeitsbeschwerde. Der Bundesminister der Verteidigung - PSZ I 7 - wertete dieses Schreiben nach Rücksprache mit dem Antragsteller als Antrag auf gerichtliche Entscheidung und legte diesen dem Senat zusammen mit seiner Stellungnahme vom 10. August 2007 vor.

7 Außerdem stellte der Antragsteller mit Schreiben an das Bundesverwaltungsgericht vom 10. August 2007 wegen der ihm angekündigten Versetzung in den Ruhestand einen Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz (BVerwG 1 WDS-VR 8.07 ).

8 Zur Begründung seines Begehrens im Hauptsacheverfahren, das zunächst insgesamt unter dem Aktenzeichen BVerwG 1 WB 29.07 geführt wurde, erklärte der Antragsteller insbesondere:
Seine Beschwerde vom 9. Februar 2007 und seine Untätigkeitsbeschwerde vom 5. Juli 2007 richteten sich dagegen, dass mit ihm kein Personalgespräch fünf Jahre vor dem Überschreiten der für ihn geltenden Altersgrenze geführt worden sei. Das Erfordernis eines solchen Personalgesprächs sei durch den Erlass des Bundesministers der Verteidigung - PSZ III 1 - Az.: 16-26-00/25 vom 1. August 2001 nicht generell aufgehoben worden. In diesem Erlass sei lediglich verfügt, dass angesichts der voraussichtlich bis 2006 andauernden Umgliederung der Streitkräfte die definitive Festlegung eines Endstandortes fünf Jahre vor der Zurruhesetzung zu unterbleiben habe; eine Anhörung des Soldaten zu seiner Endverwendung werde von dem Erlass nicht berührt. Da er nicht darüber informiert gewesen sei, dass wegen der falschen Auslegung der Erlasse durch die personalführenden/-bearbeitenden Dienststellen keine einschlägigen Personalgespräche stattgefunden hätten und keine Festlegungen erfolgt seien, habe er davon ausgehen müssen, dass Personalgespräche weiterhin spätestens fünf Jahre vor der Zurruhesetzung geführt würden. Das bedeute, dass die personalführende/-bearbeitende Dienststelle ihm nunmehr die Festlegung der Altersgrenze fünf Jahre vor deren Erreichen mitzuteilen habe. Da er wisse, dass ein Berufssoldat bis zum 60. Lebensjahr der Wehrüberwachung unterliege und aus dienstlichen Gründen von einer Versetzung in den Ruhestand bis zu diesem Zeitpunkt abgesehen werden könne, sei ihm, dem Antragsteller, durch die Bekanntgabe des Ruhestandstermins lediglich ein Jahr vor der Zurruhesetzung ein Nachteil entstanden. Er sei bis zum 31. Januar 2008 nicht in der Lage, seine persönlichen und familiären Belange zu planen. Das Rechtsstaatsprinzip des Grundgesetzes verlange deshalb eine „zeitliche Heilung (Verlängerung der Dienstzeit auf fünf Jahre)“ und eine „laufbahnrechtliche Schadlosstellung“.

9 Der Antragsteller beantragt,
1. die Feststellung, dass das Schreiben des Bundesministers der Verteidigung - PSZ I 7 - Az.: ... - vom 10. August 2007 vom Wesen her keine Antwort auf seine Untätigkeitsbeschwerde vom 5. Juli 2007 ist;
2. die Feststellung, dass die Unterlassung des Personalgesprächs fünf Jahre vor der voraussichtlichen Zurruhesetzung rechtswidrig gewesen ist;
3. die - für alle von dieser Maßnahme betroffenen Soldaten geltende - Feststellung, dass durch die Nichtdurchführung dieses Personalgesprächs eine fortgesetzte faktische Rechtsbeeinträchtigung hinsichtlich des Anhörungsrechts betrieben wird;
4. die Feststellung, dass seine Dienstzeit neu festgesetzt wird (Fünf-Jahresfrist bis zur Zurruhesetzung);
5. die Feststellung, dass eine laufbahnrechtliche Schadlosstellung erfolgen muss; sowie
6. die Feststellung, dass das Beschwerdeverfahren durch den Bundesminister der Verteidigung - PSZ I 7 - zeitlich verschleppt wurde.

10 Der Bundesminister der Verteidigung - PSZ I 7 - beantragt,
die Anträge zurückzuweisen.

11 Er hält die Anträge allesamt für offensichtlich unzulässig.

12 Das Gericht hat die Beteiligten mit Schreiben vom 25. Oktober 2007 zu der Absicht angehört, den Rechtsstreit, soweit er die Beendigung des Dienstverhältnisses des Antragstellers und dessen Beförderung betrifft, an das Schleswig-Holsteinische Verwaltungsgericht zu verweisen. Der Bundesminister der Verteidigung - PSZ I 7 - hat der Verweisung zugestimmt. Der Antragsteller hat die Kopie eines Bescheids der Stammdienststelle der Bundeswehr vom 1. November 2007, mit dem seine Anträge auf Verlängerung der Dienstzeit bis 31. Mai 2012 und auf Beförderung zum Oberbootsmann zurückgewiesen wurden, sowie - nachrichtlich - seine hiergegen gerichtete Beschwerde vom 9. November 2007 übermittelt.

13 Der Senat hat mit Beschluss vom 15. November 2007 das Verfahren hinsichtlich der Anträge Nr. 4 und Nr. 5 von dem Verfahren BVerwG 1 WB 29.07 abgetrennt. Dieser abgetrennte Teil des Begehrens des Antragstellers ist Gegenstand des vorliegenden, unter dem Aktenzeichen BVerwG 1 WB 40.07 fortgeführten Verfahrens.

14 Wegen des Vorbringens im Einzelnen wird auf den Inhalt der zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze und der Akten Bezug genommen. Die Beschwerdeakte des Bundesministers der Verteidigung - PSZ I 7 - Az.: 561/07 - sowie die Personalgrundakte des Antragstellers haben dem Senat bei der Beratung vorgelegen.

II

15 Für die abgetrennten Feststellungsanträge, die die Neufestsetzung der Dienstzeit des Antragstellers (Antrag Nr. 4) und seine „laufbahnrechtliche Schadlosstellung“ (Antrag Nr. 5) im Sinne einer Beförderung betreffen, ist der Rechtsweg nicht zu den Wehrdienstgerichten, sondern zu den allgemeinen Verwaltungsgerichten eröffnet.

16 Nach § 82 Abs. 1 SG ist für Klagen der Soldaten aus dem Wehrdienstverhältnis der Verwaltungsrechtsweg gegeben, soweit nicht ein anderer Rechtsweg gesetzlich vorgeschrieben ist. Dies ist gemäß § 17 Abs. 1 Satz 1 WBO für die Fälle vorgesehen, in denen Gegenstand der Beschwerde des Soldaten eine Verletzung seiner Rechte oder von Pflichten eines Vorgesetzten ihm gegenüber ist, die im Zweiten Unterabschnitt des Ersten Abschnitts des Soldatengesetzes mit Ausnahme der §§ 24, 25, 30 und 31 geregelt sind. Die Wehrdienstgerichte haben hiernach über die Verletzung solcher Rechte und Pflichten zu entscheiden, die auf dem Verhältnis der militärischen Über- und Unterordnung beruhen, also in truppendienstlichen Angelegenheiten (stRspr, vgl. Beschluss vom 6. April 2005 - BVerwG 1 WB 61.04 - NZWehrr 2005, 212 <insoweit nicht veröffentlicht> m.w.N.). Für die Bestimmung, ob es sich um eine truppendienstliche Angelegenheit oder um eine Verwaltungsangelegenheit handelt, für die der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten eröffnet ist, muss auf die wahre Natur des geltend gemachten Anspruchs und auf die daraus abzuleitende Rechtsfolge abgestellt werden (Beschlüsse vom 15. Mai 2003 - BVerwG 1 WB 7.03 - m.w.N. und vom 6. April 2005 a.a.O.).

17 Die vom Antragsteller begehrte Feststellung, dass seine Dienstzeit - mit dem Ziel einer Fortsetzung des Dienstverhältnisses als Berufssoldat - neu festzusetzen sei (Antrag Nr. 4), betrifft eine Materie, die nicht im Zweiten Unterabschnitt des Ersten Abschnitts, sondern im Zweiten Abschnitt des Soldatengesetzes geregelt ist. Dasselbe gilt für die vom Antragsteller begehrte Feststellung, dass eine „laufbahnrechtliche Schadlosstellung“ erfolgen müsse (Antrag Nr. 5), soweit dies in Form einer Beförderung geschehen soll; dass es dem Antragsteller auch und wohl in erster Linie darum geht, befördert zu werden, ergibt sich aus seinem Schreiben vom 10. Mai 2007, in dem er die beanspruchte „laufbahnrechtliche Schadlosstellung“ mit dem Zusatz „Beförderung zum OStBtsm A9mZ mit KW-Vermerk auf vorhandenem DP bis DZE 2012 (ggf. rückwirkend)“ erläuterte. Beide Begehren betreffen somit keine truppendienstliche Angelegenheiten, sondern den Status des Antragstellers. Für Streitigkeiten über das Dienstverhältnis, dessen Begründung oder dessen Dauer sowie für Beförderungsstreitigkeiten sind nicht die Wehrdienstgerichte, sondern die allgemeinen Verwaltungsgerichte sachlich zuständig (stRspr, vgl. z.B. Beschlüsse vom 6. November 1995 - BVerwG 1 WB 91.95 - DokBer B 1996, 75, vom 15. Mai 2003 a.a.O. und vom 6. April 2005 a.a.O.).

18 Nachdem der Antragsteller und der Bundesminister der Verteidigung - PSZ I 7 - sowie der Bundeswehrdisziplinaranwalt mit Schreiben vom 25. Oktober 2007 gemäß § 17a Abs. 2 Satz 1 GVG hierzu angehört worden sind, ist der Rechtsstreit gemäß § 21 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 18 Abs. 3 WBO an das gemäß § 52 Nr. 4 Satz 1 VwGO örtlich und sachlich zuständige Schleswig-Holsteinische Verwaltungsgericht in Schleswig (§ 1 Abs. 1 <schleswig-holsteinisches> Ausführungsgesetz zur Verwaltungsgerichtsordnung vom 6. März 1990, GVOBl. Schl.-H. S. 226) zu verweisen. Der für Klagen im Sinne des § 52 Nr. 4 VwGO maßgebliche „dienstliche Wohnsitz“ ist entsprechend § 15 Abs. 1 Satz 2 BBesG bei einem Soldaten sein Standort. Die Legaldefinition des dienstlichen Wohnsitzes in § 15 BBesG ist auch im Rahmen des § 52 Nr. 4 VwGO maßgeblich (Beschlüsse vom 15. Mai 2003 a.a.O. und vom 6. April 2005 a.a.O.).

19 Über die Verweisung kann der Senat in der Besetzung ohne ehrenamtliche Richter entscheiden (Beschluss vom 17. Januar 2006 - BVerwG 1 WB 3.05 - Buchholz 450.1 § 21 WBO Nr. 3 <insoweit nicht abgedruckt>).