Verfahrensinformation

Die Klägerin ist Mitglied der Scientology-Kirche Deutschland. Sie betreibt in Bayern ein Wickelstudio, in dem sie unter anderem Vitaminpräparate anbot, die sie von einem Unternehmen in Kiel bezog. Dieses Unternehmen forderte die Klägerin auf, eine vorformulierte Erklärung des Inhalts zu unterzeichnen und zurückzusenden, dass sie - die Klägerin - nicht nach der Technologie von L. Ron Hubbard (dem Begründer der Scientology) arbeite, in dieser Technologie nicht geschult werde, keine Kurse und/oder Seminare nach dieser Technologie besuche und die Technologie von Ron L. Hubbard zur Führung ihres Unternehmens ablehne. Diese vorformulierte Erklärung (so genannte Technologie-Erklärung) hatte die Beklagte, die Freie und Hansestadt Hamburg, dem Unternehmen überlassen. Die Beklagte stellt diese Technologie-Erklärung im Rahmen ihrer Beratung über angenommene Gefahren der Scientology-Bewegung allen Interessierten namentlich für eine Verwendung als Schutzerklärung gegenüber Geschäftspartnern zur Verfügung. Die Klägerin unterzeichnete die ihr übersandte Erklärung nicht; das Unternehmen stellte darauf hin seine Geschäftsbeziehungen zu ihr ein. Auf ihre Klage hat das Oberverwaltungsgericht im Berufungsverfahren die beklagte Freie und Hansestadt Hamburg verurteilt, es zu unterlassen, die so genannte Technologie-Erklärung Firmen oder Personen zur Verfügung zu stellen, die eine geschäftsschädigende Beeinträchtigung ihres Rufes befürchten, wenn ihre Waren von Scientologen vertrieben werden. Das Oberverwaltungsgericht hat den Unterlassungsanspruch aus dem Grundrecht der Glaubensfreiheit der Klägerin hergeleitet. Im Revisionsverfahren werden die Grenzen zu klären sein, die das Grundgesetz dem Staat bei seiner Informationstätigkeit über die Aktivitäten von Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften setzt.


Pressemitteilung Nr. 66/2005 vom 15.12.2005

Hamburg darf Erklärung zum Schutz vor Scientologen nicht an Unternehmen weitergeben

Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat heute entschieden, dass die Freie und Hansestadt Hamburg nicht befugt ist, Dritten zur Verwendung im Geschäftsverkehr vorformulierte Erklärungen zu überlassen, die den Geschäftspartner des Dritten zur Auskunft über seine Beziehungen zur Scientology veranlassen sollen.


Die Klägerin ist Mitglied der Scientology-Kirche Deutschland. Sie betreibt ein Wickelstudio, in dem sie unter anderem Vitaminpräparate anbot, die sie von einem Unternehmen in Schleswig-Holstein bezog. Dieses Unternehmen forderte die Klägerin auf, eine vorformulierte Erklärung des Inhalts zu unterzeichnen, dass sie - die Klägerin - nicht nach der Technologie von L. Ron Hubbard (dem Begründer der Scientology) arbeite, in dieser Technologie nicht geschult werde, keine Kurse und/oder Seminare nach dieser Technologie besuche und die Technologie von L. Ron Hubbard zur Führung ihres Unternehmens ablehne. Die Beklagte, die Freie und Hansestadt Hamburg, stellt diese vorformulierte Erklärung im Rahmen ihrer Beratung über angenommene Gefahren der Scientology-Bewegung allen Interessierten namentlich für eine Verwendung als Schutzerklärung gegenüber Geschäftspartnern zur Verfügung. Die Klägerin unterzeichnete die Erklärung nicht; das Unternehmen brach darauf hin seine Geschäftsbeziehungen zu ihr ab. Auf ihre Klage hat das Oberverwaltungsgericht die Beklagte verurteilt, es zu unterlassen, diese Erklärung Firmen oder Personen zur Verfügung zu stellen, die eine geschäftsschädigende Beeinträchtigung ihres Rufes befürchten, wenn ihre Waren von Scientologen vertrieben werden; es sah hierin einem Eingriff in die Glaubens- und Weltanschauungsfreiheit der Klägerin.


Das Bundesverwaltungsgericht hat die Revision der Beklagten zurückgewiesen: Die Herausgabe der "Schutzerklärung" an einzelne Interessenten könne nicht auf die Aufgabe der Staatsleitung und die aus ihr abgeleitete Ermächtigung zur Information und Warnung der Öffentlichkeit gestützt werden. Die Beklagte begnüge sich nicht damit, die Öffentlichkeit allgemein vor Gefahren zu warnen, die von einer Betätigung der Scientology-Bewegung im wirtschaftlichen Bereich drohen sollen. Sie sei vielmehr dazu übergegangen, die von ihr allgemein angenommenen Gefahren im konkreten Einzelfall zu bekämpfen, indem mit ihrer Hilfe die Geschäftsbeziehungen eines einzelnen Wirtschaftsunternehmens durch Verwendung der Schutzerklärung von Kontakten mit Scientologen freigehalten werden. Für einen solchen, der Behörde zuzurechnenden Eingriff in die Freiheit des Glaubens oder weltanschaulichen Bekenntnisses fehle es an der erforderlichen gesetzlichen Grundlage.


BVerwG 7 C 20.04 - Urteil vom 15.12.2005


Urteil vom 15.12.2005 -
BVerwG 7 C 20.04ECLI:DE:BVerwG:2005:151205U7C20.04.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Urteil vom 15.12.2005 - 7 C 20.04 - [ECLI:DE:BVerwG:2005:151205U7C20.04.0]

Urteil

BVerwG 7 C 20.04

  • OVG Hamburg - 17.06.2004 - AZ: OVG 1 Bf 198/00 -
  • Hamburgisches OVG - 17.06.2004 - AZ: OVG 1 Bf 198/00

In der Verwaltungsstreitsache hat der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
auf die mündliche Verhandlung vom 15. Dezember 2005
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht S a i l e r und
die Richter am Bundesverwaltungsgericht H e r b e r t , K r a u ß , N e u m a n n und G u t t e n b e r g e r
für Recht erkannt:

  1. Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Hamburgischen Oberverwaltungsgerichts vom 17. Juni 2004 wird zurückgewiesen.
  2. Die Beklagte trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.

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